Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 AL 651/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 63/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 162/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein Insolvenzgeld bei fehlender Arbeitnehmereigenschaft eines Rechtsanwalts
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. August 2008 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Insolvenzgeld.
Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in H ... In Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit beriet der Kläger die Firma H. und H. Bauleistungs GmbH (im Folgenden als "Firma" bezeichnet) in juristischen Fragen, insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Hierfür war im Rahmen eines Beratungsvertrages beginnend mit dem Monat April 2002 für einen Umfang von vier Stunden monatlich ein pauschales Honorar vereinbart worden.
Am 28. April 2003 schlossen die Firma und der Kläger eine als "Anstellungsvertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung. Danach wurde der Kläger mit Wirkung ab dem 1. Mai 2003 als "Assistent der Geschäftsführer/Rechtsanwalt" eingestellt. Das Vertragsverhältnis war bis zum 31. Oktober 2003 befristete. Die Arbeitszeit sollte wöchentlich 35 Stunden betragen mit den Samstagen als Arbeitstagen. Die Arbeitszeiten konnten in freier Zeiteinteilung gestaltet werden. Der Arbeitgeber konnte "auf Anforderung" einen konkreten Stundennachweis verlangen. Vereinbart war eine monatliche Bruttovergütung von 3.050,00 EUR während der ersten drei Monate und von 4.050,00 EUR monatlich für die Zeit danach. Dem Kläger wurde im Vertrag die weitere Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit gestattet. Es heißt dazu wörtlich, er könne "die sich aus seiner Stellung als Anwalt ergebenden Pflichten und Tätigkeiten jederzeit uneingeschränkt und unabhängig von der o. g. Tätigkeit wahrnehmen". Der Kläger verpflichtete sich aber, während der Anstellungszeit nicht für Konkurrenzfirmen aus dem Bau- und Baunebengewerbe tätig zu sein. Nach einer dem Vertrag beigefügten Arbeitsplatzbeschreibung sollte der Kläger jeweils eine umfassende Ertragsvorschau für die Jahre 2003 und 2004 erstellen und bereits erstellte Jahresabschlüsse prüfen. Außerdem sollte er Einzelauftragsauswertung bestimmter Bauaufträge auf Aufwand und Ertrag hin vornehmen, eine Empfehlung dazu erstellen, inwieweit Defizite im Bereich der Buchhaltung und der Rechnungslegung bestanden, eine "Beratung" zu den Risiken laufender und künftiger Bauvorhaben vornehmen und eine grobe Unternehmensbewertung erarbeiteten. Dem Kläger war gestattet, die vereinbarte Arbeitszeit auch außerhalb der Regelarbeitszeit und - nach vorheriger Absprache – an einem anderen Ort als am Firmensitz zu erbringen.
Der Vertrag war nach der Aussage des vom Sozialgericht als Zeugen gehörten ehemaligen Geschäftsführers der Firma, Herrn G. H. , vom Kläger ausgearbeitet worden. Grund für die Einstellung des Klägers als Angestellten war nach der Aussage des Zeugen, dass er so besser die damit verbundenen Kosten habe kalkulieren können, als bei der Vergabe eines Auftrags mit eine Honorierung nach Stundensätzen. Der Zeuge hat ausgesagt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger habe er keine Kenntnis von der drohenden Insolvenz der Firma gehabt. Der Kläger habe ihn erst nach dessen Einstellung darauf hingewiesen, dass ein Insolvenzantrag gestellt werden müsse.
Am 4. Juni 2003 stellte die beruflich als Rechtsanwältin tätige Ehefrau des Klägers nach Vollmachterteilung durch den Geschäftsführer der Firma für diese einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Magdeburg. Am 26. September 2003 beantragte der Kläger für sich selbst bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld. Er gab an, in den Monaten Mai, Juni und Juli 2003 das vereinbarte Gehalt nicht erhalten zu haben. Er habe deshalb am 12. Juli 2003 das Arbeitsverhältnis zum Ende des Monats gekündigt. Zum 31. Juli 2003 sei auch die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Firma erfolgt.
Der vom Amtsgericht Magdeburg zum Gutachter bestellte Rechtsanwalt K. führte in einem Gutachten über die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom 3. November 2003 aus: Die Firma habe bereits im Frühjahr 2003 ihre Bautätigkeit eingestellt und keine neuen Aufträge mehr angenommen. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung habe im Jahr 2002 ein Fehlbetrag von 91.221,62 EUR vorgelegen und im 1. Halbjahr 2003 ein Fehlbetrag von 72.538,52 EUR. Der Insolvenzantrag dürfte "um Jahre zu spät" gestellt worden sein. Lohn- und Gehaltszahlungen seien zuletzt für den Monat April 2003 vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld ab und führt aus: Dem Kläger sei bei Abschluss des Anstellungsvertrages bereits die finanzielle Situation der Firma bekannt gewesen. Es habe eine nach § 132 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) anfechtbare Rechtshandlung vorgelegen. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Mai 2004 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 als unbegründet zurück.
Mit Beschluss vom 7. Januar 2004 wies das Amtsgericht Magdeburg den Antrag der Firma auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als unzulässig zurück, weil "offensichtlich die Antragsstellerin den Insolvenzantrag nicht ernsthaft betreibt und die Ermittlungsmöglichkeiten (zur Vermögensmasse) unzumutbar erschwert werden".
Der Kläger hat am 20. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Firma sei bei Abschluss des Anstellungsvertrages nicht zahlungsunfähig gewesen und ihm sei damals deren finanzielle Situation nicht bekannt gewesen. Eine anfechtbare Rechthandlung habe somit nicht vorgelegen. Er habe Anspruch auf Insolvenzgeld.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 27. August 2008 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Monate Mai, Juni und Juli 2003 jeweils Insolvenzgeld nach einem Bruttoentgelt von 3.050,00 EUR zu gewähren. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Kläger sei bei der Firma abhängig beschäftigt gewesen. Es habe sich durch die Zeugenvernehmung des ehemaligen Geschäftsführers der Firma nicht bestätigt, dass der Kläger schon vor dem Vertragsabschluss Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation der Firma gehabt habe. Eine Einstellung der Betriebstätigkeit vor dem 31. Juli 2003 lasse sich nicht feststellen, so dass der Insolvenzgeldantrag vom Kläger rechtzeitig gestellt worden sei.
Gegen das ihr am 9. September 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Sie hält es nicht für glaubhaft, dass dem Kläger die wirtschaftliche Lage der Firma erst nach seiner Einstellung bekannt geworden ist. Es sei auch unklar, wann überhaupt das Insolvenzereignis eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für richtig.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2009 den Kläger zu seiner Tätigkeit für die Firma befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 197 f. der Gerichtsakten) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - statthaft, sie ist zudem form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet.
Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld wegen des ausstehenden Entgelts für die Monate Mai bis Juli 2003 aus der Beschäftigung bei der Firma verneint.
Nach § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie (1.) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (2.) der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder bei (3.) der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Hier scheitert ein solcher Anspruch bereits daran, dass der Kläger keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt als Arbeitnehmer der Firma im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erworben hatte. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft gelten dieselben Abgrenzungskriterien, wie sie zu den Vorschriften über die Beitragspflicht verwendet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juli 1982 – 10 Rar 9/81 = SozR 4100 § 141b Nr. 24). Ein Arbeitsverhältnis ist danach vorrangig von der selbstständigen Erwerbstätigkeit abzugrenzen. Es liegt nur bei Abhängigkeit des Arbeitnehmers im sozialrechtlichen Sinne vor. Wesentliche Elemente der Abhängigkeit vom Arbeitgeber in diesem Sinne sind die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und seine Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers bzw. Weisungsgebers. Darin zeigt sich die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit des Arbeitnehmers, die im Hinblick auf Inhalt, Dauer, Zeit und Ort durch den Arbeitgeber bestimmt wird (Fuchs in Gagel, Komm. zum SGB III, § 25 Rdnrn. 3 und 9). Bei dem Kläger lag keine Abhängigkeit in diesem Sinne vor. Dem äußeren Bild nach entsprach die im Vertrag des Klägers mit der Firma beschriebene Tätigkeit der eines externen Wirtschaftsprüfers, der im Rahmen eines bestimmten Auftrags für eine bestimmte Zeit die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens und die Abläufe dort begutachtet. Dies entspricht nicht dem Bild des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers. Bei der Art der vom Kläger auszuführenden Tätigkeiten, etwa der Bewertung bestimmter Bauaufträge auf ihre Rentabilität, wäre eine weisungsgebundene Arbeit auch eher kontraproduktiv gewesen. Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit war der Kläger im Wesentlichen frei. Er konnte in "freier Zeiteilung" etwa am Abend oder an den Wochenenden arbeiten. Es war zudem ausdrücklich in dem Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma geregelt, dass die vollständige Weiterausübung seines Anwaltsberufs gewährleistet war. Schon deshalb wären Weisungen nur ganz eingeschränkt möglich gewesen und hätten den Kläger dann nicht gebunden, wenn sie mit der Ausübung seines Anwaltsberufs kollidiert hätten. Zwar geht aus der Aussage des Zeugen H. hervor, dass er es gut fand, den Kläger als Berater und Ansprechpartner in der Firma zu haben. Wenn dies alles aber nicht mit der Anwaltstätigkeit kollidieren durfte, lag weder eine typische Weisungsgebundenheit noch eine wirkliche Eingliederung in die Firma vor. Der Kläger selbst hat dies eindrucksvoll im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2009 beschrieben. Danach hat der die Räumlichkeiten der Firma meistens dann besucht, wenn er im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für andere Mandanten Termine bei der Steuerfahndung in Magdeburg hatte und dann jeweils "ein bis zwei Stunden" dort gearbeitet. Er hat sich dann Unterlagen aushändigen oder kopieren lassen, die er in seiner Kanzlei ausgewertet hat. Den Geschäftsführer der Firma hat der Kläger bei Fragen entweder angerufen oder dieser kam in die Kanzlei des Klägers. Für Schreib- und Kopierarbeiten hat der Kläger auch sein Kanzleipersonal in Anspruch genommen. Nach alledem war der Kläger nicht in die Arbeitsorganisation der Firma eingegliedert. Er selbst bestimmte Arbeitszeit, -ort und Umfang danach, wie dies mit seiner anwaltlichen Tätigkeit vereinbar war. Letzlich war damit das Element der Weisungsgebundenheit überhaupt nicht vorhanden.
Nach der Gesamtschau hatte der Kläger eine bestimmte Aufgabenstellung zu erfüllen, ohne dass die typischen Merkmale für eine abhängige Beschäftigung erfüllt wurden. Er selbst konnte wie ein dienstleistender Selbstständiger über den Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Insolvenzgeld.
Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in H ... In Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit beriet der Kläger die Firma H. und H. Bauleistungs GmbH (im Folgenden als "Firma" bezeichnet) in juristischen Fragen, insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Hierfür war im Rahmen eines Beratungsvertrages beginnend mit dem Monat April 2002 für einen Umfang von vier Stunden monatlich ein pauschales Honorar vereinbart worden.
Am 28. April 2003 schlossen die Firma und der Kläger eine als "Anstellungsvertrag" bezeichnete schriftliche Vereinbarung. Danach wurde der Kläger mit Wirkung ab dem 1. Mai 2003 als "Assistent der Geschäftsführer/Rechtsanwalt" eingestellt. Das Vertragsverhältnis war bis zum 31. Oktober 2003 befristete. Die Arbeitszeit sollte wöchentlich 35 Stunden betragen mit den Samstagen als Arbeitstagen. Die Arbeitszeiten konnten in freier Zeiteinteilung gestaltet werden. Der Arbeitgeber konnte "auf Anforderung" einen konkreten Stundennachweis verlangen. Vereinbart war eine monatliche Bruttovergütung von 3.050,00 EUR während der ersten drei Monate und von 4.050,00 EUR monatlich für die Zeit danach. Dem Kläger wurde im Vertrag die weitere Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit gestattet. Es heißt dazu wörtlich, er könne "die sich aus seiner Stellung als Anwalt ergebenden Pflichten und Tätigkeiten jederzeit uneingeschränkt und unabhängig von der o. g. Tätigkeit wahrnehmen". Der Kläger verpflichtete sich aber, während der Anstellungszeit nicht für Konkurrenzfirmen aus dem Bau- und Baunebengewerbe tätig zu sein. Nach einer dem Vertrag beigefügten Arbeitsplatzbeschreibung sollte der Kläger jeweils eine umfassende Ertragsvorschau für die Jahre 2003 und 2004 erstellen und bereits erstellte Jahresabschlüsse prüfen. Außerdem sollte er Einzelauftragsauswertung bestimmter Bauaufträge auf Aufwand und Ertrag hin vornehmen, eine Empfehlung dazu erstellen, inwieweit Defizite im Bereich der Buchhaltung und der Rechnungslegung bestanden, eine "Beratung" zu den Risiken laufender und künftiger Bauvorhaben vornehmen und eine grobe Unternehmensbewertung erarbeiteten. Dem Kläger war gestattet, die vereinbarte Arbeitszeit auch außerhalb der Regelarbeitszeit und - nach vorheriger Absprache – an einem anderen Ort als am Firmensitz zu erbringen.
Der Vertrag war nach der Aussage des vom Sozialgericht als Zeugen gehörten ehemaligen Geschäftsführers der Firma, Herrn G. H. , vom Kläger ausgearbeitet worden. Grund für die Einstellung des Klägers als Angestellten war nach der Aussage des Zeugen, dass er so besser die damit verbundenen Kosten habe kalkulieren können, als bei der Vergabe eines Auftrags mit eine Honorierung nach Stundensätzen. Der Zeuge hat ausgesagt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger habe er keine Kenntnis von der drohenden Insolvenz der Firma gehabt. Der Kläger habe ihn erst nach dessen Einstellung darauf hingewiesen, dass ein Insolvenzantrag gestellt werden müsse.
Am 4. Juni 2003 stellte die beruflich als Rechtsanwältin tätige Ehefrau des Klägers nach Vollmachterteilung durch den Geschäftsführer der Firma für diese einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Magdeburg. Am 26. September 2003 beantragte der Kläger für sich selbst bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld. Er gab an, in den Monaten Mai, Juni und Juli 2003 das vereinbarte Gehalt nicht erhalten zu haben. Er habe deshalb am 12. Juli 2003 das Arbeitsverhältnis zum Ende des Monats gekündigt. Zum 31. Juli 2003 sei auch die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Firma erfolgt.
Der vom Amtsgericht Magdeburg zum Gutachter bestellte Rechtsanwalt K. führte in einem Gutachten über die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom 3. November 2003 aus: Die Firma habe bereits im Frühjahr 2003 ihre Bautätigkeit eingestellt und keine neuen Aufträge mehr angenommen. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung habe im Jahr 2002 ein Fehlbetrag von 91.221,62 EUR vorgelegen und im 1. Halbjahr 2003 ein Fehlbetrag von 72.538,52 EUR. Der Insolvenzantrag dürfte "um Jahre zu spät" gestellt worden sein. Lohn- und Gehaltszahlungen seien zuletzt für den Monat April 2003 vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld ab und führt aus: Dem Kläger sei bei Abschluss des Anstellungsvertrages bereits die finanzielle Situation der Firma bekannt gewesen. Es habe eine nach § 132 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) anfechtbare Rechtshandlung vorgelegen. Hiergegen erhob der Kläger am 5. Mai 2004 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 als unbegründet zurück.
Mit Beschluss vom 7. Januar 2004 wies das Amtsgericht Magdeburg den Antrag der Firma auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als unzulässig zurück, weil "offensichtlich die Antragsstellerin den Insolvenzantrag nicht ernsthaft betreibt und die Ermittlungsmöglichkeiten (zur Vermögensmasse) unzumutbar erschwert werden".
Der Kläger hat am 20. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Firma sei bei Abschluss des Anstellungsvertrages nicht zahlungsunfähig gewesen und ihm sei damals deren finanzielle Situation nicht bekannt gewesen. Eine anfechtbare Rechthandlung habe somit nicht vorgelegen. Er habe Anspruch auf Insolvenzgeld.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 27. August 2008 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Monate Mai, Juni und Juli 2003 jeweils Insolvenzgeld nach einem Bruttoentgelt von 3.050,00 EUR zu gewähren. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Kläger sei bei der Firma abhängig beschäftigt gewesen. Es habe sich durch die Zeugenvernehmung des ehemaligen Geschäftsführers der Firma nicht bestätigt, dass der Kläger schon vor dem Vertragsabschluss Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation der Firma gehabt habe. Eine Einstellung der Betriebstätigkeit vor dem 31. Juli 2003 lasse sich nicht feststellen, so dass der Insolvenzgeldantrag vom Kläger rechtzeitig gestellt worden sei.
Gegen das ihr am 9. September 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Sie hält es nicht für glaubhaft, dass dem Kläger die wirtschaftliche Lage der Firma erst nach seiner Einstellung bekannt geworden ist. Es sei auch unklar, wann überhaupt das Insolvenzereignis eingetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für richtig.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2009 den Kläger zu seiner Tätigkeit für die Firma befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 197 f. der Gerichtsakten) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - statthaft, sie ist zudem form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet.
Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld wegen des ausstehenden Entgelts für die Monate Mai bis Juli 2003 aus der Beschäftigung bei der Firma verneint.
Nach § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie (1.) bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (2.) der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder bei (3.) der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Hier scheitert ein solcher Anspruch bereits daran, dass der Kläger keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt als Arbeitnehmer der Firma im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erworben hatte. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft gelten dieselben Abgrenzungskriterien, wie sie zu den Vorschriften über die Beitragspflicht verwendet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juli 1982 – 10 Rar 9/81 = SozR 4100 § 141b Nr. 24). Ein Arbeitsverhältnis ist danach vorrangig von der selbstständigen Erwerbstätigkeit abzugrenzen. Es liegt nur bei Abhängigkeit des Arbeitnehmers im sozialrechtlichen Sinne vor. Wesentliche Elemente der Abhängigkeit vom Arbeitgeber in diesem Sinne sind die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und seine Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers bzw. Weisungsgebers. Darin zeigt sich die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit des Arbeitnehmers, die im Hinblick auf Inhalt, Dauer, Zeit und Ort durch den Arbeitgeber bestimmt wird (Fuchs in Gagel, Komm. zum SGB III, § 25 Rdnrn. 3 und 9). Bei dem Kläger lag keine Abhängigkeit in diesem Sinne vor. Dem äußeren Bild nach entsprach die im Vertrag des Klägers mit der Firma beschriebene Tätigkeit der eines externen Wirtschaftsprüfers, der im Rahmen eines bestimmten Auftrags für eine bestimmte Zeit die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens und die Abläufe dort begutachtet. Dies entspricht nicht dem Bild des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers. Bei der Art der vom Kläger auszuführenden Tätigkeiten, etwa der Bewertung bestimmter Bauaufträge auf ihre Rentabilität, wäre eine weisungsgebundene Arbeit auch eher kontraproduktiv gewesen. Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit war der Kläger im Wesentlichen frei. Er konnte in "freier Zeiteilung" etwa am Abend oder an den Wochenenden arbeiten. Es war zudem ausdrücklich in dem Vertrag zwischen dem Kläger und der Firma geregelt, dass die vollständige Weiterausübung seines Anwaltsberufs gewährleistet war. Schon deshalb wären Weisungen nur ganz eingeschränkt möglich gewesen und hätten den Kläger dann nicht gebunden, wenn sie mit der Ausübung seines Anwaltsberufs kollidiert hätten. Zwar geht aus der Aussage des Zeugen H. hervor, dass er es gut fand, den Kläger als Berater und Ansprechpartner in der Firma zu haben. Wenn dies alles aber nicht mit der Anwaltstätigkeit kollidieren durfte, lag weder eine typische Weisungsgebundenheit noch eine wirkliche Eingliederung in die Firma vor. Der Kläger selbst hat dies eindrucksvoll im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2009 beschrieben. Danach hat der die Räumlichkeiten der Firma meistens dann besucht, wenn er im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für andere Mandanten Termine bei der Steuerfahndung in Magdeburg hatte und dann jeweils "ein bis zwei Stunden" dort gearbeitet. Er hat sich dann Unterlagen aushändigen oder kopieren lassen, die er in seiner Kanzlei ausgewertet hat. Den Geschäftsführer der Firma hat der Kläger bei Fragen entweder angerufen oder dieser kam in die Kanzlei des Klägers. Für Schreib- und Kopierarbeiten hat der Kläger auch sein Kanzleipersonal in Anspruch genommen. Nach alledem war der Kläger nicht in die Arbeitsorganisation der Firma eingegliedert. Er selbst bestimmte Arbeitszeit, -ort und Umfang danach, wie dies mit seiner anwaltlichen Tätigkeit vereinbar war. Letzlich war damit das Element der Weisungsgebundenheit überhaupt nicht vorhanden.
Nach der Gesamtschau hatte der Kläger eine bestimmte Aufgabenstellung zu erfüllen, ohne dass die typischen Merkmale für eine abhängige Beschäftigung erfüllt wurden. Er selbst konnte wie ein dienstleistender Selbstständiger über den Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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