Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 22 AS 631/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 435/08 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine außerordentliche Beschwerde gegen Kostengrundentscheidung
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache nunmehr um die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Kläger beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die Klägerin zu 1) beantragte bei der Beklagten am 7. Januar 2008 die Zustimmung zu einem Umzug, was die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2008 ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 24. Januar 2008 Widerspruch ein. Sie beantragte am 7. Februar 2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG). Das SG versandte am 11. Februar 2008 Ladungen für einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 14. Februar 2008. Die Beklagte erließ unter dem 11. Februar 2008 einen den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid. Die Kläger erhoben am 13. Februar 2008 Klage gegen den Widerspruchsbescheid. In dem am Folgetag stattgefundenen Erörterungstermin im Eilverfahren, das zugunsten der Kläger ausging, erklärten die Beteiligten übereinstimmend die Erledigung des Klageverfahrens in der Hauptsache. Streitig blieb die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Klageverfahren.
Das SG hat mit Beschluss vom 9. September 2008 entschieden, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten hätten: Die Kosten der einen Tag vor dem Erörterungstermin erhobenen Klage seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Vielmehr hätte es sich unter dem Gesichtspunkt der Kostenvermeidung, zu der der Verfahrensbevollmächtigte aus seinem Mandatsverhältnis verpflichtet sei, geradezu aufgedrängt, mit der Erhebung der Hauptsacheklage auf den bereits anberaumten Erörterungstermin am Folgetag zu warten. Die Erhebung der Hauptsacheklage habe keinerlei Nutzen für die Kläger gehabt und sei vollständig entbehrlich gewesen. Die den Klägern hierfür entstandenen Kosten seien nicht nur nicht notwendig, sondern noch nicht einmal nützlich oder zweckentsprechend gewesen.
Die Kläger haben gegen den Beschluss am 6. Oktober 2008 außerordentliche Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Eine außerordentliche Beschwerde gegen eine endgültige Entscheidung des SG sei in Extremfällen (Willkürlichkeit) statthaft. Ein solcher Fall liege hier vor, da der Beschluss des SG endgültig sei, dieser aber sämtliche Kostenverteilungsgrundsätze des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Kopf stelle. Die Klage habe Erfolgsaussicht gehabt und die Beklagte habe Anlass zur Klage gegeben. Die Kosten seien auch zweckentsprechend gewesen und stellten notwendige Aufwendungen im Sinne von § 193 Abs. 2 SGG dar, sodass es verfehlt sei, eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten der Kläger zu versagen. Die Regelung des § 193 Abs. 2 SGG spiele nur bei der Kostenfestsetzungsentscheidung eine Rolle. Das Eilverfahren biete vorläufigen Rechtsschutz. Dies stelle ein Minus gegenüber dem Rechtsschutz des Hauptsacheverfahrens dar. Es sei daher kein Grund ersichtlich gewesen, das Ergebnis des Erörterungstermins abzuwarten, der allein wegen des Eilverfahrens anberaumt worden sei, und gegebenenfalls erst danach Klage zu erheben. Es sei auch sachfremd, den Rechtsgedanken des § 193 Abs. 2 SGG in die Kostenentscheidung einzubeziehen. Ebenso sachfremd sei es, einen Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht anzunehmen sowie im Wege der Kostenfestsetzung den hierfür zuständigen Kostenbeamten kraft Evokation zu übergehen. Es dränge sich Willkür auf, weil das SG nicht berücksichtigt habe, dass die Beklagte bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes unterlegen gewesen wäre und dass sie die Vorbedingung für die erhobene Klage selbst geschaffen habe, indem sie den Widerspruchsbescheid erlassen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Die außerordentliche Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 9. September 2008 ist unzulässig.
Eine außerordentliche Beschwerde ist im SGG nicht geregelt. Nach der Normierung der Anhörungsrüge in § 178a SGG kann nunmehr eine "außerordentliche Beschwerde" gegen nicht mehr anfechtbare Entscheidungen auch bei schweren Grundrechtsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelklarheit nicht mehr als zulässig angesehen werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, vor § 173 Rdnr. 15e). Sie war früher in der Rechtsprechung teilweise anerkannt, wenn eine Entscheidung greifbar gesetzeswidrig ist, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar, im Gesetz gar nicht vorgesehen oder willkürlich ist oder auf einer Auslegung beruht, die offensichtlich Wortlaut und Zweck des Gesetzes widerspricht. Schon nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 ist vielfach angenommen worden, dass damit die außerordentliche Beschwerde obsolet ist. Die Unzulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde wird nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelklarheit aus dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 abgeleitet (BVerfG, Beschluss v. 30. April 2003, 1 PBvU 1/02, juris; Leitherer a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Anzumerken ist, dass auch die früher für eine außerordentliche Beschwerde angenommenen Konstellationen nicht vorliegen. Die Auffassung des SG, es wäre unter dem Gesichtspunkt der Kostenvermeidung – auch im Interesse der Mandanten – veranlasst gewesen, mit einer etwaigen Klageerhebung den am Folgetag stattfindenden Erörterungstermin abzuwarten, ist nicht im obigen Sinne zu beanstanden. Damit berücksichtigt das SG vielmehr, dass gemäß § 193 Abs. 2 SGG Kosten nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, greifbar gesetzeswidrig oder mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar, für die Kostenentscheidung davon auszugehen, dass es sachgerecht und im Interesse der Kläger gewesen wäre, vor der Verursachung weiterer Kosten durch eine Klageerhebung das Ergebnis des Erörterungstermins abzuwarten. Eine schwere Verletzung der Grundrechte der Kläger durch den Kostenbeschluss des SG ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
gez. Dr. Peters gez. Fischer gez. Dr. Waßer
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache nunmehr um die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Kläger beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die Klägerin zu 1) beantragte bei der Beklagten am 7. Januar 2008 die Zustimmung zu einem Umzug, was die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2008 ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 24. Januar 2008 Widerspruch ein. Sie beantragte am 7. Februar 2008 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG). Das SG versandte am 11. Februar 2008 Ladungen für einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 14. Februar 2008. Die Beklagte erließ unter dem 11. Februar 2008 einen den Widerspruch zurückweisenden Widerspruchsbescheid. Die Kläger erhoben am 13. Februar 2008 Klage gegen den Widerspruchsbescheid. In dem am Folgetag stattgefundenen Erörterungstermin im Eilverfahren, das zugunsten der Kläger ausging, erklärten die Beteiligten übereinstimmend die Erledigung des Klageverfahrens in der Hauptsache. Streitig blieb die Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Klageverfahren.
Das SG hat mit Beschluss vom 9. September 2008 entschieden, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten hätten: Die Kosten der einen Tag vor dem Erörterungstermin erhobenen Klage seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Vielmehr hätte es sich unter dem Gesichtspunkt der Kostenvermeidung, zu der der Verfahrensbevollmächtigte aus seinem Mandatsverhältnis verpflichtet sei, geradezu aufgedrängt, mit der Erhebung der Hauptsacheklage auf den bereits anberaumten Erörterungstermin am Folgetag zu warten. Die Erhebung der Hauptsacheklage habe keinerlei Nutzen für die Kläger gehabt und sei vollständig entbehrlich gewesen. Die den Klägern hierfür entstandenen Kosten seien nicht nur nicht notwendig, sondern noch nicht einmal nützlich oder zweckentsprechend gewesen.
Die Kläger haben gegen den Beschluss am 6. Oktober 2008 außerordentliche Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Eine außerordentliche Beschwerde gegen eine endgültige Entscheidung des SG sei in Extremfällen (Willkürlichkeit) statthaft. Ein solcher Fall liege hier vor, da der Beschluss des SG endgültig sei, dieser aber sämtliche Kostenverteilungsgrundsätze des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Kopf stelle. Die Klage habe Erfolgsaussicht gehabt und die Beklagte habe Anlass zur Klage gegeben. Die Kosten seien auch zweckentsprechend gewesen und stellten notwendige Aufwendungen im Sinne von § 193 Abs. 2 SGG dar, sodass es verfehlt sei, eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten der Kläger zu versagen. Die Regelung des § 193 Abs. 2 SGG spiele nur bei der Kostenfestsetzungsentscheidung eine Rolle. Das Eilverfahren biete vorläufigen Rechtsschutz. Dies stelle ein Minus gegenüber dem Rechtsschutz des Hauptsacheverfahrens dar. Es sei daher kein Grund ersichtlich gewesen, das Ergebnis des Erörterungstermins abzuwarten, der allein wegen des Eilverfahrens anberaumt worden sei, und gegebenenfalls erst danach Klage zu erheben. Es sei auch sachfremd, den Rechtsgedanken des § 193 Abs. 2 SGG in die Kostenentscheidung einzubeziehen. Ebenso sachfremd sei es, einen Verstoß gegen die Kostenminderungspflicht anzunehmen sowie im Wege der Kostenfestsetzung den hierfür zuständigen Kostenbeamten kraft Evokation zu übergehen. Es dränge sich Willkür auf, weil das SG nicht berücksichtigt habe, dass die Beklagte bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes unterlegen gewesen wäre und dass sie die Vorbedingung für die erhobene Klage selbst geschaffen habe, indem sie den Widerspruchsbescheid erlassen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Die außerordentliche Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 9. September 2008 ist unzulässig.
Eine außerordentliche Beschwerde ist im SGG nicht geregelt. Nach der Normierung der Anhörungsrüge in § 178a SGG kann nunmehr eine "außerordentliche Beschwerde" gegen nicht mehr anfechtbare Entscheidungen auch bei schweren Grundrechtsverletzungen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelklarheit nicht mehr als zulässig angesehen werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, vor § 173 Rdnr. 15e). Sie war früher in der Rechtsprechung teilweise anerkannt, wenn eine Entscheidung greifbar gesetzeswidrig ist, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar, im Gesetz gar nicht vorgesehen oder willkürlich ist oder auf einer Auslegung beruht, die offensichtlich Wortlaut und Zweck des Gesetzes widerspricht. Schon nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 ist vielfach angenommen worden, dass damit die außerordentliche Beschwerde obsolet ist. Die Unzulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde wird nunmehr unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelklarheit aus dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 abgeleitet (BVerfG, Beschluss v. 30. April 2003, 1 PBvU 1/02, juris; Leitherer a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Anzumerken ist, dass auch die früher für eine außerordentliche Beschwerde angenommenen Konstellationen nicht vorliegen. Die Auffassung des SG, es wäre unter dem Gesichtspunkt der Kostenvermeidung – auch im Interesse der Mandanten – veranlasst gewesen, mit einer etwaigen Klageerhebung den am Folgetag stattfindenden Erörterungstermin abzuwarten, ist nicht im obigen Sinne zu beanstanden. Damit berücksichtigt das SG vielmehr, dass gemäß § 193 Abs. 2 SGG Kosten nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, greifbar gesetzeswidrig oder mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar, für die Kostenentscheidung davon auszugehen, dass es sachgerecht und im Interesse der Kläger gewesen wäre, vor der Verursachung weiterer Kosten durch eine Klageerhebung das Ergebnis des Erörterungstermins abzuwarten. Eine schwere Verletzung der Grundrechte der Kläger durch den Kostenbeschluss des SG ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
gez. Dr. Peters gez. Fischer gez. Dr. Waßer
Rechtskraft
Aus
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