L 2 B 480/08 AS

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 3147/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 480/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
PKH - SGB II - Umzugskosten
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 14. Juli 2008 wird aufgehoben. Dem Beschwerdeführer wird für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. , H. , bewilligt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Umzugskosten durch die Beklagte.

Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er lebte bis Dezember 2006 mit seiner Ehefrau in einer 80 qm großen Wohnung in H ...

Am 12. Januar 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Erstausstattung für eine neue Wohnung und Umzugskosten. Wegen der Trennung von seiner Ehefrau sei ein Umzug notwendig. Aus gesundheitlichen Gründen könne er diesen nicht selbst durchführen. Zum Beleg für seine körperlichen Einschränkungen reichte er später ein Attest des Orthopäden DM B. vom 2. März 2007 nach, der bestätigte, dass der Kläger schweres Heben und Tragen wegen einer Lendenwirbelsäulenreizung meiden solle. Am 21. Februar 2007 legte der Kläger einen am 1. Februar 2007 unterschriebenen neuen Mietvertrag für die Anmietung einer 2-Zimmer-Wohnung im gleichen Haus, in dem sich schon die alte Wohnung befand mit 44,96 qm ab dem 1. April 2007 vor. Die Warmmiete sollte 340,00 EUR betragen (Kaltmiete 235,00 EUR, monatliche Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser 48,00 EUR und Nebenkosten 57,00 EUR).

Mit Bescheid vom 22. März 2007 lehnte die Beklagte die Übernahme der Umzugskosten ab. Der Umzug sei zwar erforderlich, die Kosten der neuen Wohnung seien jedoch unangemessen. Die Miethöchstgrenze für einen 1-Personen-Haushalt betrage nach den Richtlinien der Stadt H. 297,00 EUR. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe alle Anträge rechtzeitig gestellt und auch das betreffende Mietangebot bereits am 12. Januar 2007 im Amt vorgelegt. So habe er spätestens am 21. Februar 2007 alle erforderlichen Anträge gestellt und um eine schnelle Entscheidung gebeten. Trotz mehrfacher Vorsprachen und Telefonate sei keine Entscheidung erfolgt. Am 15. März 2007 habe er dann umziehen müssen, um den Räumungstermin der alten Wohnung zu halten. Seine jetzige Wohnung sei billiger als die vorherige Wohnung. Die Mietüberschreitung zahle er aus seinem Schonvermögen. Als Umzugskosten seien Kosten für vier Helfer zu je 50 EUR angefallen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 3. September 2007 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. zu gewähren.

Mit Beschluss vom 4. Juli 2008 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Klage habe keine hinreichende Erfolgsaussicht. Es fehle eine vorherige Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft. Diese sei Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf Umzugskosten.

Gegen diesen ihm am 22. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19. August 2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er finde die Rechtslage sei nicht eindeutig. Um die Urteile zu bewerten, brauche er anwaltliche Hilfe. Hierfür könne er die Kosten nicht selbst tragen.

Die Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt.

Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 – NJW 1991, 413). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Die Klage bietet eine hinreichende Erfolgsaussicht. Es kann zur Zeit nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beklagte die Übernahme der Umzugskosten des Klägers zu Recht abgelehnt hat.

Rechtsgrundlage für die Übernahme der Umzugskosten ist § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Dabei soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist es nicht schon allein entscheidend, dass eine solche Zusicherung nicht vorliegt. Denn auch die zu Unrecht verweigerte, aber rechtzeitig vor dem Umzug beantragte Zusicherung kann ausreichen. Sonst hätte es die Behörde in der Hand, faktisch Umzugspläne zu verhindern. Denn selbst ein einstweiliger Rechtsschutz dürfte bei regelmäßig kurzfristig vorliegenden Wohnungsangeboten zu spät kommen.

Der Kläger hatte vorliegend bereits am 12. Januar 2007 die Übernahme der Umzugskosten beantragt. In diesem Antrag liegt zugleich ein Zusicherungsersuchen für die Übernahme dieser Kosten. Spätestens am 21. Februar 2007 hat der Kläger den Mietvertrag vorgelegt, mit dem auch die Angemessenheit der Wohnkosten der neuen Wohnung geprüft werden konnte. Den Umzug selbst hat der Kläger erst am 15. März 2007, also drei Wochen nach Vorlage des Mietvertrages vollzogen. Der Beklagten stand genügend Zeit zur Verfügung, über den Antrag auf Zusicherung zu entscheiden.

Ob objektiv die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zusicherung dem Grunde nach vorlagen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Kläger musste aus der 80 qm großen für ihn allein zu teuren Wohnung ausziehen, da seine Ehefrau sich von ihm getrennt hatte. Für die Notwendigkeit des Umzuges ist weiter Voraussetzung, dass die neuen Kosten der Unterkunft angemessen sind (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2007 – L 20 B 129/07 AS – zitiert nach Juris). Die Kosten der angemessen großen Wohnung überschreiten die Werte der Richtlinie der Beklagten, ob sie damit auch die Angemessenheitsgrenze für die örtlichen Wohnraummieten überschreiten, bedarf eine eigenständigen Prüfung. Zudem kommt die Übernahme von Umzugskosten bei einem nicht notwendigen aber sinnvollen Umzug auch in Betracht, wenn die anfallenden Kosten nach Art und Höhe in einem angemessenen Verhältnis zur Dringlichkeit des Umzugswunsches stehen (vgl. Berlit in LPK-SGB II § 22 Rn. 98). Unter diesen Umständen kann auch ein Umzug in eine zu teure Wohnung übernahmefähig sein. Auch insoweit besteht weiterer Aufklärungsbedarf. Eine Erfolgschance ist daher nicht von vornherein fern liegend. Ob auch die konkret geltend gemachten Umzugskosten übernahmefähig sind, wäre in einem weiteren Schritt zu prüfen, nachdem feststeht, ob Umzugskosten dem Grunde nach übernommen werden können.

Der Kläger kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Dies ist bei der Prozesskostenhilfebeschwerde der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Der Kläger bezieht aktuell ein Bruttoeinkommen von 900 EUR im Rahmen einer entgeltlichen Arbeitsgelegenheit. Hieraus resultiert abzüglich der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein Nettoeinkommen von 725,62 EUR. Daneben bezieht er ergänzend SGB II-Leistungen in Höhe von 141,37 EUR. Versicherungsbeiträge fallen monatlich in Höhe von 82,77 EUR an. Als Freibeträge sind der Freibetrag für die Partei gem. § 115 Abs. 1 Nr. 2a der ZPO in Höhe von 386,00 EUR und der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 176,00 EUR gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1b ZPO in Abzug zu bringen. Nach Abzug der Wohnkosten in Höhe von 340,00 EUR verbleibt kein anrechenbares Einkommen mehr. Das Vorhandensein von Vermögenswerten hat der Kläger glaubhaft verneint.

Nach alledem war der Beschwerde stattzugeben.

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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