L 10 KR 30/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 KR 232/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 30/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattungspflicht der Beklagten für implantologische Leistungen.

Der am 1987 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 20. April 2005 beantragte er die Kostenübernahme für zwei Implantate, die ihm nach langjähriger kieferorthopädischer Behandlung nun vom Kieferchirurgen gesetzt werden sollten. Er fügte einen entsprechenden Befund- und Behandlungsplan der Zahnärzte und Oralchirurgen Dr. Sch. vom 11. April 2005 bei.

Mit Bescheid vom 29. April 2005 lehnte die Beklagte jegliche Kostenbeteiligung für die Implantatbehandlung ab, da keine Ausnahmeindikation im Sinne der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bun-desausschuss) vorliege.

Hiergegen legte der Kläger am 3. Mai 2005 Widerspruch ein. Er verwies auf einen von der Beklagten genehmigten kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 18. September 2000 der Kieferorthopädin Dr. P. , in dem die Nichtanlage der Zähne 12 und 22 und die hierfür vorgesehenen Implantate bereits aufgeführt seien. Die gesetzlichen Vertreter des damals minderjährigen Klägers seien wiederholt in der Geschäftsstelle der Beklagten gewesen, um sicher zu stellen, dass der Kläger die Implantate erhalte. Dies sei ihnen durch verschiedene Mitarbeiter zugesichert worden. Es sei bereits vor Beginn der Behandlung eindeutig erklärt worden, dass die gesetzlichen Vertreter des Klägers mit einer Brücke nicht einverstanden seien. Auch bei Gesetzesänderungen könne eine gegebene Zusage nicht zurückgenommen werden. Auf Grund des genehmigten Behandlungsplanes sei die Ablehnung nicht nachvollziehbar.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 teilte die Beklagte mit, mit dem Behandlungsplan vom 18. September 2000 sei lediglich eine kieferorthopädische Behandlung beantragt und genehmigt worden. Der Hinweis auf die zwei Implantate als vorgesehene Therapie stände dem nicht entgegen. Die Implantate würden nicht vom Facharzt für Kieferorthopädie beantragt oder eingesetzt. Die Nichtanlage von zwei Zähnen stelle keine generalisierte genetische Nichtanlage im Sinne der Richtlinien dar. Für die zahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz seien zum 1. Januar 2005 befundbezogene Festzuschüsse für eine Regelversorgung festgelegt worden. Nach Vorlage eines entspre-chenden Heil- und Kostenplanes und des Bonusheftes zur Genehmigung könne eine Zuschussfestsetzung für die Regelversorgung erfolgen. Sämtliche Vorleistungen im Zusammenhang mit den Implantaten sowie die Implantate selbst gehörten nicht zur Suprakonstruktion und seien vom Kläger selbst zu übernehmen.

Hiergegen legte der Kläger am 9. Juni 2005 Widerspruch ein. Es sei völlig unverständlich, dass die vorgesehene Therapie nicht als Teil des Behandlungsplanes gewertet werde, da die genehmigte Behandlung nicht mit zwei entstandenen Zahnlücken enden könne und innerhalb der kieferorthopädischen Behandlung auch schon kieferchirurgische Behandlungen auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden seien. Ohne entsprechenden Hinweis sei nicht nachvollziehbar, dass der kieferorthopädische Behandlungsplan nur zum Teil genehmigt worden sei. Der Kläger fügte die Rechnung über die zahnärztliche Behandlung vom 6. Mai 2005 bis 23. Mai 2005 der Zahnärzte und Oralchirurgen Dr. Sch. vom 26. Mai 2005 bei, nach der für die Implantate ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.354,32 EUR zu zahlen waren.

Auf Grund eines Heil- und Kostenplanes für Zahnersatz/Zahnkronen vom 23. September 2005 bewilligte die Beklagte für die Suprakonstruktion einen Festzuschuss von 1.028,82 EUR, bei dem ein zusätzlicher Bonus von 30 % berücksichtigt war und der über die Kassenzahnärztliche Vereinigung direkt mit dem Zahnarzt abgerechnet wurde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen zurück. Die beim Kläger vorliegende Nichtanlage von zwei Zähnen falle nicht unter die geregelten enummerativen Ausnahmetatbestände. Da die Richtlinie bindend sei, bestehe keine Möglichkeit für eine Kostenbeteiligung. Bezüglich der Ausführungen, bereits im Jahr 2000 sei eine Leistungszusage erteilt worden, werde darauf hingewiesen, dass eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen, nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (SGB X) zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedürfe.

Hiergegen hat der Kläger am 21. November 2005 Klage erhoben. Er hat ausgeführt, die Beklagte müsse sich an ihrer Kostenzusage vom 17. November 2000 festhalten lassen, die anhand des eingereichten Behandlungsplanes von Dr. P. vom 18. September 2000 und einer Stellungnahme des von der Beklagten eingesetzten Gutachters Dr. H. vom 14. November 2000 erfolgt sei. Er genieße insofern Vertrau-ensschutz. Auch im Übrigen sei die Beklagte zur Übernahme der Kosten verpflichtet, da die Behandlung aus medizinischer Sicht notwendig und geboten gewesen sei.

Das Sozialgericht Dessau hat die Klage mit Urteil vom 14. Februar 2007 abgewiesen, da keine Ausnahmeindikation vorliege und sich der Kläger nicht auf die Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes vom 18. September 2000 berufen könne. Dieser Genehmigung könne nicht entnommen werden, dass auch für zukünftige Behandlungspläne Kosten übernommen würden. Es liege keine schriftliche Zusicherung im Sinne von § 34 SGB X vor und die damalige Zuschussbewilligung könne keinen Vertrauensschutz in Bezug auf zukünftige Kosten für implantologische Leistungen begründen. Die Entscheidung habe sich eindeutig auf den von der Praxis P. vorgelegten Behandlungsplan und nicht auf zukünftige Behandlungspläne anderer Zahnarztpraxen bezogen.

Gegen das dem Kläger am 2. März 2007 zugestellte Urteil hat dieser noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Da der Behandlungsplan vom 18. September 2000 unter "4. Therapie" auch die Implantate 12 und 22 erfasse, sei der Kläger als medizinischer Laie berechtigerweise davon ausgegangen, dass mit der Bewilligung auch die Kosten für implantologische Leistungen von der Beklagten übernommen würden. Entsprechende mündliche Aussagen der Beklagten hätten diese Annahme unterstützt. Aus diesem Grund könne der Kläger Vertrauensschutz für die Kostenübernahme bezüglich der implantologischen Leistungen in Anspruch nehmen. Bei dieser Entscheidung handele es sich auch um eine schriftliche Zusicherung i. S. v. § 34 SGB X.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 14. Februar 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 29. April 2005 und vom 24. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2005 aufzuheben

und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Implantatbehandlung einen Betrag in Höhe von 1.354,32 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat hierzu auf ihre bisherigen Ausführungen und die Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat die im Namen seiner Mutter erfolgte Klageerhebung und Berufungseinlegung nachträglich vollumfänglich genehmigt. Die Bescheide der Beklagten vom 29. April 2005 und 24. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2005 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht i. S. v. §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm für die erbrachten implantologischen Leistungen entstanden sind.

Nach § 13 Abs. 1 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) richtet sich ein Kostenerstattungsanspruch nach dem Anspruch auf die entsprechende Sachleistung und muss daher vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, § 13 SGB V Rz. 30, 41 m.w.N.). Implantologische Leistungen sind von diesem Leistungskatalog ausdrücklich ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus der insoweit seit 1. Januar 2005 unverändert gebliebenen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V i. V. m. Satz 8. § 28 Abs. 2 SGB V beschreibt die zahnärztliche Behandlung, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 SGB V grundsätzlich von der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung zu erbringen ist. Nicht zu der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden zahnärztlichen Behandlung gehören nach den Sätzen 8 und 9 dieser Vorschrift implantologische Leistungen, und diese dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschusst werden, es sei denn, es liegen seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. In den Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien) vom 4. Juni/24. September 2003, die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten sind, hat der Gemeinsame Bundesausschuss unter VII. Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen festgelegt. Danach besteht bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In Satz 4 dieser Vorschrift werden als Ausnahmeindikationen die vier folgenden besonders schweren Fälle aufgeführt: - Kiefer- oder Gesichtsdefekte, die ihre Ursache in Operationen, Entzündungen, angeborenen Fehlbildungen des Kiefers oder Unfällen haben, - dauerhaft bestehende extreme Xerostomie (= abnorme Trockenheit der Mund-höhle), insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, - generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen, - nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktionen im Mund- und Ge-sichtsbereich (z. B. Spastiken).

Eine solche Ausnahmeindikation liegt beim Kläger nicht vor. Insbesondere ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erfüllung der Voraussetzung einer "generalisierten" genetischen Nichtanlage von Zähnen mindestens das Fehlen der Mehrzahl der typischerweise angelegten Zähne erforderlich (BSG, Urt. v. 13.07.2004 – B 1 KR 37/02 R, zitiert nach Juris), während beim Kläger lediglich zwei Zähne im Oberkiefer nicht angelegt waren. Zudem wäre beim Kläger auch eine konventionelle prothetische Versorgung (mittels Zahnkronen und Brückengliedern) ohne Implantate möglich gewesen, wie der spätere Heil- und Kostenplan aus Juli bzw. September 2005 belegt. Der Kläger behauptet auch selbst nicht, dass eine Ausnahmeindikation im Sinne dieser Richtlinien vorliege.

Der Ausschluss implantologischer Leistungen vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gilt bereits seit 1. Januar 1997. Der insoweit eingeräumte Sachleistungsanspruch im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung bei Vorliegen einer vom Bundesausschuss vorher festgelegten Ausnahmeindikation wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1997 eingefügt. Die einzige seitdem diesbezüglich eingetretene Gesetzesänderung bezieht sich auf den auf das Implantat aufgesetzten Zahnersatz (Suprakonstruktion). Diese war bis zum 31. Dezember 1999 ebenfalls als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. In der Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 konnte in den vom Bundesausschuss hierfür festgelegten Ausnahmefällen ein Zuschuss zu den Kosten für die Suprakonstruktion beansprucht werden (zur Gesetzesentwicklung vgl. auch BSG, Urt. v. 19.06.2001 – B 1 KR 4/00 R, BSGE 88, 166). Seit 1. Januar 2005 wird auch diese Leistung von der Festzuschuss-regelung erfasst, d. h. der Versicherte erhält unabhängig von der konkreten Versor-gungsform einen befundbezogenen Festzuschuss, der sich nach den Kosten für die prothetische Regelversorgung richtet. Damit war die Gewährung implantologischer Leistungen ohne das Vorliegen einer Ausnahmeindikation bereits im Jahr 2000 ausgeschlossen, als die Beklagte den kieferorthopädischen Behandlungsplan vom 18. September 2000 genehmigte. Kosten für die Suprakonstruktion sind nicht Gegenstand des vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs. Aber auch diesbezüglich ist nicht auf die im September 2000 geltende Rechtslage abgestellt und das Vorliegen eines Ausnahmefalles für die Suprakonstruktion geprüft worden, sondern der Kläger hat hierfür – entsprechend der seit 2005 geltenden Reglung – einen Festzuschuss erhalten, der direkt mit dem Zahnarzt verrechnet wurde.

Der Leistungsausschluss für Implantate ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verfassungsgemäß (BSG, Beschl. v. 23.05.2007 – B1 KR 27 /07 B; Urt. v. 19.06.2001 – B 1 KR 23/00 R, zitiert nach Juris, sowie Urt. v. 19.06.2001 – B 1 KR 4/00 R a.a.O.). Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzli-chen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz lediglich in Bezug auf den Kernbereich der Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung entnehmen, d. h. die Leistungen dürfen nicht so weit eingeschränkt werden, dass die Vorkehrungen zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich wären (vgl. BVerfG, Bschl. v. 06.12.2005, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Der Leistungsausschluss für Implantate berührt diesen Kernbereich der Krankenversicherung nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen auch nicht im Hinblick auf das Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz), Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urt. v. 19.06.2001 – B 1 KR 4/00 R a.a.O.). Beim Kläger liegt keine Ausnahmeindikation und auch kein damit vergleichbarer schwerer Fall vor. Vielmehr wäre bei ihm eine konventionelle prothetische Versorgung mit einem Festzuschuss seitens der Beklagten möglich gewesen, wobei der Kläger ebenfalls eine Eigenbeteiligung zu leisten gehabt hätte.

Es liegt auch keine die Beklagte bindende Kostenzusage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch vor. Insbesondere kann sich der Kläger hierzu nicht auf die Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes vom 18. September 2000 berufen, auch wenn dort die Nichtanlage der Zähne 12 und 22 und die hierfür vorgese-henen Implantate bereits aufgeführt waren. Die Genehmigung ist ausschließlich für die kieferorthopädische Behandlung erteilt worden. Der Kläger konnte darin weder bereits eine Genehmigung für implantologische Leistungen sehen (vgl. hierzu (1)) noch die Zusage, eine solche Genehmigung später zu erlassen (vgl. hierzu (2)).

Bei der Auslegung von öffentlich-rechtlichen Erklärungen, insbesondere von Verwaltungsakten, kommt es nach herrschender Meinung nur auf den erklärten, d. h. auf den zum Ausdruck gekommenen Willen der erklärenden Stelle an, und zwar in der Gestalt, wie er für den Adressaten der Erklärung erkennbar geworden ist. Maßgebend ist also nicht, was die Verwaltung mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern wie der Empfänger sie verstehen durfte. Andererseits kann der Empfänger sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv – unter Berücksichtigung aller Umstände – nicht so verstanden werden konnte (vgl. Palandt, BGB, 65. Aufl., 2006, § 133 Rz. 4 m.w.N). Zudem gehen bei begünstigenden Verwal-tungsakten der Leistungsverwaltung – anders als in der Eingriffsverwaltung – Unklar-heiten nicht stets zu Lasten der Verwaltung (vgl. BSG, Urt. v. 01.03.1979 – 6 RKa 3/78, BSGE 48, 56; zum Ganzen auch Krasney in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, § 31 SGB X Rz. 11 m. w. N.). Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung der von der Beklagten erteilten Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplans.

(1) Der von der Beklagten genehmigte kieferorthopädische Behandlungsplan ist als solcher bezeichnet und von der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie, Dr. P. , unterzeichnet. Implantologische Leistungen werden nicht vom Kieferorthopäden, sondern in einer zahnärztlichen Behandlung erbracht; für sie ist ein gesonderter Heil- und Kostenplan zu erstellen. Für zahnärztliche Leistungen enthält der kieferorthopädi-sche Behandlungsplan regelmäßig keine Ausführungen bezüglich der vorgesehenen Behandlungen oder der voraussichtlichen Kosten. Dies trifft auch auf den kieferorthopädischen Behandlungsplan von Dr. P. zu. Die Diagnose bezieht sich ausdrücklich lediglich auf das kieferorthopädische Krankheitsbild, und auch die aufgeführten Material- und Laboratoriumskosten sowie die geschätzten Gesamtkosten beziehen sich nur auf die von der unterzeichnenden Kieferorthopädin geltend zu machenden Kosten. Zwar wird in dem Therapieplan auch das Implantat der Zähne 12 und 22 erwähnt, diesbezüglich werden jedoch weder die hierfür vorgesehenen oder notwendigen zahnärztlichen Leistungen aufgeführt noch voraussichtliche Kosten angegeben. Die Angabe des Zahnbefundes mit den fehlenden Zähnen 12 und 22 sowie der vorgesehenen Therapie mittels Implantaten im kieferorthopädischen Behandlungsplan diente lediglich der Erklärung für das kieferorthopädische Vorgehen. Bei objektiver Betrachtung kann also in der Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes nicht zugleich bereits die Genehmigung für die Implantatversorgung gesehen werden.

In der Bevölkerung ist allgemein der Unterschied zwischen kieferorthopädischen und zahnärztlichen Leistungen im Wesentlichen bekannt. Hierzu gehört auch die Kenntnis, dass implantologische Leistungen nicht zu den kieferorthopädischen Leistungen gehören. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger bzw. seinen gesetzlichen Vertretern diese Unterscheidung nicht bekannt gewesen sein könnte. Ebenso wenig sind Gründe ersichtlich, wegen derer die gesetzlichen Vertreter des Klägers die dargelegte objektive Betrachtung nicht anstellen konnten. Insbesondere war nach Auffassung des Senats aus dem kieferorthopädischen Behandlungsplan ohne weiteres ersichtlich, dass die behandelnde Kieferorthopädin lediglich ihre eigenen Leistungen zur Genehmigung der Krankenkasse dargelegt und lediglich die von ihr geltend zu machenden Kosten angegeben hat. Zudem beruhte die von der Beklagten erteilte Genehmigung der kieferorthopädischen Behandlung auf einer Stellungnahme des Gutachters Dr. H. vom 14. November 2000, der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist.

Der Kläger oder seine gesetzlichen Vertreter haben auch nicht dargelegt, wie eine solche mit der Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplans erteilte Genehmigung der Implantatversorgung konkret zu verstehen gewesen sei. Kieferor-thopädische Leistungen werden nach den hierfür geltenden besonderen gesetzlichen Regelungen zunächst lediglich in Höhe von 80 % der Kosten erbracht, die restlichen 20 % der Kosten trägt der Versicherte zunächst selbst. Dieser Anteil wird ihm von der Krankenversicherung erstattet, wenn die Behandlung in dem durch den Behandlungs-plan bestimmten medizinisch erforderlichen Umfang abgeschlossen worden ist (§ 29 Abs. 2 und 3 SGB V). Dementsprechend hat die Beklagte mit der von ihr erteilten Genehmigung der kieferorthopädischen Behandlung einen Zuschuss von 80 % der im Behandlungsplan aufgeführten Leistungen (zahnärztliches Honorar und Material- und Laborkosten) bewilligt. Da es in Bezug auf die kieferorthopädische Behandlung offensichtlich keine Abrechnungsschwierigkeiten gab, ist davon auszugehen, dass den gesetzlichen Vertretern des Klägers die gesetzliche Regelung bezüglich der kieferor-thopädischen Leistungen bekannt war, insbesondere ihre Verpflichtung zur Zahlung von 20 % der Kosten und ihr Anspruch auf Erstattung dieses Betrages nach Abschluss der Behandlung. Dann konnten sie aber schwerlich davon ausgegangen sein, die für kieferorthopädische Leistungen geltenden besonderen gesetzlichen Regelungen seien mit der erteilten Genehmigung auch auf die Implantatbehandlung anwendbar.

Dass sie selbst noch nicht vom Vorliegen einer auf die implantologischen Leistungen bezogenen Genehmigung ausgegangen waren, zeigt sich auch daran, dass sie nach ihren eigenen Angaben wiederholt in der Geschäftsstelle der Beklagten gewesen sind, um sicherzustellen, dass der Kläger die Implantate erhalte. Solche wiederholten Nachfragen wären nicht erforderlich gewesen, wenn die gesetzlichen Vertreter bereits in dem kieferorthopädischen Behandlungsplan zugleich auch eine Genehmigung für die Implantate gesehen hätten. Auf diese wiederholten Nachfragen ist den Eltern des Klägers auch nicht mitgeteilt worden, die Implantatbehandlung sei bereits mit dem kieferorthopädischen Behandlungsplan genehmigt worden, sondern ihnen ist – nach eigener Angabe – durch verschiedene Mitarbeiter der Beklagten (mündlich) zugesichert worden, dass der Kläger die Implantate erhalte. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände dieses Einzelfalls kann daher in der Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes vom 18. September 2000 nicht zugleich auch eine Genehmigung der Implantatversorgung gesehen werden.

(2) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungs-akt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X der schriftlichen Form. Die vom Kläger behauptete Zusicherung durch die Mitarbeiter der Beklagten genügt diesem Formerfordernis nicht und ist daher unwirksam.

In der Genehmigung des kieferorthopädischen Behandlungsplanes vom 18. September 2000 durch die Beklagte liegt auch keine schriftliche Zusicherung für eine Kostenübernahme bezüglich der Implantate für die Zähne 12 und 22 i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Wie bereits dargelegt, diente die Erwähnung der fehlenden Zähne 12 und 22 als Zahnbefund und der vorgesehenen Implantatversorgung lediglich der Erklärung für die vorgesehenen kieferorthopädischen Maßnahmen. Es bestand keinerlei Veranlassung für die Beklagte, in Bezug auf eine möglicherweise sich anschließende Implantatbehandlung eine Kostenzusicherung abzugeben. Weder dem Behandlungsplan noch der Genehmigungsentscheidung der Beklagten über den Zuschuss in Höhe von 80 % der Leistungen mit der Stellungnahme des Gutachters Dr. H. ist irgendein Hinweis auf eine solche Zusicherung zu entnehmen. Auch hier spricht die vom Kläger angegebene wiederholte Nachfrage seiner gesetzlichen Vertreter in der Geschäftsstelle der Beklagten dafür, dass diese selbst den kieferorthopädischen Behandlungsplan und seine Genehmigung noch nicht als eine solche schriftliche Zusicherung verstanden hatten.

Dem Kläger stand es frei, die durch die kieferorthopädische Behandlung entstehenden Zahnlücken durch Implantate zu schließen, für die er selbst die Kosten zu tragen hatte oder die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der Lückenschließung durch eine Versorgung mit Zahnkronen und Brücken zu wählen. Dies war aber nicht Gegenstand der kieferorthopädischen Behandlung, sondern der zahnärztlichen und bedurfte auch erst nach weitgehendem Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung eines entsprechenden zahnärztlichen Behandlungs- und Kostenplanes, auf Grund dessen der Kläger dann seine tatsächliche Wahl treffen konnte. Schon angesichts der Behand-lungsdauer der kieferorthopädischen Behandlung von voraussichtlich drei Jahren wäre es wenig sinnvoll gewesen, den Kläger bereits bei Beginn der kieferorthopädischen Behandlung auf eine bestimmte Alternative der zahnärztlichen Behandlung festzule-gen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um die Entscheidung eines Einzelfalls auf gesicherter rechtlicher Grundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
Saved