L 2 AS 183/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 766/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 183/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine SGB II-Leistungen bei Masterstudium
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Der am 1979 geborene Antragsteller schloss am 18. Oktober 2006 sein Fachhochschulstudium an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur L. (HTWK L. ) als Diplomingenieur Bauingenieurwesen erfolgreich ab. Ab dem 3. September 2007 trat er eine auf 15 Monate befristete Stelle als technischer Sachbearbeiter in M. an. Innerhalb der Probezeit kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2008. Danach war Antragsteller arbeitslos. Der Antragsgegner bewilligte ihm Arbeitslosengeld II, zuletzt bis zum 31. Oktober 2008. Ende September 2008 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, er werde im Oktober 2008 ein Masterstudium Bauingenieurwesen an der HTWK L. aufnehmen, weil es die einzige Möglichkeit sei, seinen "Marktwert" zu erhöhen. Zugleich stellte er einen Fortzahlungsantrag auf SGB II-Leistungen ab dem 1. November 2008.

Das Studentenwerk L. lehnte mit Bescheid vom 19. September 2008 seinen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen für eine Förderung eines Masterstudienganges nach § 7 Abs. 1a BAföG lägen objektiv nicht vor. Es müsse eine Bachelorabschluss vorliegen, auf den ein Masterstudium aufbaue. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Förderung einer weiteren Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG lägen nicht vor. Der Masterabschluss ergänze den FH Diplomingenieursabschluss nicht in der Weise, dass dies für die Aufnahme des angestrebten Berufs rechtlich erforderlich sei.

Mit Bescheiden vom 4. November 2008 hob der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen für Oktober 2008 auf, forderte die gezahlten 367,34 EUR zurück und lehnte zugleich die Weiterbewilligung ab dem 1. November 2008 ab. Ein Masterstudiengang sei eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, weshalb Leistungen nach dem SGB II ausschieden. Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller am 13. November 2008 Widerspruch ein. Er verwies darauf, dass für einen FH-Diplomingenieur der Masterstudiengang nicht förderungsfähig sei, denn eine Förderung sei nur möglich, wenn der Studiengang auf einem Bachelor-Abschluss aufbaue.

Am 23. Februar 2009 hat der Antragsteller eine Untätigkeitsklage (Az. S 24 AS 795/09) beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Von dem positiven Bescheid sei abhängig, ob er sein Masterstudium fortsetzen könne, da seine finanziellen Mittel aufgebraucht seien. Wenn er keine Leistungen erhalte, müsse er sich wieder arbeitslos melden.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 3. März 2009 hat der Antragsgegner die Widersprüche des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller Klage beim SG erhoben (anhängig unter dem Az. S 24 AS 1152/09).

Auf Anforderung des SG hat der Antragsteller die Studienordnung für den Masterstudiengang Bauingenieurswesen vom 31. Juli 2007 (StudO) vorgelegt. Danach baut der Masterstudiengang Bauingenieurswesen konsekutiv auf dem Bachelorstudiengang auf und führt zu einem zweiten berufsqualifizierenden Abschluss. Die Regelstudienzeit beträgt vier Semester. Zugangsvoraussetzung ist ein im In- oder Ausland erlangter erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss auf dem Gebiet des Bauingenieurswesen mit einer Gesamtnote 3,0 oder besser. Der erfolgreiche Abschluss erfordere 120 Leistungspunkte (ECTS-Punkte), wobei ein Leistungspunkt 30 Stunden Arbeitsaufwand erfordere.

Mit Beschluss vom 20. Mai 2009 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller sei nach § 7 Abs. 5 SGB II persönlich vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Denn die durchgeführte Ausbildung sei dem Grunde nach nach § 7 Abs. 1a BAföG förderfähig. Ein Sonderfall nach dem die Art der Ausbildung nicht förderfähig sei, liegt nicht vor. Die Kammer schließe sich entgegenstehender Rechtsprechung des LSG Thürigen (Beschluss vom 8. März 2006) ausdrücklich nicht an. Ein Härtefall liege nicht vor.

Gegen diesen ihm am 23. Mai 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27. Mai 2009 Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet: Die Notwendigkeit die Ausbildung aufzunehmen zeige sich schon darin, dass der Antragsgegner in der Zeit der Arbeitslosigkeit von Februar bis Oktober 2008 nicht geschafft habe, ein Arbeitsangebot vorzulegen. Da er in dieser Zeit keine Arbeit gefunden habe, zeige dies, dass seine Qualifikation offensichtlich nicht ausreiche, um eine Arbeit zu bekommen. Das Masterstudium sei als Weiterbildung anzusehen. In seinem Fall sei ihm der BAföG-Anspruch nicht aus persönlichen Gründen verwehrt, was nach der Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs führen könnte (Fachrichtungswechsel usw.), sondern eine Fördermöglichkeit werde für Diplomingenieure erst gar nicht eingeräumt. Zur Zeit finanziere er sein Studium über ein monatliches Bankdarlehen in Höhe von 195 EUR. Hiermit komme er "mehr schlecht als recht" aus, so dass er die Ausbildung noch nicht habe abbrechen müssen.

Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner dem Grunde nach zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 23. Februar 2009 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Antragsgegners und die Gerichtsakte verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz –SGG–), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG den einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs).

Ein solcher Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsteller kann keine Leistungen nach dem SGB II beanspruchen.

Ein etwaiger Leistungsanspruch des Antragstellers ist nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung u. a. im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Ein Anwendungsfall der Ausnahmetatbestände nach § 7 Abs. 6 SGB II liegt nicht vor.

Das Masterstudium Bauingenieurswesen, welches der Antragsteller zum 1. Oktober 2008 aufgenommen hat, gehört zu den Ausbildungen, die dem Grunde nach nach dem BAföG förderungsfähig sind.

Was mit der Formulierung "dem Grunde nach förderungsfähig" im § 7 Abs. 5 SGB II gemeint ist, erschließt sich aus der Zielrichtung der Vorschrift. Wie bei der wortgleichen Vorgängervorschrift in § 26 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die auch in § 22 des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) unverändert übernommen wurde, geht es darum, dass nach der Auffassung des Gesetzgebers die Materie der Ausbildungsförderung in BAföG und SGB III spezialgesetzlich und abschließend geregelt ist. Die Sozialhilfe nach dem BSHG sollte – nach der gesetzgeberischen Intention – keine (versteckte) Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene darstellen; das Sozialleistungssystem sollte nicht die finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1981, Az.: 5 C 51/08; BVerwGE 61/352). Bereits das Bundesverwaltungsgericht interpretierte die in § 26 BSHG verwendete Formulierung "dem Grunde nach förderungsfähig" in der Bedeutung von "abstrakt förderungsfähig" (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1993, Az. 5 B 82/92, MDR 1994, Seite 418). Es bestand daher kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen, wenn das BAföG die konkrete Ausbildung überhaupt – unter welchen individuellen Voraussetzungen auch immer – als förderungsfähig ansah.

Dementsprechend kommt es auch bei § 7 Abs. 5 SGB II nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteile vom 6. September 2007, B 14/7b AS 28/06 R und B 14/7b 36/06 R, zit. n. juris) nur darauf an, dass eine Ausbildung grundsätzlich gefördert werden kann, auch wenn der Betroffene konkret aus individuellen Gründen keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen haben kann. Das Arbeitslosengeld II soll nicht dazu dienen, subsidiär die Ausbildung in solchen Fällen zu fördern, in denen die Leistungsvoraussetzungen nach dem BAföG nicht vorliegen (vgl. BSG, a.a.O). Ausschlaggebend ist allein, ob die Ausbildung grundsätzlich nach BAföG oder SGB III gefördert werden kann. Insbesondere in der Person des Auszubildenden liegende Gründe, die ihn von den Förderleistungen nach diesen Gesetzen ausschließen, haben außer Betracht zu bleiben (vgl. BSG, a.a.O.). Dies gilt nicht nur für persönliche Umstände, bei denen wie der Antragsteller es formuliert, "dieser selbst schuld dran ist, dass der Anspruch weggefallen ist", sondern für alle Ausschlusstatbestände. Ein Bezug von Arbeitslosengeld II soll immer dann ausscheiden, wenn das BAföG eine Ausbildung überhaupt – unter welchen Voraussetzungen auch immer – als förderungsfähig regelt. Durch das SGB II sollen wegen der insoweit gleichen Zielrichtung (Sicherung des Lebensunterhalts des Auszubildenden) keine Umgehungstatbestände in Bezug auf das BAföG geschaffen werden. Es kommt daher nur auf die Art der Ausbildung an, ob diese Ausbildung wegen eines fehlenden Vollzeitstudiums ohne weiteren berufsqualifizierenden Abschluss für niemanden förderungsfähig ist (so der Senat für das begleitende Promotionsstudiums, Urteil vom 3. April 2008 – L 2 AS 71/06 zitiert in juris).

Ein Studiengang, der zu einem Master oder Magistergrad führt ist nach § 19 Abs. 1 und 3 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) ein weiterer berufsqualifizierender Abschluss. Für einen solchen zweiten Studiengang enthält das BAföG in § 7 Abs. 1a BAföG eine Sonderregelung. Danach ist ein solcher Studiengang u. a. förderfähig, wenn er auf einem Bachelorstudiengang aufbaut. Bei dem Masterstudiengang Bauingenieurwesen an der HTWK L. handelt es sich um ein Vollzeitstudium, welches für Bachelorabsolventen Bauingenieurswesen nach dem BAföG förderungsfähig ist. Dies steht auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Der Ausschluss von der Förderung bei dem Antragsteller beruht nicht auf der Art der Ausbildung, sondern auf der Vorqualifikation des Antragstellers für diesen Studiengang. Die Wertentscheidung, bei welchen Vorqualifikationen das Masterstudium als "Zweitstudium" mit einem zweiten berufsqualifizierenden Abschluss gefördert werden soll, hat der Gesetzgeber im BAföG getroffen. Wenn nach dem BAföG bei dem im Vergleich zum Bachelorabschluss höherwertigen Abschluss als Fachhochschulingenieur (2 Semester länger dauerndes Studium) keine Notwendigkeit einer weitergehenden Förderung für einen Masterabschluss gesehen wird, kann dieses Ergebnis nicht durch SGB II-Leistungen kompensiert werden. Soweit der Antragsteller eine Benachteiligung bei der Förderung des vor der Einführung des Bachelor- und Masterstudiengangs früheren Studienganges des Diplomingenieurs einwendet, betrifft dies die Förderung nach dem BAföG.

Von diesen Grundsätzen ist wohl auch das LSG Thüringen in seiner Entscheidung vom 8. März 2006 (L 7 AS 63/06 ER – zitiert nach juris) ausgegangen. In der dortigen Entscheidung war Gegenstand der Masterausbildung nicht ein Vollzeitstudium, sondern ein berufsbegleitender Masterstudiengang mit nur 50-58 Semesterwochenstunden. Aus diesem Grund hat das Gericht – jedenfalls auch – den sachlichen Anwendungsbereich des BAföG nicht für eröffnet gesehen. Dann dürfte dieser Masterstudiengang für keinen Absolventen förderungsfähig sein. Eine solche Fallkonstellation liegt wie dargestellt hier nicht vor.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf ein Darlehen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift können in besonderen Härtefällen trotz des generellen Ausschlusses Leistungen als Darlehen erbracht werden. Um das dargestellte Regelungskonzept des § 7 Abs. 5 SGB II, nicht als Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu dienen, zu erfüllen, liegt ein besonderer Härtefall erst dann vor, wenn im Einzelfall Umstände hinzutreten, die einen Ausschluss von der Ausbildungsförderung durch Hilfe zum Lebensunterhalt auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck als übermäßig hart, d. h. als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig, erscheinen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 B 4 AS 28/07 R – zitiert nach juris).

Derartige besondere Umstände, die über die "normale Härte", während des Laufs der Ausbildung keine Leistungen zu erhalten, hinausgehen, sind weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen. Als solche kommen eine kurz vor dem Abschluss stehende Ausbildung oder eine Gefährdung der weit fortgeschrittenen Ausbildung durch Krankheit oder Behinderung in Betracht. Auch kann eine besondere Härte darin gesehen werden, dass die Ausbildung - objektiv belegt - die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt; dies kann insbesondere bei sozialen oder persönlichkeitsbedingten Problemlagen der Fall sein, wodurch der Ausbildungsabschluss eine herausragende Bedeutung für den Zugang zum Erwerbsleben erlangt (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 28/06 R). Solche individuellen Defizite sind hier nicht erkennbar oder vom Antragsteller vorgetragen. Er hat nicht vorgetragen, weshalb ihm andere Entwicklungsmöglichkeiten verschlossen wären. Der Antragsteller verfügt über einen anerkannten Abschluss als Diplombauingenieur FH und hatte auch schon zeitweilig eine Arbeit gefunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht durch eine Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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