Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 U 16/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 71/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei dem Kläger eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung (erhöhter Atemwegswiderstand infolge Abnahme der Lungendehnbarkeit) als Arbeitsunfallfolge anzuerkennen und ihm deshalb vom 1. März 2001 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 10. September 1992 gegen 11.10 Uhr bei versicherter Tätigkeit als Beifahrer eines Lkw einen Unfall, als sein Kollege nach einer Vollbremsung an einem Stauende auf einen anderen Lkw auffuhr, woraufhin er aus der Schlafkoje ins Führerhaus stürzte. Dabei zog sich der Kläger nach den Diagnosen des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. B. Prellungen der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS) sowie des linken Knies zu. Klinisch bestünden Druckschmerzen über den Dornfortsätzen der unteren HWS und der oberen Brustwirbelsäule (BWS) sowie ein Bewegungsschmerz der HWS. Der Thorax (Brustkorb), der Schultergürtel, der Abdomen (Bauchraum), der Beckenring und die oberen Extremitäten seien unauffällig. Im Bereich des linken Kniegelenkes lägen eine minimale Ergussbildung sowie Druckschmerzen am unteren Pol der Patella (Kniescheibe), unterhalb der Tuberositas tibiae (Knochenfortsatz der vorderen Schienbeinkante), am medialen (inneren) Gelenkspalt und am medialen Tibiakopf vor. Der Kniebandapparat sei stabil. Röntgenologisch seien in den Bereichen der HWS, BWS, LWS sowie des linken Kniegelenkes keine Zeichen frischer knöcherner Verletzungen vorhanden (Durchgangsarztbericht vom 10. September 1992).
Wegen deutlicher Rückenschmerzen stellte sich der Kläger am 11. September 1992 im Krankenhaus Lüdenscheid vor, wo er bis zum 22. September 1992 stationär behandelt wurde. Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung dieses Krankenhauses Prof. Dr. L. fand bei der Aufnahmeuntersuchung keine neurologischen Ausfälle, Lähmungen oder Gefühlsstörungen (Durchgangsarztbericht vom 22. September 1992). In seinem Bericht vom 23. September 1992 teilte Dr. K. von der Abteilung für Orthopädie, physikalische Therapie und Chirotherapie des Krankenhauses Lüdenscheid mit, der Kläger habe Schmerzen im Bereich der LWS und des linken Kniegelenkes geschildert. Die LWS weise bei einer harmonischen Entfaltung eine insuffiziente (rückgebildete) Muskulatur ohne segmentale Blockierungen, Hämatome (Blutergüsse) oder eine radikuläre (die Nervenwurzeln betreffende) Symptomatik auf. Das linke Kniegelenk zeige bei einem Zustand nach einem früheren Verkehrsunfall von 1987 auf der Innenseite einen gering gelockerten Kapsel-Band-Apparat. Sowohl die LWS als auch das linke Kniegelenk seien radiologisch unauffällig. Arbeitsunfähigkeit liege bis voraussichtlich zum 27. September 1992 vor. Ergänzend berichteten Prof. Dr. L. und der Stationsarzt Dr. H. unter dem 14. Oktober 1992, dass die während des stationären Aufenthaltes durchgeführte Sonographie des Abdomens bei einer durch eine Adipositas per magna (extremes Übergewicht) eingeschränkten Sicht (120 kg bei einer Körpergröße von 1,78 m) keinen auffälligen Befund ergeben habe.
In seinem Bericht über die weitere Heilbehandlung vom 6. Januar 1993 vermerkte Dr. K. anlässlich der an diesem Tag erfolgten Wiedervorstellung des Klägers eine posttraumatische Lumbago (Kreuzschmerzen nach Unfall). Die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers hätten seit Anfang Dezember 1992 zugenommen. In den Bereichen L1/2 und L2/3 (zwischen dem 1. bis 3. Wirbelkörpern der LWS) bestehe ein Facettensyndrom (Schmerzen in den Wirbelgelenken), wobei keine Anhaltspunkte für Blockierungen oder eine radikuläre Symptomatik vorhanden seien. Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zum 19. Januar 1993. Ergänzend berichtete Dr. K. der Beklagten mit Schreiben vom 30. März 1993, dass er bei dem Kläger, der seine Arbeit am 27. Oktober 1992 wieder aufgenommen habe, wegen fortbestehender Beschwerden im Wirbelsäulenbereich im Januar und Februar 1993 eine Infiltrations- bzw. Infusionstherapie in die Facetten (Injektion eines örtlichen Betäubungsmittels), einschließlich des Bereichs C2/3 (zwischen dem 2. und 3. Halswirbelkörper) vorgenommen habe.
Mit Schreiben vom 22. März 2002 wandte sich der Kläger an die Beklagte und gab an, im Rahmen einer Röntgenuntersuchung der Lunge sei festgestellt worden, dass die rechte Lungenseite zur Hälfte verschwartet sei. Eine Schädigung der Lunge habe sich auch schon auf einer im Krankenhaus Lüdenscheid im September 1992 gefertigten Röntgenaufnahme gezeigt.
Die Beklagte zog vom Krankenhaus Lüdenscheid den Röntgenbefund des Thorax vom 17. September 1992 bei. Danach habe sich eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels gezeigt, bei der ein Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Brustfells) oder eine postpleuritische Adhäsion (Verwachsung des Zwerchfellrippenwinkels nach einer Rippenfellentzündung) nicht ausgeschlossen werden könne. Daneben sei eine streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld zu erkennen. Radiologisch sei an eine Belüftungsstörung oder ein beginnendes Infiltrat (entzündlicher Prozess) zu denken. Die Herzgröße liege im Normbereich; Zeichen einer akuten cardialen (das Herz betreffende) Stauung lägen nicht vor. Bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie (Blutgerinnsel in der Lunge) sei zur weiteren Abklärung eine Szintigraphie (nuklearmedizinische Diagnostik) der Lunge zu empfehlen.
Außerdem zog die Beklagte von dem Städtischen Krankenhaus H. -D. weitere medizinische Unterlagen bei: Danach hatte sich der Kläger in der Zeit vom 1. bis zum 15. März 2001 wegen progredienter Belastungsdyspnoe (fortschreitender Atemnot bei Belastung) in der Inneren Klinik dieses Krankenhauses befunden. Nach dem entsprechenden Bericht vom 21. März 2001 waren bei dem Kläger, der nach seinen Angaben langjährig bis 1993 täglich 60 bis 70 Zigaretten geraucht habe, u.a. eine chronisch restriktive Ventilationsstörung sowie eine chronisch ischämische Herzkrankheit (Verkalkung der Herzkranzgefäße) mit Rechtsschenkelblock gefunden worden. Bei der Röntgenaufnahme des Thorax am 2. März 2001 habe sich der Verdacht auf das Bestehen eines Pleuraergusses links gezeigt. Die streifigen Belüftungsstörungen im linken Unterfeld könnten aber auch durch pneumonische (durch eine Lungenentzündung bedingte) Infiltrate bedingt sein. Im Rahmen der am 6. März 2001 durchgeführten Bronchoskopie (Spiegelung der Bronchien) sei die Entstehung eines Pneumothorax (Luftansammlung im Brustfellspalt) aufgefallen. Die Belastungsdyspnoe sei durch die Ventilationsstörung im Zusammenhang mit der ausgeprägten Adipositas des Klägers zu erklären.
Mit Schreiben vom 5. August 2002 schätzte der Chefarzt der Inneren Kl. des St. Krankenhauses H. -D. Dr. Schütte ein, als Ursache der restriktiven Funktionsstörung sei neben der ausgeprägten Adipositas ein Zustand nach Pneumothorax durchaus als möglich anzusehen.
Zur Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen ließ die Beklagte den stellvertretenden Direktor der M. Kl. und Poliklinik des Universitätsklinikums D. Prof. Dr. H. nach ambulanter Untersuchung am 21. November 2002 das lungenfachärztliche Gutachten vom 18. Januar 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 23. Juli 2003 erstellen. Prof. Dr. H. vertrat die Auffassung, die von ihm bei dem zum Untersuchungszeitpunkt 1,78 m großen und 137 kg schweren Kläger diagnostizierte mittelgradige restriktive Ventilationsstörung sei sowohl Ausdruck der Adipositas per magna als auch teilursächlich durch eine traumatische Kontusion (Prellung) der Lunge und der Pleura mit narbiger Verschwartung im Bereich der linken Lunge verursacht. Daneben liege u.a. eine geringe chronische obstruktive Bronchitis vor, die überwiegend Folge des langjährigen Zigarettenabusus sei. Für diese Bewertung spreche, dass vorbestehende Schädigungen oder Infektionen der Lunge nicht dokumentiert seien. Eine Thoraxkontusion mit Verletzung der Pleura und der Lunge sei bei der Primärbehandlung nicht erkannt worden, obwohl im Röntgenbefund vom 17. September 1992 entsprechende Veränderungen beschrieben und Verlaufskontrollen nahe gelegt worden seien. Auch der lange posttraumatische Verlauf mit Schmerzen in der "Wirbelsäule”, die ihren tatsächlichen Ausgang von der Pleura genommen haben könnten, deute in diese Richtung. Die fehlende sorgfältige Befunderhebung durch die damals behandelnden Ärzte könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Die Gesamt-MdE betrage 40 vH. Der durch den Unfall bedingte MdE-Anteil sei mit 20 vH einzuschätzen und bestehe seit März 2001.
In seinen dazu auf Veranlassung der Beklagten gefertigten Stellungnahmen vom 3. Juli und 7. August 2003 schätzte der Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg Dr. G. ein, die Annahme eines Pleuraergusses als Ursache der Verdichtung bzw. Verwachsung des linken Zwerchfellrippenwinkels scheide aus. Auch die Angabe einer streifigen Zeichnungsvermehrung im Röntgenbefund von September 1992 könne ohne das Vorhandensein irgendwelcher auffälliger Lungenbefunde weder als Hinweis auf eine traumatische Schädigung der Lunge gewertet werden noch könne ihr eine Bedeutung dahin beigemessen werden, dass daraus die jetzt gefundenen ausgeprägten pleuralen und fibrotischen (umbauenden) Veränderungen der Lunge entstanden seien. Häufigste Ursache für die Verwachsung eines Zwerchfellrippenwinkels, die oft ein Zufallsbefund sei, sei eine abgelaufene Rippenfellentzündung, von der aufgrund des unauffälligen klinischen Bildes offenbar auch die damals behandelnden Ärzte ausgegangen seien. Insgesamt handele es sich damit bei der nach dem Unfall entstandenen Atemwegserkrankung um ein Leiden, welches durch den langjährigen Zigarettenkonsum erklärt werde. Ein Zusammenhang zum Unfallereignis vom 10. September 1992 sei auch nicht im Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursächlichkeit hinreichend wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 25. August 2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 10. September 1992 in der Sache als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da er keine MdE in messbarem Grade hinterlassen habe. Den hiergegen am 22. September 2003 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2004 als unbegründet zurück.
Am 4. Februar 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und weiter geltend gemacht, der Arbeitsunfall habe auch zu einer Schädigung der Lunge geführt. Auf Veranlassung des SG hat der Direktor der Lungenklinik L. Prof. Dr. L. in seiner Einschätzung vom 29. April 2004 dargelegt, dass bei einem Sturz eines über 100 kg schweren Körpers aus einer Schlafkoje eine Lungenkontusion keineswegs ungewöhnlich sei. Eine entsprechende Symptomatik sei hier offensichtlich durch die "Rückenschmerzen” überdeckt gewesen und nicht als solche wahrgenommen worden. Ein Zusammenhang zwischen den bei dem Kläger bestehenden Veränderungen an der Brustwand und im Lungengewebe mit dem Unfallgeschehen sei daher durchaus denkbar. Möglichkeiten, eine solche Verbindung wahrscheinlicher zu machen, sehe er allerdings nicht.
Schließlich hat das SG von dem Facharzt für Innere Medizin Fricke (Institut für Medizinische Begutachtung Kassel) nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. September 2004 das Gutachten vom 25. November 2004 eingeholt. Der Sachverständige hat Brustfell- und Rippenfellverschwielungen im Bereich beider Lungenflügel mit Narbensträngen links, eine geringgradige obstruktive Bronchialerkrankung, eine Adipositas per magna, einen behandelten Bluthochdruck, einen Rechtsschenkelblock bei Verdacht auf eine Herzkranzgefäßerkrankung sowie eine Zuckerstoffwechselstörung mit Leberverfettung diagnostiziert. Im Ergebnis hat er eingeschätzt, die beim Kläger vorhandenen Lungenveränderungen und damit einhergehenden Funktionseinschränkungen seien nicht durch den Arbeitsunfall vom 10. September 1992 verursacht oder wesentlich teilverursacht. Zwar sei etwa der Röntgenbefund vom 2. März 2001, der u.a. horizontal streifige Verdichtungsfiguren im linken Unterfeld im Sinne deutlicher Brustfell-Zwerchfell-Verwachsungen und Vernarbungen innerhalb der linken unteren Lunge zeige, mit posttraumatischen Veränderungen vereinbar, wenn von einer schweren Brustkorbverletzung mit Lungenkontusion ausgegangen werde. Anzeichen für eine solche Verletzung seien jedoch nicht vorhanden. Von einer Brustkorbverletzung würden – entweder in Form einer Rippenprellung oder von Rippenbrüchen – zunächst die Rippen betroffen. Eine Lungen- und Rippenfellverletzung ohne Beteiligung des äußeren Brustkorbes sei ausgeschlossen. Zudem seien Rippenprellungen äußerst schmerzhaft und würden zwangsläufig mit einem atemabhängigen Kompressionsschmerz einhergehen. Der Kläger habe bei der Primärversorgung aber weder atemabhängige Beschwerden geschildert noch seien bei den durchgeführten klinischen Untersuchungen ein Thorax-Kompressionsschmerz befundet worden oder Prellmarken im Brustkorbbereich aufgefallen. Im Gegenteil sei der Thorax ausdrücklich als unauffällig beschrieben worden, was auf die Ungeeignetheit des Unfallhergangs zur Hervorrufung der bestehenden Lungenerkrankung hindeute. Die Vermutung, die Schmerzsymptomatik sei fehlinterpretiert worden, sei wirklichkeitsfremd. Denn kennzeichnend für Schmerzen, die vom Rippenfell herrührten, sei die Atemabhängigkeit. Ein starker Schmerz ohne Atemabhängigkeit könne nicht von einer Rippenverletzung kommen. Seien keine Blut-ergüsse erkennbar sowie kein Druck- und Stauchungsschmerz feststellbar gewesen, könne eine Brustkorbverletzung nicht einfach unterstellt werden. Gegen den geltend gemachten Zusammenhang spreche auch der Röntgenbefund vom 17. September 1992, der anstatt eines akuten Verletzungszustandes narbige Veränderungen beschreibe. Um die jetzt radiologisch sichtbare Pleuraverschwartung links, die relativ hoch reiche, dem Arbeitsunfall zurechnen zu können, müsse seinerzeit ein ausgedehnter blutiger Rippenfellerguss vorgelegen haben. Im genannten Befund sei aber nur eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels angegeben. Überdies entspreche die in ihm vermerkte streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld dem auch jetzt erkennbaren Bild. Kontusionsherde (meist Blutergüsse) würden im akuten Stadium in der Lunge zu flauen, rundlichen Verschattungen führen. Erst durch einen narbigen Umbau komme es dann zu Narbensträngen, die als streifige Verschattungen im Röntgenbild sichtbar würden. Habe schon damals eine streifige Zeichnungsvermehrung bestanden, könne diese folglich nicht auf einer frischen Verletzung beruhen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei dem Kläger bereits vor dem Unfall eine gering- bis mäßiggradige Lungenfunktionseinschränkung vorgelegen habe, die auf einer – möglicherweise in der Kindheit abgelaufenen – linksseitigen Lungen- und Rippenfellentzündung beruhe und weitgehend kompensiert gewesen sei. Die spätere Zunahme der Atembeschwerden sei durch einen Summationseffekt im Sinne eines Zusammenwirkens von Übergewicht, chronisch-obstruktiver Bronchitis, Zuckerstoffwechselstörung sowie Herzerkrankung zu erklären.
Mit Urteil vom 21. April 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Beklagte habe es zutreffend abgelehnt, den beim Kläger vorhandenen Lungenschaden als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und auf dieser Grundlage eine Verletztenrente zu gewähren. Zwar sei es möglich, dass der Kläger bei dem Arbeitsunfall auch eine Lungenschädigung erlitten habe, wofür vor allem der Röntgenbefund vom 17. September 1992 spreche. Einem solchen Zusammenhang stehe jedoch der Umstand entgegen, dass keinerlei spezifische Symptome einer Brustkorbverletzung dokumentiert seien, worauf Herr Fricke überzeugend hingewiesen habe. Hinzu komme, dass die Atemwegserkrankung des Klägers nach den Darlegungen von Dr. G. auch durch dessen langjährigen Zigarettenkonsum verursacht worden sein könne.
Gegen das am 26. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Mai 2005 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Umstand, dass er zunächst keine Atembeschwerden verspürt habe, schließe eine unfallbedingte Verletzung der Lunge nicht aus. Zudem habe das SG nicht ausreichend begründet, warum es das Gutachten von Herrn F. für überzeugender halte als die Einschätzungen von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. April 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 abzuändern, festzustellen, dass eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 1992 ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. März 2001 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil des SG im Ergebnis für richtig.
Der zuständige Berichterstatter des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 27. Juni 2007 erörtert. In diesem Termin haben sie einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat sein Begehren zu Recht abgewiesen. Denn er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als zusätzliche Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 1992, so dass deswegen auch keine MdE berücksichtigt werden kann. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Wenngleich der Kläger den Arbeitsunfall bereits am 10. September 1992 und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 erlitt, ist vorliegend § 56 SGB VII anzuwenden. Denn nach § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII gilt u.a. diese Vorschrift auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, wenn erstmals nach diesem Termin – wie hier – eine Rente festzusetzen ist.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die MdE durch eine abstrakte Bemessung des Unfallschadens gebildet und beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung etablierten allgemeinen Erfahrungssätze aus der Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breith. 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Voraussetzung der hier geltend gemachten Ansprüche ist demnach einerseits, dass zwischen dem Unfallereignis und einer nachgewiesenen Gesundheitsstörung entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht, und dass andererseits durch arbeitsunfallbedingte Gesundheitsstörungen die MdE einen Grad um mindestens 20 vH erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – BSGE 94, 262 ff.; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon kann der Kläger von der Beklagten vom 1. März 2001 an keine Verletztenrente beanspruchen. Dass die unfallbedingten Prellungen der HWS und der LWS sowie des linken Knies folgenlos ausgeheilt sind und damit keine MdE hervorrufen, steht aufgrund der medizinischen Unterlagen fest, gegen die der Kläger sich auch nicht wendet. Er ist vielmehr der Meinung, aus der als zusätzliche Unfallfolge festzustellenden Ventilationsstörung resultiere eine MdE um 20 vH, weshalb ein Rentenanspruch bestehe. Diese Ansicht trifft jedoch deshalb nicht zu, weil die genannte Lungenfunktionsstörung schon nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als Arbeitsunfallfolge erfüllt, so dass sie bei einer MdE-Bewertung keine Berücksichtigung finden kann. Die restriktive Ventilationsstörung ist deshalb keine Folge des angeschuldigten Ereignisses, weil es am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 10. September 1992 und ihr fehlt. Eine MdE-relevante Einflussnahme des Arbeitsunfalls auf die Lungenerkrankung im Sinne einer Verschlimmerung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 2) scheidet deshalb von vornherein aus, weil sich nur ein (im Vollbeweis gesicherter) Vorschaden verschlimmern kann, der bereits vor dem Unfallzeitpunkt durch Funktionsstörungen Beschwerden hervorgerufen hat (= Krankheit im Rechtssinne; siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 1.3.7.2, S. 84 ff.). Da bei dem Kläger eine Lungenfunktionsstörung vor dem Unfallereignis nicht belegt ist, entfällt der Ansatzpunkt für eine Verschlimmerung. Der Senat stützt sich bei seiner Bewertung auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und hierbei insbesondere auf die Darlegungen des Sachverständigen Fricke, der unter Berücksichtigung des Ereignishergangs, der klinischen und bildgebenden (Erst-)Befunde, des Krankheitsverlaufs sowie der konkurrierenden Ursachen eine nachvollziehbare und in sich schlüssige Begründung seiner Einschätzung gegeben hat.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesentliche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand Oktober 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15, m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Betrachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall (hier einem Arbeitsunfall) selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen und ihn als letzte Bedingung in der Kausalkette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adäquanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegenheitsursache). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind etwa Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran lässt sich nach Auswertung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung das angeschuldigte Unfallgeschehen vom 10. September 1992 nicht als rechtlich wesentliche Bedingung für die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung wahrscheinlich machen. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität.
1. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs spricht zunächst, dass die Geeignetheit des Unfallhergangs zum Hervorrufen der restriktiven Ventilationsstörung schon im Sinne der Adäquanztheorie zweifelhaft ist.
a) Bereits der fehlende Nachweis eines einschlägigen Gesundheitserstschadens aufgrund der Behandlungen im Jahre 1992 als notwendigem Verbindungsglied zu dieser erstmals im Bericht vom 21. März 2001 diagnostizierten Gesundheitsstörung ruft insoweit entscheidende Zweifel hervor. Wegen ihrer Lage im schützenden Brustkorb geht eine durch eine äußere Einwirkung bewirkte Lungen- bzw. Brustfellverletzung – entweder in Form einer Rippenprellung oder von Rippenbrüchen – regelmäßig mit einer Beteiligung des Brustkorbes im Sinne einer Komplexschädigung einher. Dies gilt um so mehr, als eine intakte Lunge bzw. Pleura im Allgemeinen nur bei erheblichen Unfällen (z.B. Sturz aus großer Höhe, Überfahrenwerden oder schwere Explosion) reißt, bei denen infolge durchbohrender Stichverletzungen oder Rippenfrakturen das Gewebe durchspießt wird, worauf der Sachverständige Fricke im Einklang mit den gesicherten medizinischen Erkenntnissen hingewiesen hat (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.1, S. 1139 f.). Demgegenüber widerlegt die vollständige Unversehrtheit des Thorax die massive Gewalteinwirkung durch ein Trauma und weist darauf hin, dass dieses – unter vollständiger Umgehung der umgebenden äußeren Strukturen – das Brustfell bzw. die Lunge nicht weiter hat betreffen können. So liegt es hier. Denn Prellmarken oder Schürfwunden im Brustkorbbereich waren Dr. B. bei seiner Erstuntersuchung am Unfalltag nicht aufgefallen. Im Gegenteil hatte er den Thorax und den Abdomen ausdrücklich als unauffällig beschrieben. Anzeichen für eine Mitbetroffenheit des Brustkorbes hatte auch am Folgetag weder Prof. Dr. L. vermerkt noch sind solche für die Zeit der stationären Behandlung bis zum 22. September 1992 durch Dr. K. festgehalten worden. Gerade der als regelrecht beurteilte Thorax spricht deutlich gegen eine im Wesentlichen traumatische Verursachung des beim Kläger über acht Jahre nach dem Unfall gefundenen Lungenschadens. Sind aber kein Hinweise für eine Mitbeteiligung des Thorax belegt, kann entgegen Prof. Dr. H. eine (unerkannte) Brustkorbverletzung nicht einfach unterstellt werden, zumal die dokumentierten Unterlagen die von ihm darüber hinaus spekulierte oberflächliche Befunderhebung eindrucksvoll widerlegen. So hatte etwa Dr. B. neben dem Thorax und dem Bauchraum nicht nur die gesamte Wirbelsäule, den Schultergürtel, die oberen Extremitäten und den Beckenring in Augenschein genommen und insoweit – außer einem Druck- bzw. Bewegungsschmerz im HWS- und BWS-Bereich – keine klinischen oder radiologischen Auffälligkeiten gefunden. Vielmehr hatte er auch das linke Kniegelenk untersucht und hierbei u.a. einen stabilen Bandapparat festgestellt. Zusätzlich hatte Prof. Dr. L. am 11. September 1992 neurologische Ausfälle, Lähmungen oder Gefühlsstörungen verneint sowie gemeinsam mit Dr. H. im Rahmen der durchgeführten Sonographie des Abdomens keinen auffälligen Befund erkannt und so die Einschätzung von Dr. B. bestätigt. Schließlich ist die behauptete unzureichende Untersuchung während der Behandlung im Krankenhaus Lüdenscheid auch nicht aus den Angaben von Dr. K. ersichtlich, der eine harmonische Entfaltung der LWS bei insuffizienter Muskulatur ohne segmentale Blockierungen, Hämatome oder eine radikuläre Symptomatik wiedergegeben und im Bereich der Innenseite des linken Kniegelenkes einen gering gelockerten Kapsel-Band-Apparat festgestellt hatte. Geht aus den vorgenannten ärztlichen Angaben mithin eine ausgesprochen sorgfältige klinische, apparative und neurologische Inspektion des Klägers von der HWS bis zu den unteren Extremitäten hervor, erscheint die Vermutung, allein dem Thorax sei keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt worden, geradezu als abwegig.
b) Der für den Gesundheitserstschaden erforderliche Vollbeweis (siehe zu den inhaltlichen Anforderungen dieses Beweismaßstabes, BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2) lässt sich entgegen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. auch nicht im Wege einer Uminterpretation der Beschwerdeangaben des Klägers gewinnen. Denn die Annahme, dass hier tatsächlich eine ausreichende Gewalteinwirkung stattgefunden hat, wird durch das Nichtvorliegen jeglicher spezifischer Beschwerden erschüttert. Typische Symptome einer traumatischen Lungen- und/oder Rippenfellverletzung, wie plötzlich auftretende stechende Schmerzen in der Brust, die – wie Herr Fricke zutreffend angemerkt hat – mit einer akut einsetzenden Atemnot verbunden sind (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.2.2, S. 1141), waren weder Dr. B. aufgefallen noch hatte der Kläger bei den nachfolgenden Behandlungen bis Februar 1993 überhaupt Atembeschwerden geschildert. Stattdessen waren von ihm sowohl gegenüber Prof. Dr. L. als auch bei Dr. K. ausschließlich Rückenschmerzen geklagt worden.
2. Weitere erhebliche Zweifel an einer wesentlichen Teilursächlichkeit des Unfalls vom 10. September 1992 für die Entstehung der restriktiven Ventilationsstörung werden durch den Krankheitsverlauf genährt.
Nachdem der Kläger noch am Unfalltag bei Dr. B. vorstellig geworden war und sich anschließend bis zum 22. September 1992 stationär im Krankenhaus L. befunden hatte, nahm er seine Arbeit vom 27. Oktober 1992 an wieder auf. Die Wiedervorstellung bei Dr. K. am 6. Januar 1993 erfolgte wegen Kreuzschmerzen. Auch die von ihm eingeleitete weitere Therapie bezog sich – ebenso wie die Primärbehandlung – auf die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich. Erst acht Jahre später wurde dann wegen zunehmender Atemnot bei Belastung vom 1. bis zum 15. März 2001 eine stationäre Behandlung im Städtischen Krankenhaus H. –D. erforderlich, worüber der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 22. März 2002 wiederum erst ein Jahr danach in Kenntnis setzte. Mangels unmittelbarer zeitlicher Verknüpfung ist damit bereits die Wertung des Unfalls als auslösende conditio-sine-qua-non äußerst bedenklich. Selbst wenn aber das Intervall von mehr als acht Jahren als ausreichende zeitliche Verbindung angenommen würde, wäre allein hieraus kein Ursachenzusammenhang abzuleiten. Denn im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gilt kein Anscheinsbeweis, der besagt: Post hoc, ergo propter hoc (nach dem Unfall, also durch den Unfall). Mithin reichen Beschwerden, die nach einem Unfall auftreten und vorher – gegebenenfalls in diesem Maße – nicht verspürt worden sind, zur Begründung der unfallversicherungsrechtlichen Kausalität nicht aus, wie dies Prof. Dr. H. meint (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, wenn der Krankheitsverlauf – wie hier – anstatt einer traumatischen Entwicklung eher der klinischen Manifestation einer anderweitig begründeten Lungenerkrankung entspricht. Eine frische traumatische Verletzung geht nämlich in der Regel mit einer unmittelbaren Funktionseinschränkung einher, die sich nachfolgend bessert. Demgegenüber ist eine erst erhebliche Zeit (hier nach vielen Jahren) nach einem Unfallereignis ansteigende Beschwerdesymptomatik charakteristisch für eine nicht traumatische (insbesondere degenerative) Schadensentwicklung und damit ein starkes Indiz für ein unfallunabhängiges Geschehen.
3. Hinzu kommt, dass ein im Wesentlichen durch den Arbeitsunfall vom 10. September 1992 verursachter Lungenschaden auch nach dem zeitnahen bildgebenden Schadensbild nicht wahrscheinlich ist.
Zwar mögen die etwa im Röntgenbefund vom 2. März 2001 nachgewiesenen Brustfell-Zwerchfell-Verwachsungen und Vernarbungen im Bereich des unteren linken Lungenflügels grundsätzlich auch mit posttraumatischen Veränderungen vereinbar sein. Gegen einen solchen Zusammenhang sprechen jedoch die radiologischen Feststellungen vom 17. September 1992. Um die jetzt sichtbare relativ hoch reichende Pleuraverschwartung links mit einer traumatischen Betroffenheit der Pleura bzw. der Lunge in Verbindung setzen zu können, wäre als Folge des angeschuldigten Ereignisses mit einem ausgedehnten blutigen Rippenfellerguss zu rechnen gewesen, wie der Sachverständige Fricke in Übereinstimmung mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen dargelegt hat (vgl. nochmals Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.1, S. 1139 f.). Hinweise auf eine derartige spezifische Reaktion, die auf ein kürzlich abgelaufenes Trauma rückschließen lassen, sind im Befund vom 17. September 1992 aber nicht enthalten. Vielmehr wird in ihm nur eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels beschrieben. Überdies schlagen sich frische Kontusionsherde in der Lunge nach den einleuchtenden Ausführungen von Herrn Fricke radiologisch zunächst in Form flauer, rundlicher Verschattungen nieder. Erst infolge narbiger Umbauprozesse kommt es dann zu Narbensträngen, die als streifige Verschattungen im Röntgenbild sichtbar werden. Ist aber bereits eine Woche nach dem Unfall eine streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld gefunden worden, kann diese folglich nicht innerhalb so kurzer Zeit entstanden sein, sondern muss anstatt auf einer frischen Verletzung auf bereits länger zurückliegenden Abläufen beruhen.
4. Gegen die Wahrscheinlichkeit des geltend gemachten Ursachenzusammenhangs spricht schließlich, dass eine unfallunabhängige Erklärung für die Ventilationsstörung nahe liegt.
Nach den Darlegungen von Dr. G. und des Internisten Fricke lässt sich die Entstehung dieser Gesundheitsstörung durch einen nicht versicherten Umstand nämlich auf dem Boden einer (gegebenenfalls in der Kindheit abgelaufenen) Rippenfell- bzw. Lungenentzündung erklären, die die häufigste Ursache für die Verwachsung eines – hier belegten – Zwerchfellrippenwinkels ist. Da anlagebedingte Lungenveränderungen lange klinisch stumm bleiben können, ist das Ausbleiben relevanter Funktionseinschränkungen über Jahre hinweg nicht ungewöhnlich. Im Hinblick auf die Zunahme der Beschwerden des Klägers seit Anfang 2001 muss selbst nach den Einschätzungen von Dr. Sch. und Prof. Dr. H. in Rechnung gestellt werden, dass diese zumindest auch durch das seit vielen Jahren bestehende extreme Übergewicht des Klägers bedingt ist. Zusätzlich ist bei ihm eine chronisch-obstruktive Bronchitis nachgewiesen, die durch den langjährigen massiven Zigarettengenuss hervorgerufen worden ist, wie auch Prof. Dr. H. eingeräumt hat. Dass eine erhebliche Übergewichtigkeit in Verbindung mit einer chronischen Bronchitis bei Belastungen zu Luftnot führen kann, ist allgemein bekannt. Zusätzliche Unterstützung erfährt diese Bewertung, wenn die bei dem Kläger darüber hinaus belegte Zuckerstoffwechselstörung und ischämische Herzkrankheit berücksichtigt werden. Aus dem Zusammenwirken einer Adipositas per magna, einer chronischen Bronchitis, einer Zuckerstoffwechselstörung und einer Herzerkrankung lässt sich das Spürbarwerden einer Lungenfunktionseinschränkung in einem Lebensalter von knapp 50 Jahren zwanglos herleiten.
Da nach alledem die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht als Unfallfolge festgestellt werden und deshalb bei der MdE-Bemessung keine Berücksichtigung finden kann sowie die übrigen Folgen des Arbeitsunfalls folgenlos ausgeheilt sind und unfallunabhängige Vorschäden auch nicht MdE-relevant beeinflussen, besteht kein Anspruch auf Verletztenrente. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei dem Kläger eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung (erhöhter Atemwegswiderstand infolge Abnahme der Lungendehnbarkeit) als Arbeitsunfallfolge anzuerkennen und ihm deshalb vom 1. März 2001 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 10. September 1992 gegen 11.10 Uhr bei versicherter Tätigkeit als Beifahrer eines Lkw einen Unfall, als sein Kollege nach einer Vollbremsung an einem Stauende auf einen anderen Lkw auffuhr, woraufhin er aus der Schlafkoje ins Führerhaus stürzte. Dabei zog sich der Kläger nach den Diagnosen des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. B. Prellungen der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS) sowie des linken Knies zu. Klinisch bestünden Druckschmerzen über den Dornfortsätzen der unteren HWS und der oberen Brustwirbelsäule (BWS) sowie ein Bewegungsschmerz der HWS. Der Thorax (Brustkorb), der Schultergürtel, der Abdomen (Bauchraum), der Beckenring und die oberen Extremitäten seien unauffällig. Im Bereich des linken Kniegelenkes lägen eine minimale Ergussbildung sowie Druckschmerzen am unteren Pol der Patella (Kniescheibe), unterhalb der Tuberositas tibiae (Knochenfortsatz der vorderen Schienbeinkante), am medialen (inneren) Gelenkspalt und am medialen Tibiakopf vor. Der Kniebandapparat sei stabil. Röntgenologisch seien in den Bereichen der HWS, BWS, LWS sowie des linken Kniegelenkes keine Zeichen frischer knöcherner Verletzungen vorhanden (Durchgangsarztbericht vom 10. September 1992).
Wegen deutlicher Rückenschmerzen stellte sich der Kläger am 11. September 1992 im Krankenhaus Lüdenscheid vor, wo er bis zum 22. September 1992 stationär behandelt wurde. Der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung dieses Krankenhauses Prof. Dr. L. fand bei der Aufnahmeuntersuchung keine neurologischen Ausfälle, Lähmungen oder Gefühlsstörungen (Durchgangsarztbericht vom 22. September 1992). In seinem Bericht vom 23. September 1992 teilte Dr. K. von der Abteilung für Orthopädie, physikalische Therapie und Chirotherapie des Krankenhauses Lüdenscheid mit, der Kläger habe Schmerzen im Bereich der LWS und des linken Kniegelenkes geschildert. Die LWS weise bei einer harmonischen Entfaltung eine insuffiziente (rückgebildete) Muskulatur ohne segmentale Blockierungen, Hämatome (Blutergüsse) oder eine radikuläre (die Nervenwurzeln betreffende) Symptomatik auf. Das linke Kniegelenk zeige bei einem Zustand nach einem früheren Verkehrsunfall von 1987 auf der Innenseite einen gering gelockerten Kapsel-Band-Apparat. Sowohl die LWS als auch das linke Kniegelenk seien radiologisch unauffällig. Arbeitsunfähigkeit liege bis voraussichtlich zum 27. September 1992 vor. Ergänzend berichteten Prof. Dr. L. und der Stationsarzt Dr. H. unter dem 14. Oktober 1992, dass die während des stationären Aufenthaltes durchgeführte Sonographie des Abdomens bei einer durch eine Adipositas per magna (extremes Übergewicht) eingeschränkten Sicht (120 kg bei einer Körpergröße von 1,78 m) keinen auffälligen Befund ergeben habe.
In seinem Bericht über die weitere Heilbehandlung vom 6. Januar 1993 vermerkte Dr. K. anlässlich der an diesem Tag erfolgten Wiedervorstellung des Klägers eine posttraumatische Lumbago (Kreuzschmerzen nach Unfall). Die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers hätten seit Anfang Dezember 1992 zugenommen. In den Bereichen L1/2 und L2/3 (zwischen dem 1. bis 3. Wirbelkörpern der LWS) bestehe ein Facettensyndrom (Schmerzen in den Wirbelgelenken), wobei keine Anhaltspunkte für Blockierungen oder eine radikuläre Symptomatik vorhanden seien. Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zum 19. Januar 1993. Ergänzend berichtete Dr. K. der Beklagten mit Schreiben vom 30. März 1993, dass er bei dem Kläger, der seine Arbeit am 27. Oktober 1992 wieder aufgenommen habe, wegen fortbestehender Beschwerden im Wirbelsäulenbereich im Januar und Februar 1993 eine Infiltrations- bzw. Infusionstherapie in die Facetten (Injektion eines örtlichen Betäubungsmittels), einschließlich des Bereichs C2/3 (zwischen dem 2. und 3. Halswirbelkörper) vorgenommen habe.
Mit Schreiben vom 22. März 2002 wandte sich der Kläger an die Beklagte und gab an, im Rahmen einer Röntgenuntersuchung der Lunge sei festgestellt worden, dass die rechte Lungenseite zur Hälfte verschwartet sei. Eine Schädigung der Lunge habe sich auch schon auf einer im Krankenhaus Lüdenscheid im September 1992 gefertigten Röntgenaufnahme gezeigt.
Die Beklagte zog vom Krankenhaus Lüdenscheid den Röntgenbefund des Thorax vom 17. September 1992 bei. Danach habe sich eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels gezeigt, bei der ein Pleuraerguss (Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Brustfells) oder eine postpleuritische Adhäsion (Verwachsung des Zwerchfellrippenwinkels nach einer Rippenfellentzündung) nicht ausgeschlossen werden könne. Daneben sei eine streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld zu erkennen. Radiologisch sei an eine Belüftungsstörung oder ein beginnendes Infiltrat (entzündlicher Prozess) zu denken. Die Herzgröße liege im Normbereich; Zeichen einer akuten cardialen (das Herz betreffende) Stauung lägen nicht vor. Bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie (Blutgerinnsel in der Lunge) sei zur weiteren Abklärung eine Szintigraphie (nuklearmedizinische Diagnostik) der Lunge zu empfehlen.
Außerdem zog die Beklagte von dem Städtischen Krankenhaus H. -D. weitere medizinische Unterlagen bei: Danach hatte sich der Kläger in der Zeit vom 1. bis zum 15. März 2001 wegen progredienter Belastungsdyspnoe (fortschreitender Atemnot bei Belastung) in der Inneren Klinik dieses Krankenhauses befunden. Nach dem entsprechenden Bericht vom 21. März 2001 waren bei dem Kläger, der nach seinen Angaben langjährig bis 1993 täglich 60 bis 70 Zigaretten geraucht habe, u.a. eine chronisch restriktive Ventilationsstörung sowie eine chronisch ischämische Herzkrankheit (Verkalkung der Herzkranzgefäße) mit Rechtsschenkelblock gefunden worden. Bei der Röntgenaufnahme des Thorax am 2. März 2001 habe sich der Verdacht auf das Bestehen eines Pleuraergusses links gezeigt. Die streifigen Belüftungsstörungen im linken Unterfeld könnten aber auch durch pneumonische (durch eine Lungenentzündung bedingte) Infiltrate bedingt sein. Im Rahmen der am 6. März 2001 durchgeführten Bronchoskopie (Spiegelung der Bronchien) sei die Entstehung eines Pneumothorax (Luftansammlung im Brustfellspalt) aufgefallen. Die Belastungsdyspnoe sei durch die Ventilationsstörung im Zusammenhang mit der ausgeprägten Adipositas des Klägers zu erklären.
Mit Schreiben vom 5. August 2002 schätzte der Chefarzt der Inneren Kl. des St. Krankenhauses H. -D. Dr. Schütte ein, als Ursache der restriktiven Funktionsstörung sei neben der ausgeprägten Adipositas ein Zustand nach Pneumothorax durchaus als möglich anzusehen.
Zur Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen ließ die Beklagte den stellvertretenden Direktor der M. Kl. und Poliklinik des Universitätsklinikums D. Prof. Dr. H. nach ambulanter Untersuchung am 21. November 2002 das lungenfachärztliche Gutachten vom 18. Januar 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 23. Juli 2003 erstellen. Prof. Dr. H. vertrat die Auffassung, die von ihm bei dem zum Untersuchungszeitpunkt 1,78 m großen und 137 kg schweren Kläger diagnostizierte mittelgradige restriktive Ventilationsstörung sei sowohl Ausdruck der Adipositas per magna als auch teilursächlich durch eine traumatische Kontusion (Prellung) der Lunge und der Pleura mit narbiger Verschwartung im Bereich der linken Lunge verursacht. Daneben liege u.a. eine geringe chronische obstruktive Bronchitis vor, die überwiegend Folge des langjährigen Zigarettenabusus sei. Für diese Bewertung spreche, dass vorbestehende Schädigungen oder Infektionen der Lunge nicht dokumentiert seien. Eine Thoraxkontusion mit Verletzung der Pleura und der Lunge sei bei der Primärbehandlung nicht erkannt worden, obwohl im Röntgenbefund vom 17. September 1992 entsprechende Veränderungen beschrieben und Verlaufskontrollen nahe gelegt worden seien. Auch der lange posttraumatische Verlauf mit Schmerzen in der "Wirbelsäule”, die ihren tatsächlichen Ausgang von der Pleura genommen haben könnten, deute in diese Richtung. Die fehlende sorgfältige Befunderhebung durch die damals behandelnden Ärzte könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Die Gesamt-MdE betrage 40 vH. Der durch den Unfall bedingte MdE-Anteil sei mit 20 vH einzuschätzen und bestehe seit März 2001.
In seinen dazu auf Veranlassung der Beklagten gefertigten Stellungnahmen vom 3. Juli und 7. August 2003 schätzte der Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg Dr. G. ein, die Annahme eines Pleuraergusses als Ursache der Verdichtung bzw. Verwachsung des linken Zwerchfellrippenwinkels scheide aus. Auch die Angabe einer streifigen Zeichnungsvermehrung im Röntgenbefund von September 1992 könne ohne das Vorhandensein irgendwelcher auffälliger Lungenbefunde weder als Hinweis auf eine traumatische Schädigung der Lunge gewertet werden noch könne ihr eine Bedeutung dahin beigemessen werden, dass daraus die jetzt gefundenen ausgeprägten pleuralen und fibrotischen (umbauenden) Veränderungen der Lunge entstanden seien. Häufigste Ursache für die Verwachsung eines Zwerchfellrippenwinkels, die oft ein Zufallsbefund sei, sei eine abgelaufene Rippenfellentzündung, von der aufgrund des unauffälligen klinischen Bildes offenbar auch die damals behandelnden Ärzte ausgegangen seien. Insgesamt handele es sich damit bei der nach dem Unfall entstandenen Atemwegserkrankung um ein Leiden, welches durch den langjährigen Zigarettenkonsum erklärt werde. Ein Zusammenhang zum Unfallereignis vom 10. September 1992 sei auch nicht im Sinne einer rechtlich wesentlichen Teilursächlichkeit hinreichend wahrscheinlich.
Mit Bescheid vom 25. August 2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 10. September 1992 in der Sache als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da er keine MdE in messbarem Grade hinterlassen habe. Den hiergegen am 22. September 2003 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2004 als unbegründet zurück.
Am 4. Februar 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und weiter geltend gemacht, der Arbeitsunfall habe auch zu einer Schädigung der Lunge geführt. Auf Veranlassung des SG hat der Direktor der Lungenklinik L. Prof. Dr. L. in seiner Einschätzung vom 29. April 2004 dargelegt, dass bei einem Sturz eines über 100 kg schweren Körpers aus einer Schlafkoje eine Lungenkontusion keineswegs ungewöhnlich sei. Eine entsprechende Symptomatik sei hier offensichtlich durch die "Rückenschmerzen” überdeckt gewesen und nicht als solche wahrgenommen worden. Ein Zusammenhang zwischen den bei dem Kläger bestehenden Veränderungen an der Brustwand und im Lungengewebe mit dem Unfallgeschehen sei daher durchaus denkbar. Möglichkeiten, eine solche Verbindung wahrscheinlicher zu machen, sehe er allerdings nicht.
Schließlich hat das SG von dem Facharzt für Innere Medizin Fricke (Institut für Medizinische Begutachtung Kassel) nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. September 2004 das Gutachten vom 25. November 2004 eingeholt. Der Sachverständige hat Brustfell- und Rippenfellverschwielungen im Bereich beider Lungenflügel mit Narbensträngen links, eine geringgradige obstruktive Bronchialerkrankung, eine Adipositas per magna, einen behandelten Bluthochdruck, einen Rechtsschenkelblock bei Verdacht auf eine Herzkranzgefäßerkrankung sowie eine Zuckerstoffwechselstörung mit Leberverfettung diagnostiziert. Im Ergebnis hat er eingeschätzt, die beim Kläger vorhandenen Lungenveränderungen und damit einhergehenden Funktionseinschränkungen seien nicht durch den Arbeitsunfall vom 10. September 1992 verursacht oder wesentlich teilverursacht. Zwar sei etwa der Röntgenbefund vom 2. März 2001, der u.a. horizontal streifige Verdichtungsfiguren im linken Unterfeld im Sinne deutlicher Brustfell-Zwerchfell-Verwachsungen und Vernarbungen innerhalb der linken unteren Lunge zeige, mit posttraumatischen Veränderungen vereinbar, wenn von einer schweren Brustkorbverletzung mit Lungenkontusion ausgegangen werde. Anzeichen für eine solche Verletzung seien jedoch nicht vorhanden. Von einer Brustkorbverletzung würden – entweder in Form einer Rippenprellung oder von Rippenbrüchen – zunächst die Rippen betroffen. Eine Lungen- und Rippenfellverletzung ohne Beteiligung des äußeren Brustkorbes sei ausgeschlossen. Zudem seien Rippenprellungen äußerst schmerzhaft und würden zwangsläufig mit einem atemabhängigen Kompressionsschmerz einhergehen. Der Kläger habe bei der Primärversorgung aber weder atemabhängige Beschwerden geschildert noch seien bei den durchgeführten klinischen Untersuchungen ein Thorax-Kompressionsschmerz befundet worden oder Prellmarken im Brustkorbbereich aufgefallen. Im Gegenteil sei der Thorax ausdrücklich als unauffällig beschrieben worden, was auf die Ungeeignetheit des Unfallhergangs zur Hervorrufung der bestehenden Lungenerkrankung hindeute. Die Vermutung, die Schmerzsymptomatik sei fehlinterpretiert worden, sei wirklichkeitsfremd. Denn kennzeichnend für Schmerzen, die vom Rippenfell herrührten, sei die Atemabhängigkeit. Ein starker Schmerz ohne Atemabhängigkeit könne nicht von einer Rippenverletzung kommen. Seien keine Blut-ergüsse erkennbar sowie kein Druck- und Stauchungsschmerz feststellbar gewesen, könne eine Brustkorbverletzung nicht einfach unterstellt werden. Gegen den geltend gemachten Zusammenhang spreche auch der Röntgenbefund vom 17. September 1992, der anstatt eines akuten Verletzungszustandes narbige Veränderungen beschreibe. Um die jetzt radiologisch sichtbare Pleuraverschwartung links, die relativ hoch reiche, dem Arbeitsunfall zurechnen zu können, müsse seinerzeit ein ausgedehnter blutiger Rippenfellerguss vorgelegen haben. Im genannten Befund sei aber nur eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels angegeben. Überdies entspreche die in ihm vermerkte streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld dem auch jetzt erkennbaren Bild. Kontusionsherde (meist Blutergüsse) würden im akuten Stadium in der Lunge zu flauen, rundlichen Verschattungen führen. Erst durch einen narbigen Umbau komme es dann zu Narbensträngen, die als streifige Verschattungen im Röntgenbild sichtbar würden. Habe schon damals eine streifige Zeichnungsvermehrung bestanden, könne diese folglich nicht auf einer frischen Verletzung beruhen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei dem Kläger bereits vor dem Unfall eine gering- bis mäßiggradige Lungenfunktionseinschränkung vorgelegen habe, die auf einer – möglicherweise in der Kindheit abgelaufenen – linksseitigen Lungen- und Rippenfellentzündung beruhe und weitgehend kompensiert gewesen sei. Die spätere Zunahme der Atembeschwerden sei durch einen Summationseffekt im Sinne eines Zusammenwirkens von Übergewicht, chronisch-obstruktiver Bronchitis, Zuckerstoffwechselstörung sowie Herzerkrankung zu erklären.
Mit Urteil vom 21. April 2005 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Beklagte habe es zutreffend abgelehnt, den beim Kläger vorhandenen Lungenschaden als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen und auf dieser Grundlage eine Verletztenrente zu gewähren. Zwar sei es möglich, dass der Kläger bei dem Arbeitsunfall auch eine Lungenschädigung erlitten habe, wofür vor allem der Röntgenbefund vom 17. September 1992 spreche. Einem solchen Zusammenhang stehe jedoch der Umstand entgegen, dass keinerlei spezifische Symptome einer Brustkorbverletzung dokumentiert seien, worauf Herr Fricke überzeugend hingewiesen habe. Hinzu komme, dass die Atemwegserkrankung des Klägers nach den Darlegungen von Dr. G. auch durch dessen langjährigen Zigarettenkonsum verursacht worden sein könne.
Gegen das am 26. April 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. Mai 2005 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Umstand, dass er zunächst keine Atembeschwerden verspürt habe, schließe eine unfallbedingte Verletzung der Lunge nicht aus. Zudem habe das SG nicht ausreichend begründet, warum es das Gutachten von Herrn F. für überzeugender halte als die Einschätzungen von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. April 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 abzuändern, festzustellen, dass eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 1992 ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. März 2001 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil des SG im Ergebnis für richtig.
Der zuständige Berichterstatter des Senats hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 27. Juni 2007 erörtert. In diesem Termin haben sie einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
I. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat sein Begehren zu Recht abgewiesen. Denn er hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als zusätzliche Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 1992, so dass deswegen auch keine MdE berücksichtigt werden kann. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2004 verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Wenngleich der Kläger den Arbeitsunfall bereits am 10. September 1992 und damit vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 erlitt, ist vorliegend § 56 SGB VII anzuwenden. Denn nach § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII gilt u.a. diese Vorschrift auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, wenn erstmals nach diesem Termin – wie hier – eine Rente festzusetzen ist.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die MdE durch eine abstrakte Bemessung des Unfallschadens gebildet und beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung etablierten allgemeinen Erfahrungssätze aus der Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breith. 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Voraussetzung der hier geltend gemachten Ansprüche ist demnach einerseits, dass zwischen dem Unfallereignis und einer nachgewiesenen Gesundheitsstörung entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer haftungsausfüllenden Kausalität nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht, und dass andererseits durch arbeitsunfallbedingte Gesundheitsstörungen die MdE einen Grad um mindestens 20 vH erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – BSGE 94, 262 ff.; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon kann der Kläger von der Beklagten vom 1. März 2001 an keine Verletztenrente beanspruchen. Dass die unfallbedingten Prellungen der HWS und der LWS sowie des linken Knies folgenlos ausgeheilt sind und damit keine MdE hervorrufen, steht aufgrund der medizinischen Unterlagen fest, gegen die der Kläger sich auch nicht wendet. Er ist vielmehr der Meinung, aus der als zusätzliche Unfallfolge festzustellenden Ventilationsstörung resultiere eine MdE um 20 vH, weshalb ein Rentenanspruch bestehe. Diese Ansicht trifft jedoch deshalb nicht zu, weil die genannte Lungenfunktionsstörung schon nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als Arbeitsunfallfolge erfüllt, so dass sie bei einer MdE-Bewertung keine Berücksichtigung finden kann. Die restriktive Ventilationsstörung ist deshalb keine Folge des angeschuldigten Ereignisses, weil es am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 10. September 1992 und ihr fehlt. Eine MdE-relevante Einflussnahme des Arbeitsunfalls auf die Lungenerkrankung im Sinne einer Verschlimmerung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 25/05 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 2) scheidet deshalb von vornherein aus, weil sich nur ein (im Vollbeweis gesicherter) Vorschaden verschlimmern kann, der bereits vor dem Unfallzeitpunkt durch Funktionsstörungen Beschwerden hervorgerufen hat (= Krankheit im Rechtssinne; siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 1.3.7.2, S. 84 ff.). Da bei dem Kläger eine Lungenfunktionsstörung vor dem Unfallereignis nicht belegt ist, entfällt der Ansatzpunkt für eine Verschlimmerung. Der Senat stützt sich bei seiner Bewertung auf das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und hierbei insbesondere auf die Darlegungen des Sachverständigen Fricke, der unter Berücksichtigung des Ereignishergangs, der klinischen und bildgebenden (Erst-)Befunde, des Krankheitsverlaufs sowie der konkurrierenden Ursachen eine nachvollziehbare und in sich schlüssige Begründung seiner Einschätzung gegeben hat.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesentliche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand Oktober 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15, m.w.N.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Betrachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall (hier einem Arbeitsunfall) selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen und ihn als letzte Bedingung in der Kausalkette gelegentlich der versicherten Tätigkeit bewirkt hat (Adäquanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegenheitsursache). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind etwa Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).
Anknüpfend hieran lässt sich nach Auswertung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung das angeschuldigte Unfallgeschehen vom 10. September 1992 nicht als rechtlich wesentliche Bedingung für die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung wahrscheinlich machen. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität.
1. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs spricht zunächst, dass die Geeignetheit des Unfallhergangs zum Hervorrufen der restriktiven Ventilationsstörung schon im Sinne der Adäquanztheorie zweifelhaft ist.
a) Bereits der fehlende Nachweis eines einschlägigen Gesundheitserstschadens aufgrund der Behandlungen im Jahre 1992 als notwendigem Verbindungsglied zu dieser erstmals im Bericht vom 21. März 2001 diagnostizierten Gesundheitsstörung ruft insoweit entscheidende Zweifel hervor. Wegen ihrer Lage im schützenden Brustkorb geht eine durch eine äußere Einwirkung bewirkte Lungen- bzw. Brustfellverletzung – entweder in Form einer Rippenprellung oder von Rippenbrüchen – regelmäßig mit einer Beteiligung des Brustkorbes im Sinne einer Komplexschädigung einher. Dies gilt um so mehr, als eine intakte Lunge bzw. Pleura im Allgemeinen nur bei erheblichen Unfällen (z.B. Sturz aus großer Höhe, Überfahrenwerden oder schwere Explosion) reißt, bei denen infolge durchbohrender Stichverletzungen oder Rippenfrakturen das Gewebe durchspießt wird, worauf der Sachverständige Fricke im Einklang mit den gesicherten medizinischen Erkenntnissen hingewiesen hat (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.1, S. 1139 f.). Demgegenüber widerlegt die vollständige Unversehrtheit des Thorax die massive Gewalteinwirkung durch ein Trauma und weist darauf hin, dass dieses – unter vollständiger Umgehung der umgebenden äußeren Strukturen – das Brustfell bzw. die Lunge nicht weiter hat betreffen können. So liegt es hier. Denn Prellmarken oder Schürfwunden im Brustkorbbereich waren Dr. B. bei seiner Erstuntersuchung am Unfalltag nicht aufgefallen. Im Gegenteil hatte er den Thorax und den Abdomen ausdrücklich als unauffällig beschrieben. Anzeichen für eine Mitbetroffenheit des Brustkorbes hatte auch am Folgetag weder Prof. Dr. L. vermerkt noch sind solche für die Zeit der stationären Behandlung bis zum 22. September 1992 durch Dr. K. festgehalten worden. Gerade der als regelrecht beurteilte Thorax spricht deutlich gegen eine im Wesentlichen traumatische Verursachung des beim Kläger über acht Jahre nach dem Unfall gefundenen Lungenschadens. Sind aber kein Hinweise für eine Mitbeteiligung des Thorax belegt, kann entgegen Prof. Dr. H. eine (unerkannte) Brustkorbverletzung nicht einfach unterstellt werden, zumal die dokumentierten Unterlagen die von ihm darüber hinaus spekulierte oberflächliche Befunderhebung eindrucksvoll widerlegen. So hatte etwa Dr. B. neben dem Thorax und dem Bauchraum nicht nur die gesamte Wirbelsäule, den Schultergürtel, die oberen Extremitäten und den Beckenring in Augenschein genommen und insoweit – außer einem Druck- bzw. Bewegungsschmerz im HWS- und BWS-Bereich – keine klinischen oder radiologischen Auffälligkeiten gefunden. Vielmehr hatte er auch das linke Kniegelenk untersucht und hierbei u.a. einen stabilen Bandapparat festgestellt. Zusätzlich hatte Prof. Dr. L. am 11. September 1992 neurologische Ausfälle, Lähmungen oder Gefühlsstörungen verneint sowie gemeinsam mit Dr. H. im Rahmen der durchgeführten Sonographie des Abdomens keinen auffälligen Befund erkannt und so die Einschätzung von Dr. B. bestätigt. Schließlich ist die behauptete unzureichende Untersuchung während der Behandlung im Krankenhaus Lüdenscheid auch nicht aus den Angaben von Dr. K. ersichtlich, der eine harmonische Entfaltung der LWS bei insuffizienter Muskulatur ohne segmentale Blockierungen, Hämatome oder eine radikuläre Symptomatik wiedergegeben und im Bereich der Innenseite des linken Kniegelenkes einen gering gelockerten Kapsel-Band-Apparat festgestellt hatte. Geht aus den vorgenannten ärztlichen Angaben mithin eine ausgesprochen sorgfältige klinische, apparative und neurologische Inspektion des Klägers von der HWS bis zu den unteren Extremitäten hervor, erscheint die Vermutung, allein dem Thorax sei keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt worden, geradezu als abwegig.
b) Der für den Gesundheitserstschaden erforderliche Vollbeweis (siehe zu den inhaltlichen Anforderungen dieses Beweismaßstabes, BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 R – SozR 4-5671 § 6 Nr. 2) lässt sich entgegen Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. auch nicht im Wege einer Uminterpretation der Beschwerdeangaben des Klägers gewinnen. Denn die Annahme, dass hier tatsächlich eine ausreichende Gewalteinwirkung stattgefunden hat, wird durch das Nichtvorliegen jeglicher spezifischer Beschwerden erschüttert. Typische Symptome einer traumatischen Lungen- und/oder Rippenfellverletzung, wie plötzlich auftretende stechende Schmerzen in der Brust, die – wie Herr Fricke zutreffend angemerkt hat – mit einer akut einsetzenden Atemnot verbunden sind (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.2.2, S. 1141), waren weder Dr. B. aufgefallen noch hatte der Kläger bei den nachfolgenden Behandlungen bis Februar 1993 überhaupt Atembeschwerden geschildert. Stattdessen waren von ihm sowohl gegenüber Prof. Dr. L. als auch bei Dr. K. ausschließlich Rückenschmerzen geklagt worden.
2. Weitere erhebliche Zweifel an einer wesentlichen Teilursächlichkeit des Unfalls vom 10. September 1992 für die Entstehung der restriktiven Ventilationsstörung werden durch den Krankheitsverlauf genährt.
Nachdem der Kläger noch am Unfalltag bei Dr. B. vorstellig geworden war und sich anschließend bis zum 22. September 1992 stationär im Krankenhaus L. befunden hatte, nahm er seine Arbeit vom 27. Oktober 1992 an wieder auf. Die Wiedervorstellung bei Dr. K. am 6. Januar 1993 erfolgte wegen Kreuzschmerzen. Auch die von ihm eingeleitete weitere Therapie bezog sich – ebenso wie die Primärbehandlung – auf die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Wirbelsäulenbereich. Erst acht Jahre später wurde dann wegen zunehmender Atemnot bei Belastung vom 1. bis zum 15. März 2001 eine stationäre Behandlung im Städtischen Krankenhaus H. –D. erforderlich, worüber der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 22. März 2002 wiederum erst ein Jahr danach in Kenntnis setzte. Mangels unmittelbarer zeitlicher Verknüpfung ist damit bereits die Wertung des Unfalls als auslösende conditio-sine-qua-non äußerst bedenklich. Selbst wenn aber das Intervall von mehr als acht Jahren als ausreichende zeitliche Verbindung angenommen würde, wäre allein hieraus kein Ursachenzusammenhang abzuleiten. Denn im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gilt kein Anscheinsbeweis, der besagt: Post hoc, ergo propter hoc (nach dem Unfall, also durch den Unfall). Mithin reichen Beschwerden, die nach einem Unfall auftreten und vorher – gegebenenfalls in diesem Maße – nicht verspürt worden sind, zur Begründung der unfallversicherungsrechtlichen Kausalität nicht aus, wie dies Prof. Dr. H. meint (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, wenn der Krankheitsverlauf – wie hier – anstatt einer traumatischen Entwicklung eher der klinischen Manifestation einer anderweitig begründeten Lungenerkrankung entspricht. Eine frische traumatische Verletzung geht nämlich in der Regel mit einer unmittelbaren Funktionseinschränkung einher, die sich nachfolgend bessert. Demgegenüber ist eine erst erhebliche Zeit (hier nach vielen Jahren) nach einem Unfallereignis ansteigende Beschwerdesymptomatik charakteristisch für eine nicht traumatische (insbesondere degenerative) Schadensentwicklung und damit ein starkes Indiz für ein unfallunabhängiges Geschehen.
3. Hinzu kommt, dass ein im Wesentlichen durch den Arbeitsunfall vom 10. September 1992 verursachter Lungenschaden auch nach dem zeitnahen bildgebenden Schadensbild nicht wahrscheinlich ist.
Zwar mögen die etwa im Röntgenbefund vom 2. März 2001 nachgewiesenen Brustfell-Zwerchfell-Verwachsungen und Vernarbungen im Bereich des unteren linken Lungenflügels grundsätzlich auch mit posttraumatischen Veränderungen vereinbar sein. Gegen einen solchen Zusammenhang sprechen jedoch die radiologischen Feststellungen vom 17. September 1992. Um die jetzt sichtbare relativ hoch reichende Pleuraverschwartung links mit einer traumatischen Betroffenheit der Pleura bzw. der Lunge in Verbindung setzen zu können, wäre als Folge des angeschuldigten Ereignisses mit einem ausgedehnten blutigen Rippenfellerguss zu rechnen gewesen, wie der Sachverständige Fricke in Übereinstimmung mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen dargelegt hat (vgl. nochmals Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschn. 17.15.1, S. 1139 f.). Hinweise auf eine derartige spezifische Reaktion, die auf ein kürzlich abgelaufenes Trauma rückschließen lassen, sind im Befund vom 17. September 1992 aber nicht enthalten. Vielmehr wird in ihm nur eine Verdichtung des linken Zwerchfellrippenwinkels beschrieben. Überdies schlagen sich frische Kontusionsherde in der Lunge nach den einleuchtenden Ausführungen von Herrn Fricke radiologisch zunächst in Form flauer, rundlicher Verschattungen nieder. Erst infolge narbiger Umbauprozesse kommt es dann zu Narbensträngen, die als streifige Verschattungen im Röntgenbild sichtbar werden. Ist aber bereits eine Woche nach dem Unfall eine streifige Zeichnungsvermehrung im linken Unterfeld gefunden worden, kann diese folglich nicht innerhalb so kurzer Zeit entstanden sein, sondern muss anstatt auf einer frischen Verletzung auf bereits länger zurückliegenden Abläufen beruhen.
4. Gegen die Wahrscheinlichkeit des geltend gemachten Ursachenzusammenhangs spricht schließlich, dass eine unfallunabhängige Erklärung für die Ventilationsstörung nahe liegt.
Nach den Darlegungen von Dr. G. und des Internisten Fricke lässt sich die Entstehung dieser Gesundheitsstörung durch einen nicht versicherten Umstand nämlich auf dem Boden einer (gegebenenfalls in der Kindheit abgelaufenen) Rippenfell- bzw. Lungenentzündung erklären, die die häufigste Ursache für die Verwachsung eines – hier belegten – Zwerchfellrippenwinkels ist. Da anlagebedingte Lungenveränderungen lange klinisch stumm bleiben können, ist das Ausbleiben relevanter Funktionseinschränkungen über Jahre hinweg nicht ungewöhnlich. Im Hinblick auf die Zunahme der Beschwerden des Klägers seit Anfang 2001 muss selbst nach den Einschätzungen von Dr. Sch. und Prof. Dr. H. in Rechnung gestellt werden, dass diese zumindest auch durch das seit vielen Jahren bestehende extreme Übergewicht des Klägers bedingt ist. Zusätzlich ist bei ihm eine chronisch-obstruktive Bronchitis nachgewiesen, die durch den langjährigen massiven Zigarettengenuss hervorgerufen worden ist, wie auch Prof. Dr. H. eingeräumt hat. Dass eine erhebliche Übergewichtigkeit in Verbindung mit einer chronischen Bronchitis bei Belastungen zu Luftnot führen kann, ist allgemein bekannt. Zusätzliche Unterstützung erfährt diese Bewertung, wenn die bei dem Kläger darüber hinaus belegte Zuckerstoffwechselstörung und ischämische Herzkrankheit berücksichtigt werden. Aus dem Zusammenwirken einer Adipositas per magna, einer chronischen Bronchitis, einer Zuckerstoffwechselstörung und einer Herzerkrankung lässt sich das Spürbarwerden einer Lungenfunktionseinschränkung in einem Lebensalter von knapp 50 Jahren zwanglos herleiten.
Da nach alledem die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht als Unfallfolge festgestellt werden und deshalb bei der MdE-Bemessung keine Berücksichtigung finden kann sowie die übrigen Folgen des Arbeitsunfalls folgenlos ausgeheilt sind und unfallunabhängige Vorschäden auch nicht MdE-relevant beeinflussen, besteht kein Anspruch auf Verletztenrente. Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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