L 1 R 573/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 917/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 573/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.

Der 19 ... geborene Kläger erwarb ausweislich des Zeugnisses der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Maschinenbau E. am 27. Juli 1981 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur. Danach setzte er seine Tätigkeit als Kundendiensttechniker beim VEB R. L. bis zum 28. Februar 1989 fort. Sodann wechselte er ab März 1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum VEB G. H., in dem er bis zum 30. Juni 1990 beschäftigt blieb. Während dieses Zeitraumes versicherte der Kläger zu keinem Zeitpunkt sein tatsächlich versichertes Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung der DDR. Die schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger nicht.

Mit Bescheid vom 8. September 2003 lehnte die Beklagte die Feststellung der Beschäftigungszeit vom 1. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem ab, da nach § 1 Abs. 1 AAÜG dieses Gesetz nicht auf den Kläger anwendbar sei. Er habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt, wegen der er aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Die am 30. Juni 1990 ausgeübte Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 ausgeübt worden.

Mit seinem noch im gleichen Monat bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, der VEB G. H. sei einer von fünf Produktionsbetrieben des Kombinats in B. und dem Innenministerium unterstellt gewesen. Kein Bauvorhaben könne ohne produktive Vermessung errichtet werden. Die Arbeit in dem Betrieb habe sogar zum Erwerb von Rentenanwartschaften mit einem 1,5-fachen Steigerungssatz berechtigt. Schon Dutzende seiner Kollegen aus dem Betrieb hätten einen Feststellungsbescheid nach dem AAÜG erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2003 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und hielt an der früheren Begründung fest.

Mit der noch im November 2003 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger auf eine Bescheinigung verwiesen, nach der der VEB G. H. ein Betrieb im Sinne der Anordnung über die Berechnung von Renten der Sozialversicherung für bestimmte Gruppen von Werktätigen vom 12. April 1976 gewesen sei. Es habe sich dabei um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Er hat weiterhin geltend gemacht, der Betrieb sei einer von fünf Produktionsbetrieben im gleichnamigen Kombinat gewesen. Dessen Betriebe hätten sich in Produktionsbereiche gegliedert und Produktionsdirektoren gehabt. Die Mitarbeiter hätten nach vorgegebenen Produktionsnormen gearbeitet. Der gewerbliche Zweck habe einerseits in der Herstellung topographischer Karten und Pläne und andererseits in der ingenieurtechnischen Begleitung von Bauvorhaben bestanden. Kein Bauvorhaben, sei es im Verkehrswegebau, Brückenbau, Talsperrenbau, Kraftwerksbau usw. könne ohne produktive Vermessung und Trassierung errichtet werden. Die aufgenommenen Daten seien einerseits zu Plänen verarbeitet worden und andererseits direkt zur Ausrichtung von Trassen, Verschalungen usw. genutzt worden. Es sei nicht einsehbar, dass z. B. das Einschalen beim Brückenbau als Produktion verstanden werde, das vermessungstechnische Ausrichten der Einschalung aber nicht dazu gehören solle. Die Aufträge seien von Baufirmen, Räten der Stadt, Versorgungsunternehmen, Wohnungsbaukombinaten etc. gekommen. Der Hauptzweck sei die Herstellung von Karten und Plänen gewesen.

Das Sozialgericht hat das Statut des VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie vom 1. Dezember 1980, einen Handelsregisterauszug zur METRIK-Vermessungs-GmbH, die Verordnung über das Vermessungs- und Kartenwesen vom 21. August 1980, ein Klassifikationsschema des Ministeriums des Innern, die Anweisung des Ministers des Innern über die Gründung des VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie vom 6. Oktober 1970, das vorläufige Kombinatsstatut vom 1. Januar 1971 und das Kombinatsstatut vom 1. April 1974, die Hauptstruktur und den Rahmenstellenplan für das Kombinat vom 28. Februar 1973 und die Nachfolgeunterlagen vom 21. März 1986, die Anmeldung zur Eintragung in das Register der volkseigenen Wirtschaft vom 1. Januar 1971, die Auszüge aus diesem Register zum Kombinat und zum VEB G. H., die Umwandlungsanordnung des Ministeriums des Innern vom 22. Mai 1990, Bilanzunterlagen aus dem Jahr 1990, Auszüge aus einem Vertrag zwischen dem volkseigenen Bau- und Montagekombinat M., Kombinatsbetrieb Kernkraftwerkbau S. und dem VEB G. H. und ein Urteil des Senats vom 12. Januar 2006 in das Verfahren eingeführt.

Mit Urteil vom 3. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe im fraglichen Zeitraum nicht dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz angehört. Eine Einzelfallregelung zugunsten des Klägers habe nicht bestanden. Der Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in dem Sinne, dass er aus bundesrechtlicher Sicht nach den tatsächlichen Gegebenheiten der DDR zum Stichtag 30. Juni 1990 Anspruch auf eine Versorgungszusage durch Einzelfallregelung gehabt habe. Denn er sei im VEB Geodäsie und Kartographie nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 beschäftigt gewesen. Der Betrieb habe seinen Tätigkeitsschwerpunkt nicht in der industriellen Sachgüterproduktion gehabt. Der Kläger selbst habe als Hauptbetriebszweck die Herstellung von großmaßstäbigen Karten und die ingenieurtechnische Begleitung von Bauvorhaben genannt. Dabei habe es sich nicht um eine arbeitsteilige Herstellung im Wesentlichen identischer Produkte in großer Stückzahl gehandelt, sondern um eine auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Auftraggeber zugeschnittene Herstellung in geringer Stückzahl. Bei Bauvorhaben sei es um Zusatz- und Nebenleistungen in der Vorbereitungs- und Planungsphase, zur Begleitung von Bauvorhaben um Dokumentation gegangen, die zur eigentlichen Wertschöpfung, der Herstellung von Bauwerken, parallel erfolgt sei. Dies stelle entgegen der Auffassung des Klägers keine Sachgüterproduktion im maßgeblichen Sinne dar. Der Betrieb sei auch in der abschließenden Aufzählung gleichgestellter Einrichtungen des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung der Art nach nicht erwähnt.

Maßgeblich sei die Sachlage am 30. Juni 1990, weshalb die Beschäftigung beim VEB R. außer Betracht zu bleiben habe. Das AAÜG gelte nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 1 ab 1. August 1991 für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem erworben worden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt habe das Neueinbeziehungsverbot des Rentenangleichungsgesetzes der DDR und des Einigungsvertrages gegolten, die zum Abstellen auf die bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage zwängen. Nur das am 30. Juni 1990 noch bestehende Vertrauen auf die Einbeziehung könne bundesrechtlich über das AAÜG geschützt werden. Diese Erwägungen entsprächen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vor. Zwar finde eine ungleiche Behandlung gegenüber Versicherten statt, die am 30. Juni 1990 alle Vorausetzungen erfüllt hätten. Diese Ungleichbehandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt, da das Grundgesetz nicht gebiete, den Anwendungsbereich auf solche Personen auszudehnen, die nach dem Recht der DDR keinen Anspruch auf eine Einbeziehung gehabt hätten.

Gegen das ihm am 28. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Dezember 2006 Berufung eingelegt. Er führt aus, bei der Entscheidung, welcher Betrieb als produzierender Betrieb einzuordnen sei, werde nicht die herrschende Meinung in der DDR am 30. Juni 1990 herangezogen und auch nicht diejenige zum Zeitpunkt der Festlegung im Jahre 1951. In der Verordnung über die Altersversorgung der technischen Intelligenz sei nirgendwo festgelegt, dass nur Produktionsbetriebe, die Massen- bzw. Serienproduktion nach dem fordistischen Produktionsmodell ablieferten, Anspruch auf die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz begründeten. Im Urteil selbst werde anerkannt, dass der VEB G. H. Sachgüter produziert habe, also ein Produktionsbetrieb gewesen sei. In §§ 3, 5 des Kombinatsstatutes seien eindeutig Aufgaben eines Produktionsbetriebes beschrieben, weiterhin die Zuordnung zum Planwirtschaftssektor und die produktive Mitarbeit bei der Erfüllung des Wohnungsbauprogramms. Für die Zuordnung der Betriebe zum Produktionssektor verweise er auch auf die Ausführungen des Sozialgerichts L. in einer Entscheidung zum VEB R. L. vom 29. Juli 2004 – S 4 RA 63/03. Hier werde zum Begriff produzierender Betrieb auf Ausführungen im Ökonomischen Wörterbuch abgestellt. Eine Formulierung wie fordistisches Produktionsmodell sei im Sprachgebrauch der DDR nicht üblich. Auch darunter verstehe man im Übrigen nicht nur die Massenproduktion von Gütern, sondern auch die Arbeitsteilung im Produktionsprozess. Diese sei auch im VEB G. H. Voraussetzung für die Produktion gewesen, nämlich in Form einer Arbeitsteilung zwischen Außendienst – Vermessung, Veredlung der Messdaten (Transformation, Ausgleichung) und Innendienst – Planerstellung. Auch sei die Überleitung des Betriebes zunächst in einen Staatsbetrieb und dann in das Landesvermessungsamt nicht berücksichtigt worden. Die Argumentation sei gewesen, dass die Landesvermessung Dienstleistungen anbiete und produktive Bereiche in Form der Ingenieurgeodäsie nicht in das Landesvermessungsamt übernommen werden könnten. Die Ingenieurgeodäsie sei aber Hauptzweck des Betriebes gewesen. Daher sei die METRIK-Vermessungs-GmbH aus- gegründet worden, die die ingenieurgeodätische Produktion fortgeführt habe, wie sich aus dem Handelsregisterauszug ergebe. Die überwiegende Betätigung des VEB G. H. habe, wie das Kombinatsstatut im § 3 ausdrücklich ausführe, in der Lösung des Wohnungsproblems in der DDR gelegen. Ohne Einmessung und Absteckung der Baufelder für jeden einzelnen Wohnblock, die Baubegleitung der Versorgungsanlagen und die Dokumentation in Planunterlagen und Bestandsplänen habe das Wohnungsproblem nicht gelöst werden können. Diese Leistungen stellten Bauproduktion dar. Bei ihnen sei der VEB G. H. Partner und Auftragnehmer der Bau- und Montagebetriebe und der Wohnungsbaukombinate gewesen. Die Zuordnung zum Ministerium des Innern habe rein politische Gründe gehabt und sei auch zweitrangig. Die Vermessung habe immer zum Bauumfeld gehört. Nach Auskunft des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt als Rechtsnachfolger seien im Sommer 1990 beim VEB G. H. etwa 780 Mitarbeiter beschäftigt gewesen, davon 673 in der Ingenieurvermessung. Im Rahmen der Herstellung großmaßstäbiger Karten seien von einer Karte mit zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasstem gleichen Abbildungsgegenstand etwa zehn Exemplare hergestellt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 3. November 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2003 aufzuheben und

die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeit vom 1. Juli 1981 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Arbeitsentgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem Urteil des Sozialgerichts an.

Ein Rentenstreitverfahren zwischen den Beteiligten war zum Zeitpunkt der Entscheidung vor einem Gericht nicht anhängig.

Die Akte der Beklagten über den Kläger – Vers.-Nr. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 8. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i. d. F. durch G. v. 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) und der Fassungen durch die nachfolgenden Änderungen, die im vorliegenden Zusammenhang keine sachlichen Änderungen zum Gegenstand haben, keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, weil er im Sinne dieser Vorschrift in dem umstrittenen Zeitraum keine Anwartschaft in dem geltend gemachten Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG (zuerst Urt. v. 24. 3. 98 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3) eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden. Der Kläger fällt nämlich für die streitigen Zeiträume nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 18/03 R – SozR 4–8570 § 1 Nr. 1), wonach sämtliche rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden haben müssen. Der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems, denn der VEB G. H. war kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487).

Dieser Rechtsprechung des BSG, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB in Betracht kommt, schließt sich das Gericht an, wobei es offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des BSG hier nicht abweichenden Auffassung des Gerichts bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Urt. des Senats v. 25.5.04 – L 1 RA 179/02 – zitiert nach Juris-Rechtsprechung).

Dies folgt aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des BSG zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür durch Verzögerung oder Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 – B 4 RA 27/97 R – SozR 3 – 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung der Versorgungsvorschriften oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern hier in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist.

Vor diesem Maßstab war der VEB G. H. kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB in dem – im Ergebnis engen – Sinn, der der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Volkseigene Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 (GBl. DDR II 1967, 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG, Urt. v. 10.2.2004 – B 4 RA 10/02 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden den allgemeinen volkseigenen Betrieben sowie den Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und den wirtschaftsleitenden Organen in den anderen Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft etc.) wegen ihres Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion oder der Erstellung von Bauwerken sprachlich gegenübergestellt (im Sinne einer besonderen Hervorhebung der Industrie und des Bauwesens zuletzt § 41 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe v. 8.11.79, GBl. der DDR I S. 355; vgl. BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 42/01 R – zitiert nach Juris Rechtsprechung; BSG, Urt. v. 18.12.03 – B 4 RA 18/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 1, Rdnr. 23). Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung von Einrichtungen in § 1 Abs. 2 2. DB gerade mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend; BSG, Urt. v. 18.12. 2003 – B 4 RA 14/03 R, zitiert nach Juris) fertigen. Die zum Ausdruck kommende industriepolitische Konzeption beruhte auf der Rationalisierung der Fertigungskosten durch Massenproduktion. Das BSG führt wörtlich aus: "Angestrebt wurde die Herstellung der Erzeugnisse auf der Basis industrieller Massenproduktion entsprechend dem fordistischen Produktionsmodell. Der Massenausstoß standardisierter Produkte schien in besonderem Maße den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft zu entsprechen und hohe Produktivitätsgewinne zu garantieren" (BSG, Urt. v. 9.4.02 – B 4 RA 41/01 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 6, S. 46, 47). Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urt. v. 8.6.2004 – B 4 RA 57/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.).

Der VEB G. H. hat nicht im Schwerpunkt die serienmäßig wiederkehrende Produktion von Sachgütern betrieben. Vielmehr bestanden die Aufgaben dieses Betriebes nach § 5 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung über das Vermessungs- und Kartenwesen (VO) v. 1.10.80 (GBl. I S. 267) i.V.m. § 2 der dazu ergangenen 1. Durchführungsbestimmung v. 15.9.80 (GBl. I S. 270) und § 3 Abs. 4 des Kombinatsstatuts, in der Herstellung und Aktualisierung großmaßstäbiger Karten sowie der Bereitstellung ingenieurgeodätischer Erzeugnisse und Leistungen. Letztere waren gemäß § 2 Abs. 2 der 1. Durchführungsbestimmung zur VO Lage- und Höhennetze, Absteckungen, soweit sie keine bauwerksinternen Markierungspunkte betreffen, Aufmessungen, Baukontroll- und Bauüberwachungsmessungen mit Ausnahme relativer Baukontrollmessungen, großmaßstäbige Schnitte von Bauwerken, Längs- und Querprofile, Trassierungen sowie terrestrisch-fotogrammetrische Erzeugnisse. Hierbei handelt es sich schon nicht um die schwerpunktmäßige Herstellung von Sachgütern, selbst dann nicht, wenn jeweils körperliche Abbildungen erstellt worden sein sollten. Denn der Schwerpunkt der Wertschöpfung liegt in der zu erbringenden Leistung der Ingenieurvermessung und nicht in deren Verkörperung zur Darstellung.

Auch bei der Erstellung großmaßstäbiger Karten handelte es sich nicht um eine serienmäßig wiederkehrende Sachgüterproduktion im genannten Sinne, weil individuelle Geländepunkte erhoben und für einen zweckgebunden im Vorhinein feststehenden Nutzerkreis in begrenzter Stückzahl abgebildet wurden. Als Produktion im gemeinten Sinne ließe sich möglicherweise noch die Herstellung von Atlanten, Globen, Wandkarten, thematischen Karten und Stadtplänen in hoher Auflage für die Öffentlichkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 VO bezeichnen. Diese oblag jedoch nach der genannten Vorschrift nicht dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers, sondern Betrieben im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Kultur. Auch im Aufgabenbereich des VEB Kombinat Geodäsie und Kartographie oblag die Herstellung thematischer Karten für Staat und Volkswirtschaft nicht den regionalen VEB Geodäsie und Kartographie, sondern nach § 2 Abs. 3 1. Durchführungsbestimmung zur VO und nach § 3 Abs. 5 des Statuts dem Kombinatsbetrieb VEB Kartographischer Dienst P ...

Es reicht nicht aus, dass Karten dieses Typs häufig und insgesamt in großer Zahl erstellt worden sind, wie aus ihrer Herstellung nach bestimmten technischen Normen (TGL, s. Fußnote 2 zu § 5 VO, GBl. S. 268) abzuleiten sein wird. Denn die erforderliche arbeitsteilige Herstellung im Wesentlichen identischer Produkte in großer Stückzahl fand gerade nicht statt, weil die Karten auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Auftraggebers zugeschnitten waren und in geringer Stückzahl hergestellt wurden.

Dass die Herstellung solcher Karten in der Regel im Zusammenhang und zur Durchführung konkreter Projekte erfolgte, hat der Kläger selbst dargestellt und auch darauf hingewiesen, dass die Herstellung auf individuelle Anforderung verschiedener Auftraggeber und "für jeden einzelnen Wohnblock" erfolgte. Bestätigt wird diese Darstellung durch den Wirtschaftsvertrag zwischen dem VEB G. H. und dem VEB Bau- und Montagekombinat M. aus dem Jahr 1983 bzw. 1984. Danach gehörten zu den vom VEB G. H. im Rahmen des Kernkraftwerkbaus in S. zu erbringenden Leistungen u.a. die Aufmessung und auf deren Grundlage Herstellung und Laufendhaltung von Bestandskarten im Maßstab 1:500 entsprechend dem Bauablauf. Der vereinbarte Lieferumfang umfasste vierteljährlich je drei Lichtpausen der Bestandskarten im Maßstab 1:500. Demzufolge wurden diese Karten nicht serienmäßig, sondern nur in geringer Stückzahl, jedoch wiederholt und dem jeweiligen Baustand angepasst gefertigt.

Dahinstehen kann, ob auch das Erfordernis einer Massenfertigung zur Ausfüllung des Begriffes des industriellen Produktionsbetriebes zwingend ist. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass eine industrielle Herstellung von Sachgütern überhaupt entscheidender Betriebsgegenstand des VEB G. H. war. Der körperliche Herstellungsvorgang der Karten steht nach dem Funktionszusammenhang ihrer Erstellung nicht im Vordergrund der Wertschöpfung, vielmehr ist dies die Erhebung der erforderlichen Daten, die aus der Karte abzulesen sind, durch die Dienstleistung der Vermessungstätigkeit. Zudem ist das Zeichnen von Karten nicht allein deshalb zu einem industriellen Vorgang geworden, weil die Herstellung in der Neuzeit unter Einsatz von Technik, insbesondere der Datenspeicherung und –verarbeitung erfolgt. Auch handelt es sich bei der ortsgebunden individuellen Vermessungsleistung nicht allein wegen des Einsatzes technischer Geräte um einen maschinell geprägten Vorgang, wie er für industrielle Fertigungsweise kennzeichnend ist.

Ob neben dem hier vorausgesetzten Begriff industrieller Produktion zeitweise, möglicherweise auch überwiegend, in der Wirtschaftslehre oder im Wirtschaftsleben der DDR davon abweichende Begriffe wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, wie die Bezeichnung von Standorten als Produktionsbereiche und die weiteren Hinweise des Klägers nahe legen, hält das Gericht nicht für maßgeblich. Denn die bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten wirtschaftswissenschaftlich und in der Wirtschaftspraxis vertretenen Begriff zu stützen, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Nur um deren Korrektur für die Zukunft geht es nämlich – wie dargelegt – bei der Prüfung einer bundesrechtlichen Einbeziehung im Wege der Unterstellung, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei einer Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von der verbreitetsten wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinung ausgegangen worden ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der VEB G. H. auch nicht unter den Begriff eines Produktionsbetriebs im Bauwesen zu fassen. Dies scheitert bereits daran, dass dieser Betrieb - wie dargestellt - keine eigenen Bauleistungen im Sinne der körperlichen Bautätigkeit erbrachte. Zwar stehen die Leistungen des VEB G. H. häufig im Zusammenhang mit der Erstellung von Bauwerken verschiedenster Art, darunter möglicherweise auch solcher, die in massenhafter Serienfertigung erstellt wurden. Jedoch dienten die vom VEB G. H. zu erbringenden Leistungen nur der Vorbereitung, Planung, Begleitung und Dokumentation der eigentlichen Bauleistung. Die gegenständliche Erstellung des Bauwerks selbst, die allein einen Betrieb des Bauwesens kennzeichnet, gehörte nicht zum Aufgabenbereich dieses Betriebs.

Der Kläger war auch nicht in einem gemäß § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Der VEB G. H. lässt sich keiner der dort aufgezählten Einrichtungen zuordnen. Soweit der Kläger meint, dem Sonderstatus des Betriebes müsse Rechnung getragen werden, lässt die abschließende Aufzählung der gleichgestellten Betriebe dafür keinen Raum. Als abschließend ist die Aufzählung zumindest im Rahmen der bundesrechtlichen rückblickenden Auslegung zu verstehen, weil eine willkürliche Ablehnung oder Unterlassung der konkreten Einbeziehung in die Zusatzversorgung als Prüfungsgrundlage nur in Betracht kommt, wenn diese sich nach dem Normtext aufgedrängt hätte.

Für den erhobenen Anspruch ist die Erfassung des Beschäftigungsbetriebes durch die Anordnung über die Berechnung von Renten der Sozialversicherung für bestimmte Gruppen von Werktätigen vom 12.4.76 (zitiert nach Aichberger II Ordn.Nr. 38a) ohne Bedeutung. Rechtsfolge ist gem. § 2 Abs. 1 der Anordnung allein eine besondere Berechnungsweise der Sozialpflichtversicherungsrente der DDR. Dies ist nicht Gegenstand der von der Beklagten abgelehnten Feststellungen. Über das Wesen des VEB Geodäsie und Kartographie H. als industrieller Produktionsbetrieb sagt die Anwendung der Anordnung ebensowenig aus, weil dieser Betrieb gem. § 1 Buchst. c der Anordnung schon allein als ein dem Ministerium des Innern nachgeordneter Betrieb dem Anwendungsbereich unterfiel.

Es begründet keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, wenn die Beklagte auf Grund neuer, richtiger Überlegungen den Kläger schlechter stellt, als zuvor fehlerhaft andere Mitarbeiter seines Beschäftigungsbetriebs. Dazu ist die Beklagte nicht nur im Rahmen ihrer Bindung an das Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes verpflichtet. Aus der "vor dem Gesetz" und nicht außerhalb des Gesetzes bestehenden Gleichheit lässt sich auch kein Anspruch des Klägers auf rechtswidrig begünstigende Behandlung herleiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des BSG geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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