L 5 AS 293/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 1947/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 293/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zulässigkeit-Beschwerde-einstweiliger Rechtsschutz-Beschwerdewert-Anordnung der aufschiebenden Wirkung-Auslegung-Antragserweiterung-wiederkehrende Leistungen
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 1. Juli 2009.

Die im Jahr 19XX geborene, verwitwete Antragstellerin bezieht von dem Antragsgegner seit dem 1. Januar 2005 SGB II-Leistungen. Bereits bei ihrer ersten Antragstellung im Oktober 2004 hatte sie mitgeteilt, sie beziehe eine Hinterbliebenenrente und habe nach dem Tod ihres Ehemanns das Hausgrundstück Sa. 4 in B. , als Eigentümerin zur Hälfte, neben K. M. und D. J. (zu je ein Viertel), geerbt. In dem Haus habe die Familie früher gewohnt. Nach dem Tode ihres Mannes sei sie in eine Mietwohnung umgezogen. Das Haus stehe seither leer und solle verkauft werden.

Am 9. Januar 2009 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der SGB II-Leistungen. Der Antragsgegner gewährte für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2009 Leistungen, zunächst iHv 413,32 EUR einschließlich eines Zuschlags nach § 24 SGB II iHv 98,00 EUR monatlich (Bewilligungsbescheide vom 27. Ja-nuar 2009), mit Änderungsbescheid vom 23. Februar 2009 ab März 2009 iHv 345,32 EUR einschließlich des Zuschlags iHv nunmehr 80,00 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheiden vom 26. März 2009 wurden die Leistungshöhe für März 2009 auf 418,32 EUR und für die Monate April bis Juli 2009 auf 376,32 EUR geändert.

Am 10. März 2009 legte die Antragstellerin dem Antragsgegner den notariellen Kaufvertrag vom 16. Dezember 2008 für das Hausgrundstück zum Kaufpreis von 21.300,00 EUR vor. Der nach Abzug der auf dem Grundstück ruhenden Lasten iHv 9.209,51 EUR verbleibende Restkaufpreis abzüglich eines Anteils von je 2.614,25 EUR für K. M. und D. J. sollte an die Antragstellerin gehen. Ausweislich des Notarvertrags sollte dieser Betrag sowie der Anteil für D. J. auf das Konto von G. Sch. , einer Schwester der Antragstellerin, geleistet werden. Zugleich reichte die Antragstellerin einen Schuldschein vom 15. Juli 2003 ein, wonach sie von ihrer Schwester insgesamt 4.800 EUR erhalten habe. Nach einem weiteren Schreiben (Datum unlesbar) habe die Schwester ihr 1.000 EUR geliehen (Hausentrümpelung). Eine Quittung vom 26. März 2009 für Hausentrümpelung weist einen Betrag von 800 EUR aus. Ausweislich zweier handschriftlicher Vermerke auf diesen Schreiben habe die Schwester die Beträge am 20. Februar 2009 erhalten. In einem später vorgelegten Schreiben bestätigte D. J. unter dem 1. April 2009, "das Geld" von der Antragstellerin erhalten zu haben.

Auf weitere Anforderung des Antragsgegners, einen Nachweis über die Zahlung des Restkaufpreises erbringen, legte die Antragstellerin am 9. Juni 2009 einen Kontoauszug des Girokontos ihrer Schwester vor, wonach mit Wertstellung zum 9. Februar 2009 ein Betrag iHv 9.476,24 EUR mit dem Verwendungszweck "SA. MBH UR 13XX/2008. KAUFPREIS ANTEIL SA. 4 B ... D. u. SI. J. " dem Konto gutgeschrieben worden war.

Der Antragsgegner zog vom Überweisungsbetrag 2.614,25 EUR für den Anteil von D. J. , 800,00 EUR für die Hausentrümpelung, 583,29 EUR für öffentliche Forderungen (Grundsteuer etc.) sowie 1.028,74 EUR zur Schuldentilgung ab und gelangte zu einem Betrag iHv 4.449,96 EUR, der verteilt auf 12 Monate mit monatlich 370,83 EUR als Einkommen auf den Leistungsanspruch der Antragstellerin ab Februar 2009 anzurechnen sei.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2009 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zur beabsichtigten Rückforderung der im Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. Juni 2009 überzahlten Leistungen iHv 1.960,60 EUR an.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2009 stellte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 1. Juli 2009 vollständig ein. Die Antragstellerin sei nicht mehr hilfebedürftig. Ihren monatlichen Bedarf iHv 650,65 EUR könne sie mit ihrem Einkommen aus Erbschaft und Witwenrente iHv bereinigt 686,16 EUR decken. Mit weiterem Bescheid vom 25. Juni 2009 hob der Antragsgegner die zuvor ab 1. Juni 2009 bis zum 31. Mai 2010 bewilligte Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 d SGB II auf.

Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte hinsichtlich der Arbeitsgelegenheit die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Sie führte zur Begründung aus, sie habe von dem Erbteil nichts erhalten. Der komplette Erlös sei an ihre Schwester ausgezahlt worden, die ihr zuvor ca. 8.000,00 EUR geliehen gehabt habe. Im Übrigen sei es kein Einkommen, da es sich um die Veräußerung bereits zuvor vorhandenen Vermögens handele.

Am 8. Juli 2009 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen "Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz" gestellt und beantragt, "den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu erbringen". Der Erlösanteil sei ihr nicht zugeflossen. Aufgrund der Tilgung von Schulden bei ihrer Schwester verfüge sie nicht über bereite Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und sei daher hilfebedürftig.

Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. Juli 2009 die Aussetzung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Aufhebung der Arbeitsgelegenheit abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin dies unter dem 13. Juli 2009 dem SG mitgeteilt, jedoch keine weitergehenden Anträge gestellt.

Mit Beschluss vom 10. August 2009 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Es hat den schriftsätzlich gestellten Antrag ausgelegt als Antrag gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid des Antragsgegners. Dies sei die zutreffende Rechtsschutzform, denn im Erfolgsfall lebe die ursprüngliche Leistungsbewilligung wieder auf, die durch den sofort vollziehbaren Aufhebungsbescheid gesperrt sei. Es gehe nicht um eine (erstmalige) Gewährung von SGB II-Leistungen. Der Bescheid über die Aufhebung der Bewilligung einer Arbeitsgelegenheit sei vom Antrag nicht umfasst. Der Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 25. Juni 2009 sei nicht zu beanstanden, denn der auf die Antragstellerin entfallene Kaufpreisanteil, der auf das Konto ihrer Schwester gezahlt worden sei, sei rechtlich als ihr Einkommen zu bewerten. Die Antragstellerin sei verpflichtet, damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Verwendung gehe der Schuldentilgung vor. Das SG hat im Beschluss auf die Unanfechtbarkeit der Entscheidung hingewiesen: Der Berufungsstreitwert sei nicht erreicht. Streitgegenständlich sei nur die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2009 iHv 345,32 EUR. Für weitere Zeiträume sei kein Antrag beim Antragsgegner gestellt worden.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 13. August 2009 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die Beschwerde sei zulässig. Sie habe einen Folgeantrag für die Zeit ab 1. August 2009 gestellt. Bei Zugrundelegung des wahren Lebenssachverhaltes sei die Beschwerdegrenze weit überschritten. Es komme aber auch nicht darauf an, ob sie einen Folgeantrag zur Leistungsbewilligung gestellt habe. Denn nach der Rechtsprechung des BSG verlängere sich bei angefochtenen Ablehnungsbescheiden der Bewilligungszeitraum aus Gründen des Vertrauensschutzes automatisch bis zum Ergehen einer bestandskräftigen Entscheidung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 hat der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Juni 2009 über die Leistungseinstellung ab 1. Juli 2009 zurückgewiesen.

Unter dem 10. September 2009 hat die Antragstellerin eine Kopie des Ablehnungsbescheids vom 27. Juli 2009 für den Leistungszeitraum ab dem 1. August 2009 wegen übersteigenden Einkommens vorgelegt. Dieser sei ihr am 10. August 2009 zugegangen. Der Weiterzahlungsantrag müsse daher vorher gestellt worden sein. Ob sie gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hat, ist nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 18. September 2009 hat die Berichterstatterin auf die Unzulässigkeit der Beschwerde wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts hingewiesen.

Dazu hat die Antragstellerin unter dem 18. September 2009 ausgeführt, ihr schriftsätzlich erstinstanzlich gestellter Antrag sei ausdrücklich ein Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG und zeitlich nicht beschränkt gewesen, so dass es keiner Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren bedürfe. Der schriftsätzlich gestellte Antrag habe auch Zeiträume nach Ende des Bewilligungsabschnitts mit erfasst.

Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Antrag formuliert. Erstinstanzlich hat sie wörtlich beantragt,

den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu erbringen.

Der Antragsgegner hat sich zum Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 10. August 2009 ist ausgeschlossen und daher zu verwerfen. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit dem 1. April 2008 gültigen Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die ohne Übergangsregelung in Kraft getretene Ausschlussregelung ist auf das vorliegende Verfahren, welches erst im Juli 2009 rechtshängig geworden ist, anzuwenden.

Die nach ihrem Wortlaut nicht völlig eindeutige Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen – und damit unzulässig – ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht Kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 25. November 2008, Az.: L 5 B 341/08 AS ER; so auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. September 2008, Az. L 8 SO 80/08 ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 1. September 2008, Az. L 5 AS 79/08 NZB; Hessisches LSG, Beschluss vom 1. Juli 2008, Az. L 7 SO 59/08 AS ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2008, Az. L 7 B 192/08 AS ER; alle zitiert nach juris; ebenso: 4. Senat des LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Oktober 2008, Az. L 4 B 17/08 KR ER).

Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die zum 1. April 2008 in Kraft getretene Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750,00 EUR und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn man eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe und eine hierauf gestützte Zulassung der Beschwerde durch die Sozialgerichte oder eine Nichtzulassungsbeschwerde, über deren Zulässigkeit dann die Landessozialgerichte zu befinden hätten, unter Geltung des neuen Rechts anerkennen würde. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG). Hinzu kommt, dass die in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe erkennbar auf das Hauptsacheverfahren zugeschnitten und auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht übertragbar sind. Eine fiktive Prüfung ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil nicht klar ist, ob es ein Hauptsacheverfahren geben und wie dieses ggf. entschieden werden wird. Die Prüfung der Zulassungsgründe Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) und Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) sind bereits tatsächlich nicht möglich. Auch eine fiktive Prüfung der grundsätzlichen Bedeutung der Hauptsache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) ist wegen der unterschiedlichen Funktion von Hauptsache- und Eilverfahren nicht sachgerecht, denn die Entscheidungen sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht deckungsgleich. Da es im einstweiligen Rechtsschutz maßgeblich darum geht, "vorläufige" Regelungen zu treffen, werden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gerade nicht abschließend beantwortet.

Schließlich wird in der Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht auf die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung oder die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 144, 145 SGG) verwiesen, was auch regelungssystematisch gegen deren Anwendbarkeit spricht.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dieser Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, welche der beantragten Leistungen das SG dem Rechtsmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Beschwerdeanträgen noch weiterverfolgt wird. Dieser Beschwerdegegenstand kann also niedriger sein als der Wert des Streitgegenstands erstinstanzlichen Verfahrens, wenn nämlich der Beschwerdeführer in der zweiten Instanz sein Begehren nicht in vollem Umfang weiterverfolgt; er kann aber nicht höher sein (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Kel-ler/Leitherer: SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 RN 14). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Einlegung des Rechtsmittels. Ein späteres Sinken oder eine spätere Erhöhung des Beschwerdewerts sind bei der Prüfung der Wertgrenze nicht zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, a.a.O. RN 19, 20).

Richtiges Rechtsmittel im erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren war (allein) ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Einstellungsbescheids vom 24. Juni 2009. Dieser konnte sich im zu Grunde liegenden Bewilligungszeitraum, der vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2009 lief (Bewilligungsbescheid vom 9. Januar 2009 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23. Februar und 26. März 2009) nur auf die Leistungsgewährung für den Monat Juli 2009 beziehen.

Maßgebend für die Bestimmung, in welcher Weise vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren ist, ist der im Hauptsacheverfahren statthafte Rechtsbehelf. Die Antragstellerin hat sich allein gegen den Bescheid vom 24. Juni 2009 gewendet, mit dem die Leistungen zum 1. Juli 2009 eingestellt wurden. Dieser ist gemäß § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung sofort vollziehbar gewesen, denn es handelt sich um einen Verwaltungsakt, der die (bereits bewilligten) Leistungen der Grundsicherung aufgehoben hat. Richtige Klageart im Hauptsacheverfahren wäre die Anfechtungsklage.

Im Recht des vorläufigen Rechtsschutzes wird die Anfechtungsklage, wenn sie – wie hier – keine aufschiebende Wirkung hat, von der möglichen Anordnung einer aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG flankiert. Damit ist nach dem Wortlaut von § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen. Denn im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid vom 24. Juni 2009 gerichteten Widerspruches lebte die Verpflichtung des Antragsgegners wieder auf, die zuvor bestandskräftig bewilligten und vom Einstellungsbescheid betroffenen Leistungen zu erbringen.

Zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes wäre der Erlass einer einstweiligen Anordnung neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann erforderlich, wenn gleichzeitig höhere oder weitere Leistungen begehrt werden, wenn also die begehrte Leistung zuvor von der Verwaltung nicht oder nicht im beantragten Umfang bewilligt worden ist (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 16. Juli 2007, Az.: L 3 B 414/06 AS-ER juris). Ein solcher Sonderfall ist hier jedoch geltend gemacht worden. Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren keine höheren als die zuvor bewilligten Leistungen.

Ein darüber hinausgehendes Begehren hat die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren weder schriftsätzlich geltend gemacht, noch ergibt es sich sonst aus ihrem Vorbringen, welches ausschließlich den Bescheid vom 24. Juni 2009 thematisiert. In dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 8. Juli 2009 hat die Antragstellerin zwar auch den weiteren Bescheid vom 25. Juni 2009 erwähnt. Allerdings ergibt die Auslegung ihres Antrags vom 8. Juli 2009, dass gerade dieser Bescheid nicht Gegen-stand des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sein sollte. So war zu diesem Zeitpunkt über den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung noch gar nicht entschieden worden. Nach der Ablehnung des Antrags am 13. Juli 2009 hat die Antragstellerin ihr Begehren auch nicht erweitert. Diese Auslegung des erstinstanzlichen Begehrens findet darin seine Bestätigung, dass die Antragstellerin sich im Beschwerdeverfahren nicht gegen die Feststellung des SG im angefochtenen Beschluss gewehrt hat, wonach der Antrag den Bescheid vom 25. Juni 2009 nicht erfasse.

Allein der Umstand, dass der zugrunde liegende Bewilligungsbescheid nur den Leistungszeitraum bis einschließlich Juli 2009 geregelt hat, rechtfertigt nicht, bei der anwaltlich vertretenen Antragstellerin den ausdrücklich gestellten Antrag erweiternd auszulegen (so auch: Sächsisches LSG, Beschluss vom 28. April 2008, Az.: L 3 AS 110/08 AS-ER). Hätte die Antragstellerin Leistungen für andere Zeiträume im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen wollen, hätte sie dies in ihrem gerichtlichen Rechtsschutzantrag deutlich machen müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Nachfolgende Bescheide oder Bewilligungszeiträume wurden weder durch die Antragstellerin noch ansonsten in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt. Zu Recht hat das SG daher im angefochtenen Beschluss die Zeit ab 1. August 2009 nicht zum Gegenstand des Beschlusses gemacht, sondern allein zur aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 24. Juni 2009 entschieden. Unerheblich ist insoweit, wann die Antragstellerin einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen ab dem 1. August 2009 gestellt hat. Dabei spricht schon der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin das Datum nur mutmaßen kann, gegen einen von seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erfassten Zeitraum nach dem 31. Juli 2009. Auch ist der Antragstellerin der Bescheid vom 27. Juli 2009 nach seinen Angaben erst am 10. August 2009 zugegangen, der letzte Schriftsatz im erstinstanzlichen Verfahren stammt jedoch vom 28. Juli 2009.

Dabei kann der Umstand, dass das SG den vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin schriftsätzlich gestellten Antrag nach Art einer einstweiligen Anordnung (zutreffend) gemäß § 106 Abs. 1 SGG ausgelegt hat, dessen Auffassung, es seien weitere Zeiträume bei der erstinstanzlichen Antragstellung gemeint gewesen, nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen schlägt sich diese erstmalig im Beschwerdeverfahren geäußerte Auffassung in den erstinstanzlichen Schriftsätzen nicht nieder. Zum anderen wäre ohne die Auslegung durch das SG der Antrag unzulässig gewesen, weil ein Vorgehen im Wege einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG gegen den Bescheid vom 24. Juni 2009 nicht statthaft war.

Die Leistungen nach dem SGB II sind keine wiederkehrenden oder laufende Leistungen iSv § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die einzelnen Bewilligungsabschnitte bilden selbst-ständige prozessuale Ansprüche mit der Folge, dass grundsätzlich für jeden einzelnen Anspruch die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung gegeben sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R, juris). Sie fließen zwar aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis und kehren in regelmäßigen Abständen wieder (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144, RN 22, 23). Sie beruhen aber nicht auf einem einheitlichen Stammrecht. Bei der Zeitberechnung kommt es jedoch auf den Bestimmungszeitraum, nicht auf den Zahlungszeitraum an (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144, Rn. 24).

Ansprüche ergeben sich jeweils nach einer gesonderten Prüfung der Voraussetzungen zu Beginn eines jeweiligen Bewilligungsabschnitts. Diese Bewilligungsabschnitte beruhen nicht auf demselben Entstehungsgrund i.S. eines Stammrechts. Vielmehr sind alle Voraussetzungen der Ansprüche in jedem Bewilligungsabschnitt voneinander unabhängig neu zu prüfen. Der Anspruch entsteht jeweils neu. Er richtet sich nicht nach den Voraussetzungen, die zu Beginn des erstmaligen Leistungsbezugs gegeben waren (vgl. z. Vorstehenden: Beschluss des Senats vom 13. Mai 2009, Az.: L 5 AS 17/09 B juris).

Die Ausführungen der Antragstellerin zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinsichtlich einer automatischen Verlängerung des Prüfungszeitraums bis zur bestandskräftigen Entscheidung (gemeint wohl: letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz) gehen fehl. Dies gilt nämlich nur für Fälle der sog. Totalablehnung, nicht jedoch – wie hier – für Bescheide, die eine bestandskräftige Leistungsbewilligung aufheben, zurücknehmen oder entziehen. Ergeht hingegen auf einen Folgeantrag ein weiterer Ablehnungsbescheid, ist der ursprüngliche Bescheid gemäß § 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt und wird nicht gemäß § 96 SGG durch den weiteren Bescheid ersetzt (vgl. BSG; Urteil vom 25. Juni 2008, Az.: B 11b AS 45/06 R, zitiert nach juris, RN 27f.; Urteil vom 15. April 2008, Az.: B 14/7b 52/06 R, zitiert nach juris, RN 12).

Da nach den obigen Ausführungen Streitgegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung allein die durch den Bescheid vom 24. Juni 2009 geregelte Leistungseinstellung für Juli 2009 war, ging es um einen wirtschaftlichen Wert iHv 376,32 EUR, der zuvor mit Änderungsbescheid vom 26. März 2009 für Juli 2009 bewilligten Leistungshöhe. Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht daher 750,00 EUR nicht.

Da es im Übrigen – wie oben ausgeführt – nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) geht, ist die Beschwerde unzulässig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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