L 2 AS 92/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 AS 285/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 92/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zustimmung zur Ortsabwesenheit ohne Festlegung auf einzelne Tage
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung zur Ortsabwesenheit des Antragstellers für einen Zeitraum von ca. sechs Wochen, um Akteneinsicht in Verwaltungsunterlagen zu Eigentumsobjekten nehmen zu können.

Der am 1960 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von der Antragsgegnerin. Zuletzt bewilligte ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. November 2008 Leistungen für Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 in Höhe von monatlich 413,13 EUR. Der Antragsteller erzielt ein Einkommen in Höhe von 100 EUR aus einer abhängigen Beschäftigung als Berater bei der Firma A. GmbH, die sich mit dem Aufstellen von Spiel- und Unterhaltungsautomaten in Gaststätten und Spielhallen befasst. Weitere 100 EUR monatlich nimmt er pauschal aus einer selbständigen Tätigkeit ein. Hierbei ist er für die Firma G. , Inhaber D. L. , H. , tätig. Für beide Tätigkeiten wird jeweils eine monatliche Arbeitsbelastung von 4 Stunden zu 25 EUR kalkuliert. Der Antragsteller verfügt über kein eigenes Konto. Zahlungen an ihn werden über das Konto von Herrn D. L. abgewickelt. Der Kläger verfügt über Grundvermögen in H. , N. , K. und L ... Die Antragsgegnerin holte Auskünfte bzw. Wertgutachten ein, nach denen das Grundeigentum des Antragstellers entweder keinen Wert hat oder über den Wert hinaus belastet ist. Die Objekte erwarb er überwiegend 1998-2000 aus Zwangsversteigerungen. In L. (Sachsen) ist er Eigentümer einer Eigentumswohnung in der Siedlung F. 1-9 und einer weiteren Einzimmerwohnung in der Eigentümergemeinschaft A. S. 17-19. Nach Angaben des Antragstellers ist nur die Wohnung in der Siedlung F. vermietet; die Mieteinnahmen flössen dem Grundpfandgläubiger, Herrn D. L. , zu.

Der Antragsteller beantragte zahlreiche Zustimmungen zu auswärtigen Aufenthalten in Sachsen zur Betreuung der Vermögensobjekte, zur Wahrnehmung von Terminen im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit bzw. im Rahmen seiner geringfügigen Beschäftigung. Hierüber wurde z. B. ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren über die Ortsabwesenheit für den Zeitraum 16. Februar bis 25. Februar 2008 geführt (LSG Sachsen-Anhalt L 2 B 65/08 AS ER).

Am 6. September 2007 beantragte er bei der Antragsgegnerin, die Zustimmung zu einer zeitlich nicht näher eingegrenzten Ortsabwesenheit für die Einsicht in die Verwaltungsunterlagen der Eigentümergemeinschaft in L ... Die Einholung einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit für jeden Einzelfall sei unverhältnismäßig und praktisch nicht realisierbar. Mit Schreiben vom 11. November 2007 wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass für die Zustimmung zur Ortsabwesenheit eine Konkretisierung hinsichtlich des Beginns und der Dauer nötig sei. Am 27. Februar 2008 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Zustimmung zur Ortsabwesenheit für den Zeitraum 10. März bis 21. März 2008 zur Ausübung einer auswärtigen Tätigkeit. Es gehe um strittige Hausgeldforderungen für die Eigentumswohnung F. 2 in L ... Hierfür sei die Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Eigentümergemeinschaft unumgänglich. Dies lehnte die Antragsgegnerin schlussendlich mit Bescheid vom 4. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2008 ab. Dem Antragsteller seien im Jahr 2008 bereits Ortsabwesenheiten für 21 Tage gewährt worden. Das Gesuch betreffe private Angelegenheiten des Antragstellers. Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben.

Mit Schreiben vom 10. November 2008 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, ihm Schadensersatz zu leisten. Da sie der Einsichtnahme in die Akten des Verwalters der Eigentumswohnung bisher nicht zugestimmt habe, habe er die Klagen nicht substantiieren können, weshalb ihm das Gericht Prozesskostenhilfe versagt habe. Aus diesem Grund müsse er nun Prozesskostenvorschüsse zahlen. Am 26. November 2008 erhob der Antragsteller Untätigkeitsklage beim SG, mit dem Ziel die Antragsgegnerin zu verpflichten, über seinen Antrag auf unbeschränkte Ortsabwesenheit vom September 2007 zu entscheiden (S 17 AS 5198/08).

Am 21. Januar 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Halle (SG) einen Eilantrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit zur Rechtswahrnehmung gestellt. Er hat darauf verwiesen, dass er Akteneinsicht in die Unterlagen der Eigentümergemeinschaft nehmen müsse, um seine Klageveverfahren, die Ansprüche aus dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) betreffen, ordnungsgemäß begründen zu können, um in diesen Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen. Es drohe ihm ein Rechtsverlust, wenn er seine Ansprüche nicht weitergehend substantiiere. Einen Anspruch auf Akteneinsicht habe er nur am Ort der Verwaltung in L ... Zum Beleg hat er einen Beschluss des Landgerichts Bautzen vom 30. Mai 2008 (1 T 116/06) beigefügt, wonach der Verwalter der Eigentumswohnungen der Siedlung F. 1-9 in L. dem Antragsteller Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft gewähren und das Fotografieren der Unterlagen dulden müsse. Die einzusehenden Akten beträfen eine Vielzahl von Ordnern, aus denen mittels einer Kamera Auszüge gefertigt werden müssten. Im Rahmen der Auswertung werde sich ergeben, welche weiteren Akten eingesehen und ausgewertet werden müssten. Der Antrag könne nicht auf einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt werden. Auf Nachfrage des Gerichts hat er mitgeteilt, die Akteneinsicht dürfte aber in einer Gesamtabwesenheitsdauer von sechs Wochen erledigt sein, wobei sich die Zeit verteile. Die Eilbedürftigkeit resultiere daraus, dass die Antragsgegnerin bereits in der Vergangenheit im Falle einer Ortsabwesenheit die Leistungen entzogen habe. Des Weiteren hat er eine Verfügung des Amtsgerichts Hoyerswerda (1 C 592/07) vom 4. Dezember 2008 vorgelegt. Darin heißt es, dass die Zustellung der Klageschrift (wegen der nur teilweisen Bewilligung von Prozesskostenhilfe) von der Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses abhängig sei und vorsorglich auf die Ausschlussfrist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG hingewiesen werde.

Mit Beschluss vom 23. Februar 2009 hat das SG den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Antragsteller habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil er nicht angeben könne, in welchem kalendarisch bestimmten Zeitraum er den ortsnahen Bereich verlassen wolle. Eine zeitlich unbeschrkänkte Ortsabwesenheit würde dem Ziel der Eingliederung in Arbeit zuwiderlaufen. Die Leistungen der Antragsgegnerin würden auch nur für den kalendarisch bestimmten Zeitraum der Abwesenheit aufgehoben.

Gegen den ihm am 25. Februar 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 26. Februar 2009 Beschwerde eingelegt. Der Zeitraum der Abwesenheit sei sehr wohl zeitlich hinreichend bestimmt, die Gesamtabwesenheitszeit von sechs Wochen werde sich über mehrere Monate hinziehen. Die Unterbrechungen ergäben sich unter Berücksichtigung der zur Akteneinsicht am Sitz der Verwaltung möglichen Termine und aus anderweitig vom Antragsteller wahrzunehmenden Terminen. Eingegrenzt werden könne, dass die hier gegenständlichen Ortsabwesenheitszeiten auf einen kalendarischen Zeitraum bis zum 31. Juli 2009 beschränkt werden könnten, wenn der Ortsabwesenheit bald stattgegeben würde.

Der Antragsteller beantragt nach seinem Begehren sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. Februar 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Ortsabwesenheit des Antragstellers von insgesamt ca. 6 Wochen in den nächsten Monaten zuzustimmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Daneben hat der Senat die Akte S 17 AS 5198/08 zum Verfahren beigezogen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz –SGG–); insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Zustimmung zu einer nicht näher konkretisierten Ortsabwesenheit von voraussichtlich sechs Wochen in den nächsten Monaten. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs).

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und –durchsetzung darstellt. Die einstweilige Anordnung muss für diesen Zweck auf eine konkrete vorläufige Regelung gerichtet sein, bis in der Hauptsache eine endgültige Klärung der Rechtsfrage durchgeführt wird.

Dem Antragsteller droht die Gefahr, dass er für die Zeit, in der er ohne Zustimmung des Antragsgegners ortsabwesend ist, keine Leistungen erhält. Denn nach § 7 Abs. 4a SGB II erhält keine Leistungen, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997, geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001, definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält. Der Leistungsausschluss bezieht sich jedoch nur auf die Anzahl der Tage, in denen der Hilfebedürftige tatsächlich ohne Zustimmung ortsabwesend ist. Daraus folgt – wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat – dass sich ein Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit auf konkrete beabsichtigte Abwesenheitstage beziehen muss. Trotz gerichtlicher Rückfrage hat der Antragsteller einen solchen kalendarisch bestimmten Zeitraum jedoch nicht genannt, obwohl ihm der Unterschied zwischen einem konkreten Antrag und einem abstrakten Antrag auf Zustimmung bekannt ist und er auch für diesen Zweck im März 2008 bereits einen konkreten Antrag gestellt hat. Auch Eilanträge mit konkreten Abwesenheitszeiten hat der Antragsteller bereits in der Vergangenheit gestellt. So hat er z. B. im Verfahren L 2 B 65/08 AS ER eine Ortsabwesenheit vom 16. bis 25. Februar 2008 begehrt. Ihm ist aus den Begründungen in früheren Beschlüssen auch bekannt, dass für jeden einzelnen Tag die Notwendigkeit der Abwesenheit geprüft wird. Begehrt der Antragsteller in einem Eilverfahren jedoch bewusst nicht für einen konkreten Zeitraum sondern "auf Vorrat" für die nächsten Monaten "frei wählbar" eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit "für insgesamt ca. 6 Wochen" hat er hierfür schon kein Eilbedürfnis. Der Antragsteller weiß, dass er pro Jahr bis zu drei Wochen ohne nähere Begründung für private Zwecke eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit bekommt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EAO). Die konkrete Gefahr der Leistungsentziehung droht auch nur für konkrete geplante Abwesenheitszeiten. Eine abstrakte Entscheidung über die Voraussetzungen einer – dann festzulegenden - Ortsabwesenheit kann nicht Gegenstand einer einstweiligen Anordnung sein. Insoweit bedarf es keiner näheren Prüfung, ob der drei Wochenzeitraum (für eine Urlaubsabwesenheit) für 2009 schon ausgeschöpft war oder ob die beabsichtigten Aktivitäten – wie der Antragsteller meint – einen Bezug zu einer Erwerbstätigkeit haben. Nach den bisherigen Darlegungen des Antragstellers ist ein Bezug zur Erwerbstätigkeit jedoch nicht erkennbar. Soweit es sich allein um die Vorbereitung von Gerichtsterminen in eigenen Vermögensangelegenheiten handelt, muss der Antragsteller dies wohl in seiner "Urlaubszeit" erledigen. Wenn er für ein besonders intensives Aktenstudium dabei seinen gesamten Anspruch auf drei Wochen Abwesenheitszeit aus privaten Gründen pro Jahr verbrauchen will, ist das seine eigene Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Wulff gez. Bücker gez. Frank
Rechtskraft
Aus
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