Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 V 48/98
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 V 10/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zusammenhang zwischen Zahnverlust und Kriegsgefangenschaft, wenn Zähne schon vorher fehlten.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2002 aufgehoben, soweit es die Anerkennung einer Schädigungsfolge betrifft. Die Klage wird insgesamt abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und die Zahlung einer Beschädigtenrente.
Der am ... 1925 geborene Kläger beantragte im Februar 1992 bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Frühere Anträge des Klägers oder Bescheide wegen erlittener Kriegsverletzungen liegen nicht vor. Er gab an, als Soldat der Wehrmacht im August 1944 an der Front bei Tiraspol (Moldawien, damals Sowjetunion) durch starke Detonationen und Lichtstrahlung, Trommelfeuer auf die eigenen Stellungen sowie während der anschließenden Kriegsgefangenschaft von September bis November 1949 durch Ruhr und Unterernährung im Kriegsgefangenensammellager bei Jassy/Kishinev (Moldawien, s. oben) geschädigt worden zu sein. Im Einzelnen benannte er eine schlechte Sehkraft des linken Auges durch starke Vernarbung, Granatsplitter am rechten Schienbein und Tuberkulose. Der Beklagte zog Archivunterlagen des Kreiskrankenhauses W. über den Zeitraum von 1961 bis 1990 sowie weitere Unterlagen bei. Aus den Unterlagen ergibt sich (u. a.) eine stationäre Behandlung des Klägers in der Tuberkulose(TBC)-Heilstätte W. (I. im Harz) wegen einer in früherer Zeit durchlittenen Tuberkulose, die 1961 eine Sicherungskur erfordert hatte. Nach dem am 1. Oktober 1992 beim Beklagten eingegangenen augenärztlichen Befund der Sanitätsrätin Dr. D. betrug der Visus (Sehkraft) ohne Korrektur auf dem rechten Auge 5/5 und auf dem linken Auge 5/10. Die Ärztin beschrieb die vorderen Augenabschnitte beidseits als regelrecht. Ferner gab sie an, die Netzhaut des linken Auges habe in der mittleren Peripherie chororetinische Narben mit klumpiger Pigmentverschiebung aufgewiesen. Im Auftrag des Beklagten stellte sich der Kläger am 1. September 1992 bei Dr. F. vom Ärztlichen Dienst vor, der zur Anamnese u. a. feststellte, dass die Tuberkulose von 1944 bis 1961 symptomfrei geblieben sei und der Einschlag von Granatsplittern in den rechten Unterschenkel keine Beschwerden mehr verursache. Nach Auswertung dieser Befunde und der beigezogenen Unterlagen empfahl Dr. F. die Anerkennung einer reizlosen Narbe am rechten Unterschenkel als Schädigungsfolge, während die Tuberkulose und die Netzhautentzündung des linken Auges nicht auf Kriegseinwirkungen zurückzuführen seien.
Daraufhin erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 1993 die Schädigungsfolgen: "Reizlose Narbe am rechten Unterschenkel" an, die keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 vom Hundert (v. H.) bedinge. Die Tuberkulose und die schlechte Sehkraft des linken Auges seien keine Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1. März 1993 Widerspruch ein, mit dem er nochmals die schlechte Sehkraft des linken Auges auf die Einwirkungen von Detonationen und intensiver Lichtstrahlung zurückführte. Zusätzlich habe er in der Kriegsgefangenschaft an akuter Unterernährung und Unterkühlung, Ruhr, Typhus, Lungenentzündung und Tuberkulose mit nachfolgender Gallenoperation gelitten. Der Beklagte zog daraufhin aus dem Krankenbuchlager B. am 29. März 1993 das Ärztliche Untersuchungszeugnis über Fliegertauglichkeit des Klägers vom 5. November 1942 bei, in dem neben weiteren Befunden der Zahnbefund aufgeführt ist. Danach trug der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt wegen fehlender sieben Zähne eine Prothese im Oberkiefer; im Unterkiefer fehlte ihm ein Zahn. Zwei Zähne des Unterkiefers waren als behandlungsbedürftig bezeichnet und drei Zähne im Oberkiefer sowie vier Zähne im Unterkiefer waren mit Füllungen versehen. Im Einzelnen handelte es sich nach dem damaligen Zahnschema (in Klammern die Ziffern nach heutigem Zahnschema) um folgende Zähne: fehlend (bezogen auf die jeweilige Kieferseite): oben rechts 8 (18), 6 (16), 1 (11); oben links: 1 (21), 2 (22), 7 (27), 8 (28); unten links: 8 (38). Mit einer Füllung versehen waren: oben rechts 4 (14); oben links 4 (24), 6 (26); unten rechts 8 (48), 7 (47), 5 (45); unten links 7 (37). Behandlungsbedürftig waren die Zähne unten rechts 6 (46) und unten links 6 (36).
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1993 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die bisherige Bezeichnung der Schädigungsfolgen zutreffend sei. Gesundheitsstörungen, die zeitlich nach dem schädigenden Ereignis eingetreten seien und mit der Schädigung in keinem ursächlichen Zusammenhang stünden, seien nicht zu berücksichtigen. Die als Schädigungsfolge geltend gemachte Tuberkulose sei nach Auswertung der Krankenpapiere des Kreiskrankenhauses W. erstmals im Jahre 1961 diagnostiziert worden. Symptome, die Hinweise auf eine alte Tuberkulose geben könnten, hätten sich nicht nachweisen lassen. Ein ursächlicher Zusammenhang der im Jahre 1961 diagnostiziertem Lungentuberkulose mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG sei nicht wahrscheinlich. Die Netzhautentzündung des linken Auges sei nach dem Ergebnis der versorgungsärztlichen Prüfung schicksalhaft aufgetreten. Bei einer, wie vom Kläger angegeben, Lichtblitzeinwirkung 1944 müssten alte Hornhautnarben bestehen, die sich jedoch nicht nachweisen ließen. Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. August 1993 am 30. September 1993 über den Beklagten beim Sozialgericht Magdeburg erhobene Klage nahm der Kläger nach mündlicher Verhandlung am 25. Januar 1994 zurück und stellte zugleich einen Antrag auf Überprüfung der ablehnenden Bescheide hinsichtlich der von ihm angegebenen Versorgungsleiden, "insbesondere Augenschaden links, Folge der Tb und Granatsplitterverletzungen am rechten Schienbein".
Im nachfolgenden Verwaltungsverfahren schilderte der Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 1994 die aus seiner Sicht entbehrungsreiche Zeit der Fronteinsätze und der nachfolgenden russischen Kriegsgefangenschaft. In der Gefangenschaft habe sich durch Unterernährung die Tuberkulose entwickelt, die später durch Aufenthalte in der TBC-Heilstätte W. und Schweizermühle behandelt worden sei. Der Beklagte ließ durch MR Dr. R. das Versorgungsärztliche Gutachten vom 22. August 1994 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstatten. Der Gutachter benannte als Schädigungsfolge eine "Atemfunktionsstörung nach Lungentuberkulose" und einen "Stecksplitter im rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk". Die Atemfunktionsstörung sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20, der Stecksplitter mit Narbe dagegen mit einer MdE um "0" zu bewerten. Sodann erstattete Dr. R. im Auftrag des Beklagten das augenfachärztliche Gutachten vom 21. November 1994. Dieser teilte mit, der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, in der Gefangenschaft 1944 in Russland festgestellt zu haben, dass am linken Auge etwas nicht stimme, und führe die Sehminderung auf den militärischen Kriegseinsatz an der Front 1944 zurück. Für die am Augenhintergrund des linken Auges festgestellten Veränderungen seien Lichteinstrahlung und die Detonationen beim Frontansatz ursächlich gewesen. Der Sachverständige stellte für beide Augen einen Visus von 1,0 mit Korrektur fest und ein beidseitig ohne Einschränkungen zirkulär offenes Gesichtsfeld. Auf dem Augenhintergrund des linken Auges bestehe ein relativ großes chororetinisches Narbengebiet, bei dem differenzialdiagnostisch ein Netzhaut-Aderhaut-Kolobom (Kolobom=Spaltbildung, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl., S. 956 f.) in Betracht komme. Macula (Macula lutea, der gelbe Fleck der Netzhaut des Auges, Pschyrembel, a.a.O., S. 1093) und Gefäßbild seien regelrecht. Die Netzhaut-Aderhautnarben ließen keine Beziehung zu den vom Kläger angegebenen Ursachen erkennen. Aus dem Befund könne eine Differenzierung der Ursache, ob erworben oder angeboren, nicht abgeleitet werden. Auch der Zeitpunkt für den Eintritt der narbigen Veränderungen lasse sich nicht bestimmen. Chororetinische Narben könnten möglicherweise im Rahmen der Tuberkuloseerkrankung in der Gefangenschaft entstanden sein. Eine Kriegsschädigungsfolge lasse sich aus diesen Befunden nicht ableiten.
Schließlich legte Professor Dr. Dr. P. auf Veranlassung des Beklagten das kieferchirurgischzahnärztliche Gutachten vom 20. Februar 1995 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vor. Zur dessen Vorgeschichte teilte der Sachverständige mit, dieser sei am 27. Juni 1944 in russische Gefangenschaft geraten und in ein Lager bei Jassy (Moldawien) gekommen, wo er unter äußerst schlechten Bedingungen habe leben müssen, sieben Monate in einem Lazarett bei Moskau gelegen habe und dann in das Gefangenenlager nach Lublinow bei Moskau gekommen sei, wo er bis Mai 1947 verblieben sei. Von Juni 1947 bis zu seiner Entlassung nach Hause Ende Dezember 1949 habe er sich im Kriegsgefangenenlager in Kolomna (Stadt in Russland, 110 km südöstlich von Moskau) befunden, wo er zu schweren Arbeiten eingesetzt worden sei. Er habe während der gesamten Zeit unter äußerst schlechten hygienischen Bedingungen gelebt und sei anfangs schlecht verpflegt worden. Eine Pflege seines Gebisses sei nicht möglich gewesen. Seine Zähne hätten sich allmählich gelockert und es sei zu immer größer werdenden kariösen Defekten gekommen. Zahnärztliche Behandlung sei nicht möglich gewesen. Zusätzlich sei es zum Abbruch der Kronen einzelner Zähne gekommen, so dass letztlich während der Gefangenschaft seine Wurzeln wegen häufiger Eiterungen auf recht einfache Weise entfernt bzw. die lockeren Zähne von ihm selbst oder von Kameraden mit medizinischen Kenntnissen extrahiert (gezogen) worden seien. Der Kläger habe seinen Angaben zufolge während der Gefangenschaft folgende Zähne verloren: rechts oben: 8, 7, 6, 5, 4, 2, 1; rechts unten: 8, 7, 6; links oben: 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8; links unten: 6, 7, 8. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft habe der Kläger sofort einen Zahnarzt aufgesucht, der weitere lockere bzw. stark zerstörte Zähne entfernt habe. Auf diese Weise sei sein Gebiss nochmals dezimiert worden und es seien im Oberkiefer nur noch die beiden Eckzähne übrig geblieben, die er habe überkronen lassen. Zusätzlich sei oben eine Teilprothese eingefügt worden. Er sei auch in der Folgezeit in zahnärztlicher Behandlung geblieben, habe häufig unter Zahnschmerzen gelitten, so dass nach und nach weitere Zähne hätten gezogen werden müssen. Auch im Unterkiefer sei schließlich Zahnersatz eingefügt worden. Trotz intensiver zahnärztlicher Bemühungen habe sich der Verfall seines Gebisses nicht aufhalten lassen. Seit Anfang der sechziger Jahre seien alle Zähne verloren gewesen, so dass er seit dieser Zeit im Ober- und Unterkiefer Vollprothesen tragen müsse.
Dr. Dr. P. benannte als Schädigungsfolge im Kiefer-Gesichtsbereich eine ausgedehnte Gebissschädigung durch fünfeinhalbjährige russische Kriegsgefangenschaft mit Sofortverlust der Zähne 8, 7, 6, 5, 4, 2, 1 (rechts oben); 8, 7, 6 (rechts unten); 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 (links oben) und 6, 7, 8 (links unten). Ferner damit zusammenhängend den Verlust der restlichen Zähne durch Zahnlockerung bzw. kariöse Zerstörung bis zur völligen Zahnlosigkeit mit wesentlicher und im Moment zahnprothetisch nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung. Diese Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 20 v. H. einzuschätzen. Zur Begründung dieser Einschätzung gab der Sachverständige an, dass zwischen der Funktionsbehinderung im Gebisssystem aufgrund objektiver Fakten, nämlich dem Zahnverlust in der langjährigen Gefangenschaft durch mangelnde Zahnpflegemöglichkeit und eine alimentäre Dystrophie (durch Nahrung hervorgerufene pathologische Veränderung von Zellen, Geweben und Organen, Pschyrembel, a.a.O., S. 43 und 444) ein kausaler Zusammenhang bestehe. Die MdE sei zeitlich bis zum 31. Dezember 1995 zu begrenzen, bis der Kläger mit funktionell vollwertigen Prothesen in Ober- und Unterkiefer versorgt sei. Die Kostenübernahme sei durch die zuständige Krankenkasse ohne finanzielle zusätzliche Belastung für den Kläger als einmalige Leistung zu gewähren.
Mit seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Februar 1995 empfahl MR Dr. R. die Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen: Atemfunktionsstörung nach Lungentuberkulose (MdE 20 v. H.); Stecksplitter am rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk (MdE 0 v. H.); Sofortverlust der Zähne 11, 12, 14 bis 18, 21, 22, 24 bis 28, 46 bis 48 und 36 bis 38 sowie damit zusammenhängend weiterer Verlust der restlichen Zähne mit im Moment zahnprothetisch nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung (MdE 20 v. H.). Zusammenfassend schlug er eine Gesamt-MdE um 30 v. H. zur Anerkennung vor und empfahl eine zahnärztliche Nachuntersuchung im Januar 1996.
Das Verfahren zur Überprüfung der angefochtenen Bescheide wurde vom Beklagten (versehentlich) zunächst nicht weiter bearbeitet. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1996, beim Sozialgericht Magdeburg am 13. Dezember 1996 eingegangen, rügte der Kläger das Ausbleiben des Bescheides über die Anerkennung seiner Schädigungsfolgen durch die Wehrmacht und mahnte eine baldige Entscheidung an. Das Sozialgericht wertete das Schreiben als Untätigkeitsklage, später als Verpflichtungsklage, die der Kläger am 28. Mai 1997 zurücknahm. Nachdem der Beklagte aufgrund der Untätigkeitsklage des Klägers das Verwaltungsverfahren wieder aufgegriffen hatte, wies MR Dr. O. in seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 19. Februar 1997 die Empfehlung von Dr. R. vom 22. Februar 1995 teilweise zurück, da der Gutachter (Prof. Dr. Dr. P.) die schädigungsunabhängigen Vorschäden an den Zähnen nicht berücksichtigt habe. Da dem Zahnstatus vom 5. November 1942 das Fehlen von acht Zähnen, Füllungen an weiteren neun Zähnen sowie das Vorhandensein eines Gebisses im Oberkiefer zu entnehmen sei, werde empfohlen, den durch die schädigenden Ereignisse eingetretenen weiteren Verlust von Zähnen als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung zu werten. Zu bezeichnen sei die Schädigungsfolge mit "Sofortverlust der Zähne 12, 14, 15, 16, 22, 24, 25, 27, 36, 37 und 46 bis 48 sowie damit zusammenhängend weiterer Zähne bei ausgeglichener zahnprothetischer Versorgung" und mit einer MdE von 0 v. H. zu bewerten. Eine höhere Bewertung sei nicht begründet, da eine ausreichende zahnprothetische Versorgung innerhalb eines halben Jahres zu erwarten sei. Es werde empfohlen, die anteiligen Kosten für eine zahnprothetische Versorgung der geschädigten Zähne mit konventionellen Mitteln zu übernehmen.
Auch gegen die prüfärztliche Stellungnahme von MR Dr. O. machte der Beklagte verwaltungsintern Bedenken geltend (Stellungnahme vom 20. Februar 1997, Bl. 55 d. Verwaltungsakte): Die Anerkennung der heute bestehenden Zahnverluste im Sinne der Verschlimmerung setze voraus, dass der schädigungsunabhängige Vorschaden bestimmt werde. Zwar könnte vermutet werden, dass sich die ungewöhnlich ausgeprägten Zahnschäden, die nach dem Ergebnis der Fliegertauglichkeitsuntersuchung bereits am Ende des 16. Lebensjahres vorlagen, auf einer Gesundheitsstörung beruhten, die auch die übrigen Zahnverluste bewirkt habe. Diese zu Grunde liegende Gesundheitsstörung wäre dann zu definieren und ggf. im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen. Soweit ein derartiger Vorschaden nicht definiert und bewiesen werden könne, komme nur die Anerkennung der späteren Zahnverluste im Sinne der Entstehung in Frage. Dies sei aber nicht klärungsbedürftig, weil eine Anerkennung der Zahnschäden bereits aus rechtlichen Gründen ausscheide. Einziger möglicher Nachweis für die Zahnverluste während der Kriegsgefangenschaft und ggf. im unmittelbaren darauf folgenden Zeitraum seien die Angaben des Klägers. Diese seien jedoch nachweislich im Wesentlichen falsch. Der bei der Fliegertauglichkeitsuntersuchung erhobene Befund beweise, dass ein Großteil der Zähne, die der Antragsteller während der Kriegsgefangenschaft verloren haben will, bereits vorher nicht mehr vorhanden gewesen sei. Damit stehe fest, dass das Erinnerungsvermögen des Klägers in Bezug auf die schädigenden Vorgänge so sehr getrübt sei, dass seine Angaben nicht als glaubhaft im Sinne des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) zu Grunde gelegt werden könnten. Zugleich wurde Dr. O. in einer ergänzenden prüfärztlichen Stellungnahme zur Beantwortung weiterer Fragen aufgefordert. Mit Stellungnahme vom 6. März 1997 führte Dr. O. aus, es sei anhand der vorliegenden alten ärztlichen Unterlagen nicht zu beweisen, dass der Kläger zwischen Dezember 1944 und Mai 1945 eine nasse Rippenfellentzündung mit 13 Punktionen erlitten habe. Nach dem Entlassungsbericht der TBC-Heilstätte vom 15. September 1961 sei diese Schädigung aber wahrscheinlich. Die 1961 durch eine Schirmbilduntersuchung gefundene alte Lungentuberkulose sei als das Ausheilungsstadium der während der Gefangenschaft durchgemachten Lungentuberkulose und damit als Folge der angegebenen primären Pleuritis anzusehen. Für die Schädigung "Pleuraschwarte re. Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Lungenfunktionseinschränkung" sei aber keine MdE anzuerkennen, da nach dem Ergebnis des Gutachtens vom 22. August 2004 die Vitalkapazität der Lunge nur leicht eingeschränkt und dies auch nicht auf die diskrete Pleuraschwarte, sondern auf die schädigungsunabhängige Herzleistungsminderung zurückzuführen sei. Er empfehle, als Schädigungsfolge anzuerkennen: "Pleuraschwarte re. Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Funktionseinschränkung" und dafür keine MdE festzusetzen.
Mit Bescheid vom 17. März 1997 über die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG mit Wirkung vom 1. Februar 1993 an:
1. Pleuraschwarte rechte Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Lungenfunktionseinschränkung
2. Reizlose Narbe am rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk.
Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage wie bisher unter 25 v. H. Versorgungsbezüge stünden bei einer MdE unter 25 v. H. nicht zu. Ferner führte der Beklagte zur Begründung aus, ein wesentlicher Teil der Angaben des Klägers über Zahnverluste in der Kriegsgefangenschaft habe sich als falsch erwiesen. Entgegen seinen Angaben habe er nach dem Ergebnis der Fliegertauglichkeitsuntersuchung vom 5. November 1942 bereits vor dem Wehrdienst sieben Zähne im Oberkiefer verloren. Demnach könnten auch seine Angaben zum Verlust der weiteren Zähne nicht mehr glaubhaft zu Grunde gelegt werden. Andere Nachweise über Zahnverluste während der Kriegsgefangenschaft könnten ebenfalls nicht geführt werden. Die Anerkennung seiner Zahnschäden sei daher wegen objektiver Beweislosigkeit unmöglich.
Mit seinem gegen diesen Bescheid am 1. April 1997 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, bereits Professor Dr. Dr. P. habe in seinem Gutachten vom 20. Februar 1995 festgestellt, dass er (der Kläger) schon vor der Einberufung zur Wehrmacht 1943 Prothesenträger gewesen sei. In der russischen Kriegsgefangenschaft ab 1944 sei seine Prothese zerbrochen, so dass er die langen schweren Jahre bis zu seiner Heimkehr 1949 ohne vordere Zähne habe auskommen müssen. Infolgedessen habe er nur sehr schlecht Kauen und Sprechen können. Aufgrund der sehr schlechten hygienischen Bedingungen in den Lagern und durch die große Unterernährung in den vielen Jahren der Gefangenschaft hätten seine übrigen Zähne ohne zahnärztliche Behandlung nicht durchgehalten, so dass die meisten bei großen Schmerzen hätten extrahiert werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 1998 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die Schädigungsfolgen im angefochtenen Bescheid zutreffend bezeichnet worden seien. Als Folge der erlittenen Granatsplitterverletzung im Bereich des rechten Knies seien lediglich reizlose Narben verblieben, die keinen messbaren Grad der MdE bedingten. Funktionseinschränkungen im Kniegelenk bestünden nicht. Auch die als Folge der Lungen-TBC eingetretene Pleuraschwarte rechts habe zu keiner Minderung der Lungenfunktion geführt. Die Anerkennung des ebenfalls als Schädigungsfolge geltend gemachten Zahnverlustes infolge Einwirkungen während der Kriegsgefangenschaft komme dagegen nicht in Betracht. Es existierten keine Unterlagen, die nachweisen, dass es während der Kriegsgefangenschaft und ggf. im unmittelbar darauf folgenden Zeitraum zu dem geltend gemachten Zahnverlust gekommen ist. Insofern hätten der Entscheidung seine Angaben zum Hergang der Schädigung zu Grunde gelegt werden müssen, sofern diese den Umständen nach glaubhaft sind (§ 15 KOVVfG). Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Aus dem Befund der Fliegertauglichkeitsuntersuchung vom 5. November 1942 gehe eindeutig hervor, dass ein Großteil der Zähne, die er als während der Kriegsgefangenschaft verloren angeben habe, bereits zu diesem Zeitpunkt und damit außerhalb schädigender Einwirkungen im Sinne des BVG nicht mehr vorhanden gewesen sei. Damit seien seine Angaben zum Zahnverlust im Wesentlichen falsch und könnten auch in Bezug auf die übrigen verloren gegangenen Zähne der Entscheidung nicht mehr zu Grunde gelegt werden.
Mit seiner am 5. Mai 1998 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und die Bewertung seiner Schädigungsfolgen mit einer MdE in rentenberechtigender Höhe begehrt. Als Schädigungsfolgen benannte er eine Sehleistungsminderung am linken Auge infolge starker Vernarbung, starken Zahnverlust während der Kriegsgefangenschaft, Beschwerden am rechten Schienbein wegen eines Granatsplitters, eine Lungentuberkulose und eine Gallenoperation infolge Tabletteneinnahme zur Tuberkulosebehandlung. Wegen der Sehminderung stehe ihm bereits eine Einzel-MdE von 20 v. H. zu, da die heute vorhandenen Netzhaut-Aderhaut-Narben auf eine Augenerkrankung zurückzuführen seien, die er im Zusammenhang mit der schädigungsbedingten Tuberkuloseerkrankung durchgemacht habe. Außerdem habe sich starke Lichteinwirkung ausgewirkt. Während der Gefangenschaft habe er starken Zahnverlust hinnehmen müssen. Die dazu getroffenen Feststellungen von Prof. Dr. Dr. P. im Gutachten vom 20. Februar 1995 mache er sich zu eigen. Sofern von einem Vorschaden auszugehen sei, müsse der weitere Zahnverlust als richtungsweisende Verschlimmerung anerkannt werden. Im rechten Schienbein habe er beim Wetterwechsel Schmerzen; dadurch werde seine Geh- und Stehfähigkeit beeinflusst. Die Gallenblasenoperation sei notwendig geworden, nachdem die Gallenblase durch massive Medikamenteneinnahme zur Behandlung der Tuberkulose geschädigt worden sei.
Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Augen- und Tuberkuloseerkrankung sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich. Außerdem erreiche die funktionelle Beeinträchtigung durch die Gesundheitsstörung am linken Auge bei beidseits vollem Visus mit Korrektur und eingeschränkten Gesichtsfeldern keine messbare MdE. Die Gallenblasenoperation sei nach dem Arztbrief von SR Dr. K. vom 18. Juli 1994 wegen eines Gallensteinleidens notwendig geworden. Wegen des großen zeitlichen Abstandes zum Jahre 1963, in dem der Kläger über Gallenbeschwerden geklagt und Gallenschonkost erhalten habe, sei ein ursächlicher Zusammenhang unwahrscheinlich. Hinsichtlich der angeblichen Zahnverluste könnten seine Angaben nicht nach § 15 KOVVfG herangezogen werden, da er sowohl anlässlich der versorgungsärztlichen Untersuchung am 19. Juli 1994 als auch bei der stomatologischen Begutachtung vom 15. Februar 1995 den zeitlichen Ablauf des Zahnverlustes unzutreffend dargestellt habe. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch während der Gefangenschaft Zähne verlustig gingen, könnte ein schädigungsbedingter Zahnverlust nicht anerkannt werden, da nicht feststellbar sei, welche Zähne genau betroffen seien.
Mit Urteil vom 30. Mai 2002 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Verlust der Zähne 12, 15 und 25 im Sinne der Entstehung und der Zähne 14, 24 und 26 im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen. Zur Begründung hat das Gericht in Wesentlichen ausgeführt, der Vortrag des Klägers, er habe aufgrund der langjährigen Ernährung in der Kriegsgefangenschaft und der dort mangelhaften zahnärztlichen Versorgung Zähne verloren, sei glaubhaft. Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs sei der Auffassung von Professor Dr. Dr. P. zuzustimmen, der eine Mangelernährung und mangelnde Zahnhygiene als Ursache für den Zahnverlust festgestellt habe. Bei der Feststellung der konkret betroffenen Zähne sei aber weder den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P. nach denen von Dr. O. zu folgen, da beide Ärzte Zähne zur Anerkennung vorgeschlagen hätten, die schon 1942 verloren gewesen seien. Zum Zahnverlust seien die Ausführungen des Klägers nur teilweise schlüssig. Schon vor der Kriegsgefangenschaft sei er mit einer Oberkieferprothese versorgt gewesen. Im Zahnstatus der Musterung hätten die Zähne 11, 16, 18, 21, 22, 27 und 28 und im Unterkiefer der Zahn 38 gefehlt. Die Zähne 36 und 46 seien beschädigt gewesen; Füllungen hätten die Zähne 14, 24, 26, 37, 45, 47, 48 aufgewiesen. Die schon 1942 verloren gewesenen Zähne könnten nicht anerkannt werden. Der Verlust der bereits vorgeschädigten Zähne sei aber im Sinne einer Verschlimmerung anzuerkennen. Hiervon seien die Zähne 14, 24 und 26 betroffen. Den Verlust der Zähne 12, 15 und 25 im Sinne der Entstehung während der Kriegsgefangenschaft halte die Kammer für glaubhaft. Die Zähne 13 und 23 seien nach der Kriegsgefangenschaft noch vorhanden gewesen, wie sich aus den Angaben Klägers und den Behandlungen in den Jahren 1954 und 1962 ergebe. Der Verlust des Zahnes 17 und der Zähne des Unterkiefers sei demgegenüber nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen, da hierfür nachvollziehbare Unterlagen fehlten. Weitere Schädigungsfolgen seien nicht anzuerkennen. Zwischen der Tuberkulose und den chororetinitischen Narben bestehe kein ausreichend wahrscheinlicher medizinischer Ursachenzusammenhang, ebenso nicht zwischen der Gallenblasenoperation und der behaupteten Einnahme von Tabletten zur Behandlung der Tuberkulose. Zwischen beiden Erkrankungen lägen mehr als 20 Jahre, was überwiegend für eine schädigungsunabhängige Ursache bei der Entstehung des Gallenblasenleidens spreche. Die Funktionsstörungen der anerkannten Schädigungsfolgen bedingten keine rentenberechtigende MdE, auch der anerkannte Zahnverlust und die Befindlichkeitsstörungen am rechten Bein führen nicht zur Anhebung der MdE, so dass eine rentenberechtigende MdE um 25 v. H. nicht erreicht werde.
Gegen das ihnen am 10. und 12. Juni 2002 zugestellte Urteil wenden sich der Kläger und der Beklagte mit den am 24. Juni 2002 (Kläger) und 11. Februar 2003 (Anschlussberufung) erhobenen Berufungen.
Der Kläger trägt vor, es sei den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. P. zu folgen, wonach auch der Verlust der Zähne 41 bis 48 als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Einzel-MdE von mindestens 20 v. H. festzustellen sei. Hierfür sei auch der Zustand der völligen Zahnlosigkeit mit wesentlicher zahnprothetischer nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung maßgeblich. Dieser Zustand habe zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgelegen; er sei auch weiter aktuell. Hinsichtlich der Lungenfunktionsstörung verweise er auf den Bericht des Kreiskrankenhauses W., in dem eine geringe restriktive Ventilationsstörung und eine Minderung der endexspiratorischen Flußrate beschrieben sei. Danach könne nicht von einer nur geringgradigen Einschränkung der Lungenfunktion gesprochen werden. Auch im Versorgungsärztlichen Gutachten vom 22. August 1994 werde eine mindestens geringgradige Lungenfunktionsstörung mit einer Vitalkapazität von 74% beschrieben und die Atemfunktionsstörung mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Dies stimme mit den Anhaltspunkten (1983/1996) überein, wonach für eine geringgradige Lungenfunktionsminderung eine MdE zwischen 20 und 40 v. H. zuzuordnen sei. Unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Herabsetzung der Vitalkapazität rechtfertige die Lungenfunktionsminderung für sich genommen bereits die Zuerkennung einer rentenberechtigenden MdE. In diesem Zusammenhang gehe er davon aus, dass auch die im Bericht des Krankenhauses W. beschriebene linksventrikuläre Belastung des Herzens als Folge der über Jahrzehnte andauernden Lungenfunktionsstörung zu beurteilen sei. Darüber hinaus sei auch die bei ihm vorliegende Sehleistungsminderung als Schädigungsfolge im Sinne des BVG anzuerkennen, da sowohl die unstreitig durchgemachte Erkrankung einer TBC als auch eine stattgehabte Lichteinwirkung als Ursache für die festgestellte Chororetinitis dissiminata in Frage kämen. Schließlich sei auch von einem schädigungsbedingten Verlust der Gallenblase auszugehen, da er zur Behandlung der Tuberkuloseerkrankung massenhaft habe Tabletten einnehmen müssen, die letztlich zur Schädigung der Gallenblase und Notwendigkeit der Entfernung dieses Organs geführt hätten. Insgesamt sei für die als Schädigungsfolge anzuerkennenden Krankheiten und Behinderungen mindestens eine MdE um 30 v. H. gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2002 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 6. April 1998 insgesamt aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 17. März 1997, 19. August 1993 und 1. Februar 1993 zu verpflichten, als weitere Schädigungsfolgen den Verlust der Zähne 41 bis 48, eine Pleuraschwarte rechte Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose mit Lungenfunktionseinschränkung, eine Sehminderung links und den Verlust der Gallenblase nach Tuberkulosebehandlung anzuerkennen, eine MdE von mindestens 30 v. H. festzustellen und eine Versorgungsrente zu zahlen sowie
die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben, soweit es die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen betrifft, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Er trägt vor, das Sozialgericht hätte sich nicht auf das zahnmedizinische Gutachten von Prof. Dr. Dr. P. berufen dürfen. Dieses Gutachten sei ungeeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Kriegsgefangenschaft und Zahnverlusten medizinisch nachvollziehbar zu begründen. Der Gutachter sei von falschen Tatsachen ausgegangen. Er habe nach den Angaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung davon ausgehen müssen, dass dieser bis zur Gefangenschaft ein gesundes Gebiss gehabt habe. Eine Diskussion anderer möglicher Ursachen habe daher nicht stattgefunden. Da auch nach den Anhaltspunkten (Nr. 103 Abs. 2 S. 272) die bekannten Lebensumstände während der Kriegsgefangenschaft als Ursache für Zahnschäden anerkannt werden, habe der Gutachter nach seinem Kenntnisstand letztlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nur bejahen können. Unberücksichtigt sei dabei geblieben, dass bei dem Kläger nachweislich bereits 1942 im Alter von 16 Jahren mehr als die Hälfte der Zähne (17 von 32) fehlend, beschädigt oder gefüllt waren. Damit hätte jedoch schon medizinisch die Wahrscheinlichkeit anderer Ursachen für den Zahnverlust des Klägers diskutiert werden müssen, so dass zwar die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs des Zahnverlustes mit der Gefangenschaft besteht, jedoch keine Wahrscheinlichkeit im versorgungsrechtlichen Sinn. Darüber hinaus sei zu beachten, dass nicht automatisch eine während der Wehrmachtzugehörigkeit eingetretene Schädigung auch eine Schädigung im Sinne des BVG ist. Nach den Anhaltspunkten sei davon auszugehen, dass die Ernährung in der Wehrmacht ordnungsgemäß und auch im Allgemeinen in gewissen Zeitabständen eine geeignete Behandlung sichergestellt gewesen sei. Auch der Zeitraum von 1950 bis 1954 sei nicht durch das BVG geschützt und aufgrund fehlender Unterlagen die Behandlungssituation nicht belegt. Insgesamt sei festzustellen, dass sich für das Auftreten und den Umfang von Zahnverlusten während der Gefangenschaft keine objektiven Nachweise finden ließen. Die Möglichkeit eines Zahnverlustes während der Gefangenschaft sei zwar zweifelsfrei gegeben, eine Überzeugung vom Grade einer Wahrscheinlichkeit im versorgungsrechtlichen Sinne werde jedoch nicht erreicht.
Mit Schreiben vom 15. und 19. Dezember 2005 (Bl. 80 und 81 d. Gerichtsakte) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände), die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und die Gerichtsakten der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Magdeburg (Az S 1 V 77/93 und S 1 V 3/97) verwiesen, die dem Senat bei der Beratung und Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) entscheiden, da sich die Prozessbeteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige, form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist unbegründet, die zulässige Anschlussberufung des Beklagten (§ 202 SGG i.V.m. § 524 ZPO) dagegen begründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger am 25. Januar 1994 gestellten Überprüfungsantrag ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Dem nach dieser Norm gestellten Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 1. Februar und 19. August 1993 ist der Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung (Bescheid vom 17. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 1998) teilweise nachgekommen, hat das Begehren auf Änderung der Bescheide aber im Übrigen abgelehnt. Diese Entscheidungen sind rechtmäßig. Der erhobene Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen ist unbegründet.
a) Der Kläger kann nicht verlangen, dass die eingetretenen Zahnverluste als Schädigungsfolge anerkannt werden.
Die maßgebliche Rechtsgrundlage für den Versorgungsanspruch des Klägers findet sich in § 1 BVG (in seiner insoweit unveränderten Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 1953, BGBl. I S. 866, in Kraft getreten am 1. September 1953): Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG). Einer Schädigung im Sinne des Abs. 1 stehen Schädigungen gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden sind (vgl. § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG).
Nach den allgemein geltenden Beweisregeln müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dieser Grundsatz gilt unbestritten auch für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm des § 1 BVG (vgl. dazu BSG, Urt. v. 15. 12. 1999 – B 9 VS 2/98 R – SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 73, m.w.N.).
In Abweichung von dem Erfordernis eines Vollbeweises der anspruchsbegründenden Tatsachen hat § 1 BVG in seinem Absatz 3 Erleichterungen des Beweises des Ursachenzusammenhangs zwischen der Schädigung und der Gesundheitsstörung normiert. Nach Satz 1 des § 1 Abs. 3 BVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Nach der Rechtsauffassung des Senats reicht zwar für den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Kriegsgefangenschaft und dem als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten Zahnverlust in Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG die Wahrscheinlichkeit aus. Nach seiner Überzeugung ist aber der behauptete Ursachenzusammenhang nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit feststellbar. Dies ist auf folgende Sachverhaltsumstände zurückzuführen:
Nach dem Ergebnis des Ärztlichen Untersuchungszeugnisses über Fliegertauglichkeit vom 5. November 1942 fehlten dem zu diesem Zeitpunkt sechzehnjährigen Kläger im Oberkiefer bereits die folgenden sieben Zähne: 11, 16, 18, 21, 22, 27, 28, darunter beide Schneidezähne, und im Unterkiefer ein Zahn (38). Drei Zähne des Oberkiefers (14, 24, 26) und vier des Unterkiefers (37, 45, 47, 48) waren mit Füllungen versehen worden; zwei weitere Zähne im Unterkiefer wurden als behandlungsbedürftig eingeschätzt. Dieses Ausmaß der Zahnschäden bei dem damals noch jugendlichen Kläger spricht für eine starke Disposition in Richtung erheblicher Zahnschäden. Diese Vermutung wird durch das Fehlen jeglicher Erklärungen, wie es zu dem frühzeitigen Zahnverlust gekommen ist, bestärkt, zumal er selbst den frühzeitigen Zahnverlust, auch den zweier Schneidezähne, nicht auf äußere Einflüsse wie Unfälle oder Gewalt zurückgeführt hat.
Es ist in der medizinischen Wissenschaft bekannt, dass bei Kindern und Jugendlichen trotz ausreichender Mundhygiene einige Formen von destruktiven Parodontitiden auftreten können, welche durch einen raschen Abbau des bindegewebigen Attachments (engl. Befestigung, bindegewebige Verankerung des Zahns im Alveolarknochen über die Fasern der Wurzelhaut; vgl. Psychrembel, 260. Aufl., S. 164) zwischen Wurzeloberfläche und Alveolarknochen gekennzeichnet sind und zu einem rapiden Verlust des Zahnhalteapparates führen. Dazu gehören die präpubertäre Parodontitis und die juvenile Parodontitis, jeweils mit einer lokalisierten und einer generalisierten Form. Die Formen der juvenilen Parodontitis treten meist zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr auf und führen innerhalb von vier bis fünf Jahren zu einem 50 bis 75%igen Attachmentverlust (Zahnarzt, 9. Jahrgang Nr. 7, 2004: Gingivitis und Parodontalerkrankungen im Kindes- und Jugendalter; nachlesbar im Internet unter www.aerztewoche.at). Zutreffend hat der Beklagte daher darauf verwiesen, der Gutachter hätte zumindest die Möglichkeit einer anderen Ursache für den Zahnverlust erörtern und bewerten müssen. Es ist nicht bekannt, welche Zahn- oder Zahnfleischerkrankung beim jugendlichen Kläger zu dem massiven Zahnverlust bis zum 16. Lebensjahr geführt hat. In Anbetracht der nicht fern liegenden Möglichkeit, dass er damals unter einer juvenilen Parodontitis gelitten hat, bei der innerhalb von fünf Jahren bis zu 75% aller Zähne verloren gehen können, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass die weiteren Zahnverluste mit Wahrscheinlichkeit auf die Kriegsgefangenschaft zurückzuführen sind. Wahrscheinlich ist ein Ursachenzusammenhang nämlich nur dann, wenn mehr dafür als dagegen spricht (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2008, L 7 VI 11/05, Breithaupt 2008, S. 605).
Bei der Frage der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs war auch zu berücksichtigen, dass zwischen der Untersuchung seiner Fliegertauglichkeit im November 1942 und dem Beginn der Kriegsgefangenschaft im Juni 1944 mehr als anderthalb Jahre lagen, während derer möglicherweise anlagebedingte Zahn-, Zahnfleisch oder Kieferschäden fortgewirkt und zu weiterem Zahnausfall geführt haben. Über diesen Zeitraum liegen allerdings ebenso keine Unterlagen vor wie über den von 1950 bis März 1954 im Anschluss an die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, so dass der Ursachenzusammenhang auch wegen fehlender Unterlagen für insgesamt weitere sechs Jahre nicht wahrscheinlicher zu machen ist. Im Übrigen hat auch der Kläger bei seinem Antrag vom 14. Februar 1992 offenbar den Zahnverlust noch nicht auf die Lebensumstände in der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt, weil er diese Schädigung, bei ausführlicher und genauer Schilderung der übrigen Schädigungen und der Sachverhaltsumstände, nicht angegeben hat.
Angesichts der fehlenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges brauchte sich der Senat mit den ärztlichen Gutachten und den teilweise widersprüchlichen Angaben des Klägers zum Zahnverlust nicht auseinander zusetzen. Auf § 15 KOVVfG ist aus demselben Grund nicht einzugehen.
Auch im Übrigen bleibt der Berufung des Klägers der Erfolg verwehrt, weil er keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen hat. Die Vernarbungen auf dem Hintergrund des linken Auges (chororetinitische Narben) sind nach dem Gutachten des Augenfacharztes Dr. R. vom 21. November 1994 nicht sicher auf die Tuberkuloseerkrankung während der Gefangenschaft zurückzuführen. Die bloße Möglichkeit der Verursachung einer Choroiditis (Entzündung der Aderhaut) oder Chororetinitis (primäre Aderhautentzündung mit nachfolgender Netzhautentzündung) durch eine Tuberkulose (vgl. Pschyrembel, 260. Aufl., S. 319) genügt nicht, da andere Ursachen wie Borreliosen, Candida-Mykosen und weitere ebenfalls in Frage kommen. Der Verlust der Gallenblase erst im Jahre 1986 lässt sich schon wegen des großen zeitlichen Abstandes zu der TBC-Behandlung 1963 nicht auf diese Behandlung zurückführen; er ist nach dem Bericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin SR Dr. K. vom 18. Juli 1994 durch eine Cholecystholithiasis, also ein Gallensteinleiden, verursacht worden.
Auch hinsichtlich der Lungenerkrankung hat der Kläger keinen Anspruch auf Erweiterung der Anerkennung der Schädigungsfolge im Sinne einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Der Bericht des Kreiskrankenhauses W. vom 20. Oktober 1993 enthält dazu u. a. wörtlich folgende Ausführungen: "Es liegt eine diskrete rechtsseitige Pleuraschwarte vor ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lungenfunktion ( ) während der Kriegsgefangenschaft Pleuritis gehabt, die aber erstaunlich gut ausgeheilt ist ( ) Jedenfalls sind keine wesentlichen Spätfolgen eingetreten ( ) Spirometrie: Geringe restriktive Ventilationsstörung, diskrete Minderung der endexspiratorischen Flußraten in der F/V-Kurve als Hinweis für Obstruktion der kleinen Atemwege. ( ) Ferner schätzte der untersuchende Arzt eine erneute Klage gegen das Amt für Versorgung und Soziales "wegen Geringfügigkeit des Körperschadens" nicht für sinnvoll ein. Nach diesen Feststellungen kommt eine Änderung der Anerkennung der Schädigungsfolge durch den Zusatz "mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion" nicht in Betracht. Nach den Anhaltspunkten 1983/1996, Teil A, Abschnitt 26.8, Seite 81 ff. richtet sich der MdE-Grad vor allem nach der klinischen Symptomatik mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand. Außerdem sind die Einschränkung der Lungenfunktion und die Folgeerscheinungen an anderen Organsystemen zu berücksichtigen. Krankheiten der Atmungsorgane wie zum Beispiel Brustfellschwarten sind mit einem MdE-Grad von 20 bis 40 zu bewerten, wenn die Krankheit mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades einhergeht, nämlich "das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung ( ) statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktion bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte ( )". Solche Beeinträchtigungen sind dem Bericht des Kreiskrankenhauses W. vom 20. Oktober 1993 nicht zu entnehmen. Auch in der Schädigungsanamnese des Versorgungsärztlichen Gutachtens des MR Dr. R. vom 22. August 1994 wird der Kläger mit der Äußerung wiedergegeben, er habe jetzt keine Lungenbeschwerden, keine Luftnot, keinen Husten und keinen Auswurf.
Nach allem musste der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben.
Die gegen die teilweise Anerkennung von Zahnverlust den als Schädigungsfolge gerichtete Berufung des Beklagten hat dagegen aus den oben genannten Gründen Erfolg, sodass das Urteil des Sozialgerichts hinsichtlich des zusprechenden Teils aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Umstritten ist die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und die Zahlung einer Beschädigtenrente.
Der am ... 1925 geborene Kläger beantragte im Februar 1992 bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Frühere Anträge des Klägers oder Bescheide wegen erlittener Kriegsverletzungen liegen nicht vor. Er gab an, als Soldat der Wehrmacht im August 1944 an der Front bei Tiraspol (Moldawien, damals Sowjetunion) durch starke Detonationen und Lichtstrahlung, Trommelfeuer auf die eigenen Stellungen sowie während der anschließenden Kriegsgefangenschaft von September bis November 1949 durch Ruhr und Unterernährung im Kriegsgefangenensammellager bei Jassy/Kishinev (Moldawien, s. oben) geschädigt worden zu sein. Im Einzelnen benannte er eine schlechte Sehkraft des linken Auges durch starke Vernarbung, Granatsplitter am rechten Schienbein und Tuberkulose. Der Beklagte zog Archivunterlagen des Kreiskrankenhauses W. über den Zeitraum von 1961 bis 1990 sowie weitere Unterlagen bei. Aus den Unterlagen ergibt sich (u. a.) eine stationäre Behandlung des Klägers in der Tuberkulose(TBC)-Heilstätte W. (I. im Harz) wegen einer in früherer Zeit durchlittenen Tuberkulose, die 1961 eine Sicherungskur erfordert hatte. Nach dem am 1. Oktober 1992 beim Beklagten eingegangenen augenärztlichen Befund der Sanitätsrätin Dr. D. betrug der Visus (Sehkraft) ohne Korrektur auf dem rechten Auge 5/5 und auf dem linken Auge 5/10. Die Ärztin beschrieb die vorderen Augenabschnitte beidseits als regelrecht. Ferner gab sie an, die Netzhaut des linken Auges habe in der mittleren Peripherie chororetinische Narben mit klumpiger Pigmentverschiebung aufgewiesen. Im Auftrag des Beklagten stellte sich der Kläger am 1. September 1992 bei Dr. F. vom Ärztlichen Dienst vor, der zur Anamnese u. a. feststellte, dass die Tuberkulose von 1944 bis 1961 symptomfrei geblieben sei und der Einschlag von Granatsplittern in den rechten Unterschenkel keine Beschwerden mehr verursache. Nach Auswertung dieser Befunde und der beigezogenen Unterlagen empfahl Dr. F. die Anerkennung einer reizlosen Narbe am rechten Unterschenkel als Schädigungsfolge, während die Tuberkulose und die Netzhautentzündung des linken Auges nicht auf Kriegseinwirkungen zurückzuführen seien.
Daraufhin erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 1993 die Schädigungsfolgen: "Reizlose Narbe am rechten Unterschenkel" an, die keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 vom Hundert (v. H.) bedinge. Die Tuberkulose und die schlechte Sehkraft des linken Auges seien keine Schädigungsfolgen im Sinne von § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1. März 1993 Widerspruch ein, mit dem er nochmals die schlechte Sehkraft des linken Auges auf die Einwirkungen von Detonationen und intensiver Lichtstrahlung zurückführte. Zusätzlich habe er in der Kriegsgefangenschaft an akuter Unterernährung und Unterkühlung, Ruhr, Typhus, Lungenentzündung und Tuberkulose mit nachfolgender Gallenoperation gelitten. Der Beklagte zog daraufhin aus dem Krankenbuchlager B. am 29. März 1993 das Ärztliche Untersuchungszeugnis über Fliegertauglichkeit des Klägers vom 5. November 1942 bei, in dem neben weiteren Befunden der Zahnbefund aufgeführt ist. Danach trug der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt wegen fehlender sieben Zähne eine Prothese im Oberkiefer; im Unterkiefer fehlte ihm ein Zahn. Zwei Zähne des Unterkiefers waren als behandlungsbedürftig bezeichnet und drei Zähne im Oberkiefer sowie vier Zähne im Unterkiefer waren mit Füllungen versehen. Im Einzelnen handelte es sich nach dem damaligen Zahnschema (in Klammern die Ziffern nach heutigem Zahnschema) um folgende Zähne: fehlend (bezogen auf die jeweilige Kieferseite): oben rechts 8 (18), 6 (16), 1 (11); oben links: 1 (21), 2 (22), 7 (27), 8 (28); unten links: 8 (38). Mit einer Füllung versehen waren: oben rechts 4 (14); oben links 4 (24), 6 (26); unten rechts 8 (48), 7 (47), 5 (45); unten links 7 (37). Behandlungsbedürftig waren die Zähne unten rechts 6 (46) und unten links 6 (36).
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1993 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die bisherige Bezeichnung der Schädigungsfolgen zutreffend sei. Gesundheitsstörungen, die zeitlich nach dem schädigenden Ereignis eingetreten seien und mit der Schädigung in keinem ursächlichen Zusammenhang stünden, seien nicht zu berücksichtigen. Die als Schädigungsfolge geltend gemachte Tuberkulose sei nach Auswertung der Krankenpapiere des Kreiskrankenhauses W. erstmals im Jahre 1961 diagnostiziert worden. Symptome, die Hinweise auf eine alte Tuberkulose geben könnten, hätten sich nicht nachweisen lassen. Ein ursächlicher Zusammenhang der im Jahre 1961 diagnostiziertem Lungentuberkulose mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG sei nicht wahrscheinlich. Die Netzhautentzündung des linken Auges sei nach dem Ergebnis der versorgungsärztlichen Prüfung schicksalhaft aufgetreten. Bei einer, wie vom Kläger angegeben, Lichtblitzeinwirkung 1944 müssten alte Hornhautnarben bestehen, die sich jedoch nicht nachweisen ließen. Die gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. August 1993 am 30. September 1993 über den Beklagten beim Sozialgericht Magdeburg erhobene Klage nahm der Kläger nach mündlicher Verhandlung am 25. Januar 1994 zurück und stellte zugleich einen Antrag auf Überprüfung der ablehnenden Bescheide hinsichtlich der von ihm angegebenen Versorgungsleiden, "insbesondere Augenschaden links, Folge der Tb und Granatsplitterverletzungen am rechten Schienbein".
Im nachfolgenden Verwaltungsverfahren schilderte der Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 1994 die aus seiner Sicht entbehrungsreiche Zeit der Fronteinsätze und der nachfolgenden russischen Kriegsgefangenschaft. In der Gefangenschaft habe sich durch Unterernährung die Tuberkulose entwickelt, die später durch Aufenthalte in der TBC-Heilstätte W. und Schweizermühle behandelt worden sei. Der Beklagte ließ durch MR Dr. R. das Versorgungsärztliche Gutachten vom 22. August 1994 nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstatten. Der Gutachter benannte als Schädigungsfolge eine "Atemfunktionsstörung nach Lungentuberkulose" und einen "Stecksplitter im rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk". Die Atemfunktionsstörung sei mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20, der Stecksplitter mit Narbe dagegen mit einer MdE um "0" zu bewerten. Sodann erstattete Dr. R. im Auftrag des Beklagten das augenfachärztliche Gutachten vom 21. November 1994. Dieser teilte mit, der Kläger habe ihm gegenüber angegeben, in der Gefangenschaft 1944 in Russland festgestellt zu haben, dass am linken Auge etwas nicht stimme, und führe die Sehminderung auf den militärischen Kriegseinsatz an der Front 1944 zurück. Für die am Augenhintergrund des linken Auges festgestellten Veränderungen seien Lichteinstrahlung und die Detonationen beim Frontansatz ursächlich gewesen. Der Sachverständige stellte für beide Augen einen Visus von 1,0 mit Korrektur fest und ein beidseitig ohne Einschränkungen zirkulär offenes Gesichtsfeld. Auf dem Augenhintergrund des linken Auges bestehe ein relativ großes chororetinisches Narbengebiet, bei dem differenzialdiagnostisch ein Netzhaut-Aderhaut-Kolobom (Kolobom=Spaltbildung, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl., S. 956 f.) in Betracht komme. Macula (Macula lutea, der gelbe Fleck der Netzhaut des Auges, Pschyrembel, a.a.O., S. 1093) und Gefäßbild seien regelrecht. Die Netzhaut-Aderhautnarben ließen keine Beziehung zu den vom Kläger angegebenen Ursachen erkennen. Aus dem Befund könne eine Differenzierung der Ursache, ob erworben oder angeboren, nicht abgeleitet werden. Auch der Zeitpunkt für den Eintritt der narbigen Veränderungen lasse sich nicht bestimmen. Chororetinische Narben könnten möglicherweise im Rahmen der Tuberkuloseerkrankung in der Gefangenschaft entstanden sein. Eine Kriegsschädigungsfolge lasse sich aus diesen Befunden nicht ableiten.
Schließlich legte Professor Dr. Dr. P. auf Veranlassung des Beklagten das kieferchirurgischzahnärztliche Gutachten vom 20. Februar 1995 nach ambulanter Untersuchung des Klägers vor. Zur dessen Vorgeschichte teilte der Sachverständige mit, dieser sei am 27. Juni 1944 in russische Gefangenschaft geraten und in ein Lager bei Jassy (Moldawien) gekommen, wo er unter äußerst schlechten Bedingungen habe leben müssen, sieben Monate in einem Lazarett bei Moskau gelegen habe und dann in das Gefangenenlager nach Lublinow bei Moskau gekommen sei, wo er bis Mai 1947 verblieben sei. Von Juni 1947 bis zu seiner Entlassung nach Hause Ende Dezember 1949 habe er sich im Kriegsgefangenenlager in Kolomna (Stadt in Russland, 110 km südöstlich von Moskau) befunden, wo er zu schweren Arbeiten eingesetzt worden sei. Er habe während der gesamten Zeit unter äußerst schlechten hygienischen Bedingungen gelebt und sei anfangs schlecht verpflegt worden. Eine Pflege seines Gebisses sei nicht möglich gewesen. Seine Zähne hätten sich allmählich gelockert und es sei zu immer größer werdenden kariösen Defekten gekommen. Zahnärztliche Behandlung sei nicht möglich gewesen. Zusätzlich sei es zum Abbruch der Kronen einzelner Zähne gekommen, so dass letztlich während der Gefangenschaft seine Wurzeln wegen häufiger Eiterungen auf recht einfache Weise entfernt bzw. die lockeren Zähne von ihm selbst oder von Kameraden mit medizinischen Kenntnissen extrahiert (gezogen) worden seien. Der Kläger habe seinen Angaben zufolge während der Gefangenschaft folgende Zähne verloren: rechts oben: 8, 7, 6, 5, 4, 2, 1; rechts unten: 8, 7, 6; links oben: 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8; links unten: 6, 7, 8. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft habe der Kläger sofort einen Zahnarzt aufgesucht, der weitere lockere bzw. stark zerstörte Zähne entfernt habe. Auf diese Weise sei sein Gebiss nochmals dezimiert worden und es seien im Oberkiefer nur noch die beiden Eckzähne übrig geblieben, die er habe überkronen lassen. Zusätzlich sei oben eine Teilprothese eingefügt worden. Er sei auch in der Folgezeit in zahnärztlicher Behandlung geblieben, habe häufig unter Zahnschmerzen gelitten, so dass nach und nach weitere Zähne hätten gezogen werden müssen. Auch im Unterkiefer sei schließlich Zahnersatz eingefügt worden. Trotz intensiver zahnärztlicher Bemühungen habe sich der Verfall seines Gebisses nicht aufhalten lassen. Seit Anfang der sechziger Jahre seien alle Zähne verloren gewesen, so dass er seit dieser Zeit im Ober- und Unterkiefer Vollprothesen tragen müsse.
Dr. Dr. P. benannte als Schädigungsfolge im Kiefer-Gesichtsbereich eine ausgedehnte Gebissschädigung durch fünfeinhalbjährige russische Kriegsgefangenschaft mit Sofortverlust der Zähne 8, 7, 6, 5, 4, 2, 1 (rechts oben); 8, 7, 6 (rechts unten); 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 (links oben) und 6, 7, 8 (links unten). Ferner damit zusammenhängend den Verlust der restlichen Zähne durch Zahnlockerung bzw. kariöse Zerstörung bis zur völligen Zahnlosigkeit mit wesentlicher und im Moment zahnprothetisch nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung. Diese Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 20 v. H. einzuschätzen. Zur Begründung dieser Einschätzung gab der Sachverständige an, dass zwischen der Funktionsbehinderung im Gebisssystem aufgrund objektiver Fakten, nämlich dem Zahnverlust in der langjährigen Gefangenschaft durch mangelnde Zahnpflegemöglichkeit und eine alimentäre Dystrophie (durch Nahrung hervorgerufene pathologische Veränderung von Zellen, Geweben und Organen, Pschyrembel, a.a.O., S. 43 und 444) ein kausaler Zusammenhang bestehe. Die MdE sei zeitlich bis zum 31. Dezember 1995 zu begrenzen, bis der Kläger mit funktionell vollwertigen Prothesen in Ober- und Unterkiefer versorgt sei. Die Kostenübernahme sei durch die zuständige Krankenkasse ohne finanzielle zusätzliche Belastung für den Kläger als einmalige Leistung zu gewähren.
Mit seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Februar 1995 empfahl MR Dr. R. die Anerkennung folgender Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen: Atemfunktionsstörung nach Lungentuberkulose (MdE 20 v. H.); Stecksplitter am rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk (MdE 0 v. H.); Sofortverlust der Zähne 11, 12, 14 bis 18, 21, 22, 24 bis 28, 46 bis 48 und 36 bis 38 sowie damit zusammenhängend weiterer Verlust der restlichen Zähne mit im Moment zahnprothetisch nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung (MdE 20 v. H.). Zusammenfassend schlug er eine Gesamt-MdE um 30 v. H. zur Anerkennung vor und empfahl eine zahnärztliche Nachuntersuchung im Januar 1996.
Das Verfahren zur Überprüfung der angefochtenen Bescheide wurde vom Beklagten (versehentlich) zunächst nicht weiter bearbeitet. Mit Schreiben vom 11. Dezember 1996, beim Sozialgericht Magdeburg am 13. Dezember 1996 eingegangen, rügte der Kläger das Ausbleiben des Bescheides über die Anerkennung seiner Schädigungsfolgen durch die Wehrmacht und mahnte eine baldige Entscheidung an. Das Sozialgericht wertete das Schreiben als Untätigkeitsklage, später als Verpflichtungsklage, die der Kläger am 28. Mai 1997 zurücknahm. Nachdem der Beklagte aufgrund der Untätigkeitsklage des Klägers das Verwaltungsverfahren wieder aufgegriffen hatte, wies MR Dr. O. in seiner prüfärztlichen Stellungnahme vom 19. Februar 1997 die Empfehlung von Dr. R. vom 22. Februar 1995 teilweise zurück, da der Gutachter (Prof. Dr. Dr. P.) die schädigungsunabhängigen Vorschäden an den Zähnen nicht berücksichtigt habe. Da dem Zahnstatus vom 5. November 1942 das Fehlen von acht Zähnen, Füllungen an weiteren neun Zähnen sowie das Vorhandensein eines Gebisses im Oberkiefer zu entnehmen sei, werde empfohlen, den durch die schädigenden Ereignisse eingetretenen weiteren Verlust von Zähnen als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung zu werten. Zu bezeichnen sei die Schädigungsfolge mit "Sofortverlust der Zähne 12, 14, 15, 16, 22, 24, 25, 27, 36, 37 und 46 bis 48 sowie damit zusammenhängend weiterer Zähne bei ausgeglichener zahnprothetischer Versorgung" und mit einer MdE von 0 v. H. zu bewerten. Eine höhere Bewertung sei nicht begründet, da eine ausreichende zahnprothetische Versorgung innerhalb eines halben Jahres zu erwarten sei. Es werde empfohlen, die anteiligen Kosten für eine zahnprothetische Versorgung der geschädigten Zähne mit konventionellen Mitteln zu übernehmen.
Auch gegen die prüfärztliche Stellungnahme von MR Dr. O. machte der Beklagte verwaltungsintern Bedenken geltend (Stellungnahme vom 20. Februar 1997, Bl. 55 d. Verwaltungsakte): Die Anerkennung der heute bestehenden Zahnverluste im Sinne der Verschlimmerung setze voraus, dass der schädigungsunabhängige Vorschaden bestimmt werde. Zwar könnte vermutet werden, dass sich die ungewöhnlich ausgeprägten Zahnschäden, die nach dem Ergebnis der Fliegertauglichkeitsuntersuchung bereits am Ende des 16. Lebensjahres vorlagen, auf einer Gesundheitsstörung beruhten, die auch die übrigen Zahnverluste bewirkt habe. Diese zu Grunde liegende Gesundheitsstörung wäre dann zu definieren und ggf. im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen. Soweit ein derartiger Vorschaden nicht definiert und bewiesen werden könne, komme nur die Anerkennung der späteren Zahnverluste im Sinne der Entstehung in Frage. Dies sei aber nicht klärungsbedürftig, weil eine Anerkennung der Zahnschäden bereits aus rechtlichen Gründen ausscheide. Einziger möglicher Nachweis für die Zahnverluste während der Kriegsgefangenschaft und ggf. im unmittelbaren darauf folgenden Zeitraum seien die Angaben des Klägers. Diese seien jedoch nachweislich im Wesentlichen falsch. Der bei der Fliegertauglichkeitsuntersuchung erhobene Befund beweise, dass ein Großteil der Zähne, die der Antragsteller während der Kriegsgefangenschaft verloren haben will, bereits vorher nicht mehr vorhanden gewesen sei. Damit stehe fest, dass das Erinnerungsvermögen des Klägers in Bezug auf die schädigenden Vorgänge so sehr getrübt sei, dass seine Angaben nicht als glaubhaft im Sinne des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) zu Grunde gelegt werden könnten. Zugleich wurde Dr. O. in einer ergänzenden prüfärztlichen Stellungnahme zur Beantwortung weiterer Fragen aufgefordert. Mit Stellungnahme vom 6. März 1997 führte Dr. O. aus, es sei anhand der vorliegenden alten ärztlichen Unterlagen nicht zu beweisen, dass der Kläger zwischen Dezember 1944 und Mai 1945 eine nasse Rippenfellentzündung mit 13 Punktionen erlitten habe. Nach dem Entlassungsbericht der TBC-Heilstätte vom 15. September 1961 sei diese Schädigung aber wahrscheinlich. Die 1961 durch eine Schirmbilduntersuchung gefundene alte Lungentuberkulose sei als das Ausheilungsstadium der während der Gefangenschaft durchgemachten Lungentuberkulose und damit als Folge der angegebenen primären Pleuritis anzusehen. Für die Schädigung "Pleuraschwarte re. Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Lungenfunktionseinschränkung" sei aber keine MdE anzuerkennen, da nach dem Ergebnis des Gutachtens vom 22. August 2004 die Vitalkapazität der Lunge nur leicht eingeschränkt und dies auch nicht auf die diskrete Pleuraschwarte, sondern auf die schädigungsunabhängige Herzleistungsminderung zurückzuführen sei. Er empfehle, als Schädigungsfolge anzuerkennen: "Pleuraschwarte re. Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Funktionseinschränkung" und dafür keine MdE festzusetzen.
Mit Bescheid vom 17. März 1997 über die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG mit Wirkung vom 1. Februar 1993 an:
1. Pleuraschwarte rechte Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose ohne Lungenfunktionseinschränkung
2. Reizlose Narbe am rechten Unterschenkel, Narbe am rechten Kniegelenk.
Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage wie bisher unter 25 v. H. Versorgungsbezüge stünden bei einer MdE unter 25 v. H. nicht zu. Ferner führte der Beklagte zur Begründung aus, ein wesentlicher Teil der Angaben des Klägers über Zahnverluste in der Kriegsgefangenschaft habe sich als falsch erwiesen. Entgegen seinen Angaben habe er nach dem Ergebnis der Fliegertauglichkeitsuntersuchung vom 5. November 1942 bereits vor dem Wehrdienst sieben Zähne im Oberkiefer verloren. Demnach könnten auch seine Angaben zum Verlust der weiteren Zähne nicht mehr glaubhaft zu Grunde gelegt werden. Andere Nachweise über Zahnverluste während der Kriegsgefangenschaft könnten ebenfalls nicht geführt werden. Die Anerkennung seiner Zahnschäden sei daher wegen objektiver Beweislosigkeit unmöglich.
Mit seinem gegen diesen Bescheid am 1. April 1997 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, bereits Professor Dr. Dr. P. habe in seinem Gutachten vom 20. Februar 1995 festgestellt, dass er (der Kläger) schon vor der Einberufung zur Wehrmacht 1943 Prothesenträger gewesen sei. In der russischen Kriegsgefangenschaft ab 1944 sei seine Prothese zerbrochen, so dass er die langen schweren Jahre bis zu seiner Heimkehr 1949 ohne vordere Zähne habe auskommen müssen. Infolgedessen habe er nur sehr schlecht Kauen und Sprechen können. Aufgrund der sehr schlechten hygienischen Bedingungen in den Lagern und durch die große Unterernährung in den vielen Jahren der Gefangenschaft hätten seine übrigen Zähne ohne zahnärztliche Behandlung nicht durchgehalten, so dass die meisten bei großen Schmerzen hätten extrahiert werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 1998 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die Schädigungsfolgen im angefochtenen Bescheid zutreffend bezeichnet worden seien. Als Folge der erlittenen Granatsplitterverletzung im Bereich des rechten Knies seien lediglich reizlose Narben verblieben, die keinen messbaren Grad der MdE bedingten. Funktionseinschränkungen im Kniegelenk bestünden nicht. Auch die als Folge der Lungen-TBC eingetretene Pleuraschwarte rechts habe zu keiner Minderung der Lungenfunktion geführt. Die Anerkennung des ebenfalls als Schädigungsfolge geltend gemachten Zahnverlustes infolge Einwirkungen während der Kriegsgefangenschaft komme dagegen nicht in Betracht. Es existierten keine Unterlagen, die nachweisen, dass es während der Kriegsgefangenschaft und ggf. im unmittelbar darauf folgenden Zeitraum zu dem geltend gemachten Zahnverlust gekommen ist. Insofern hätten der Entscheidung seine Angaben zum Hergang der Schädigung zu Grunde gelegt werden müssen, sofern diese den Umständen nach glaubhaft sind (§ 15 KOVVfG). Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Aus dem Befund der Fliegertauglichkeitsuntersuchung vom 5. November 1942 gehe eindeutig hervor, dass ein Großteil der Zähne, die er als während der Kriegsgefangenschaft verloren angeben habe, bereits zu diesem Zeitpunkt und damit außerhalb schädigender Einwirkungen im Sinne des BVG nicht mehr vorhanden gewesen sei. Damit seien seine Angaben zum Zahnverlust im Wesentlichen falsch und könnten auch in Bezug auf die übrigen verloren gegangenen Zähne der Entscheidung nicht mehr zu Grunde gelegt werden.
Mit seiner am 5. Mai 1998 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und die Bewertung seiner Schädigungsfolgen mit einer MdE in rentenberechtigender Höhe begehrt. Als Schädigungsfolgen benannte er eine Sehleistungsminderung am linken Auge infolge starker Vernarbung, starken Zahnverlust während der Kriegsgefangenschaft, Beschwerden am rechten Schienbein wegen eines Granatsplitters, eine Lungentuberkulose und eine Gallenoperation infolge Tabletteneinnahme zur Tuberkulosebehandlung. Wegen der Sehminderung stehe ihm bereits eine Einzel-MdE von 20 v. H. zu, da die heute vorhandenen Netzhaut-Aderhaut-Narben auf eine Augenerkrankung zurückzuführen seien, die er im Zusammenhang mit der schädigungsbedingten Tuberkuloseerkrankung durchgemacht habe. Außerdem habe sich starke Lichteinwirkung ausgewirkt. Während der Gefangenschaft habe er starken Zahnverlust hinnehmen müssen. Die dazu getroffenen Feststellungen von Prof. Dr. Dr. P. im Gutachten vom 20. Februar 1995 mache er sich zu eigen. Sofern von einem Vorschaden auszugehen sei, müsse der weitere Zahnverlust als richtungsweisende Verschlimmerung anerkannt werden. Im rechten Schienbein habe er beim Wetterwechsel Schmerzen; dadurch werde seine Geh- und Stehfähigkeit beeinflusst. Die Gallenblasenoperation sei notwendig geworden, nachdem die Gallenblase durch massive Medikamenteneinnahme zur Behandlung der Tuberkulose geschädigt worden sei.
Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Augen- und Tuberkuloseerkrankung sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich. Außerdem erreiche die funktionelle Beeinträchtigung durch die Gesundheitsstörung am linken Auge bei beidseits vollem Visus mit Korrektur und eingeschränkten Gesichtsfeldern keine messbare MdE. Die Gallenblasenoperation sei nach dem Arztbrief von SR Dr. K. vom 18. Juli 1994 wegen eines Gallensteinleidens notwendig geworden. Wegen des großen zeitlichen Abstandes zum Jahre 1963, in dem der Kläger über Gallenbeschwerden geklagt und Gallenschonkost erhalten habe, sei ein ursächlicher Zusammenhang unwahrscheinlich. Hinsichtlich der angeblichen Zahnverluste könnten seine Angaben nicht nach § 15 KOVVfG herangezogen werden, da er sowohl anlässlich der versorgungsärztlichen Untersuchung am 19. Juli 1994 als auch bei der stomatologischen Begutachtung vom 15. Februar 1995 den zeitlichen Ablauf des Zahnverlustes unzutreffend dargestellt habe. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch während der Gefangenschaft Zähne verlustig gingen, könnte ein schädigungsbedingter Zahnverlust nicht anerkannt werden, da nicht feststellbar sei, welche Zähne genau betroffen seien.
Mit Urteil vom 30. Mai 2002 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den Verlust der Zähne 12, 15 und 25 im Sinne der Entstehung und der Zähne 14, 24 und 26 im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen. Zur Begründung hat das Gericht in Wesentlichen ausgeführt, der Vortrag des Klägers, er habe aufgrund der langjährigen Ernährung in der Kriegsgefangenschaft und der dort mangelhaften zahnärztlichen Versorgung Zähne verloren, sei glaubhaft. Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs sei der Auffassung von Professor Dr. Dr. P. zuzustimmen, der eine Mangelernährung und mangelnde Zahnhygiene als Ursache für den Zahnverlust festgestellt habe. Bei der Feststellung der konkret betroffenen Zähne sei aber weder den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P. nach denen von Dr. O. zu folgen, da beide Ärzte Zähne zur Anerkennung vorgeschlagen hätten, die schon 1942 verloren gewesen seien. Zum Zahnverlust seien die Ausführungen des Klägers nur teilweise schlüssig. Schon vor der Kriegsgefangenschaft sei er mit einer Oberkieferprothese versorgt gewesen. Im Zahnstatus der Musterung hätten die Zähne 11, 16, 18, 21, 22, 27 und 28 und im Unterkiefer der Zahn 38 gefehlt. Die Zähne 36 und 46 seien beschädigt gewesen; Füllungen hätten die Zähne 14, 24, 26, 37, 45, 47, 48 aufgewiesen. Die schon 1942 verloren gewesenen Zähne könnten nicht anerkannt werden. Der Verlust der bereits vorgeschädigten Zähne sei aber im Sinne einer Verschlimmerung anzuerkennen. Hiervon seien die Zähne 14, 24 und 26 betroffen. Den Verlust der Zähne 12, 15 und 25 im Sinne der Entstehung während der Kriegsgefangenschaft halte die Kammer für glaubhaft. Die Zähne 13 und 23 seien nach der Kriegsgefangenschaft noch vorhanden gewesen, wie sich aus den Angaben Klägers und den Behandlungen in den Jahren 1954 und 1962 ergebe. Der Verlust des Zahnes 17 und der Zähne des Unterkiefers sei demgegenüber nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen, da hierfür nachvollziehbare Unterlagen fehlten. Weitere Schädigungsfolgen seien nicht anzuerkennen. Zwischen der Tuberkulose und den chororetinitischen Narben bestehe kein ausreichend wahrscheinlicher medizinischer Ursachenzusammenhang, ebenso nicht zwischen der Gallenblasenoperation und der behaupteten Einnahme von Tabletten zur Behandlung der Tuberkulose. Zwischen beiden Erkrankungen lägen mehr als 20 Jahre, was überwiegend für eine schädigungsunabhängige Ursache bei der Entstehung des Gallenblasenleidens spreche. Die Funktionsstörungen der anerkannten Schädigungsfolgen bedingten keine rentenberechtigende MdE, auch der anerkannte Zahnverlust und die Befindlichkeitsstörungen am rechten Bein führen nicht zur Anhebung der MdE, so dass eine rentenberechtigende MdE um 25 v. H. nicht erreicht werde.
Gegen das ihnen am 10. und 12. Juni 2002 zugestellte Urteil wenden sich der Kläger und der Beklagte mit den am 24. Juni 2002 (Kläger) und 11. Februar 2003 (Anschlussberufung) erhobenen Berufungen.
Der Kläger trägt vor, es sei den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. P. zu folgen, wonach auch der Verlust der Zähne 41 bis 48 als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Einzel-MdE von mindestens 20 v. H. festzustellen sei. Hierfür sei auch der Zustand der völligen Zahnlosigkeit mit wesentlicher zahnprothetischer nicht voll ausgeglichener Funktionsbehinderung maßgeblich. Dieser Zustand habe zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgelegen; er sei auch weiter aktuell. Hinsichtlich der Lungenfunktionsstörung verweise er auf den Bericht des Kreiskrankenhauses W., in dem eine geringe restriktive Ventilationsstörung und eine Minderung der endexspiratorischen Flußrate beschrieben sei. Danach könne nicht von einer nur geringgradigen Einschränkung der Lungenfunktion gesprochen werden. Auch im Versorgungsärztlichen Gutachten vom 22. August 1994 werde eine mindestens geringgradige Lungenfunktionsstörung mit einer Vitalkapazität von 74% beschrieben und die Atemfunktionsstörung mit einer MdE von 20 v. H. bewertet. Dies stimme mit den Anhaltspunkten (1983/1996) überein, wonach für eine geringgradige Lungenfunktionsminderung eine MdE zwischen 20 und 40 v. H. zuzuordnen sei. Unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Herabsetzung der Vitalkapazität rechtfertige die Lungenfunktionsminderung für sich genommen bereits die Zuerkennung einer rentenberechtigenden MdE. In diesem Zusammenhang gehe er davon aus, dass auch die im Bericht des Krankenhauses W. beschriebene linksventrikuläre Belastung des Herzens als Folge der über Jahrzehnte andauernden Lungenfunktionsstörung zu beurteilen sei. Darüber hinaus sei auch die bei ihm vorliegende Sehleistungsminderung als Schädigungsfolge im Sinne des BVG anzuerkennen, da sowohl die unstreitig durchgemachte Erkrankung einer TBC als auch eine stattgehabte Lichteinwirkung als Ursache für die festgestellte Chororetinitis dissiminata in Frage kämen. Schließlich sei auch von einem schädigungsbedingten Verlust der Gallenblase auszugehen, da er zur Behandlung der Tuberkuloseerkrankung massenhaft habe Tabletten einnehmen müssen, die letztlich zur Schädigung der Gallenblase und Notwendigkeit der Entfernung dieses Organs geführt hätten. Insgesamt sei für die als Schädigungsfolge anzuerkennenden Krankheiten und Behinderungen mindestens eine MdE um 30 v. H. gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Mai 2002 abzuändern, den Widerspruchsbescheid vom 6. April 1998 insgesamt aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 17. März 1997, 19. August 1993 und 1. Februar 1993 zu verpflichten, als weitere Schädigungsfolgen den Verlust der Zähne 41 bis 48, eine Pleuraschwarte rechte Lunge nach ausgeheilter Lungentuberkulose mit Lungenfunktionseinschränkung, eine Sehminderung links und den Verlust der Gallenblase nach Tuberkulosebehandlung anzuerkennen, eine MdE von mindestens 30 v. H. festzustellen und eine Versorgungsrente zu zahlen sowie
die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben, soweit es die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen betrifft, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Er trägt vor, das Sozialgericht hätte sich nicht auf das zahnmedizinische Gutachten von Prof. Dr. Dr. P. berufen dürfen. Dieses Gutachten sei ungeeignet, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Kriegsgefangenschaft und Zahnverlusten medizinisch nachvollziehbar zu begründen. Der Gutachter sei von falschen Tatsachen ausgegangen. Er habe nach den Angaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung davon ausgehen müssen, dass dieser bis zur Gefangenschaft ein gesundes Gebiss gehabt habe. Eine Diskussion anderer möglicher Ursachen habe daher nicht stattgefunden. Da auch nach den Anhaltspunkten (Nr. 103 Abs. 2 S. 272) die bekannten Lebensumstände während der Kriegsgefangenschaft als Ursache für Zahnschäden anerkannt werden, habe der Gutachter nach seinem Kenntnisstand letztlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nur bejahen können. Unberücksichtigt sei dabei geblieben, dass bei dem Kläger nachweislich bereits 1942 im Alter von 16 Jahren mehr als die Hälfte der Zähne (17 von 32) fehlend, beschädigt oder gefüllt waren. Damit hätte jedoch schon medizinisch die Wahrscheinlichkeit anderer Ursachen für den Zahnverlust des Klägers diskutiert werden müssen, so dass zwar die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs des Zahnverlustes mit der Gefangenschaft besteht, jedoch keine Wahrscheinlichkeit im versorgungsrechtlichen Sinn. Darüber hinaus sei zu beachten, dass nicht automatisch eine während der Wehrmachtzugehörigkeit eingetretene Schädigung auch eine Schädigung im Sinne des BVG ist. Nach den Anhaltspunkten sei davon auszugehen, dass die Ernährung in der Wehrmacht ordnungsgemäß und auch im Allgemeinen in gewissen Zeitabständen eine geeignete Behandlung sichergestellt gewesen sei. Auch der Zeitraum von 1950 bis 1954 sei nicht durch das BVG geschützt und aufgrund fehlender Unterlagen die Behandlungssituation nicht belegt. Insgesamt sei festzustellen, dass sich für das Auftreten und den Umfang von Zahnverlusten während der Gefangenschaft keine objektiven Nachweise finden ließen. Die Möglichkeit eines Zahnverlustes während der Gefangenschaft sei zwar zweifelsfrei gegeben, eine Überzeugung vom Grade einer Wahrscheinlichkeit im versorgungsrechtlichen Sinne werde jedoch nicht erreicht.
Mit Schreiben vom 15. und 19. Dezember 2005 (Bl. 80 und 81 d. Gerichtsakte) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände), die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und die Gerichtsakten der abgeschlossenen Verfahren des Sozialgerichts Magdeburg (Az S 1 V 77/93 und S 1 V 3/97) verwiesen, die dem Senat bei der Beratung und Entscheidungsfindung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) entscheiden, da sich die Prozessbeteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige, form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist unbegründet, die zulässige Anschlussberufung des Beklagten (§ 202 SGG i.V.m. § 524 ZPO) dagegen begründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger am 25. Januar 1994 gestellten Überprüfungsantrag ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches - längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Dem nach dieser Norm gestellten Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 1. Februar und 19. August 1993 ist der Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung (Bescheid vom 17. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 1998) teilweise nachgekommen, hat das Begehren auf Änderung der Bescheide aber im Übrigen abgelehnt. Diese Entscheidungen sind rechtmäßig. Der erhobene Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen ist unbegründet.
a) Der Kläger kann nicht verlangen, dass die eingetretenen Zahnverluste als Schädigungsfolge anerkannt werden.
Die maßgebliche Rechtsgrundlage für den Versorgungsanspruch des Klägers findet sich in § 1 BVG (in seiner insoweit unveränderten Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 1953, BGBl. I S. 866, in Kraft getreten am 1. September 1953): Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung (§ 1 Abs. 1 BVG). Einer Schädigung im Sinne des Abs. 1 stehen Schädigungen gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden sind (vgl. § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG).
Nach den allgemein geltenden Beweisregeln müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dieser Grundsatz gilt unbestritten auch für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm des § 1 BVG (vgl. dazu BSG, Urt. v. 15. 12. 1999 – B 9 VS 2/98 R – SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 73, m.w.N.).
In Abweichung von dem Erfordernis eines Vollbeweises der anspruchsbegründenden Tatsachen hat § 1 BVG in seinem Absatz 3 Erleichterungen des Beweises des Ursachenzusammenhangs zwischen der Schädigung und der Gesundheitsstörung normiert. Nach Satz 1 des § 1 Abs. 3 BVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Nach der Rechtsauffassung des Senats reicht zwar für den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Kriegsgefangenschaft und dem als weitere Schädigungsfolge geltend gemachten Zahnverlust in Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG die Wahrscheinlichkeit aus. Nach seiner Überzeugung ist aber der behauptete Ursachenzusammenhang nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit feststellbar. Dies ist auf folgende Sachverhaltsumstände zurückzuführen:
Nach dem Ergebnis des Ärztlichen Untersuchungszeugnisses über Fliegertauglichkeit vom 5. November 1942 fehlten dem zu diesem Zeitpunkt sechzehnjährigen Kläger im Oberkiefer bereits die folgenden sieben Zähne: 11, 16, 18, 21, 22, 27, 28, darunter beide Schneidezähne, und im Unterkiefer ein Zahn (38). Drei Zähne des Oberkiefers (14, 24, 26) und vier des Unterkiefers (37, 45, 47, 48) waren mit Füllungen versehen worden; zwei weitere Zähne im Unterkiefer wurden als behandlungsbedürftig eingeschätzt. Dieses Ausmaß der Zahnschäden bei dem damals noch jugendlichen Kläger spricht für eine starke Disposition in Richtung erheblicher Zahnschäden. Diese Vermutung wird durch das Fehlen jeglicher Erklärungen, wie es zu dem frühzeitigen Zahnverlust gekommen ist, bestärkt, zumal er selbst den frühzeitigen Zahnverlust, auch den zweier Schneidezähne, nicht auf äußere Einflüsse wie Unfälle oder Gewalt zurückgeführt hat.
Es ist in der medizinischen Wissenschaft bekannt, dass bei Kindern und Jugendlichen trotz ausreichender Mundhygiene einige Formen von destruktiven Parodontitiden auftreten können, welche durch einen raschen Abbau des bindegewebigen Attachments (engl. Befestigung, bindegewebige Verankerung des Zahns im Alveolarknochen über die Fasern der Wurzelhaut; vgl. Psychrembel, 260. Aufl., S. 164) zwischen Wurzeloberfläche und Alveolarknochen gekennzeichnet sind und zu einem rapiden Verlust des Zahnhalteapparates führen. Dazu gehören die präpubertäre Parodontitis und die juvenile Parodontitis, jeweils mit einer lokalisierten und einer generalisierten Form. Die Formen der juvenilen Parodontitis treten meist zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr auf und führen innerhalb von vier bis fünf Jahren zu einem 50 bis 75%igen Attachmentverlust (Zahnarzt, 9. Jahrgang Nr. 7, 2004: Gingivitis und Parodontalerkrankungen im Kindes- und Jugendalter; nachlesbar im Internet unter www.aerztewoche.at). Zutreffend hat der Beklagte daher darauf verwiesen, der Gutachter hätte zumindest die Möglichkeit einer anderen Ursache für den Zahnverlust erörtern und bewerten müssen. Es ist nicht bekannt, welche Zahn- oder Zahnfleischerkrankung beim jugendlichen Kläger zu dem massiven Zahnverlust bis zum 16. Lebensjahr geführt hat. In Anbetracht der nicht fern liegenden Möglichkeit, dass er damals unter einer juvenilen Parodontitis gelitten hat, bei der innerhalb von fünf Jahren bis zu 75% aller Zähne verloren gehen können, kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass die weiteren Zahnverluste mit Wahrscheinlichkeit auf die Kriegsgefangenschaft zurückzuführen sind. Wahrscheinlich ist ein Ursachenzusammenhang nämlich nur dann, wenn mehr dafür als dagegen spricht (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Januar 2008, L 7 VI 11/05, Breithaupt 2008, S. 605).
Bei der Frage der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs war auch zu berücksichtigen, dass zwischen der Untersuchung seiner Fliegertauglichkeit im November 1942 und dem Beginn der Kriegsgefangenschaft im Juni 1944 mehr als anderthalb Jahre lagen, während derer möglicherweise anlagebedingte Zahn-, Zahnfleisch oder Kieferschäden fortgewirkt und zu weiterem Zahnausfall geführt haben. Über diesen Zeitraum liegen allerdings ebenso keine Unterlagen vor wie über den von 1950 bis März 1954 im Anschluss an die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, so dass der Ursachenzusammenhang auch wegen fehlender Unterlagen für insgesamt weitere sechs Jahre nicht wahrscheinlicher zu machen ist. Im Übrigen hat auch der Kläger bei seinem Antrag vom 14. Februar 1992 offenbar den Zahnverlust noch nicht auf die Lebensumstände in der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt, weil er diese Schädigung, bei ausführlicher und genauer Schilderung der übrigen Schädigungen und der Sachverhaltsumstände, nicht angegeben hat.
Angesichts der fehlenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges brauchte sich der Senat mit den ärztlichen Gutachten und den teilweise widersprüchlichen Angaben des Klägers zum Zahnverlust nicht auseinander zusetzen. Auf § 15 KOVVfG ist aus demselben Grund nicht einzugehen.
Auch im Übrigen bleibt der Berufung des Klägers der Erfolg verwehrt, weil er keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen hat. Die Vernarbungen auf dem Hintergrund des linken Auges (chororetinitische Narben) sind nach dem Gutachten des Augenfacharztes Dr. R. vom 21. November 1994 nicht sicher auf die Tuberkuloseerkrankung während der Gefangenschaft zurückzuführen. Die bloße Möglichkeit der Verursachung einer Choroiditis (Entzündung der Aderhaut) oder Chororetinitis (primäre Aderhautentzündung mit nachfolgender Netzhautentzündung) durch eine Tuberkulose (vgl. Pschyrembel, 260. Aufl., S. 319) genügt nicht, da andere Ursachen wie Borreliosen, Candida-Mykosen und weitere ebenfalls in Frage kommen. Der Verlust der Gallenblase erst im Jahre 1986 lässt sich schon wegen des großen zeitlichen Abstandes zu der TBC-Behandlung 1963 nicht auf diese Behandlung zurückführen; er ist nach dem Bericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin SR Dr. K. vom 18. Juli 1994 durch eine Cholecystholithiasis, also ein Gallensteinleiden, verursacht worden.
Auch hinsichtlich der Lungenerkrankung hat der Kläger keinen Anspruch auf Erweiterung der Anerkennung der Schädigungsfolge im Sinne einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Der Bericht des Kreiskrankenhauses W. vom 20. Oktober 1993 enthält dazu u. a. wörtlich folgende Ausführungen: "Es liegt eine diskrete rechtsseitige Pleuraschwarte vor ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lungenfunktion ( ) während der Kriegsgefangenschaft Pleuritis gehabt, die aber erstaunlich gut ausgeheilt ist ( ) Jedenfalls sind keine wesentlichen Spätfolgen eingetreten ( ) Spirometrie: Geringe restriktive Ventilationsstörung, diskrete Minderung der endexspiratorischen Flußraten in der F/V-Kurve als Hinweis für Obstruktion der kleinen Atemwege. ( ) Ferner schätzte der untersuchende Arzt eine erneute Klage gegen das Amt für Versorgung und Soziales "wegen Geringfügigkeit des Körperschadens" nicht für sinnvoll ein. Nach diesen Feststellungen kommt eine Änderung der Anerkennung der Schädigungsfolge durch den Zusatz "mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion" nicht in Betracht. Nach den Anhaltspunkten 1983/1996, Teil A, Abschnitt 26.8, Seite 81 ff. richtet sich der MdE-Grad vor allem nach der klinischen Symptomatik mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand. Außerdem sind die Einschränkung der Lungenfunktion und die Folgeerscheinungen an anderen Organsystemen zu berücksichtigen. Krankheiten der Atmungsorgane wie zum Beispiel Brustfellschwarten sind mit einem MdE-Grad von 20 bis 40 zu bewerten, wenn die Krankheit mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades einhergeht, nämlich "das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung ( ) statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktion bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte ( )". Solche Beeinträchtigungen sind dem Bericht des Kreiskrankenhauses W. vom 20. Oktober 1993 nicht zu entnehmen. Auch in der Schädigungsanamnese des Versorgungsärztlichen Gutachtens des MR Dr. R. vom 22. August 1994 wird der Kläger mit der Äußerung wiedergegeben, er habe jetzt keine Lungenbeschwerden, keine Luftnot, keinen Husten und keinen Auswurf.
Nach allem musste der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben.
Die gegen die teilweise Anerkennung von Zahnverlust den als Schädigungsfolge gerichtete Berufung des Beklagten hat dagegen aus den oben genannten Gründen Erfolg, sodass das Urteil des Sozialgerichts hinsichtlich des zusprechenden Teils aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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