L 2 B 428/07 AL ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AL 339/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 428/07 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kostentragung nach erledigtem Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung
Der Beschluss des Sozialgerichts vom 26. September 2007 wird abgeändert.

Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Verfahren.

Gründe:

I.

Es handelt sich um eine Kostenbeschwerde nach einer unstreitigen Erledigung. Die Beteiligten stritten in der Sache über die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8. Mai 2007.

Die am 1948 geborene Antragstellerin war zuletzt vom 30. April 2001 bis zum 30. September 2006 als Mitarbeiterin eines Call Centers beschäftigt. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 bewilligte ihr die Antragsgegnerin ab dem 1. Oktober 2006 Arbeitslosengeld in Höhe von 15,56 EUR täglich. Am 19. Dezember 2006 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie beabsichtige, nach Norwegen umzuziehen, um sich bei ihren Kindern aufzuhalten. Sie beantragte die Zustimmung, den Zeitraum von siebzehn Wochen bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres überschreiten zu dürfen. Am 4. März 2007 teilte die Antragstellerin die neue Anschrift in Norwegen mit, unter der sie künftig erreichbar sei; woraufhin die Beklagte die Leistung zunächst ab 1. März 2007 vorläufig einstellte. Am 21. März 2007 erhielt die Beklagte eine Information des Einwohnermeldeamtes, wonach sich die Klägerin dort zum 30. Januar 2007 nach Norwegen abgemeldet habe.

Mit Schreiben vom 27. März 2007 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu an, dass ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 31. Januar 2007 bis 28. Februar 2007 zu Unrecht gezahlt worden sei und sie beabsichtige, die Leistungsbewilligung aufzuheben. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8. Mai 2007 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 31. Januar 2007 auf und forderte die Rückzahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 31. Januar 2007 bis 28. Februar 2007 in Höhe von 460,20 EUR und die Erstattung Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für diese Zeit in Höhe von 134,74 EUR. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 11. Mai 2007 Widerspruch. Mit Schreiben vom 19. Juni 2007 bat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verfügt werde. Mit diesem Schreiben übersandte der Prozessbevollmächtigte zugleich die ihm zum Zwecke der Akteneinsicht übersandte Verwaltungsakte der Antragsgegnerin zurück.

Am 2. Juli 2007 hat die Antragstellerin Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 8. Mai 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass sie eine Mahnung mit dem Datum vom 10. Juni 2007 über die Zahlungsverpflichtung von 594,94 EUR erhalten habe. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom 25. Juni 2007 per Fax an die Antragsgegnerin, mit dem Begehren um schriftliche Bestätigung bis zum 29. Juni 2007, dass dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens entsprochen worden sei. Für den Fall, dass eine solche Nachricht nicht bis zum 29. Juni 2007 vorliege, hat die Antragstellerin angekündigt, eine einstweiligen Anordnung bei Gericht zu stellen.

Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass bereits am 19. Juni 2007 nach Übersendung der Verwaltungsakte von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die Forderung ruhend gestellt worden sei.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 hat die Antragstellerin das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen. Zum Nachweis der Übersendung des Schreibens vom 25. Juni 2007 hat die Antragstellerin ein Faxprotokoll vom 26. Juni 2007 zu den Akten gereicht.

Mit Beschluss vom 26. September 2007 hat das SG der Antragsgegnerin ¼ der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auferlegt. Dies hat das SG wie folgt begründet: Das Gesuch auf einstweiligen Rechtsschutz habe zwar keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da die Antragsgegnerin die Erstattungsforderung bereits am 19. Juni 2007 ruhend gestellt habe. Allerdings habe die Antragsgegnerin das einstweilige Rechtsschutzverfahren teilweise veranlasst, da sie auf die Anfrage vom 18. Juni 2007 gegenüber der Antragstellerin nicht reagiert habe. Es hätte jedoch der anwaltlichen Sorgfalt oblegen, bei der Antragsgegnerin telefonisch den Verfahrensstand zu erfragen, zumal die Problematik der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid im Arbeitsförderungsrecht unstreitig sei. Dass die Antragsgegnerin das Schreiben vom 25. Juni 2007 erhalten habe, lasse sich nicht beweisen. Das Sendejournal biete keinen ausreichenden Anscheinsbeweis.

Gegen den ihr am 8. Oktober 2007 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 9. Oktober 2007 Beschwerde eingelegt. Zu Unrecht habe das SG das einfache Bestreiten des Zugangs des Schreibens vom 25. Juni 2007 ausreichen lassen, obwohl die Antragstellerin unter Vorlage des Sendeprotokolls einen Anschein für den Zugang der Sendung geschaffen habe. Es müsse auch beachtet werden, dass es bereits vom 14. Mai 2007 bis zum 8. Juni 2007 gedauert habe, ihren Widerspruch der Widerspruchsstelle zur Kenntnis zu geben.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass ihr ein Schreiben vom 25. Juni 2007 nicht bekannt sei. Ein Sendeprotokoll liefere nur dann einen Anscheinsbeweis, wenn die Absendung des Schreibens feststehe. Es sei bislang nicht bewiesen, welchen Inhalt ein Schreiben, welches am 26. Juni 2007 an die Fax-Nr. der Antragsgegnerin gesandt worden sei, hat. Zudem wäre es für den erfahrenden Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zuzumuten gewesen, sich telefonisch bei ihr zu erkundigen, ob das Forderungskonto ruhend gestellt worden sei.

Die Berichterstatterin hat die Rückseite des Mahnschreibens vom 10. Juni 2007 angefordert. Danach sei zu beachten, dass durch die Einlegung eines Widerspruchs/Einspruchs usw. gegen die Rückforderung von steuerlichem Kindergeld bzw. einer Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht von der Zahlungspflicht zum genannten Termin entbunden werde.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne von § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben. Es handelt sich um eine Kostenbeschwerde nach dem bis zum 31. März 2008 geltenden Recht, bei der der Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit nach § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG ab dem 1. April 2008 noch nicht greift. Die Beschwerde wurde bereits 2007 eingelegt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, § 174 SGG in der Fassung bis zum 31. März 2008.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Nach § 193 Abs. 1 Halbsatz 2 SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren ohne Urteil beendet wird. Für Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung findet die Vorschrift entsprechende Anwendung. Das SGG bestimmt nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen Kosten zu erstatten sind. Die §§ 91 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) sind nicht unmittelbar anwendbar, die dort aufgestellten Grundsätze sind aber im Allgemeinen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens bei der Kostenentscheidung heranzuziehen. Bei Erledigung des Rechtsstreits durch Erledigungserklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen (vgl. § 91a ZPO). Maßgeblich ist hierbei auch, wer Anlass für die Klageerhebung bzw. Antragserhebung gegeben hat, ob sich die Sachlage nach Erlass des streitigen Verwaltungsaktes geändert und der Unterlegene dem durch sofortiges Anerkenntnis entsprochen hat (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 193 Rn. 12b).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist eine hälftige Übernahme der Kosten durch die Antragsgegnerin sachgerecht. Die Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes war hier auch teilweise durch die Antragsgegnerin veranlasst. Die Antragstellerin konnte befürchten, dass die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung nicht beachtet.

Nach § 86b Abs. 1 SGG kann festgestellt werden, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung entfaltet, wenn dies streitig ist oder von der Behörde nicht beachtet wird. Das Rechtsschutzinteresse für einen solchen Antrag besteht, wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie eine aufschiebende Wirkung nicht für gegeben erachtet oder innerhalb angemessener Zeit auf ein Ansinnen auf Klarstellung nicht reagiert (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn. 15). Die Antragstellerin erhielt trotz ihres Widerspruchs vom 11. Mai 2007 noch eine Mahnung und Zahlungsaufforderung für diese Forderung von der Einzugsstelle vom 10. Juni 2007. Die ihr wenige Tage danach zugehende Bestätigung des Eingangs des Widerspruchs durch die Antragsgegnerin vom 13. Juni 2007 enthielt keinen Hinweis auf die Beachtung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Insofern bestand für die Antragstellerin ein Bedürfnis, eine Bestätigung der aufschiebenden Wirkung zu erlangen, obwohl die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs in diesem Fall im SGB III nicht umstritten ist. Die Antragstellerin hat erstmalig unstreitig am 19. Juni 2007 von der Antragsgegnerin verlangt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs "zu verfügen". Die Antragsgegnerin hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, dies der Antragstellerin gegenüber aber nicht bestätigt. Nach dem Schreiben vom 19. Juni 2007 hat die Antragstellerin andererseits auch kein neuen Anhalt dafür bekommen, dass die aufschiebende Wirkung von der Antragsgegnerin nicht beachtet wird. Es war daher geboten, vor Anrufung des Gerichts ggf. eine Bestätigung der Beachtung der aufschiebenden Wirkung einzufordern. Es steht nicht fest, ob die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten diesem Erfordernis Rechnung getragen und der Antragsgegnerin die Möglichkeit zur Klarstellung gegeben hat. Hierfür kommt es darauf an, ob das Schreiben vom 25. Juni 2007 der Antragsgegnerin zugegangen ist. Dies bedürfte einer Beweisaufnahme, um zu klären, ob der Antragsgegnerin dieses Schreiben, welches nach dem Fax-Protokoll am 25. Juni 2007 um 14.36 Uhr an die Fax-Nummer der Widerspruchsstelle abgesandt worden ist, auch zugegangen ist. Allein das Fax-Protokoll ist als Zugangsnachweis nicht ausreichend. Insbesondere wegen der verschiedenen Möglichkeiten von Unterbrechungen und Störungen der Datenübermittlung im öffentlichen Netz, die nicht notwendigerweise im Ergebnisprotokoll des Sendegeräts registriert werden, kann durch eine Telefax-Sendeprotokoll weder der Zugang des Telefax bewiesen noch ein Anscheinsbeweis für einen Zugang erbracht werden (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1994 – VIII ZR 153/93NJW 1995, 665; BFH, Beschluss vom 23. November 2007 - VB 118-119/06 u. a. – zitiert nach juris). Das Protokoll begründet nur ein Indiz für den Zugang. Es hätte noch ermittelt werden müssen, ob es ein Empfangsjournal bei der Antragsgegnerin gibt oder ob in einem Posteingangsbuch die Telefax-Eingänge notiert werden. Es ist weiter zu beachten, dass auch bei Zugang eines solchen Schreibens die Frist zur Reaktion für die Behörde mit drei Tagen sehr kurz gewählt ist. Unter Beachtung dieser Umstände ist eine hälftige Aufteilung der Kosten sachgerecht.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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