Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 468/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 320/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gesetzlicher Richter, Gerichtsbescheid
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Magdeburg zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und das in dieser Zeit erzielte Entgelt festzustellen hat.
Dem am 1951 geborenen Kläger wurde mit Urkunde vom 1977 von der Hochschule für Verkehrswesen D. der akademische Grad eines Diplomingenieurs verliehen. Vom 1977 bis 1980 war der Kläger als B. f. P. bei der D. Reichsbahn, Gleisbaubetrieb M.beschäftigt. Ab 1981 bis.1989 war er als T. im VEB (K) H. Ha. tätig. Ab bis über den 1990 hinaus war er als M. I. im VEB Kombinat K., Endlager M. beschäftigt. Mit Bescheid vom 8. Mai 2006 stellte die Beklagte fest, dass bei dem Kläger "die Voraussetzungen des § 1 AAÜG" erfüllt seien. Weiterhin berücksichtigte sie die Zeit vom 1977 bis 1980 sowie die Zeit vom 1990 bis 1990 als Zeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und stellte die maßgeblichen Entgelte fest. Die Anerkennung der Zeit vom 1981 bis 1989 lehnte sie mit der Begründung ab, dass die Beschäftigung in dieser Zeit nicht im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems – volkseigener Produktionsbetrieb – ausgeübt worden sei. Hiergegen legte der Kläger am 22. Mai 2006 Widerspruch ein und führte aus, dass der Betrieb VEB (K) Hochbau H. mit über 95 Prozent seiner Kapazitäten Neubauten im Wohnungs-, Gesellschafts-, Industrie- und Straßenbau durchgeführt habe. Dabei legte er die Tätigkeit des Betriebes näher dar. Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers in die Wirtschaftsgruppe 20270 (Betriebe für Rekonstruktionsbaumaßnahmen und Modernisierung, Baureparaturbetriebe) eingeordnet gewesen sei. Damit habe ihm die industrielle Fertigung von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Sein Hauptzweck sei auch nicht die Massenproduktion von Bauwerken gewesen. Hiergegen hat der Kläger am 25. Juli 2007 Klage erhoben und beantragt, die Zeit von 1981 bis 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen. Zur Begründung hat er seine bisherigen Ausführungen weiter vertieft. Bei seinen Kollegen sei die Zusatzversorgung auch anerkannt worden. Weiter hat der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts B 4 RA 47/05 R aufmerksam gemacht. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es nach Auffassung der Kammer neben den durch das Bundessozialgericht definierten Kriterien darauf ankomme, dass die "Personen der technischen Intelligenz" auch noch zu jenem Zeitpunkt durch rechtsmittelfähigen Beschluss in die Zusatzversorgung einbezogen werden konnten. Dies sei am 30. Juni 1990 angesichts der tiefgreifenden Veränderungen geradezu ausgeschlossen gewesen. Man beabsichtige daher, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Dem Kläger wurde insoweit eine Frist von 3 Wochen zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2007 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe bis zur Schließung der Altersversorgung der technischen Intelligenz keine Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der Zusatzversorgung durch seine berufliche Tätigkeit erworben. Dies behaupte der Kläger auch nicht; vielmehr berufe er sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, bei einem möglichen Leistungsfall bis Ende Juni 1990 eine Rente aus der AVI tech zu erhalten. Weder habe eine entsprechende Verwaltungspraxis in der DDR existiert noch sei eine Einbeziehung angesichts der durchgreifenden Veränderungen in der DDR zu jener Zeit denkbar gewesen. Gegen den ihm am 19. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. August 2007 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie hat jedoch ausgeführt, dass sie von einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip des gesetzlichen Richters ausgehe und ihrer Auffassung nach eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die 1. Instanz erfolgen sollte. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten lag vor und war Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senates.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.). Die Entscheidung des Sozialgerichts leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (dazu unter a-c).
a) Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es den Kläger seinem gesetzlichen Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R – SozR 4 - 1500 § 105 Nr. 1). Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Sachverhalt ist geklärt, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 34) und aufgrund fehlender Aufklärungsmöglichkeiten keine Beweislastentscheidung getroffen werden muss. Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem Sozialgericht ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a. a. O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40). Das Landessozialgericht kann im Allgemeinen nur prüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sind. Zu den Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid enthält die angefochtene Entscheidung keinerlei Ausführungen. Es ist dem Gerichtsbescheid nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen, ob sich die Kammer der Voraussetzungen für eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid überhaupt bewusst gewesen ist. Dies wiegt umso schwerer, als das Sozialgericht scheinbar sogar bewusst von der ihm bekannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht, wonach eine fiktive Einbeziehung möglich ist. Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat für die Fälle des § 5 AAÜG angeschlossen (Urteil vom 23. November 2006 – L 1 RA 243/03 –), so dass die Rechtslage in der DDR am 30. Juni 1990 unerheblich sein könnte. Zwar ist das Sozialgericht nicht an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Allerdings lag dann eine besondere Schwierigkeit rechtlicher Art vor, die eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid unzulässig machte. Dieser Besetzungsmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
b) Zudem hat das Sozialgericht seine Entscheidung, mittels Gerichtsbescheid zu entscheiden, nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG zu begründen. Dies hat es hier nicht getan. Denn Entscheidungsgründe fehlen schon, wenn sogar nur zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zu dem Entscheidungsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (BSG, Urteil vom 15. November 1988 – 4/11 a RA 20/87 – SozR 1500 § 136 Nr. 10; BSG, Urteil vom 3. Mai 1984 – 11 BA 188/83 – SozR 1500 § 136 Nr. 8; Pawlak in Hennig, SGG, § 136 Rdnr. 71 m. w. N.). Es liegt ein grober Verfahrensfehler vor, wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, auf Grund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist (BGH, Urteil vom 7. März 2001 – X ZR 176/99 – BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 32). Schon verfassungsrechtlich ist eine Begründung jedenfalls dann geboten, wenn ein Gericht von dem eindeutigen Wortlaut (hier: "keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art") oder von der höchstrichterlichen Auslegung einer Norm abweicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 1985 – 2 BvR 1434/83 – BVerfGE 71, 122, S. 135 f.). Das ist gerade deshalb erforderlich, weil die Gerichte nur dem Gesetz unterworfen sind und bei der Auslegung und Anwendung von Normen weder einer vorherrschenden Meinung folgen noch den von einem übergeordneten Gericht vertretenen Standpunkt zugrunde legen müssen, sondern ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gebundenheit des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt das Willkürverbot, dass die eigene Auffassung begründet wird (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1995 – 1 BvR 1506/93 – NJW 1995, S. 2911). Dieser Fehler ist auch wesentlich, da es ohne weiteres denkbar ist, dass das Sozialgericht bei dem Versuch der Begründung seiner Entscheidung auch die damit verbundenen Probleme anders gesehen hätte und dementsprechend zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.
c) Weiterhin ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur zulässig, wenn die Beteiligten zuvor gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ordnungsgemäß angehört worden sind. Dies gewährleistet der Grundsatz auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art. 103 Abs. 1 GG). Aus der Anhörungsmitteilung muss zu entnehmen sein, dass Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise gegeben wird.
Die hier vorgenommene Anhörung ist verfahrensfehlerhaft. Denn sie muss klarstellen, dass das Gericht im konkreten Fall vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG ausgeht und eine mündliche Verhandlung nicht beabsichtigt ist. Die Voraussetzungen des § 105 SGG werden in dem Anhörungsschreiben nicht erwähnt. Es ist vorstellbar, dass bei einer ordnungsgemäßen Anhörung überzeugende Gründe für eine Entscheidung mit ehrenamtlichen Richtern vorgetragen worden wären und die Entscheidung mit diesen anders ausgefallen wäre.
Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Dabei geht der Senat davon aus, dass angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht ausgeschlossen ist, dass die Klage Erfolg hat.
Angesichts der ganz erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens, der fehlenden Entscheidungsreife und auch des Umstandes, dass der Kläger selbst Wert auf eine persönliche Anhörung gelegt hat, hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Das Sozialgericht wird auch zu prüfen haben, ob ein weiteres Gerichtsverfahren des Klägers rechtshängig ist und welche Schlüsse hieraus ggf. zu ziehen sind.
Es wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und das in dieser Zeit erzielte Entgelt festzustellen hat.
Dem am 1951 geborenen Kläger wurde mit Urkunde vom 1977 von der Hochschule für Verkehrswesen D. der akademische Grad eines Diplomingenieurs verliehen. Vom 1977 bis 1980 war der Kläger als B. f. P. bei der D. Reichsbahn, Gleisbaubetrieb M.beschäftigt. Ab 1981 bis.1989 war er als T. im VEB (K) H. Ha. tätig. Ab bis über den 1990 hinaus war er als M. I. im VEB Kombinat K., Endlager M. beschäftigt. Mit Bescheid vom 8. Mai 2006 stellte die Beklagte fest, dass bei dem Kläger "die Voraussetzungen des § 1 AAÜG" erfüllt seien. Weiterhin berücksichtigte sie die Zeit vom 1977 bis 1980 sowie die Zeit vom 1990 bis 1990 als Zeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz und stellte die maßgeblichen Entgelte fest. Die Anerkennung der Zeit vom 1981 bis 1989 lehnte sie mit der Begründung ab, dass die Beschäftigung in dieser Zeit nicht im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems – volkseigener Produktionsbetrieb – ausgeübt worden sei. Hiergegen legte der Kläger am 22. Mai 2006 Widerspruch ein und führte aus, dass der Betrieb VEB (K) Hochbau H. mit über 95 Prozent seiner Kapazitäten Neubauten im Wohnungs-, Gesellschafts-, Industrie- und Straßenbau durchgeführt habe. Dabei legte er die Tätigkeit des Betriebes näher dar. Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers in die Wirtschaftsgruppe 20270 (Betriebe für Rekonstruktionsbaumaßnahmen und Modernisierung, Baureparaturbetriebe) eingeordnet gewesen sei. Damit habe ihm die industrielle Fertigung von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Sein Hauptzweck sei auch nicht die Massenproduktion von Bauwerken gewesen. Hiergegen hat der Kläger am 25. Juli 2007 Klage erhoben und beantragt, die Zeit von 1981 bis 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen. Zur Begründung hat er seine bisherigen Ausführungen weiter vertieft. Bei seinen Kollegen sei die Zusatzversorgung auch anerkannt worden. Weiter hat der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts B 4 RA 47/05 R aufmerksam gemacht. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 hat das Sozialgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es nach Auffassung der Kammer neben den durch das Bundessozialgericht definierten Kriterien darauf ankomme, dass die "Personen der technischen Intelligenz" auch noch zu jenem Zeitpunkt durch rechtsmittelfähigen Beschluss in die Zusatzversorgung einbezogen werden konnten. Dies sei am 30. Juni 1990 angesichts der tiefgreifenden Veränderungen geradezu ausgeschlossen gewesen. Man beabsichtige daher, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Dem Kläger wurde insoweit eine Frist von 3 Wochen zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2007 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe bis zur Schließung der Altersversorgung der technischen Intelligenz keine Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der Zusatzversorgung durch seine berufliche Tätigkeit erworben. Dies behaupte der Kläger auch nicht; vielmehr berufe er sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, bei einem möglichen Leistungsfall bis Ende Juni 1990 eine Rente aus der AVI tech zu erhalten. Weder habe eine entsprechende Verwaltungspraxis in der DDR existiert noch sei eine Einbeziehung angesichts der durchgreifenden Veränderungen in der DDR zu jener Zeit denkbar gewesen. Gegen den ihm am 19. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. August 2007 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie hat jedoch ausgeführt, dass sie von einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Prinzip des gesetzlichen Richters ausgehe und ihrer Auffassung nach eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die 1. Instanz erfolgen sollte. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte der Beklagten lag vor und war Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senates.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.). Die Entscheidung des Sozialgerichts leidet an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln (dazu unter a-c).
a) Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Regelung 2 SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es den Kläger seinem gesetzlichen Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 125 SGG). Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens, der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R – SozR 4 - 1500 § 105 Nr. 1). Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Sachverhalt ist geklärt, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 34) und aufgrund fehlender Aufklärungsmöglichkeiten keine Beweislastentscheidung getroffen werden muss. Bei der Frage, ob ein schwieriger Fall vorliegt, steht dem Sozialgericht ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, a. a. O.; Pawlak in Hennig, SGG, § 105 Rdnr. 40). Das Landessozialgericht kann im Allgemeinen nur prüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sind. Zu den Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid enthält die angefochtene Entscheidung keinerlei Ausführungen. Es ist dem Gerichtsbescheid nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen, ob sich die Kammer der Voraussetzungen für eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid überhaupt bewusst gewesen ist. Dies wiegt umso schwerer, als das Sozialgericht scheinbar sogar bewusst von der ihm bekannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht, wonach eine fiktive Einbeziehung möglich ist. Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat für die Fälle des § 5 AAÜG angeschlossen (Urteil vom 23. November 2006 – L 1 RA 243/03 –), so dass die Rechtslage in der DDR am 30. Juni 1990 unerheblich sein könnte. Zwar ist das Sozialgericht nicht an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Allerdings lag dann eine besondere Schwierigkeit rechtlicher Art vor, die eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid unzulässig machte. Dieser Besetzungsmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
b) Zudem hat das Sozialgericht seine Entscheidung, mittels Gerichtsbescheid zu entscheiden, nach § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG zu begründen. Dies hat es hier nicht getan. Denn Entscheidungsgründe fehlen schon, wenn sogar nur zu einem entscheidungserheblichen Streitpunkt die Erwägungen, die das Gericht zu dem Entscheidungsausspruch geführt haben, dem Urteil selbst nicht zu entnehmen sind (BSG, Urteil vom 15. November 1988 – 4/11 a RA 20/87 – SozR 1500 § 136 Nr. 10; BSG, Urteil vom 3. Mai 1984 – 11 BA 188/83 – SozR 1500 § 136 Nr. 8; Pawlak in Hennig, SGG, § 136 Rdnr. 71 m. w. N.). Es liegt ein grober Verfahrensfehler vor, wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, auf Grund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist (BGH, Urteil vom 7. März 2001 – X ZR 176/99 – BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 32). Schon verfassungsrechtlich ist eine Begründung jedenfalls dann geboten, wenn ein Gericht von dem eindeutigen Wortlaut (hier: "keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art") oder von der höchstrichterlichen Auslegung einer Norm abweicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 1985 – 2 BvR 1434/83 – BVerfGE 71, 122, S. 135 f.). Das ist gerade deshalb erforderlich, weil die Gerichte nur dem Gesetz unterworfen sind und bei der Auslegung und Anwendung von Normen weder einer vorherrschenden Meinung folgen noch den von einem übergeordneten Gericht vertretenen Standpunkt zugrunde legen müssen, sondern ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gebundenheit des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt das Willkürverbot, dass die eigene Auffassung begründet wird (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1995 – 1 BvR 1506/93 – NJW 1995, S. 2911). Dieser Fehler ist auch wesentlich, da es ohne weiteres denkbar ist, dass das Sozialgericht bei dem Versuch der Begründung seiner Entscheidung auch die damit verbundenen Probleme anders gesehen hätte und dementsprechend zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.
c) Weiterhin ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur zulässig, wenn die Beteiligten zuvor gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ordnungsgemäß angehört worden sind. Dies gewährleistet der Grundsatz auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG; Art. 103 Abs. 1 GG). Aus der Anhörungsmitteilung muss zu entnehmen sein, dass Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise gegeben wird.
Die hier vorgenommene Anhörung ist verfahrensfehlerhaft. Denn sie muss klarstellen, dass das Gericht im konkreten Fall vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG ausgeht und eine mündliche Verhandlung nicht beabsichtigt ist. Die Voraussetzungen des § 105 SGG werden in dem Anhörungsschreiben nicht erwähnt. Es ist vorstellbar, dass bei einer ordnungsgemäßen Anhörung überzeugende Gründe für eine Entscheidung mit ehrenamtlichen Richtern vorgetragen worden wären und die Entscheidung mit diesen anders ausgefallen wäre.
Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits miteinander abgewogen. Dabei geht der Senat davon aus, dass angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht ausgeschlossen ist, dass die Klage Erfolg hat.
Angesichts der ganz erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens, der fehlenden Entscheidungsreife und auch des Umstandes, dass der Kläger selbst Wert auf eine persönliche Anhörung gelegt hat, hat sich der Senat für eine Zurückverweisung entschieden. Das Sozialgericht wird auch zu prüfen haben, ob ein weiteres Gerichtsverfahren des Klägers rechtshängig ist und welche Schlüsse hieraus ggf. zu ziehen sind.
Es wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht.
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