Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 12 AS 854/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 B 11/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anordnungsgrund - Glaubhaftmachung - Veranlassungsgrundsatz - Kostenentscheidung
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten für ein erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am geborene Beschwerdeführerin bezog gemeinsam mit ihrer am 23. Mai 1994 geborenen Tochter sowie ihrem berufstätigen Ehemann ab dem 11. Juli 2005 von der Beschwerdegegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zuletzt bewilligte diese mit Bescheid vom 13. Mai 2006 Leistungen vom 1. bis 31. Juli 2006 unter Anrechnung von Einkommen des Ehemanns, dessen Höhe monatlich wechselte.
Am 10. Juli 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die Fortzahlung der Leistungen und reichte am 17. Juli 2006 Lohnabrechungen des Ehemanns für die Monate April bis Juni 2006 sowie weitere Unterlagen nach. Die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin enthält einen Telefonvermerk vom 19. Juli 2006, wonach wegen der Zahlung von Zuschlägen laut den Lohnabrechnungen eine Einkommensbescheinigung für die Monate April bis Juni 2006 erforderlich sei. Erst danach könne der Anspruch ab August 2006 berechnet werden. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin am 27. Juli 2006 eine Einkommensbescheinigung des Arbeitsgebers des Ehemanns vom 20. Juli 2006 mit einem für die Monate April bis Juli 2006 errechneten Durchschnittseinkommen vor. Nach telefonischer Rücksprache des/r Sachbearbeiters/in beim Arbeitgeber legte dieser unter dem 27. Juli 2006 Einkommensbescheinigungen, aufgeteilt auf die Monate April bis Juli 2006, vor. Danach bezog der Ehemann der Beschwerdeführerin im Juli 2006 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.348,53 EUR, das am Ende des laufenden Monats fällig war.
Die Beschwerdegegnerin nahm daraufhin eine Überprüfung der Leistungshöhe für die Monate April bis Juli 2006 vor und hörte die Beschwerdeführerin unter dem 28. Juli 2006 zur beabsichtigten Rückforderung von Leistungen für diese Zeiträume an. Mit Bescheid vom 28. Juli 2006 hob sie die Leistungsbewilligung für August 2005 teilweise auf und nahm eine Verrechnung mit laufenden Leistungen vor, weshalb eine Überweisung des überzahlten Betrags nicht notwendig sei. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 2006, abgesendet am 31. Juli 2006, bewilligte die Beschwerdegegnerin Leistungen vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007. Diese sind nach ihren Angaben am 3. August 2006 zur Auszahlung gekommen.
Bereits am 2. August 2006 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, da der Weiterzahlungsantrag nicht beschieden worden sei. Nachdem die Beschwerdegegnerin auf den Bescheid vom 31. Juli 2006 hingewiesen hat, hat die Beschwerdeführerin unter dem 5. September 2006 das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Am 2. August 2006 habe sie den Bescheid vom 31. Juli 2006 noch nicht gehabt. Die Beschwerdegegnerin habe das Verfahren veranlasst und daher die außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu tragen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Bescheid vom 31. Juli 2006 gelte als am 3. August 2006 bekannt gegeben. Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz sei bei ihr am 4. August 2006 eingegangen. Die Erledigung sei damit nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit eingetreten. Der Bescheid vom 31. Juli 2006 sei außerdem noch vor dem neuen Bewilligungsabschnitt ergangen. Daher habe die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Sozialgericht hat unter dem 5. Januar 2007 beschlossen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Voraussichtlich hätte zwar die Beschwerdegegnerin unterlegen, da die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Dass die Beschwerdegegnerin dem entsprochen habe, sei jedoch nicht auf den erhobenen Eilantrag zurückzuführen. Es sei nach dem Veranlassungsprinzip auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin den Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung nicht veranlasst habe. Der Beschwerdeführerin sei die Antragsbearbeitung bekannt gewesen. Die erforderlichen Unterlagen hätten erst am 27. Juli 2006 vorgelegen. Eine Bearbeitungszeit von wenigen Tagen müsse bei der Notwendigkeit der Neuberechnung des Anspruchs wegen des monatlich wechselnden Einkommens zugestanden werden. Zudem hätten der Beschwerdeführerin ebenfalls am 2. August 2006 Anhörungsschreiben sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vorgelegen, in denen auf eine Aufrechnung der Erstattungsforderung mit laufenden Leistungen hingewiesen worden sei. Eine Rückfrage per Telefon oder Telefax bei der Beschwerdegegnerin am 2. August 2006 hätte die Problematik auf einfacherem Wege klären können. Nach § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) trage ausnahmsweise der Obsiegende die Kostenlast, wenn er unnötigerweise ein gerichtliches Verfahren eingeleitet habe, obwohl er auf einfacherem Wege sein Begehren hätte durchsetzen können. Anfang August 2006 dürfte wegen der Zahlung des Lohnes des Ehemanns zum Ende des Monats der Lebensunterhalt der Familie auch noch sichergestellt gewesen sein; eine besondere Notlage hätte sie nicht zu einem Eilantrag veranlassen müssen.
Gegen den ihr am 22. Januar 2007 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am gleichen Tag Beschwerde eingelegt. Es liege keine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass der Unterlegene die Kosten zu tragen hat. Ein sofortiges Anerkenntnis der Beschwerdegegnerin scheide aus, da sie sich im Verzug befunden habe. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II verlange die Vorauszahlung der Leistungen; dies wäre möglich und praktikabel gewesen. Dies zu unterlassen stelle einen Verstoß gegen das Zügigkeitsgebot dar. Es liege ein Fall falscher Sachbehandlung vor. Trotz des schwankenden Einkommens des Ehemannes seien Einkommensunterlagen für einen früheren Zeitraum nicht erforderlich gewesen. Die diversen Zuschläge seien aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich gewesen. Die angeforderten Gehaltsunterlagen hätten bereits am 14. Juli 2006 und nicht erst am 27. Juli 2006 vorgelegen. Ohnehin seien nur die Lohnunterlagen von April bis Juni 2006 angefordert worden. Als Vorlagedatum sei der 27. Juli 2006, 8.00 Uhr vereinbart worden. Gegebenenfalls hätte eine Rückforderung überzahlter Leistungen erfolgen können. Der zum Monatsende geleistete Lohn habe den im Laufe des Monats entstandenen Bedarf rückwirkend gedeckt. Im Bereich des soziokulturellen Existenzminimums sei es unzumutbar, ohne Bescheid auf Leistungen zu warten.
Die Beschwerdeführerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss vom 5. Januar 2007 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zur Tragung der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde abzuweisen und zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zu erstatten sind.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Gehaltsabrechnungen April bis Juni 2006 hätten zwar am 14. Juli 2006 vorgelegen. Für die Berechnung seien jedoch wegen diverser Zuschläge Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers erforderlich gewesen. Die Nachweise seien wie vereinbart am 27. Juli 2006 eingegangen, am Folgetag eingearbeitet sowie der Bewilligungsbescheid gesetzt und die Zahlung angewiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass ihr Antrag bearbeitet werde und dass zur endgültigen Berechnung die Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers benötigt würden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum sie sich nicht telefonisch nach dem Bearbeitungsstand erkundigt, sondern gleich ein einstweiliges Rechtschutzverfahren angestrebt habe.
II.
Die nach § 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 SGG) ist unbegründet.
Nach § 193 Abs. 1 zweiter Halbsatz SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Im SGG ist nicht ausdrücklich bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Kosten zu erstatten sind. Die §§ 91 ff. ZPO sind nicht unmittelbar anwendbar; die dort aufgestellten Grundsätze sind aber im Allgemeinen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens bei der Kostenentscheidung heranzuziehen. Nach Beendigung des Rechtsstreits durch Erledigungserklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (vgl. § 91a ZPO). Maßgeblich sind dabei zunächst der wahrscheinliche Verfahrensausgang, aber auch, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat, bzw. ob sich die Sachlage nach Erlass des streitigen Verwaltungsakts geändert und der Unterlegene dem durch sofortiges Anerkenntnis entsprochen hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage § 193 Rn. 12b). Darüber hinaus kann im Rahmen der Ermessenserwägungen auch der konkrete Anlass für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes oder die Verursachung unnötiger Kosten durch einen Verfahrensbeteiligten berücksichtigt werden. Bei der Überprüfung der Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren hat das Beschwerdegericht sein Ermessen vollumfänglich auszuüben (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193, Rn. 17).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Sozialgerichts Magdeburg im Beschluss vom 5. Januar 2007 im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte zur Überzeugung des Senats schon keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.
Zwar hatte das Rechtmittel der Beschwerdeführerin vom 2. August 2006 mutmaßliche Aussicht auf Erfolg und ein Anordnungsanspruch lag damit vor. Ihr stand, wie sich aus dem Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 31. Juli 2006 ergibt, ein Zahlungsanspruch für die Zeit für die Zeit ab dem 1. August 2006 zu. Am Tag der Einlegung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz am 2. August 2006 war der Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2006 noch nicht - nachweislich - zugegangen. Die Beschwerdeführerin hatte nach ihren Angaben vom 2. August 2006 bis zum Absenden des Antragsschriftsatzes per Fax um 15.22 Uhr diesen Bescheid noch nicht erhalten. Die Differenzierung der Beschwerdegegnerin nach An- und Rechtshängigkeit geht insoweit fehl. Rechtshängig können nur Klagen werden; Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz können nur anhängig gemacht werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 94 Rn. 2) Mangels anderer Darlegungen der Beschwerdeführerin über den tatsächlichen Zugang des Bescheides vom 31. Juli 2006 gilt dieser gemäß § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erst mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also dem 3. August 2006, als bekannt gegeben und damit wirksam geworden.
Allerdings ist mutmaßliche Erfolgsaussicht eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht allein nach dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu prüfen. Vielmehr ist auch entscheidungserheblich, ob ein Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, glaubhaft gemacht worden ist.
Ein solcher Anordnungsgrund ist von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 2. August 2006 nicht einmal geltend gemacht worden. Sie hat ausschließlich angeführt, dass sich an der Hilfebedürftigkeit nichts geändert habe. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls hätte es einer eingehenden Darlegung bedurft, weshalb die Beschwerdeführerin bereits am zweiten Tag nach Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts der gerichtlichen Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes bedurfte. Wie sich aus den Anhörungen der Beschwerdegegnerin vom 28. Juli 2006 hinsichtlich der Rückforderungen für die Zeiträume von April bis Juli 2006 ergibt, reichte das Einkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin ganz oder überwiegend aus, um den monatlichen Bedarf zu decken. Dem entsprechend sind für Mai und Juni sowie Juli 2006 nur geringe endgültige Leistungen und für Juni 2006 gar keine Leistungen festgesetzt worden. Das Sozialgericht hat daher zu Recht auch auf den Aspekt abgestellt, dass - angesichts der vereinbarten Lohnzahlung zum Ende des Monats Juli - am 2. August 2006 mutmaßlich (noch) keine besondere Eilbedürftigkeit für eine Regelungsanordnung bestand. Die bloße Darlegung, dass sich an der Hilfebedürftigkeit nichts geändert habe, reichte jedenfalls in dieser Konstellation für die Annahme eines Anordnungsgrundes nicht aus.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht zu Recht auch auf den Veranlassungsgrundsatz abgestellt. Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdegegnerin den Fortzahlungsantrag vom 10. Juli 2006 - für die Beschwerdeführerin erkennbar - bearbeitete und auch am 27. Juli 2006 von dieser weitere Lohnunterlagen des Ehemanns erhalten hatte, hätte es ihr oblegen, sich am 1. August 2006 zunächst an die Beschwerdegegnerin zu wenden. Aus deren Verhalten bei der Antragsbearbeitung konnte die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen, dass die beantragte Leistungsbewilligung endgültig abgelehnt würde (vgl. dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 26b). Eine telefonische Nachfrage bei der Beschwerdegegnerin am 1. August 2006 hätte zur Kenntnis des bereits gefertigten Bewilligungsbescheids vom 31. Juli 2006 geführt und damit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes überflüssig gemacht. Gesteigerte Anforderungen an die Prüfung der weiteren Vorgehensweise bestanden insbesondere deshalb, weil der Beschwerdegegnerin die Lohnunterlagen des Ehemanns am 27. Juli 2006, einem Donnerstag, zugingen, während der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits am darauf folgenden Dienstag gestellt wurde. Angesichts der verbleibenden drei Arbeitstage zur Berechnung der wechselnden Einkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin sowie zur Versendung des Bescheides hätte diese damit rechnen müssen, dass sich der Zugang des Bescheides geringfügig bis nach Beginn des neuen Bewilligungsabschnittes verzögern kann.
Die von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Einkommensermittlung für die Monate April bis Juli 2006 für die Feststellung des Leistungsbedarfs ab August 2006 notwendig war, ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht relevant. Denn ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bestimmt sich allein nach der Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und -anspruch. Welche Gründe zu der behaupteten Dringlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung geführt haben, ist dabei ohne Bedeutung.
Auch aus dem in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II geregelten Grundsatz der Vorausleistung lässt sich für den mutmaßlichen Erfolg des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vom 2. August 2006 nichts anderes herleiten. Der Grundsatz der Vorleistungspflicht betrifft lediglich den Anordnungsanspruch, nicht jedoch den hier bereits fehlenden Anordnungsgrund.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin begehrt die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten für ein erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am geborene Beschwerdeführerin bezog gemeinsam mit ihrer am 23. Mai 1994 geborenen Tochter sowie ihrem berufstätigen Ehemann ab dem 11. Juli 2005 von der Beschwerdegegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zuletzt bewilligte diese mit Bescheid vom 13. Mai 2006 Leistungen vom 1. bis 31. Juli 2006 unter Anrechnung von Einkommen des Ehemanns, dessen Höhe monatlich wechselte.
Am 10. Juli 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die Fortzahlung der Leistungen und reichte am 17. Juli 2006 Lohnabrechungen des Ehemanns für die Monate April bis Juni 2006 sowie weitere Unterlagen nach. Die Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin enthält einen Telefonvermerk vom 19. Juli 2006, wonach wegen der Zahlung von Zuschlägen laut den Lohnabrechnungen eine Einkommensbescheinigung für die Monate April bis Juni 2006 erforderlich sei. Erst danach könne der Anspruch ab August 2006 berechnet werden. Daraufhin legte die Beschwerdeführerin am 27. Juli 2006 eine Einkommensbescheinigung des Arbeitsgebers des Ehemanns vom 20. Juli 2006 mit einem für die Monate April bis Juli 2006 errechneten Durchschnittseinkommen vor. Nach telefonischer Rücksprache des/r Sachbearbeiters/in beim Arbeitgeber legte dieser unter dem 27. Juli 2006 Einkommensbescheinigungen, aufgeteilt auf die Monate April bis Juli 2006, vor. Danach bezog der Ehemann der Beschwerdeführerin im Juli 2006 ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.348,53 EUR, das am Ende des laufenden Monats fällig war.
Die Beschwerdegegnerin nahm daraufhin eine Überprüfung der Leistungshöhe für die Monate April bis Juli 2006 vor und hörte die Beschwerdeführerin unter dem 28. Juli 2006 zur beabsichtigten Rückforderung von Leistungen für diese Zeiträume an. Mit Bescheid vom 28. Juli 2006 hob sie die Leistungsbewilligung für August 2005 teilweise auf und nahm eine Verrechnung mit laufenden Leistungen vor, weshalb eine Überweisung des überzahlten Betrags nicht notwendig sei. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 2006, abgesendet am 31. Juli 2006, bewilligte die Beschwerdegegnerin Leistungen vom 1. August 2006 bis 31. Januar 2007. Diese sind nach ihren Angaben am 3. August 2006 zur Auszahlung gekommen.
Bereits am 2. August 2006 hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, da der Weiterzahlungsantrag nicht beschieden worden sei. Nachdem die Beschwerdegegnerin auf den Bescheid vom 31. Juli 2006 hingewiesen hat, hat die Beschwerdeführerin unter dem 5. September 2006 das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Am 2. August 2006 habe sie den Bescheid vom 31. Juli 2006 noch nicht gehabt. Die Beschwerdegegnerin habe das Verfahren veranlasst und daher die außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu tragen.
Die Beschwerdegegnerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Bescheid vom 31. Juli 2006 gelte als am 3. August 2006 bekannt gegeben. Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz sei bei ihr am 4. August 2006 eingegangen. Die Erledigung sei damit nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit eingetreten. Der Bescheid vom 31. Juli 2006 sei außerdem noch vor dem neuen Bewilligungsabschnitt ergangen. Daher habe die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Sozialgericht hat unter dem 5. Januar 2007 beschlossen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Voraussichtlich hätte zwar die Beschwerdegegnerin unterlegen, da die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Dass die Beschwerdegegnerin dem entsprochen habe, sei jedoch nicht auf den erhobenen Eilantrag zurückzuführen. Es sei nach dem Veranlassungsprinzip auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin den Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnung nicht veranlasst habe. Der Beschwerdeführerin sei die Antragsbearbeitung bekannt gewesen. Die erforderlichen Unterlagen hätten erst am 27. Juli 2006 vorgelegen. Eine Bearbeitungszeit von wenigen Tagen müsse bei der Notwendigkeit der Neuberechnung des Anspruchs wegen des monatlich wechselnden Einkommens zugestanden werden. Zudem hätten der Beschwerdeführerin ebenfalls am 2. August 2006 Anhörungsschreiben sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vorgelegen, in denen auf eine Aufrechnung der Erstattungsforderung mit laufenden Leistungen hingewiesen worden sei. Eine Rückfrage per Telefon oder Telefax bei der Beschwerdegegnerin am 2. August 2006 hätte die Problematik auf einfacherem Wege klären können. Nach § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) trage ausnahmsweise der Obsiegende die Kostenlast, wenn er unnötigerweise ein gerichtliches Verfahren eingeleitet habe, obwohl er auf einfacherem Wege sein Begehren hätte durchsetzen können. Anfang August 2006 dürfte wegen der Zahlung des Lohnes des Ehemanns zum Ende des Monats der Lebensunterhalt der Familie auch noch sichergestellt gewesen sein; eine besondere Notlage hätte sie nicht zu einem Eilantrag veranlassen müssen.
Gegen den ihr am 22. Januar 2007 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am gleichen Tag Beschwerde eingelegt. Es liege keine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass der Unterlegene die Kosten zu tragen hat. Ein sofortiges Anerkenntnis der Beschwerdegegnerin scheide aus, da sie sich im Verzug befunden habe. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II verlange die Vorauszahlung der Leistungen; dies wäre möglich und praktikabel gewesen. Dies zu unterlassen stelle einen Verstoß gegen das Zügigkeitsgebot dar. Es liege ein Fall falscher Sachbehandlung vor. Trotz des schwankenden Einkommens des Ehemannes seien Einkommensunterlagen für einen früheren Zeitraum nicht erforderlich gewesen. Die diversen Zuschläge seien aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich gewesen. Die angeforderten Gehaltsunterlagen hätten bereits am 14. Juli 2006 und nicht erst am 27. Juli 2006 vorgelegen. Ohnehin seien nur die Lohnunterlagen von April bis Juni 2006 angefordert worden. Als Vorlagedatum sei der 27. Juli 2006, 8.00 Uhr vereinbart worden. Gegebenenfalls hätte eine Rückforderung überzahlter Leistungen erfolgen können. Der zum Monatsende geleistete Lohn habe den im Laufe des Monats entstandenen Bedarf rückwirkend gedeckt. Im Bereich des soziokulturellen Existenzminimums sei es unzumutbar, ohne Bescheid auf Leistungen zu warten.
Die Beschwerdeführerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss vom 5. Januar 2007 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zur Tragung der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde abzuweisen und zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zu erstatten sind.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Ergänzend hat sie ausgeführt, die Gehaltsabrechnungen April bis Juni 2006 hätten zwar am 14. Juli 2006 vorgelegen. Für die Berechnung seien jedoch wegen diverser Zuschläge Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers erforderlich gewesen. Die Nachweise seien wie vereinbart am 27. Juli 2006 eingegangen, am Folgetag eingearbeitet sowie der Bewilligungsbescheid gesetzt und die Zahlung angewiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe gewusst, dass ihr Antrag bearbeitet werde und dass zur endgültigen Berechnung die Einkommensbescheinigungen des Arbeitgebers benötigt würden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum sie sich nicht telefonisch nach dem Bearbeitungsstand erkundigt, sondern gleich ein einstweiliges Rechtschutzverfahren angestrebt habe.
II.
Die nach § 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 SGG) ist unbegründet.
Nach § 193 Abs. 1 zweiter Halbsatz SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Im SGG ist nicht ausdrücklich bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Kosten zu erstatten sind. Die §§ 91 ff. ZPO sind nicht unmittelbar anwendbar; die dort aufgestellten Grundsätze sind aber im Allgemeinen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens bei der Kostenentscheidung heranzuziehen. Nach Beendigung des Rechtsstreits durch Erledigungserklärung entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (vgl. § 91a ZPO). Maßgeblich sind dabei zunächst der wahrscheinliche Verfahrensausgang, aber auch, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat, bzw. ob sich die Sachlage nach Erlass des streitigen Verwaltungsakts geändert und der Unterlegene dem durch sofortiges Anerkenntnis entsprochen hat (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage § 193 Rn. 12b). Darüber hinaus kann im Rahmen der Ermessenserwägungen auch der konkrete Anlass für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes oder die Verursachung unnötiger Kosten durch einen Verfahrensbeteiligten berücksichtigt werden. Bei der Überprüfung der Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren hat das Beschwerdegericht sein Ermessen vollumfänglich auszuüben (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193, Rn. 17).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Sozialgerichts Magdeburg im Beschluss vom 5. Januar 2007 im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte zur Überzeugung des Senats schon keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 86b Rn. 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.
Zwar hatte das Rechtmittel der Beschwerdeführerin vom 2. August 2006 mutmaßliche Aussicht auf Erfolg und ein Anordnungsanspruch lag damit vor. Ihr stand, wie sich aus dem Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 31. Juli 2006 ergibt, ein Zahlungsanspruch für die Zeit für die Zeit ab dem 1. August 2006 zu. Am Tag der Einlegung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz am 2. August 2006 war der Bewilligungsbescheid vom 31. Juli 2006 noch nicht - nachweislich - zugegangen. Die Beschwerdeführerin hatte nach ihren Angaben vom 2. August 2006 bis zum Absenden des Antragsschriftsatzes per Fax um 15.22 Uhr diesen Bescheid noch nicht erhalten. Die Differenzierung der Beschwerdegegnerin nach An- und Rechtshängigkeit geht insoweit fehl. Rechtshängig können nur Klagen werden; Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz können nur anhängig gemacht werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 94 Rn. 2) Mangels anderer Darlegungen der Beschwerdeführerin über den tatsächlichen Zugang des Bescheides vom 31. Juli 2006 gilt dieser gemäß § 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erst mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, also dem 3. August 2006, als bekannt gegeben und damit wirksam geworden.
Allerdings ist mutmaßliche Erfolgsaussicht eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht allein nach dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zu prüfen. Vielmehr ist auch entscheidungserheblich, ob ein Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, glaubhaft gemacht worden ist.
Ein solcher Anordnungsgrund ist von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 2. August 2006 nicht einmal geltend gemacht worden. Sie hat ausschließlich angeführt, dass sich an der Hilfebedürftigkeit nichts geändert habe. Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falls hätte es einer eingehenden Darlegung bedurft, weshalb die Beschwerdeführerin bereits am zweiten Tag nach Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts der gerichtlichen Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes bedurfte. Wie sich aus den Anhörungen der Beschwerdegegnerin vom 28. Juli 2006 hinsichtlich der Rückforderungen für die Zeiträume von April bis Juli 2006 ergibt, reichte das Einkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin ganz oder überwiegend aus, um den monatlichen Bedarf zu decken. Dem entsprechend sind für Mai und Juni sowie Juli 2006 nur geringe endgültige Leistungen und für Juni 2006 gar keine Leistungen festgesetzt worden. Das Sozialgericht hat daher zu Recht auch auf den Aspekt abgestellt, dass - angesichts der vereinbarten Lohnzahlung zum Ende des Monats Juli - am 2. August 2006 mutmaßlich (noch) keine besondere Eilbedürftigkeit für eine Regelungsanordnung bestand. Die bloße Darlegung, dass sich an der Hilfebedürftigkeit nichts geändert habe, reichte jedenfalls in dieser Konstellation für die Annahme eines Anordnungsgrundes nicht aus.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht zu Recht auch auf den Veranlassungsgrundsatz abgestellt. Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdegegnerin den Fortzahlungsantrag vom 10. Juli 2006 - für die Beschwerdeführerin erkennbar - bearbeitete und auch am 27. Juli 2006 von dieser weitere Lohnunterlagen des Ehemanns erhalten hatte, hätte es ihr oblegen, sich am 1. August 2006 zunächst an die Beschwerdegegnerin zu wenden. Aus deren Verhalten bei der Antragsbearbeitung konnte die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schließen, dass die beantragte Leistungsbewilligung endgültig abgelehnt würde (vgl. dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 26b). Eine telefonische Nachfrage bei der Beschwerdegegnerin am 1. August 2006 hätte zur Kenntnis des bereits gefertigten Bewilligungsbescheids vom 31. Juli 2006 geführt und damit die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes überflüssig gemacht. Gesteigerte Anforderungen an die Prüfung der weiteren Vorgehensweise bestanden insbesondere deshalb, weil der Beschwerdegegnerin die Lohnunterlagen des Ehemanns am 27. Juli 2006, einem Donnerstag, zugingen, während der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits am darauf folgenden Dienstag gestellt wurde. Angesichts der verbleibenden drei Arbeitstage zur Berechnung der wechselnden Einkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin sowie zur Versendung des Bescheides hätte diese damit rechnen müssen, dass sich der Zugang des Bescheides geringfügig bis nach Beginn des neuen Bewilligungsabschnittes verzögern kann.
Die von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Einkommensermittlung für die Monate April bis Juli 2006 für die Feststellung des Leistungsbedarfs ab August 2006 notwendig war, ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht relevant. Denn ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bestimmt sich allein nach der Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und -anspruch. Welche Gründe zu der behaupteten Dringlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Regelung geführt haben, ist dabei ohne Bedeutung.
Auch aus dem in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II geregelten Grundsatz der Vorausleistung lässt sich für den mutmaßlichen Erfolg des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz vom 2. August 2006 nichts anderes herleiten. Der Grundsatz der Vorleistungspflicht betrifft lediglich den Anordnungsanspruch, nicht jedoch den hier bereits fehlenden Anordnungsgrund.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved