Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4/1 AL 103/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 150/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Insolvenzgeldzeitraum nach § 183 SGB III
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 12. Oktober 2005 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2002 Insolvenzgeld unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, dem die Beklagte dem Grunde nach Insolvenzgeld gewährt hat, begehrt die Berücksichtigung eines anderen Insolvenzgeldzeitraums, wobei er die Verschiebung um einen Monat mit einer von der Beklagten bestrittenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses begründet.
Der Kläger war bei der B. N. GmbH, B, beschäftigt. Am 27. Juni 2002 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Insolvenzgeld. In dem für den Antrag auf Insolvenzgeld vorgesehenen Formular gab er am 28. Juni 2002 an, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber nicht gelöst sei und machte zu der Frage der Kündigung dementsprechend keine weiteren Angaben (Ziffer 10 des Antrags auf Insolvenzgeld).
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 beantragte der Kläger die Zahlung eines Vorschusses auf das Insolvenzgeld, den die Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 in Höhe von 2.600,00 EUR bewilligte.
Die Beklagte zog die Leistungsakte des Klägers vom Arbeitsamt Salzwedel bei. In dieser Akte befand sich unter anderem eine Arbeitsbescheinigung der B N. GmbH, wonach diese bestätigte, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden sei. Der Geschäftsführer des Arbeitgebers S. stellte unter dem 22. November 2002 eine Insolvenzgeldbescheinigung aus, in der unter Ziffer 9 mitgeteilt wird, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht gelöst sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte Herr S. in einem Schreiben vom 20. Februar 2003 mit, dass am 30. Juli 2002 die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt worden sei. Auch für den Kläger habe er den 31. Juli 2002 als letzten, dem Betriebszweck dienenden Arbeitstag angenommen habe, obwohl dieser von seinem "Arbeitsrückbehaltungsrecht" Gebrauch gemacht habe.
Der Geschäftsführer der Beklagten H. M. O. teilte mit Schreiben vom 19. Januar 2003 der Beklagten mit, das er ausschließlich die operativen, kundenbezogenen und technischen Abwicklungen betreue. Das technische Büro habe am 30. Juni 2002 die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt. In der Niederlassung L. habe die Betriebstätigkeit seit Anfang Juli 2002 geruht.
Mit Bescheid vom 11. März 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis zum 30. Juli 2002 in Höhe von insgesamt 3.438,98 EUR. Abzuziehen sei der Insolvenzgeldvorschuss und das vom 27. Juni 2002 bis 30. Juli 2002 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 820,08 EUR, sodass sich ein Auszahlungsbetrag von 18,90 EUR ergebe. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass der Anspruch auf Insolvenzgeld bis zum Tag der vollständigen Betriebseinstellung bestehe, da das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2003 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er habe nachweislich das Arbeitsverhältnis am 27. Juni 2002 beendet und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Mit Schreiben vom 4. April 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Nachweis der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Juni 2003 (gemeint ist der 28. Juni 2002) nicht vorliege und der Kläger bei der Antragstellung am 28. Juni 2003 unter Punkt 10 erklärt habe, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber sei nicht gelöst worden; auch die Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 5. Juli 2002 bestätige, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei. Die Beklagte bat darum, das Kündigungsschreiben des Klägers als Nachweis vorzulegen. Mit Schreiben vom 29. April 2003 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger aufgrund des zeitlichen Abstands sich nicht mehr an seine Angaben bei der Antragstellung erinnern könne. Fest stehe jedoch, dass er ab dem 27. Juni 2002 Arbeitslosengeld bezogen habe. Somit sei das Arbeitsverhältnis aufgrund des Antrages auf Arbeitslosengeld und des Bewilligungsbescheides definitiv beendet gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Ausweislich der im Insolvenzgeldantrag unter Punkt 10 gemachten Angaben des Klägers, der Angaben in der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 5. Juli 2002 und der Angaben aus der Insolvenzgeldbescheinigung sei das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Arbeitgeber nicht gelöst worden.
Der Kläger hat am 2. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das Arbeitsverhältnis sei mit dem 27. Juni 2002 bereits beendet worden, sodass der Insolvenzgeldzeitraum fehlerhaft bestimmt worden sei. Er habe sich am 27. Juni 2002 arbeitslos gemeldet und ab diesem Tag Arbeitslosengeld erhalten. Bereits hieraus ergebe sich, dass er auch arbeitslos gewesen sei. Zudem habe er mit Schreiben vom 27. Juni 2002 seinen ehemaligen Arbeitgeber schriftlich und dem direkten Vorgesetzten telefonisch mitgeteilt, dass eine Arbeitslosmeldung erfolgt sei. In dieser Äußerung sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2003 legte der Kläger schließlich einen Ausdruck eines an seinen ehemaligen Arbeitgeber gerichtetes Kündigungsschreiben vom 28. Juni 2002 vor. Zum Beleg der Absendung des Originals fügte er die Kopie eines Rückscheins der Deutschen Post AG bei.
Das SG hat mit Urteil vom 12. Oktober 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. N. GmbH habe mit der Einstellung der Betriebstätigkeit am 30. Juli 2002 geendet, sodass der Insolvenzgeldzeitraum zutreffend bestimmt worden sei. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger vor dem 30. Juli 2002 habe dieser nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen. Der Kläger habe am Tag der Abfassung seines Kündigungsschreibens in seinem Antrag auf Insolvenzgeld mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis nicht gelöst worden sei. Auch in seinem Begleitschreiben habe er nicht von einer Kündigung gesprochen, obwohl eine entsprechende Information zu erwarten gewesen sei. Auch der Arbeitgeber habe in seiner Arbeitsbescheinigung vom 5. Juli 2002 angegeben, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht gekündigt worden sei. Wäre bei ihm am 1. Juli 2002 ein Kündigungsschreiben eingegangen, hätte der Arbeitgeber dies anders erklärt. Auf die ausdrückliche Aufforderung der Beklagten im Schreiben vom 4. April 2003 habe der Kläger kein Kündigungsschreiben vorgelegt, sondern argumentiert, dass sich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus der Arbeitslosmeldung ergeben würde. Erst im Klageverfahren habe er dann das Kündigungsschreiben eingereicht. Dieses Kündigungsschreiben sei an den Geschäftsführer S. adressiert gewesen. Dieser habe jedoch mit Schreiben vom 12. Juni 2005 mitgeteilt, dass ihm vom Eingang einer Kündigung nichts bekannt sei. Auch der weitere Geschäftsführer O. habe mitgeteilt, er habe nie ein Kündigungsschreiben gesehen. Welches Schreiben des Klägers beim Arbeitgeber per Einschreiben mit Rückschein am 1. Juli 2002 eingegangen sei, sei nicht festzustellen, aber unerheblich. Die Mitteilung der Arbeitslosmeldung an den Arbeitgeber stelle keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, da der Wille, das Arbeitsverhältnis zu beenden, hierin nicht zum Ausdruck komme. Melde sich ein Arbeitnehmer, der aufgrund ausstehender Lohnzahlungen keine Tätigkeit für den Arbeitgeber mehr ausübe, arbeitslos, sei regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer wieder für den Arbeitgeber arbeiten wolle, wenn dieser den ausstehenden Lohn gezahlt habe.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 20. Oktober 2005 zugestellte Urteil am 18. November 2005 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Er habe sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Juni 2002 gekündigt. Der Geschäftsführer O. könne zwar den Eingang der Kündigung nicht bestätigen, schließe diesen Eingang jedoch nicht aus. Aus einer Bescheinigung der AOK Niedersachsen gehe hervor, dass der Kläger durch seinen ehemaligen Arbeitgeber dort nur bis zum 30. Juni 2002 versichert gewesen sei. Auch dies spreche dafür, dass er das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2002 wirksam gekündigt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 12. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2002 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat der Kläger mit Schreiben vom 2. Juni 2009 Kopien seiner Schriftsätze aus dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bremerhaven übersandt. In der Klageschrift vom 9. Juli 2002 wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht erwähnt. Es wird ausgeführt, dass der Kläger seit dem 21. September 1992 bei der B. N. GmbH beschäftigt sei und die Beklagte sich im Verzug mit der Zahlung des Arbeitsentgeltes befinde. Auch im Schriftsatz vom 18. Juli 2002 an das Arbeitsgericht wird eine Kündigung des Arbeitverhältnisses nicht mitgeteilt. Der Prozessvertreter hat ein Schreiben des Klägers vom 28. Juni 2002 an den Arbeitgeber beigefügt, in dem der Kläger mitteilte, er habe von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. In einem weiteren Schriftsatz an das Arbeitsgericht vom 13. September 2002 werden eine Kündigung oder ein Kündigungsschreiben nicht erwähnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; sie ist außerdem form- und fristgerecht eingelegt worden, § 151 SGG.
Die Berufung ist auch begründet.
Das Urteil des SG vom 12. Oktober 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 sind abzuändern, soweit darin von einem Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2002 ausgegangen wird. Dieser Zeitraum, für den die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld gewährt hat, ist unzutreffend. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2002.
Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, wenn bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis) und sie für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Der Senat geht zunächst davon aus, dass das mit Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 festgestellte Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit zutreffend am 31. Juli 2002 angenommen wurde. Bei einem Betrieb mit verschiedenen Betriebsstätten liegt eine vollständige Beendigung erst vor, wenn in keinem der einzelnen Bereiche eine Betriebstätigkeit mehr stattfindet; wird sowohl produziert, als auch die hergestellte Ware verkauft, genügt die Einstellung der Produktion nicht (Krodel in Niesel, Kommentar, SGB III, 4. Auflage 2007, § 183 Rdnr. 43). So liegt der Sachverhalt hier nicht. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Mitarbeiters H. M. O. vom 19. Januar 2003, wonach das technische Büro H. , von dem die Abwicklung der Kundenaufträge ausging, am 30. Juli 2002 die letzte, dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt hat. Dies wird bestätigt durch die Angaben des Geschäftsführers S. vom 20. Februar 2003, wonach das Unternehmen auch davon ausgegangen ist, dass am 31. Juli 2002 der letzte, dem Betriebszweck dienende Arbeitstag angenommen werden kann. Das in der Niederlassung L. , in der der Kläger beschäftigt war, die Betriebstätigkeit bereits seit Anfang Juli 2002 geruht haben soll, ist vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass es sich nur um einen unselbständigen Betriebsteil handelte.
Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. N. GmbH endete jedoch nicht – wie die Beklagte und das SG angenommen haben – am 30. oder 31. Juli 2002, sondern der Kläger hat dieses Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 27. Juni 2002 zum Ablauf des Monats Juni 2002 wirksam gekündigt, sodass dementsprechend für die vorausgehenden drei Monate – hier die Monate April, Mai und Juni 2002 – das Insolvenzgeld zu gewähren war.
Der Senat ist nach Abwägung der für und gegen den Zugang des Kündigungsschreibens vom 28. Juni 2002 beim Arbeitgeber sprechenden Anhaltspunkte davon überzeugt, dass das Schreiben des Klägers vom 28. Juni 2002 dem Arbeitgeber am 1. Juli 2002 zugegangen ist und der Kläger damit sein Arbeitsverhältnis zum Ablauf des Monats Juni 2002 wirksam gekündigt hat. Der Kläger hat insoweit im Klageverfahren mit Schreiben vom 24. Oktober 2003 einen Ausdruck seines Kündigungsschreibens vom 28. Juni 2002 überreicht und gleichzeitig durch eine Kopie des Rückscheins eines Einschreibens den Zugang dieses Kündigungsschreibens am 1. Juli 2002 belegt. Zwar ist es ungewöhnlich, dass er dieses wichtige Dokument nicht bereits im Widerspruchsverfahren bei der Beklagten eingereicht hatte, zumal diese darum gebeten hatte. Dies führt der Senat jedoch auf Kommunikationsdefizite zwischen dem Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten zurück. Diese dürften auch dazu geführt haben, dass – was ungewöhnlich ist – im arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Kündigung keine Rede war, sondern die Prozessbevollmächtigten diesbezüglich nur Stundenabrechnungen, Telefonabrechnungen und Lohnabrechnungen eingereicht haben. Es ist aber anderseits erklärbar, dass die Kündigung im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch bis zum letzen Schriftsatz vom 13. September 2002 nicht erwähnt wurde. Denn es ging dem Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren um ausstehende Lohnzahlungen, die er nur bis Ende Juni 2002 geltend machte. Diese Befristung für den Zeitraum bis Ende Juni 2002 im arbeitsgerichtlichen Prozess spricht nach Auffassung des Senats eher dafür, dass der Kläger eine Kündigung ausgesprochen hat. Als entscheidender Anhaltspunkt für diesen Zugang eines Kündigungsschreibens des Klägers bei seinem Arbeitgeber ist anzuführen, dass nach der vorgelegten Mitgliedsbescheinigung des Klägers der AOK vom 7. November 2005 der Kläger über seinen Arbeitgeber, die B. N. GmbH, in der Zeit vom 1. September 1999 bis zum 30. Juni 2002 bei der AOK versichert war. Einer solchen Mitteilung der AOK muss der Abmeldungsgrund "Kündigung" zugrunde liegen. Anders ist nicht denkbar, warum die AOK die Mitgliedschaft nur bis zum 30. Juni 2002 bestätigt haben sollte. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass der Mitarbeiter H. M. O. der B. N. GmbH in seinem Schreiben vom 23. Juni 2005 dem SG mitgeteilt hat, dass es zwar durchaus denkbar sei, dass das Schreiben des Klägers nie bei der B. angekommen sei, der Kläger ihm gegenüber jedoch am Telefon mehrfach die Kündigung "angedroht" habe und - wenn er sich recht erinnere -, den Abgang des Schreibens erwähnt habe. Vor dem Hintergrund dieser Annahmen führen die Indizien, die gegen einen Zugang des Kündigungsschreibens beim Arbeitgeber sprechen könnten, zu keiner vom Vortrag des Klägers abweichenden Beurteilung. Dass der Arbeitgeber den Zugang des Kündigungsschreibens nicht feststellen konnte, lässt sich nach Überzeugung des Senats dadurch erklären, dass wegen der verschiedenen Standorte des Unternehmens Unterlagen und Post auch an verschiedenen Standorten eingingen. Das Unternehmen befand sich zu dieser Zeit bereits in der Auflösung. Der Adressat des Kündigungsschreibens, der Geschäftsführer S. , teilt zwar mit, dass ihm der Eingang des Kündigungsschreibens nicht bekannt sei, verweist aber auf Herrn O. , der möglicherweise mehr aussagen könne. Auch daraus, dass ein weiteres Schriftstück mit dem Datum 28. Juni 2002 vorhanden ist, schließt der Senat nicht, dass das Kündigungsschreiben mit selben Datum den Arbeitgeber nicht erreicht hat. Denn der Kläger hat zur Überzeugung des Senats in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es möglich sei, dass er beide Schreiben zusammen in einen Briefumschlag gesteckt und diesen Briefumschlag per Einschreiben an seinen Arbeitgeber übersandt hätte. Dabei ist es durchaus erklärbar, dass der Prozessbevollmächtigte das zweite Schreiben vom 28. Juni 2002 erst auf Anforderung im Berufungsverfahren vorgelegt hat. Denn dieses Schreiben ist nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren verwendet worden und hatte für den vorliegenden Rechtsstreit allenfalls eine geringe Bedeutung. Auch die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe das Kündigungsschreiben nach Absendung im Computer nachträglich auf Rechtschreibfehler durchgesehen und korrigiert, sodass das letzte Änderungsdatum im Computer nach Abgang des Schreibens liegt, führt nicht zu einer anderen Wertung. Denn es ist durchaus möglich, dass der Kläger ein Schreiben auch nach dessen Absendung z. B. auf Rechtschreibfehler durchsieht und entsprechende Korrekturen vornimmt. Auf Nachfrage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass jedenfalls das Erstellungsdatum im Computer am 28. Juni 2002 vermerkt gewesen sei, was er jedoch nicht mehr nachweisen könne, da er mittlerweile die Festplatte nicht mehr besitze. Auch dies ist nach Auffassung des Senats glaubhaft, da das Schreiben bereits aus dem Jahr 2002 datiert und wegen der Schnelllebigkeit im Bereich der elektronischen Kommunikation Festplatten oft in kürzerer Frist ausgetauscht werden. Dass der Kläger die beiden an seinen Arbeitgeber gesandten Schreiben vom 28. Juni 2002 nicht in einem Schriftstück zusammengefasst hat, hat der Kläger nachvollziehbar begründet. Er habe möglicherweise das im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben vom 28. Juni 2002 bereits vor diesem Datum verfasst und das Kündigungsschreiben vom 28. Juni 2002 erst nachträglich – und zwar nach der Unterzeichnung des Antragsformulars bei der Beklagten am 28. Juni 2002 – verfasst. Aus praktischen Gründen habe er dann das bereits vorliegende Schreiben zusammen mit dem erstellten Kündigungsschreiben in einen Umschlag gesteckt. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund glaubhaft, dass der Kläger in seinem Antrag auf Insolvenzgeld vom 28. Juni 2002 angegeben hat, das Arbeitsverhältnis sei nicht gekündigt. Er hat insoweit vorgetragen, es sei möglich, dass er aufgrund eines Hinweises der Beklagten, er müsse kündigen, das Kündigungsschreiben unter dem Datum 28. Februar 2002 erst nach dem Besuch der Arbeitsagentur verfasst habe. Auch dieser Vortrag überzeugt den Senat im Zusammenhang mit der diesen Vortrag stützenden besonderen Bedeutung der Mitgliedsbescheinigung der AOK. Der Kläger hat in seinem Schreiben ausdrücklich mitgeteilt, dass er von Gesetzes wegen verpflichtet sei, nach dreimonatigem Rückstand des Lohnes zu kündigen. Er hat zugleich zum Ausdruck gebracht, seine Arbeit gerne fortsetzen zu wollen, da - wie er in einem Telefonat mit Herrn O. gehört habe - die Hoffnung auf Übernahme durch eine andere Firma bestehe. Dieser auf konkrete Situationen Bezug nehmende Inhalt und auch der vorsichtige, sich alles offen halten wollende Stil des Kündigungsschreibens sprechen dafür, dass der Kläger dieses Schreiben tatsächlich am 28. Juni 2002 erstellt und abgesandt hat. Der Kläger machte in der mündlichen Verhandlung auch nicht persönlich den Eindruck, er würde ein solches Schriftstück nachträglich verfassen und erst später in den Prozess einführen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2002 aus. Der Insolvenzgeldzeitraum war entsprechend um einen Monat vorzuverlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger, dem die Beklagte dem Grunde nach Insolvenzgeld gewährt hat, begehrt die Berücksichtigung eines anderen Insolvenzgeldzeitraums, wobei er die Verschiebung um einen Monat mit einer von der Beklagten bestrittenen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses begründet.
Der Kläger war bei der B. N. GmbH, B, beschäftigt. Am 27. Juni 2002 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Insolvenzgeld. In dem für den Antrag auf Insolvenzgeld vorgesehenen Formular gab er am 28. Juni 2002 an, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber nicht gelöst sei und machte zu der Frage der Kündigung dementsprechend keine weiteren Angaben (Ziffer 10 des Antrags auf Insolvenzgeld).
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 beantragte der Kläger die Zahlung eines Vorschusses auf das Insolvenzgeld, den die Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 in Höhe von 2.600,00 EUR bewilligte.
Die Beklagte zog die Leistungsakte des Klägers vom Arbeitsamt Salzwedel bei. In dieser Akte befand sich unter anderem eine Arbeitsbescheinigung der B N. GmbH, wonach diese bestätigte, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden sei. Der Geschäftsführer des Arbeitgebers S. stellte unter dem 22. November 2002 eine Insolvenzgeldbescheinigung aus, in der unter Ziffer 9 mitgeteilt wird, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht gelöst sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte Herr S. in einem Schreiben vom 20. Februar 2003 mit, dass am 30. Juli 2002 die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt worden sei. Auch für den Kläger habe er den 31. Juli 2002 als letzten, dem Betriebszweck dienenden Arbeitstag angenommen habe, obwohl dieser von seinem "Arbeitsrückbehaltungsrecht" Gebrauch gemacht habe.
Der Geschäftsführer der Beklagten H. M. O. teilte mit Schreiben vom 19. Januar 2003 der Beklagten mit, das er ausschließlich die operativen, kundenbezogenen und technischen Abwicklungen betreue. Das technische Büro habe am 30. Juni 2002 die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt. In der Niederlassung L. habe die Betriebstätigkeit seit Anfang Juli 2002 geruht.
Mit Bescheid vom 11. März 2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis zum 30. Juli 2002 in Höhe von insgesamt 3.438,98 EUR. Abzuziehen sei der Insolvenzgeldvorschuss und das vom 27. Juni 2002 bis 30. Juli 2002 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 820,08 EUR, sodass sich ein Auszahlungsbetrag von 18,90 EUR ergebe. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass der Anspruch auf Insolvenzgeld bis zum Tag der vollständigen Betriebseinstellung bestehe, da das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt worden sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2003 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er habe nachweislich das Arbeitsverhältnis am 27. Juni 2002 beendet und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Mit Schreiben vom 4. April 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Nachweis der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Juni 2003 (gemeint ist der 28. Juni 2002) nicht vorliege und der Kläger bei der Antragstellung am 28. Juni 2003 unter Punkt 10 erklärt habe, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber sei nicht gelöst worden; auch die Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 5. Juli 2002 bestätige, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei. Die Beklagte bat darum, das Kündigungsschreiben des Klägers als Nachweis vorzulegen. Mit Schreiben vom 29. April 2003 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger aufgrund des zeitlichen Abstands sich nicht mehr an seine Angaben bei der Antragstellung erinnern könne. Fest stehe jedoch, dass er ab dem 27. Juni 2002 Arbeitslosengeld bezogen habe. Somit sei das Arbeitsverhältnis aufgrund des Antrages auf Arbeitslosengeld und des Bewilligungsbescheides definitiv beendet gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Ausweislich der im Insolvenzgeldantrag unter Punkt 10 gemachten Angaben des Klägers, der Angaben in der Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers vom 5. Juli 2002 und der Angaben aus der Insolvenzgeldbescheinigung sei das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem Arbeitgeber nicht gelöst worden.
Der Kläger hat am 2. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das Arbeitsverhältnis sei mit dem 27. Juni 2002 bereits beendet worden, sodass der Insolvenzgeldzeitraum fehlerhaft bestimmt worden sei. Er habe sich am 27. Juni 2002 arbeitslos gemeldet und ab diesem Tag Arbeitslosengeld erhalten. Bereits hieraus ergebe sich, dass er auch arbeitslos gewesen sei. Zudem habe er mit Schreiben vom 27. Juni 2002 seinen ehemaligen Arbeitgeber schriftlich und dem direkten Vorgesetzten telefonisch mitgeteilt, dass eine Arbeitslosmeldung erfolgt sei. In dieser Äußerung sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2003 legte der Kläger schließlich einen Ausdruck eines an seinen ehemaligen Arbeitgeber gerichtetes Kündigungsschreiben vom 28. Juni 2002 vor. Zum Beleg der Absendung des Originals fügte er die Kopie eines Rückscheins der Deutschen Post AG bei.
Das SG hat mit Urteil vom 12. Oktober 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. N. GmbH habe mit der Einstellung der Betriebstätigkeit am 30. Juli 2002 geendet, sodass der Insolvenzgeldzeitraum zutreffend bestimmt worden sei. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger vor dem 30. Juli 2002 habe dieser nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen. Der Kläger habe am Tag der Abfassung seines Kündigungsschreibens in seinem Antrag auf Insolvenzgeld mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis nicht gelöst worden sei. Auch in seinem Begleitschreiben habe er nicht von einer Kündigung gesprochen, obwohl eine entsprechende Information zu erwarten gewesen sei. Auch der Arbeitgeber habe in seiner Arbeitsbescheinigung vom 5. Juli 2002 angegeben, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht gekündigt worden sei. Wäre bei ihm am 1. Juli 2002 ein Kündigungsschreiben eingegangen, hätte der Arbeitgeber dies anders erklärt. Auf die ausdrückliche Aufforderung der Beklagten im Schreiben vom 4. April 2003 habe der Kläger kein Kündigungsschreiben vorgelegt, sondern argumentiert, dass sich eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus der Arbeitslosmeldung ergeben würde. Erst im Klageverfahren habe er dann das Kündigungsschreiben eingereicht. Dieses Kündigungsschreiben sei an den Geschäftsführer S. adressiert gewesen. Dieser habe jedoch mit Schreiben vom 12. Juni 2005 mitgeteilt, dass ihm vom Eingang einer Kündigung nichts bekannt sei. Auch der weitere Geschäftsführer O. habe mitgeteilt, er habe nie ein Kündigungsschreiben gesehen. Welches Schreiben des Klägers beim Arbeitgeber per Einschreiben mit Rückschein am 1. Juli 2002 eingegangen sei, sei nicht festzustellen, aber unerheblich. Die Mitteilung der Arbeitslosmeldung an den Arbeitgeber stelle keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, da der Wille, das Arbeitsverhältnis zu beenden, hierin nicht zum Ausdruck komme. Melde sich ein Arbeitnehmer, der aufgrund ausstehender Lohnzahlungen keine Tätigkeit für den Arbeitgeber mehr ausübe, arbeitslos, sei regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer wieder für den Arbeitgeber arbeiten wolle, wenn dieser den ausstehenden Lohn gezahlt habe.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 20. Oktober 2005 zugestellte Urteil am 18. November 2005 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Er habe sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Juni 2002 gekündigt. Der Geschäftsführer O. könne zwar den Eingang der Kündigung nicht bestätigen, schließe diesen Eingang jedoch nicht aus. Aus einer Bescheinigung der AOK Niedersachsen gehe hervor, dass der Kläger durch seinen ehemaligen Arbeitgeber dort nur bis zum 30. Juni 2002 versichert gewesen sei. Auch dies spreche dafür, dass er das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2002 wirksam gekündigt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 12. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2002 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Berichterstatters hat der Kläger mit Schreiben vom 2. Juni 2009 Kopien seiner Schriftsätze aus dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bremerhaven übersandt. In der Klageschrift vom 9. Juli 2002 wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht erwähnt. Es wird ausgeführt, dass der Kläger seit dem 21. September 1992 bei der B. N. GmbH beschäftigt sei und die Beklagte sich im Verzug mit der Zahlung des Arbeitsentgeltes befinde. Auch im Schriftsatz vom 18. Juli 2002 an das Arbeitsgericht wird eine Kündigung des Arbeitverhältnisses nicht mitgeteilt. Der Prozessvertreter hat ein Schreiben des Klägers vom 28. Juni 2002 an den Arbeitgeber beigefügt, in dem der Kläger mitteilte, er habe von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. In einem weiteren Schriftsatz an das Arbeitsgericht vom 13. September 2002 werden eine Kündigung oder ein Kündigungsschreiben nicht erwähnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte haben vorgelegen und sind vom Senat bei seiner Entscheidung berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; sie ist außerdem form- und fristgerecht eingelegt worden, § 151 SGG.
Die Berufung ist auch begründet.
Das Urteil des SG vom 12. Oktober 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 sind abzuändern, soweit darin von einem Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2002 ausgegangen wird. Dieser Zeitraum, für den die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld gewährt hat, ist unzutreffend. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis zum 30. Juni 2002.
Gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, wenn bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis) und sie für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Der Senat geht zunächst davon aus, dass das mit Bescheid der Beklagten vom 11. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2003 festgestellte Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit zutreffend am 31. Juli 2002 angenommen wurde. Bei einem Betrieb mit verschiedenen Betriebsstätten liegt eine vollständige Beendigung erst vor, wenn in keinem der einzelnen Bereiche eine Betriebstätigkeit mehr stattfindet; wird sowohl produziert, als auch die hergestellte Ware verkauft, genügt die Einstellung der Produktion nicht (Krodel in Niesel, Kommentar, SGB III, 4. Auflage 2007, § 183 Rdnr. 43). So liegt der Sachverhalt hier nicht. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Mitarbeiters H. M. O. vom 19. Januar 2003, wonach das technische Büro H. , von dem die Abwicklung der Kundenaufträge ausging, am 30. Juli 2002 die letzte, dem Betriebszweck dienende Tätigkeit ausgeübt hat. Dies wird bestätigt durch die Angaben des Geschäftsführers S. vom 20. Februar 2003, wonach das Unternehmen auch davon ausgegangen ist, dass am 31. Juli 2002 der letzte, dem Betriebszweck dienende Arbeitstag angenommen werden kann. Das in der Niederlassung L. , in der der Kläger beschäftigt war, die Betriebstätigkeit bereits seit Anfang Juli 2002 geruht haben soll, ist vor dem Hintergrund unbeachtlich, dass es sich nur um einen unselbständigen Betriebsteil handelte.
Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B. N. GmbH endete jedoch nicht – wie die Beklagte und das SG angenommen haben – am 30. oder 31. Juli 2002, sondern der Kläger hat dieses Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 27. Juni 2002 zum Ablauf des Monats Juni 2002 wirksam gekündigt, sodass dementsprechend für die vorausgehenden drei Monate – hier die Monate April, Mai und Juni 2002 – das Insolvenzgeld zu gewähren war.
Der Senat ist nach Abwägung der für und gegen den Zugang des Kündigungsschreibens vom 28. Juni 2002 beim Arbeitgeber sprechenden Anhaltspunkte davon überzeugt, dass das Schreiben des Klägers vom 28. Juni 2002 dem Arbeitgeber am 1. Juli 2002 zugegangen ist und der Kläger damit sein Arbeitsverhältnis zum Ablauf des Monats Juni 2002 wirksam gekündigt hat. Der Kläger hat insoweit im Klageverfahren mit Schreiben vom 24. Oktober 2003 einen Ausdruck seines Kündigungsschreibens vom 28. Juni 2002 überreicht und gleichzeitig durch eine Kopie des Rückscheins eines Einschreibens den Zugang dieses Kündigungsschreibens am 1. Juli 2002 belegt. Zwar ist es ungewöhnlich, dass er dieses wichtige Dokument nicht bereits im Widerspruchsverfahren bei der Beklagten eingereicht hatte, zumal diese darum gebeten hatte. Dies führt der Senat jedoch auf Kommunikationsdefizite zwischen dem Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten zurück. Diese dürften auch dazu geführt haben, dass – was ungewöhnlich ist – im arbeitsgerichtlichen Verfahren von der Kündigung keine Rede war, sondern die Prozessbevollmächtigten diesbezüglich nur Stundenabrechnungen, Telefonabrechnungen und Lohnabrechnungen eingereicht haben. Es ist aber anderseits erklärbar, dass die Kündigung im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch bis zum letzen Schriftsatz vom 13. September 2002 nicht erwähnt wurde. Denn es ging dem Kläger im arbeitsgerichtlichen Verfahren um ausstehende Lohnzahlungen, die er nur bis Ende Juni 2002 geltend machte. Diese Befristung für den Zeitraum bis Ende Juni 2002 im arbeitsgerichtlichen Prozess spricht nach Auffassung des Senats eher dafür, dass der Kläger eine Kündigung ausgesprochen hat. Als entscheidender Anhaltspunkt für diesen Zugang eines Kündigungsschreibens des Klägers bei seinem Arbeitgeber ist anzuführen, dass nach der vorgelegten Mitgliedsbescheinigung des Klägers der AOK vom 7. November 2005 der Kläger über seinen Arbeitgeber, die B. N. GmbH, in der Zeit vom 1. September 1999 bis zum 30. Juni 2002 bei der AOK versichert war. Einer solchen Mitteilung der AOK muss der Abmeldungsgrund "Kündigung" zugrunde liegen. Anders ist nicht denkbar, warum die AOK die Mitgliedschaft nur bis zum 30. Juni 2002 bestätigt haben sollte. Unterstützt wird diese Annahme dadurch, dass der Mitarbeiter H. M. O. der B. N. GmbH in seinem Schreiben vom 23. Juni 2005 dem SG mitgeteilt hat, dass es zwar durchaus denkbar sei, dass das Schreiben des Klägers nie bei der B. angekommen sei, der Kläger ihm gegenüber jedoch am Telefon mehrfach die Kündigung "angedroht" habe und - wenn er sich recht erinnere -, den Abgang des Schreibens erwähnt habe. Vor dem Hintergrund dieser Annahmen führen die Indizien, die gegen einen Zugang des Kündigungsschreibens beim Arbeitgeber sprechen könnten, zu keiner vom Vortrag des Klägers abweichenden Beurteilung. Dass der Arbeitgeber den Zugang des Kündigungsschreibens nicht feststellen konnte, lässt sich nach Überzeugung des Senats dadurch erklären, dass wegen der verschiedenen Standorte des Unternehmens Unterlagen und Post auch an verschiedenen Standorten eingingen. Das Unternehmen befand sich zu dieser Zeit bereits in der Auflösung. Der Adressat des Kündigungsschreibens, der Geschäftsführer S. , teilt zwar mit, dass ihm der Eingang des Kündigungsschreibens nicht bekannt sei, verweist aber auf Herrn O. , der möglicherweise mehr aussagen könne. Auch daraus, dass ein weiteres Schriftstück mit dem Datum 28. Juni 2002 vorhanden ist, schließt der Senat nicht, dass das Kündigungsschreiben mit selben Datum den Arbeitgeber nicht erreicht hat. Denn der Kläger hat zur Überzeugung des Senats in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es möglich sei, dass er beide Schreiben zusammen in einen Briefumschlag gesteckt und diesen Briefumschlag per Einschreiben an seinen Arbeitgeber übersandt hätte. Dabei ist es durchaus erklärbar, dass der Prozessbevollmächtigte das zweite Schreiben vom 28. Juni 2002 erst auf Anforderung im Berufungsverfahren vorgelegt hat. Denn dieses Schreiben ist nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren verwendet worden und hatte für den vorliegenden Rechtsstreit allenfalls eine geringe Bedeutung. Auch die Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe das Kündigungsschreiben nach Absendung im Computer nachträglich auf Rechtschreibfehler durchgesehen und korrigiert, sodass das letzte Änderungsdatum im Computer nach Abgang des Schreibens liegt, führt nicht zu einer anderen Wertung. Denn es ist durchaus möglich, dass der Kläger ein Schreiben auch nach dessen Absendung z. B. auf Rechtschreibfehler durchsieht und entsprechende Korrekturen vornimmt. Auf Nachfrage hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass jedenfalls das Erstellungsdatum im Computer am 28. Juni 2002 vermerkt gewesen sei, was er jedoch nicht mehr nachweisen könne, da er mittlerweile die Festplatte nicht mehr besitze. Auch dies ist nach Auffassung des Senats glaubhaft, da das Schreiben bereits aus dem Jahr 2002 datiert und wegen der Schnelllebigkeit im Bereich der elektronischen Kommunikation Festplatten oft in kürzerer Frist ausgetauscht werden. Dass der Kläger die beiden an seinen Arbeitgeber gesandten Schreiben vom 28. Juni 2002 nicht in einem Schriftstück zusammengefasst hat, hat der Kläger nachvollziehbar begründet. Er habe möglicherweise das im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben vom 28. Juni 2002 bereits vor diesem Datum verfasst und das Kündigungsschreiben vom 28. Juni 2002 erst nachträglich – und zwar nach der Unterzeichnung des Antragsformulars bei der Beklagten am 28. Juni 2002 – verfasst. Aus praktischen Gründen habe er dann das bereits vorliegende Schreiben zusammen mit dem erstellten Kündigungsschreiben in einen Umschlag gesteckt. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund glaubhaft, dass der Kläger in seinem Antrag auf Insolvenzgeld vom 28. Juni 2002 angegeben hat, das Arbeitsverhältnis sei nicht gekündigt. Er hat insoweit vorgetragen, es sei möglich, dass er aufgrund eines Hinweises der Beklagten, er müsse kündigen, das Kündigungsschreiben unter dem Datum 28. Februar 2002 erst nach dem Besuch der Arbeitsagentur verfasst habe. Auch dieser Vortrag überzeugt den Senat im Zusammenhang mit der diesen Vortrag stützenden besonderen Bedeutung der Mitgliedsbescheinigung der AOK. Der Kläger hat in seinem Schreiben ausdrücklich mitgeteilt, dass er von Gesetzes wegen verpflichtet sei, nach dreimonatigem Rückstand des Lohnes zu kündigen. Er hat zugleich zum Ausdruck gebracht, seine Arbeit gerne fortsetzen zu wollen, da - wie er in einem Telefonat mit Herrn O. gehört habe - die Hoffnung auf Übernahme durch eine andere Firma bestehe. Dieser auf konkrete Situationen Bezug nehmende Inhalt und auch der vorsichtige, sich alles offen halten wollende Stil des Kündigungsschreibens sprechen dafür, dass der Kläger dieses Schreiben tatsächlich am 28. Juni 2002 erstellt und abgesandt hat. Der Kläger machte in der mündlichen Verhandlung auch nicht persönlich den Eindruck, er würde ein solches Schriftstück nachträglich verfassen und erst später in den Prozess einführen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2002 aus. Der Insolvenzgeldzeitraum war entsprechend um einen Monat vorzuverlegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
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