Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 SB 80/09 AB
Datum
-
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SF 78/09 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Besorgnis der Befangenheit
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin vom 9. August 2009 gegen den Vorsitzenden der 1. Kammer des Sozialgerichts Halle, Direktor des Sozialgerichts Ulrich, wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der 1. Kammer des Sozialgerichts Halle im Rechtsstreit S 1 SB 80/09. Mit Bescheid vom 30. Juli 2008 stellte der Beklagte ab 30. April 2008 bei der Antragstellerin (ASt) eine Behinderung mit einem Grad von 20 fest. Ihren Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2009 zurück. Am 12. März 2009 hat die ASt Klage beim Sozialgericht Halle mit dem Ziel der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft erhoben. In Anlage hat sie Bescheide des Beklagten vom 30. September 1998 und vom 20. April 1999 übersandt. Mit denen hatte dieser ihre Anträge auf Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelehnt, weil bereits eine andere zuständige Dienststelle im Sinne des § 4 Abs. 2 SchwbG eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt habe, die dem Grad der Behinderung entspreche. Außerdem hat sie einen Bescheid der Unfallkasse Sachsen-Anhalt vom 13. Dezember 1999 beigefügt, mit dem diese bei ihr eine MdE um 30 festgestellt hatte. Der Vorsitzende der 1. Kammer hat zunächst mit Beweisanordnung vom 9. April 2009 Prof. Dr. G. (Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Halle) zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 24. April 2009 mitgeteilt, da es sich bei der Klägerin um ein rheumatologisches Krankheitsbild handele, schlage er die Übertragung des Gutachtens an Herrn Prof. Dr. K. (Leiter des Bereichs Rheumatologie) vor. Mit Beschluss vom 6. Mai 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer die Beweisanordnung vom 9. April 2009 aufgehoben und mit Beweisanordnung vom 9. April 2009 Prof. Dr. K. zum Sachverständigen ernannt. Am 7. Mai 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer verfügt, den neuen Beweisbeschluss dem Beklagten und der ASt zu übersenden. Prof. Dr. K. hat am 30. Juni 2009 das Gutachten erstattet. Mit Schreiben vom 16. Juli 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der ASt Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten beantragt. Er hat ferner vorgetragen, das Gutachten sei unverwertbar, da dieses auf einen anderen Gutachter, nämlich Prof. Dr. K., übertragen worden sei. Ergänzend hat die ASt am 24. Juli 2009 ausgeführt, weil Prof. Dr. K. einen Einzelgrad der Behinderung von 40 für die rheumatoide Arthritis vorgeschlagen habe, sei - trotz der Unverwertbarkeit des Gutachtens - mindestens ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 festzustellen. Denn der Beklagte sei bereits mit Bescheid vom 30. September 1998 von einem Einzelgrad der Behinderung von 30 aus der Vorbeeinträchtigung ausgegangen. Mit Schreiben vom 22. und 24. Juli 2009 hat die Klägerin Prof. Dr. K. als Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies mit zahlreichen Auslassungen, Inkorrektheiten und offenkundiger Widersprüche des Gutachtens begründet. Mit Schreiben vom 4. August 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer dem Prozessbevollmächtigten der ASt die Verwaltungsakte des Beklagten, beginnend mit ihrem Antrag vom 30. April 2008, zur Akteneinsicht übersandt. Außerdem hat er ihm aufgegeben, den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zu begründen. Er hat des Weiteren darauf hingewiesen, soweit die ASt eine Berichtigung des Gutachtens im Sinne einer umfassenden textlichen Veränderung unter Aufnahme ihrer Darstellungen geltend mache, bestehe hierfür kein Rechtsanspruch. Ihr stehe es indes frei, einen Antrag nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu stellen. Dafür sei ein Kostenvorschuss zu erbringen. Am 9. August 2009 hat die ASt den Vorsitzenden der 1. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser offensichtlich beabsichtige, über die von ihr vorgetragene und durch Argumente belegte Unverwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. K. in gehörsverletzender Art und Weise hinweg zu gehen. In seinem Schreiben vom 4. August 2009 gehe er nicht auf die Unverwertbarkeit des Gutachtens ein und habe stattdessen eine Entscheidung über ein Gutachten nach § 109 SGG anheim gestellt. Einer solchen Entscheidung bedürfe es bei Unverwertbarkeit des Gutachtens aber nicht. Somit sehe sie sich außer Stande, den bei ihr entstandenen Eindruck einer zumindest partiellen Rechtsverweigerung mit ihrem Rechtsverständnis und ihrer Hoffnung auf eine zumindest nachvollziehbare und faire gerichtliche Regelung ihrer gravierenden Probleme in Einklang zu bringen. Auch könne sie die Aufforderung, ihren Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen weiter zu begründen, nicht nachvollziehen. Sie habe die Ablehnung bereits klar, deutlich und hinreichend begründet. Eine zusätzliche Begründung des Ablehnungsantrags sei auch erst dann notwendig, wenn die Verwertbarkeit des Gutachtens geklärt sei. Zudem habe der Vorsitzende der 1. Kammer ihr einen Antrag auf textliche Berichtigung des Gutachtens unterstellt. Schließlich habe er ihr nur Einsicht in einen Auszug aus der Verwaltungsakte des Beklagten, beginnend mit dem Höherstufungsantrag vom 28. April 2008, gewährt. Da sie den Bescheid des Beklagten vom 30. September 1998 als Anlage zur Klagebegründung übersandt habe, hätte ihm die Unvollständigkeit der Verwaltungsakte auffallen müssen. Der Vorsitzende der 1. Kammer hätte somit auf Übersendung der vollständigen Akte drängen müssen. Insgesamt habe sie mehrfach den Eindruck gewinnen müssen, dass das Gericht sich in verfahrensmäßiger Hinsicht zum Sachwalter der Interessen des Beklagten gemacht habe. In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 11. August 2009, die der Ast am 27. August 2009 übersandt worden ist, hat der Vorsitzende der 1. Kammer ausgeführt, er halte sich in dem Verfahren nicht für befangen. Ergänzend hat die ASt unter dem 30. August 2009 vorgetragen, der Bescheid vom 30. September 1998 sei nicht nur dem Sachverständigen, sondern auch den eigenen Ärzten des Beklagten vorenthalten worden. Es dränge sich der Eindruck eines gravierenden Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz und einer selektiven Aktenvorlage durch den Beklagten auf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Diese lagen dem Senat bei der Entscheidungsfindung vor.
II.
Das zulässige Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 1. Kammer ist unbegründet.
Gemäß § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94; Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94, jeweils zitiert nach juris). Indes kann die Ablehnung nicht auf die Verfahrensweise oder die bloße Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, 2007, § 42 Rdnr. 9, 24, 28 m. w. N.).
Hier liegt kein Grund vor, der die Ablehnung des Vorsitzenden der 1. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Insbesondere hat die ASt weder einen Verstoß gegen anerkannte rechtliche Grundsätze dargelegt, noch ist ein solcher nur ansatzweise erkennbar.
Die ASt sieht sich zunächst durch die fehlende Auseinandersetzung des Vorsitzenden der 1. Kammer mit der Verwertbarkeit des Gutachtens in ihren Rechten verletzt. Doch besteht die von der ASt eingeforderte Pflicht zur Auseinandersetzung mit ihren Argumenten zur Verwertbarkeit nicht, sodass deren Unterlassen auch nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Doch selbst bei einer Stellungnahme des Vorsitzenden der 1. Kammer zur Verwertbarkeit des Gutachtens hätte seine rechtliche Würdigung nicht hätte abschließend sein können, weil die Verwertbarkeit des Gutachtens im Rahmen der Beweiswürdigung erst bei der durch das SGG vorgesehenen Kollegialentscheidung mit zwei ehrenamtlichen Richtern geklärt werden kann. Der Vorsitzende der 1. Kammer hat in diesem Zusammenhang auch nicht das rechtliche Gehör der ASt verletzt. Denn er hat ihr das Gutachten übersandt und sie somit von allen Tatsachen unterrichtet, die er verwertet werden will. Auch hat er ihr die Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.
Soweit der Vorsitzende der 1. Kammer Ausführungen zu § 109 SGG gemacht hat, begründet dies keinen Verfahrensverstoß, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte. Vielmehr hat der Vorsitzende diesen Hinweis im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gemacht. Gleiches gilt für den vorsorglichen Hinweis darauf, dass kein Anspruch auf textliche Veränderungen des Gutachtens bestehe. Diese Hinweise begründen aber keine Voreingenommenheit, sie liegen vielmehr im wohlverstandenen Interesse eines jeden Klägers, da so die noch bestehenden prozessualen Möglichkeiten verdeutlicht werden. Auch die Art und Weise, wie der Vorsitzende der 1. Kammer die Hinweise gegeben hat, begründet keine Voreingenommenheit. Das Schreiben war freundlich und sachlich. Der Hinweis auf den zu erbringenden Kostenvorschuss entspricht der Rechtslage nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG.
Auch die auferlegte Begründungspflicht zum Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen war ein rechtlicher Hinweis im Interesse der ASt. Denn diese hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur qualitative Mängel im Gutachten, nicht aber Hinweise auf die Parteilichkeit des Sachverständigen vorgetragen.
Schließlich kann die ASt die Besorgnis der Befangenheit nicht auf eine unvollständige Übersendung der Verwaltungsakten durch den Vorsitzenden der 1. Kammer stützen. Er hat nicht selektiert, sondern genau die Akten übersandt, die ihm von dem Beklagten vorgelegt worden sind. Auch damit hat er dem Grundsatz auf Gewährung von rechtlichem Gehör entsprochen. Soweit die Ast von dem Vorsitzenden Ermittlungen über die Existenz einer weiteren Verwaltungsakte fordert, will sie ihm die Art und Weise der Verfahrensführung diktieren. Die Beurteilung der Richtigkeit der Handlungen und Entscheidungen des Vorsitzenden der 1. Kammer obliegt allein den Rechtsmittelgerichten, rechtfertigt aber keine Befangenheit.
Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben.
Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der 1. Kammer des Sozialgerichts Halle im Rechtsstreit S 1 SB 80/09. Mit Bescheid vom 30. Juli 2008 stellte der Beklagte ab 30. April 2008 bei der Antragstellerin (ASt) eine Behinderung mit einem Grad von 20 fest. Ihren Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2009 zurück. Am 12. März 2009 hat die ASt Klage beim Sozialgericht Halle mit dem Ziel der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft erhoben. In Anlage hat sie Bescheide des Beklagten vom 30. September 1998 und vom 20. April 1999 übersandt. Mit denen hatte dieser ihre Anträge auf Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelehnt, weil bereits eine andere zuständige Dienststelle im Sinne des § 4 Abs. 2 SchwbG eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt habe, die dem Grad der Behinderung entspreche. Außerdem hat sie einen Bescheid der Unfallkasse Sachsen-Anhalt vom 13. Dezember 1999 beigefügt, mit dem diese bei ihr eine MdE um 30 festgestellt hatte. Der Vorsitzende der 1. Kammer hat zunächst mit Beweisanordnung vom 9. April 2009 Prof. Dr. G. (Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Halle) zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat am 24. April 2009 mitgeteilt, da es sich bei der Klägerin um ein rheumatologisches Krankheitsbild handele, schlage er die Übertragung des Gutachtens an Herrn Prof. Dr. K. (Leiter des Bereichs Rheumatologie) vor. Mit Beschluss vom 6. Mai 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer die Beweisanordnung vom 9. April 2009 aufgehoben und mit Beweisanordnung vom 9. April 2009 Prof. Dr. K. zum Sachverständigen ernannt. Am 7. Mai 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer verfügt, den neuen Beweisbeschluss dem Beklagten und der ASt zu übersenden. Prof. Dr. K. hat am 30. Juni 2009 das Gutachten erstattet. Mit Schreiben vom 16. Juli 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der ASt Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten beantragt. Er hat ferner vorgetragen, das Gutachten sei unverwertbar, da dieses auf einen anderen Gutachter, nämlich Prof. Dr. K., übertragen worden sei. Ergänzend hat die ASt am 24. Juli 2009 ausgeführt, weil Prof. Dr. K. einen Einzelgrad der Behinderung von 40 für die rheumatoide Arthritis vorgeschlagen habe, sei - trotz der Unverwertbarkeit des Gutachtens - mindestens ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 festzustellen. Denn der Beklagte sei bereits mit Bescheid vom 30. September 1998 von einem Einzelgrad der Behinderung von 30 aus der Vorbeeinträchtigung ausgegangen. Mit Schreiben vom 22. und 24. Juli 2009 hat die Klägerin Prof. Dr. K. als Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies mit zahlreichen Auslassungen, Inkorrektheiten und offenkundiger Widersprüche des Gutachtens begründet. Mit Schreiben vom 4. August 2009 hat der Vorsitzende der 1. Kammer dem Prozessbevollmächtigten der ASt die Verwaltungsakte des Beklagten, beginnend mit ihrem Antrag vom 30. April 2008, zur Akteneinsicht übersandt. Außerdem hat er ihm aufgegeben, den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zu begründen. Er hat des Weiteren darauf hingewiesen, soweit die ASt eine Berichtigung des Gutachtens im Sinne einer umfassenden textlichen Veränderung unter Aufnahme ihrer Darstellungen geltend mache, bestehe hierfür kein Rechtsanspruch. Ihr stehe es indes frei, einen Antrag nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu stellen. Dafür sei ein Kostenvorschuss zu erbringen. Am 9. August 2009 hat die ASt den Vorsitzenden der 1. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser offensichtlich beabsichtige, über die von ihr vorgetragene und durch Argumente belegte Unverwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. K. in gehörsverletzender Art und Weise hinweg zu gehen. In seinem Schreiben vom 4. August 2009 gehe er nicht auf die Unverwertbarkeit des Gutachtens ein und habe stattdessen eine Entscheidung über ein Gutachten nach § 109 SGG anheim gestellt. Einer solchen Entscheidung bedürfe es bei Unverwertbarkeit des Gutachtens aber nicht. Somit sehe sie sich außer Stande, den bei ihr entstandenen Eindruck einer zumindest partiellen Rechtsverweigerung mit ihrem Rechtsverständnis und ihrer Hoffnung auf eine zumindest nachvollziehbare und faire gerichtliche Regelung ihrer gravierenden Probleme in Einklang zu bringen. Auch könne sie die Aufforderung, ihren Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen weiter zu begründen, nicht nachvollziehen. Sie habe die Ablehnung bereits klar, deutlich und hinreichend begründet. Eine zusätzliche Begründung des Ablehnungsantrags sei auch erst dann notwendig, wenn die Verwertbarkeit des Gutachtens geklärt sei. Zudem habe der Vorsitzende der 1. Kammer ihr einen Antrag auf textliche Berichtigung des Gutachtens unterstellt. Schließlich habe er ihr nur Einsicht in einen Auszug aus der Verwaltungsakte des Beklagten, beginnend mit dem Höherstufungsantrag vom 28. April 2008, gewährt. Da sie den Bescheid des Beklagten vom 30. September 1998 als Anlage zur Klagebegründung übersandt habe, hätte ihm die Unvollständigkeit der Verwaltungsakte auffallen müssen. Der Vorsitzende der 1. Kammer hätte somit auf Übersendung der vollständigen Akte drängen müssen. Insgesamt habe sie mehrfach den Eindruck gewinnen müssen, dass das Gericht sich in verfahrensmäßiger Hinsicht zum Sachwalter der Interessen des Beklagten gemacht habe. In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 11. August 2009, die der Ast am 27. August 2009 übersandt worden ist, hat der Vorsitzende der 1. Kammer ausgeführt, er halte sich in dem Verfahren nicht für befangen. Ergänzend hat die ASt unter dem 30. August 2009 vorgetragen, der Bescheid vom 30. September 1998 sei nicht nur dem Sachverständigen, sondern auch den eigenen Ärzten des Beklagten vorenthalten worden. Es dränge sich der Eindruck eines gravierenden Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz und einer selektiven Aktenvorlage durch den Beklagten auf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Diese lagen dem Senat bei der Entscheidungsfindung vor.
II.
Das zulässige Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 1. Kammer ist unbegründet.
Gemäß § 60 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94; Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94, jeweils zitiert nach juris). Indes kann die Ablehnung nicht auf die Verfahrensweise oder die bloße Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, 2007, § 42 Rdnr. 9, 24, 28 m. w. N.).
Hier liegt kein Grund vor, der die Ablehnung des Vorsitzenden der 1. Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Insbesondere hat die ASt weder einen Verstoß gegen anerkannte rechtliche Grundsätze dargelegt, noch ist ein solcher nur ansatzweise erkennbar.
Die ASt sieht sich zunächst durch die fehlende Auseinandersetzung des Vorsitzenden der 1. Kammer mit der Verwertbarkeit des Gutachtens in ihren Rechten verletzt. Doch besteht die von der ASt eingeforderte Pflicht zur Auseinandersetzung mit ihren Argumenten zur Verwertbarkeit nicht, sodass deren Unterlassen auch nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Doch selbst bei einer Stellungnahme des Vorsitzenden der 1. Kammer zur Verwertbarkeit des Gutachtens hätte seine rechtliche Würdigung nicht hätte abschließend sein können, weil die Verwertbarkeit des Gutachtens im Rahmen der Beweiswürdigung erst bei der durch das SGG vorgesehenen Kollegialentscheidung mit zwei ehrenamtlichen Richtern geklärt werden kann. Der Vorsitzende der 1. Kammer hat in diesem Zusammenhang auch nicht das rechtliche Gehör der ASt verletzt. Denn er hat ihr das Gutachten übersandt und sie somit von allen Tatsachen unterrichtet, die er verwertet werden will. Auch hat er ihr die Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.
Soweit der Vorsitzende der 1. Kammer Ausführungen zu § 109 SGG gemacht hat, begründet dies keinen Verfahrensverstoß, der die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte. Vielmehr hat der Vorsitzende diesen Hinweis im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gemacht. Gleiches gilt für den vorsorglichen Hinweis darauf, dass kein Anspruch auf textliche Veränderungen des Gutachtens bestehe. Diese Hinweise begründen aber keine Voreingenommenheit, sie liegen vielmehr im wohlverstandenen Interesse eines jeden Klägers, da so die noch bestehenden prozessualen Möglichkeiten verdeutlicht werden. Auch die Art und Weise, wie der Vorsitzende der 1. Kammer die Hinweise gegeben hat, begründet keine Voreingenommenheit. Das Schreiben war freundlich und sachlich. Der Hinweis auf den zu erbringenden Kostenvorschuss entspricht der Rechtslage nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG.
Auch die auferlegte Begründungspflicht zum Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen war ein rechtlicher Hinweis im Interesse der ASt. Denn diese hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur qualitative Mängel im Gutachten, nicht aber Hinweise auf die Parteilichkeit des Sachverständigen vorgetragen.
Schließlich kann die ASt die Besorgnis der Befangenheit nicht auf eine unvollständige Übersendung der Verwaltungsakten durch den Vorsitzenden der 1. Kammer stützen. Er hat nicht selektiert, sondern genau die Akten übersandt, die ihm von dem Beklagten vorgelegt worden sind. Auch damit hat er dem Grundsatz auf Gewährung von rechtlichem Gehör entsprochen. Soweit die Ast von dem Vorsitzenden Ermittlungen über die Existenz einer weiteren Verwaltungsakte fordert, will sie ihm die Art und Weise der Verfahrensführung diktieren. Die Beurteilung der Richtigkeit der Handlungen und Entscheidungen des Vorsitzenden der 1. Kammer obliegt allein den Rechtsmittelgerichten, rechtfertigt aber keine Befangenheit.
Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben.
Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
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