L 1 R 91/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 RA 52/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 91/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Das AAÜG ist nur dann anwendbar, wenn eine konkrete Zusage auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem (hier: zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) vorliegt.

2. Das AAÜG hat nämlich den Kreis der „potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten“ Personen nicht erweitert und das Neueinbeziehungsverbot nicht modifiziert (entgegen BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2).

3. Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich eine Erweiterung der Anwendbarkeit des AAÜG auf Personen, die am 30. Juni 1990 einen Anspruch auf Einbeziehung bzw. auf eine Versorgungszusage gehabt hätten, nicht begründen, da eine Ungleichbehandlung zu der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personengruppe nicht gegen Art. 3 GG verstößt.
Das Urteil des Sozialgerichtes Halle vom 19. Januar 2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Der Kläger studierte ab an der Universität. Nachdem er die Hauptprüfung an der Sektion in der Fachstudienrichtung abgelegt hatte, war der Kläger berechtigt, die Berufsbezeichnung "Hochschulingenieur" zu führen (siehe Zeugnis der Universität , undatiert). Mit Urkunde der Universität vom wurde dem Kläger nach Durchlaufen des Diplomverfahrens außerdem der akademische Grad "Diplom-Meliorationsingenieur" verliehen. In den beiden Ausweisen des Klägers für Arbeit und Sozialversicherung (SVA, wegen des hier interessierenden Inhaltes des SVA wird auf Blatt 381-391 der Gerichtsakte verwiesen) wurde auf S. 5 in einer Tabelle "Hoch- und Fachschulbildung/Fachrichtung" in der Spalte "Abschluss als" jeweils "Diplom-Mel.Ing" bzw. "Dipl. Mel. Ing." angegeben.

Ab arbeitete der Kläger im VEB (siehe SVA; liegt im ehemaligen Bezirk , nunmehr Land ). Nach dem Arbeitsvertrag vom übte er die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Arbeitsaufgabe "Abteilung Wissenschaft/Technik, Information/Dokumentation" aus. Wegen des sonstigen Inhaltes des Arbeitsvertrages wird auf Blatt 21 der Gerichtsakte verwiesen. Nach einer "Zwischeneinschätzung" vom 19xx, die u. a. vom Abteilungsleiter unterzeichnet wurde, war der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers die Aufbereitung von Informationen für Forschung und Entwicklungsaufgaben. Er qualifiziere sich auf dem Gebiet im Rahmen eines Fernkurses der Kammer der Technik (Information/Dokumentation Grundkurs A) und arbeite nach einem Ingenieurpass (wegen der weiteren Angaben in der "Zwischeneinschätzung" wird auf Blatt 130 der Gerichtsakte verwiesen). Ab 19xx übernahm der Kläger die Tätigkeit als Leiter der I. (siehe Änderungsvertrag vom 19xx, wegen des übrigen Inhaltes des Änderungsvertrages wird auf Blatt 23 der Gerichtsakte verwiesen) und ab 19xx die Arbeitsaufgabe als Leiter der Informations- und Dokumentationsstelle (wegen des übrigen Inhaltes des Änderungsvertrages wird auf Blatt 24 der Gerichtsakte verwiesen). Aus einer Beschreibung der Arbeitsaufgabe des Leiters der I. geht hervor, dass dieser der Abteilung Forschungsvorbereitung und Kontrolle, langfristige Planung und IZ zugeordnet war (wegen des übrigen Inhaltes der Beschreibung wird auf Blatt 25 der Gerichtsakte verwiesen). Ab 19xx galt ein neuer Funktionsplan. Die Funktion wurde nun als Informationsstellenleiter bezeichnet (zu den Einzelheiten siehe Blatt 83, 84 der Gerichtsakte, auf die verwiesen wird). Der Funktionsplan wurde im 19xx ergänzt (siehe Blatt 26, 46 der Gerichtsakte, auf die verwiesen wird). Danach umfasste die Aufgabe als I. ab 19xx auch die Tätigkeit als Lizenzbeauftragter des Betriebes. Im 19xx schätzte der Direktor für Forschung und Entwicklung die Tätigkeit des Klägers als Leiter der Informationsstelle ein (siehe Blatt 27 der Gerichtsakte, auf das verwiesen wird).

Als Autor eines Artikels, der in der Fachzeitschrift " " erschienen war und in einem mit "Deckblatt zum Forschungs- und Entwicklungsbericht" betitelten Schreiben vom 19x wird der Kläger als "Dipl.-Mel.-Ing." bezeichnet (siehe Blatt 209 und 48-52 der Gerichtsakte, auf die verwiesen wird). Im 19xx wurde ein Personalbogen über den Kläger angelegt. Dort wird unter der Rubrik "akadem. Grad" der Titel "Diplom-Meliorationsingenieur" angegeben. Wegen des weiteren Inhaltes des Personalbogens wird auf Blatt 20 der Gerichtsakte verwiesen.

In einer schriftlichen Stellungnahme zu einer Kündigungsschutzklage des Klägers im Sommer 19xx führte der damalige Direktor des Betriebes, Herr , wörtlich aus: "Eine Tätigkeit (des Klägers) direkt in der Produktion halte ich für nicht zumutbar" (wegen des weiteren Inhaltes der Stellungnahme wird auf Blatt 28 der Gerichtsakte verwiesen).

In der am 19xx vom Vorsitzenden des Rates für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik erlassenen Weisung über die Bildung des VEB werden in Pkt. II. die Hauptaufgaben des Betriebes beschrieben (wegen des Inhaltes der Weisung und insb. Pkt. II. wird auf Blatt 138-143 der Gerichtsakte verwiesen). Der Betrieb wurde entsprechend der Weisung als VEB der volkseigenen Wirtschaft des Bezirkes unter der Registernummer eingetragen. Der Betrieb war dem unterstellt (auf den Registerauszug auf Blatt 135-137 der Gerichtsakte wird verwiesen). 1980 wurde der Betrieb dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft Berlin unterstellt. Gemäß einer Gründungsanweisung des VEB 19xx erlosch die Rechtsfähigkeit des VEB am 19xx.

Der VEB wurde dann Rechtsnachfolger des VEB (siehe Registerauszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zur Registernummer Blatt 243 und 244 der Gerichtsakte, auf die verwiesen wird). Der VEB war ebenfalls dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft unterstellt. Der Betrieb hatte die Betriebsnummer. Aus einem Auszug aus dem statistischen Betriebsregister der DDR geht hervor, dass der Betrieb der Wirtschaftsgruppe 1 551 0 zugeordnet gewesen ist. Diese Wirtschaftsgruppe stand nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige für den Landmaschinenbau. Näher wird die Wirtschaftsgruppe wie folgt beschrieben: Herstellung von Maschinen für Bodenbearbeitung, Aussaat, Düngung, Pflanzenschutz, Ernte- und Nachfolgebehandlung von Hackfrüchten, Getreide und Halmfutter, Maschinen und Ausrüstungen für die Produktion von Obst, Gemüse, Zierpflanzen, Baumschulen, für die Melioration und die landwirtschaftliche Viehhaltung, Baugruppen, Einzelteilen und Ersatzteilen für Landmaschinen.

Wegen Werbeunterlagen, die zu Erzeugnissen des VEB und des VEB gefertigt worden sind, wird auf Blatt 204-209 der Gerichtsakte verwiesen. Im März 1990 schrieb der Direktor des VEB an eine GmbH in Berlin und übersandte eine "Kurzfassung des Leistungsspektrums" des Betriebes. Wegen des Inhaltes wird auf Blatt 310, 311 der Gerichtsakte verwiesen.

Am 8. März 1990 trat in der DDR die Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 1. März 1990 (UmwandlungsVO) in Kraft (GBl. I S. 107).

Am 30. Mai 1990 erstellte der Direktor des Betriebes einen "Gründungsbericht zur Umwandlung des VEB in die Maschinen- und Stahlbau GmbH " gem. § 5 Abs. 1 UmwandlungsVO. Darin machte er Angaben zur Entwicklung des Vorgängerbetriebes, des VEB seit und zum Erzeugnisprofil des Betriebes, teilte Planungsziffern mit und stellte Überlegungen zur möglichen Entwicklung des Betriebes an. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 260-270 der Gerichtsakte verwiesen.

Am 6. Juni 1990 wurde die Umwandlung des VEB in die Maschinen- und Stahlbau GmbH erklärt und notariell beurkundet. Außerdem wurde die Maschinen- und Stahlbau GmbH errichtet. Dabei wurden der Gesellschaftsvertrag der GmbH, eine auf den 30. April 1990 datierte Abschlussbilanz des VEB vom 20. Mai 1990, eine Aufstellung über die Forderungen des Betriebes per 30. April 1990 und eine Bilanzbrücke zur Eröffnungsbilanz per 1. Mai 1990 vorgelegt. In der Umwandlungserklärung wurde u. a. erklärt, dass das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des VEB zur Durchführung der Umwandlung mit Stichtag vom 1. Juni 1990 auf die Maschinen- und Stahlbau GmbH unter Zugrundelegung der Bilanz zum 30. April 1990 übertragen werde. Am 6. Juni 1990 wurde weiterhin ein Gründungsbericht über den Hergang der Gründung der Maschinen- und Stahlbau GmbH erstellt. Als Anlage wurde die Eröffnungsbilanz per 1. Mai 1990 beigefügt. Wegen des weiteren Inhalts der Umwandlungserklärung, des Gesellschaftsvertrages, der Abschlussbilanz, der Bilanzbrücke, der Eröffnungsbilanz, der Aufstellung über die Forderungen des Betriebes und des Gründungsberichtes über den Hergang der Errichtung der GmbH wird auf Blatt 253-259 und 272-287 der Gerichtsakte verwiesen.

In der Jahresabschlussbilanz der Maschinen- und Stahlbau GmbH zum 31. Dezember 1990 finden sich in einem Anhang Angaben zu den Beschäftigungszahlen am 1. Juli 1990 mit einer Aufschlüsselung nach Produktionsarbeitern und übrige Beschäftigte. Zur Jahresabschlussbilanz 1990 wurde außerdem ein Lagebericht erstellt. Darin finden sich ebenfalls Angaben zur Beschäftigungsstruktur der GmbH am 1. Juli 1990, zur Produktion im Jahr 1990 und die Mitteilung, dass die GmbH am 5. Oktober 1990 in das Handelsregister eingetragen worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 294, 296-299 der Gerichtsakte verwiesen.

Eine positive Versorgungszusage hat der Kläger zu DDR-Zeiten nicht erhalten.

Am 6. Juli 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 4. August 2003 lehnte die Beklagte den Antrag für den Zeitraum vom bis 30. Juni 1990 ab. Die am 30. Juni 1990 im VEB ausgeübte Beschäftigung entspreche zwar der technischen Qualifikation, jedoch sei sie nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden, wie es die Versorgungsordnung bzw. die hierzu ergangene 2. Durchführungsbestimmung erfordere. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 28. August 2003 Widerspruch. Zur Begründung hat er ausgeführt, sein Beschäftigungsbetrieb sei einmal als Versorgungsbetrieb mit Versuchsstation, Musterbau, Konstruktionsbüro und Produktionsabteilung gegründet worden. Ab Ende der 70iger Jahre bis zur Schließung des Betriebes habe ihm eindeutig die materielle Produktion das Gepräge gegeben. Es sei eine Serienproduktion von Ent- und Bewässerungsmaschinen sowie von Landbautechnik durchgeführt worden. Bis zum Stichtag am 30. Juni 1990 hätten die Einnahmen aus der Produktion dieser Maschinenbauprodukte ca. 80 Prozent ausgemacht. Auch sei ihm bekannt, dass anderen Mitarbeitern des Betriebes die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem zuerkannt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Beim Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) und auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt.

Am 26. Januar 2004 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Halle erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, im VEB habe die Produktion (Serienproduktion von Ent- und Bewässerungsmaschinen sowie Landbautechnik) überwogen. Dafür spreche bereits, dass es einen Produktionsdirektor gegeben habe. Dieser habe auch Zusatzversorgungsansprüche von der Beklagten anerkannt bekommen, ebenso die im Betrieb beschäftigte Buchhalterin. Allein im Jahr 1989 sei eine industrielle Warenproduktion im Wert von 6 Millionen Mark der DDR abgerechnet worden. Dem hätten nur 2 Millionen Mark der DDR für Forschungsleistungen gegenüber gestanden. Auch aus einer schriftlichen Erklärung des ehemaligen Direktors des VEB , Herrn , vom 10. Februar 2004 ergebe sich, dass es sich bei dem Betrieb um einen Produktionsbetrieb gehandelt habe (wegen der Einzelheiten der Erklärung wird auf Blatt 11 der Gerichtsakte verwiesen). Es sei auch nicht hinnehmbar, dass die Beklagte, nach dem immer die Voraussetzungen einer ingenieurtechnischen Tätigkeit bejaht worden seien, nunmehr davon ausgehe, dass dies nicht der Fall sei. Seine Tätigkeit als Ingenieur und auch seine Tätigkeit als Abteilungsleiter Information/Dokumentation in einem relativ großen Betrieb wie dem VEB sei nicht in einen Teil Forschung und Entwicklung und einen Teil Produktion zu trennen. Seine Arbeit sei darauf gerichtet gewesen, Zuarbeiten zu einzelnen Forschungs- und Entwicklungsthemen zu leisten. Nach Abschluss dieser Forschungs- und Entwicklungsarbeiten seien die Ergebnisse, wie in jedem anderen Betrieb auch, in den Produktionsprozess überführt worden. Das Ziel seiner Tätigkeit bei der Mitarbeit in den einzelnen Forschungs- und Entwicklungsthemen sei es gewesen, Informationsmaterial für Weiter- bzw. Neuentwicklungen bereitzustellen und aufzuarbeiten. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass er Lizenzbeauftragter im Betrieb gewesen sei. Dies sei eindeutig eine ingenieurtechnische Tätigkeit gewesen. Dies ergebe sich aus dem Forschungs- und Entwicklungsbericht vom 8. Dezember 1989. Gerade die Tätigkeit als Lizenzbeauftragter habe auch unmittelbaren Einfluss auf die Tätigkeit und Ergebnisse der Abteilung Produktion im Betrieb gehabt. So seien nach den erarbeiteten Lizenzunterlagen Mustergeräte und Ersatzteile produziert worden. Dies habe dem Betrieb zusätzliche Produktionsaufgaben und Einahmen gesichert. Viele Abteilungen im Betrieb hätten von seiner Tätigkeit als Lizenzverantwortlicher profitiert, so z. B. die Abteilungen Musterbau, Materialwirtschaft und Materialbestellung. Auch das BSG habe in einem Urteil vom 31. März 2004 (Az: B 4 AR 31/03 R) ausgeführt, dass Personen, die für die Forschungsarbeit und die Entwicklung der Technik zuständig gewesen seien, als ingenieurtechnisch Beschäftigte anzusehen wären. Dies treffe eindeutig auch auf seinen Fall zu. Auch müsse ihm aus Gleichbehandlungsgrundsätzen die Zusatzversorgung gewährt werden, da auch anderen Beschäftigten im Betrieb diese zuerkannt worden sei. Es sei ihm auch unverständlich, dass einer ehemaligen Kollegin, die das Büro für Neuererwesen geleitet habe, die Zusatzversorgung zuerkannt worden sei, obwohl diese aus seiner Sicht nicht mit technischen Aufgaben betraut gewesen sei.

Die Beklagte hat ihre Ansicht vertieft, dass der Kläger nicht einzubeziehen sei. Er sei nicht als Ingenieur, sondern als Leiter der Informations- und Dokumentationsstelle beschäftigt gewesen. Die Abteilung Information/Dokumentation habe Informationen aufbereitet, gespeichert und verbreitet. Damit sei der Leiter dieser Abteilung nicht ingenieurtechnisch tätig gewesen. Eine ingenieurtechnische Tätigkeit umfasse nämlich u. a. die Gestaltung von Produktionsprozessen durch die bewusste und schöpferische Anwendung der Natur- und Gesellschaftswissenschaften, durch die Anwendung von praktischen Erfahrungen zur ständigen Erhöhung des Niveaus der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation, der Arbeitsgegenstände und der Arbeitsmittel. Damit werde direkt auf die Effektivität des Produktionsprozesses Einfluss genommen, um diese zu verbessern. Die betriebliche Voraussetzung sei allerdings erfüllt.

Das Sozialgericht hat die Personalakte des Klägers und Unterlagen zum Beschäftigungsbetrieb des Klägers beigezogen.

Mit Urteil vom 19. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Zeitraum vom bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat das Gericht u. a. ausgeführt, der Kläger sei in einem volkseigenen Produktionsbetrieb, der industrielle Sachgüter hergestellt habe, tätig gewesen. Als Leiter der Informationsstelle Dokumentation und als Lizenzbeauftragter habe er auch ingenieurtechnische Tätigkeiten verrichtet. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Forschungs- und Entwicklungsbericht vom 8. Dezember 1989 und aus dem Funktionsplan vom 1. Januar 1982. Da für die Tätigkeit des Klägers ein Abschluss als Hochschulingenieur in der Fachrichtung Landtechnik, Maschinenbau oder Melioration erforderlich gewesen sei, könne es sich nicht um eine rein ökonomische Ingenieurtätigkeit gehandelt haben. Das Urteil ist der Beklagten am 8. Februar 2006 zugestellt worden.

Am 27. Februar 2006 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, der Kläger sei nicht ingenieurtechnisch tätig gewesen. Zur Begründung hat sie insbesondere auf die Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10. Dezember 1974 verwiesen. Daraus ergebe sich, dass der Kläger in einem Bereich tätig gewesen sei, der nicht zu den Produktions-, Produktionshilfs- bzw. produktionsvorbereitenden Bereichen gezählt werden könne. Später hat die Beklagte ausgeführt, beim Beschäftigungsbetrieb des Klägers, dem VEB , hätten am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen nicht vorgelegen, da die wirtschaftliche Tätigkeit zugunsten einer Kapitalgesellschaft verrichtet worden sei. Für die Anwendung des AAÜG sei jedoch entscheidend, ob der VEB am 30. Juni 1990 noch aktiv eine industrielle Herstellung von Sachgütern betrieben habe. Bei der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft sei damit unabhängig von der Eintragung ins Handelsregister zu prüfen, ob der VEB nach Gründung der Kapitalgesellschaft noch selbst für eigene Rechnung produziert und noch aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen habe. Wenn durch die Gründung der Kapitalgesellschaft die Betriebsmittel (Fonds) auf die Nachfolgegesellschaft übergegangen seien, sei davon auszugehen, dass von diesem Zeitpunkt an der VEB zwar noch als Rechtssubjekt bestanden, aber keine Produktionsaufgaben mehr erfüllt habe. Er sei vermögenslos gewesen und könne daher nur als "leere Hülle" betrachtet werden, weil die Produktionsaufgaben bereits von der Vorgesellschaft wahrgenommen worden seien (unter Verweis auf ein Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. Januar 2006, Az: L 6 R 509/05).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Halle vom 19. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichtes für zutreffend. Die Argumentation der Beklagten zur "leeren Hülle" könne er nicht nachvollziehen. Der ehemalige Direktor habe bestätigt, dass der Betrieb auch noch am 30. Juni 1990 Produktionsaufgaben erfüllt habe. Seinem Anspruch stünde auch nicht entgegen, dass er einen Abschluss als Diplommeliorationsingenieur habe. Durch sein Zeugnis über die Hauptprüfung sei er berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur zu führen. Es sei daher unerheblich, dass er durch eine Weiterführung seines Studiums bis zum Diplom noch zusätzlich den Abschluss eines Diplommeliorationsingenieurs erlangt habe. Zahlreiche Mitstudenten seien den Weg bis zur Erreichung des Diploms nicht gegangen und hätten daher die Hochschule nur mit dem Abschluss als Hochschulingenieur verlassen.

Das Landessozialgericht hat Akten zum Betrieb beigezogen. In einem Erörterungstermin hat der Kläger die Tätigkeit des Betriebes geschildert. Außerdem ist der ehemalige Direktor für Produktion des VEB , Herr , als Zeugen vernommen worden. Wegen der Angaben des Klägers zum Betrieb und des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Protokolle der Erörterungstermine vom 26. Juni 2008 und vom 16. Januar 2009 verwiesen. Der Zeuge hat im Termin Unterlagen zum Betrieb überreicht, die vom ehemaligen Direktor des Betriebes, Herrn , stammen. Darin werden der Betrieb, dessen Entwicklung und Erzeugnisse dargestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 342-351 der Gerichtsakte verwiesen. Der Kläger hat außerdem eine vom ehemaligen Betriebsdirektor, dem ehemaligen Direktor für Forschung und Entwicklung und dem ehemaligen Direktor für Produktion des VEB zusammengestellte Broschüre überreicht. In dieser werden die Aufgabenstellung, die Arbeitsinhalte und Ergebnisse des Betriebes dargestellt (siehe Vorwort zur Broschüre). Wegen des Inhaltes der Broschüre wird auf Blatt 352-365 der Gerichtsakte verwiesen.

Ein Rentenverfahren des Klägers gegen die Beklagte ist nicht anhängig.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2004 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn auf die beantragten Feststellungen hat er gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das AAÜG für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Eine Versorgung ist dem Kläger nicht zugesagt worden. Daher ist für ihn das AAÜG nicht anwendbar. Auch die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt anerkannt, dass das AAÜG beim Kläger anwendbar ist.

Der Senat folgt nämlich nicht der Rechtsprechung des BSG, wonach sich die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch aus einem sogenannten fiktiven Anspruch ergeben könne (z. B. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 40). Auf die Abweichung von dieser Rechtsprechung kommt es hier auch an, da die Voraussetzungen, die das Bundessozialgericht für eine fiktive Einbeziehung aufgestellt hat, beim Kläger vorliegen.

Danach hängt der Anspruch im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93, S. 844; im Folgenden VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für (1) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und (2) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar (3) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 18/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 8, S. 74). Die Voraussetzungen müssen, damit § 1 Abs. 1 AAÜG anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.

Der Kläger war berechtigt, den Titel eines "Hochschulingenieurs" zu führen. Der Senat geht davon aus, dass der spätere Erwerb des Titels eines "Diplom-Meliorationsingenieur" dem nicht entgegen steht. Zwar würde die Berechtigung, nur diesen Titel zu führen, nicht ausreichen, um von der 2. DB erfasst zu sein (siehe BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 17/07 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 35, 36). Jedoch wurde mit der Verleihung des Titels "Diplom-Meliorationsingenieur" dem Kläger der Titel "Hochschulingenieur" nicht aberkannt. Aus dem Arbeitsvertrag, den der Kläger vor Aufnahme seiner Tätigkeit im VEB abschloss, geht nicht hervor, dass er ausschließlich als Diplom-Meliorationsingenieur eingestellt worden ist. Vielmehr ergibt sich aus der Beschreibung der Arbeitsaufgabe des Leiters der Informations- und Dokumentationsstelle und dem ab 1. Januar 1982 verbindlichen Funktionsplan, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit den Abschluss als Hochschulingenieur voraussetzte. Daher ist davon auszugehen, dass dieser als Hochschulingenieur im VEB bzw. später im VEB tätig war.

Der Kläger erfüllt auch die sachliche Voraussetzung (ingenieurtechnische Tätigkeit). Nach der Rechtsprechung des BSG ist von der erworbenen Berufsbezeichnung i. S. der 2. DB auszugehen und zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine diesem durch die Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i. S. des § 1 Abs. 1 der 2. DB erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt, während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremden Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 17/07 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 44). Der Kläger war nicht berufsfremd eingesetzt. Nach der Beschreibung der Arbeitsaufgabe des Leiters der Informations- und Dokumentationsstelle und dem ab 1. Januar 1982 verbindlichen Funktionsplan setzte die Ausübung der Tätigkeit einen Hochschulabschluss in der Fachrichtung Melioration voraus und entsprach somit genau der beruflichen Qualifikation, die der Kläger aufgrund seines Studiums erhalten hatte.

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers war auch ein volkseigener Produktionsbetrieb und dies auch noch Ende Juni 1990.

Ein Indiz dafür, ob es sich bei dem betreffenden volkseigenen Betrieb um einen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt hat, lässt sich aus der Zuordnung zu einem bestimmten Fachministerium entnehmen (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 47, 48). Allerdings spricht nicht allein der Umstand, dass der Betrieb nicht direkt einem Industrieministerium unterstellt war, bereits dafür, dass es sich nicht um einen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt hat (BSG, Urteil vom 8. Juni 2006, Az: B 4 RA 57/03 R, SozR 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 3, Rdnr. 16). Außerdem können dem Statut des Betriebes, soweit dort Angaben zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Betriebes enthalten sind, Anhaltspunkte dafür entnommen werden, ob es sich um einen Produktionsbetrieb der Industrie handelte (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 34). Soweit danach eine Zuordnung nicht eindeutig möglich ist, kommt es darauf an, ob die industrielle Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat, ob diese also überwiegend und vorherrschend war (BSG, a. a. O., S. 35). Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004, Az: B 4 RA 11/04 R, dokumentiert in Juris). Das BSG setzt industriell und serienmäßig wiederkehrend dabei ausdrücklich gleich (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, Az: B 4 RA 14/03 R, dokumentiert in Juris, dort Rdnr. 28).

Für den Senat steht fest, dass dem Betrieb im Juni 1990 die industrielle, weil serienmäßige Produktion noch das Gepräge gegeben hat. Die Produkte des Betriebes sind für den Senat durch die eingereichten Werbeunterlagen veranschaulicht worden. Diese sind auch noch im Juni 1990 hergestellt worden, wie den glaubhaften Angaben des Zeugen zu entnehmen ist. Dabei fand auch eine Serienproduktion und nicht nur eine Einzelanfertigung statt. Das gegen eine industrielle Sachgüterproduktion sprechende Indiz, dass der Betrieb einem Nichtindustrieministerium unterstellt war, ist damit durch die tatsächlichen Verhältnisse entkräftet. Für die Sachgüterproduktion spricht außerdem die aus dem statistischen Betriebsregister der DDR zu entnehmende Einordnung innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige.

Der VEB existierte auch noch am 30. Juni 1990 als juristische Person (zur Rechtsperson eines VEB: § 31 Abs. 2 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8. November 1979, GBl. DDR I S. 355, KombinatsVO), da die Nachfolge-GmbH nicht bereits bis zum 30. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen worden ist (§ 7 Satz 1 UmwandlungsVO). Nach der Aussage des Zeugen , der im Zusammenhang mit seinen Schilderungen immer von "Betrieb" spricht und sich als Produktionsdirektor des VEB im Juni 1990 bezeichnet hat, ist zu folgern, dass der Betrieb auch im Juni 1990 noch Geschäftsaktivitäten entfaltet hat. Dafür spricht auch die Angabe im "Prüfungsbericht über die Nachtragsprüfung DM-Eröffnungsbilanz 1. Juli 1990 der Maschinen- und Stahlbau GmbH " (wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 300 ff. der Gerichtsakte verwiesen), wonach der Gesellschaftsbeginn der 1. Juli 1990 gewesen ist (Blatt 304).

Dem daraus an sich folgenden Ergebnis, dass der Kläger in den Anwendungsbereich des AAÜG wegen einer nötigen erweiternden verfassungskonformen Auslegung einzubeziehen sei, folgt der Senat hingegen nicht.

Zum Einen ist der Senat nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre.

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den Einigungsvertrag Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des Einigungsvertrages zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113), jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem Einigungsvertrag vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1
AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des Einigungsvertrages umfasst ist.

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az: 1 BvR 1921/04 u. a., dokumentiert in juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007, Az: 1 BvF 1/05, dokumentiert in juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 nicht konkret einbezogen waren, zum damaligen Zeitpunkt aber alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2
AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einen Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war hier gem. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen, da der Senat von der Rechtsprechung des BSG abweicht, wonach eine fiktive Einbeziehung in den Anwendungsbereich des AAÜG möglich sein soll.
Rechtskraft
Aus
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