L 10 KR 20/04

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KR 45/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 20/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Begründung eines Scheinbeschäftigungsverhältnisses
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. Dezember 2003 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die verstorbene Ehefrau des rechtsnachfolgenden Klägers, Frau Bettina B. (im Folgenden: Frau B.), in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 19. März 2000 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der T. GmbH gestanden hat.

Der Kläger war seit der Eintragung der T. GmbH im Handelsregister im April 1994 bis August 2001 dort Gesellschafter und Geschäftsführer. Neben ihm war bis August 2000 Herr A. aus B. Geschäftsführer. Beide hatten Einzelvertretungsbefugnis und durften Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder mit sich als Vertreter Dritter abschließen. Die Wohnung der Eheleute und das Betriebsgebäude lagen in unmittelbarer Nachbarschaft und wurden durch den gemeinsam genutzten Hof bzw. Parkplatz getrennt. Die GmbH wurde im Juni 2006 aufgelöst.

Nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen Frau B. und der T. GmbH vom 6. Juli 1999 sollte Frau B. als Leiterin des Innendienstes/Verkaufs mit (rückwirkendem) Beschäftigungsbeginn zum 1. Juli 1999 und einem monatlichen Bruttogehalt von 5400,00 DM bei der GmbH beschäftigt werden. Es war eine Probezeit von einem Monat und eine Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende vereinbart. Eine Nebenbeschäftigung durfte nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Arbeitgebers ausgeübt werden, die Gehaltszahlung erfolgte auf ein Gehaltskonto. Der Arbeitsvertrag war auf Arbeitgeberseite vom Kläger unterschieben. Am 20. Juli 1999 füllte Frau B. und für ihren Arbeitgeber der Kläger einen Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht eines Arbeitsverhältnisses unter Familienangehörigen und Verwandten aus. Danach handelte es sich um eine Dauerbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Über die Arbeitszeit und den Arbeitsplatz könne nicht frei verfügt werden, es werde Lohnsteuer abgeführt und das Entgelt als Betriebsausgabe gebucht. Wenn Frau B. ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben würde, wäre die Einstellung einer anderen Arbeitskraft erforderlich.

Mit Bescheid vom 18. August 1999 stellte die Beklagte bezüglich der Tätigkeit der Frau B. bei der T. GmbH Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fest.

Mit Schreiben vom 11. November 1999 teilte die Beklagte Frau B. mit, der Bescheid vom 18. August 1999 werde nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) aufgehoben. Frau B. habe sich unmittelbar vor der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses wegen ihrer schweren Erkrankung einem stationären Krankenhausaufenthalt unterzogen. Ihre Erkrankung sei ihr bereits vor dem 1. Juli 1999 bekannt gewesen, und das Beschäftigungsverhältnis hätte daher von vornherein nie gelebt werden können. Daraus lasse sich schließen, dass lediglich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis konstruiert worden sei, um einen erhöhten Leistungsanspruch zu erhalten. Frau B. wurde Gelegenheit gegeben, sich innerhalb von 14 Tagen zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern.

Mit einem am 30. November 1999 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben teilte der Kläger der Beklagten mit, Frau B. habe die Arbeitsstelle angetreten und nach ihren Möglichkeiten und ihrem Gesundheitszustand gearbeitet und dafür Gehaltszahlungen erhalten. Arbeitgeber sei nicht ihr Ehegatte, sondern eine juristische Person, die T. GmbH, die keine Einmann-GmbH sei. In der T. GmbH seien elf Arbeitnehmer beschäftigt. Tätigkeit und Entlohnung der Frau B. seien der von früheren Mitarbeitern vergleichbar. Der Arbeitsplatz sei nicht anderweitig besetzt und werde für Frau B. freigehalten. Sozialabgaben und die Lohnsteuer seien bereits abgeführt worden. Die Stornierung sei daher nicht nachvollziehbar.

Mit Bescheid vom gleichen Tag "stornierte" die Beklagte die zum 1. Juli 1999 begründete Pflichtmitgliedschaft der Frau B. aus den bereits im Anhörungsschreiben genannten Gründen. Bis zum 30. November 1999 war Frau B. bei der Beklagten aufgrund der Versicherung des Klägers familienversichert. Ab 1. Dezember 1999 war sie nicht mehr krankenversichert.

Am 29. Dezember 1999 legte Frau B. gegen den Bescheid vom 30. November 1999 Widerspruch ein. Das Arbeitsverhältnis werde ausgeübt, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge würden abgeführt. Bis zum 15. Oktober 1999 sei die Beklagte selbst vom Vorliegen eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses ausgegangen, da sie dem Arbeitgeber entsprechende Entgeltbescheinigungen übersandt habe. Das Arbeitsverhältnis halte jedem Fremdvergleich stand, und es sei brauchbare Arbeit geleistet worden. Das könne nun nicht rückwirkend über mehrere Monate in Abrede gestellt werden.

Auf eine Nachfrage der Beklagten beim Hausarzt der Frau B., Dr. H. , teilte dieser am 27. Januar 2000 mit, die Patientin habe ihn am 25. Juni 1999 nach einem Krankenhausaufenthalt vom 14. Juni 1999 bis 25. Juni 1999 mit der Diagnose eines metastasierenden Mammakarzinoms aufgesucht. Nach seiner Kenntnis habe Frau B. die bösartige Erkrankung seit Juni 1999 bekannt sein müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2000 lehnte der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Frau B. mit der Begründung ab, die Grenzen rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses seien überschritten, wenn günstige, öffentlich-rechtliche Folgewirkungen beansprucht würden, ohne dass ein Mindestmaß der Voraussetzungen erfüllt sei. Da Frau B. nach dem Schreiben ihres Hausarztes ihre Erkrankung bereits vor dem 1. Juli 1999 bekannt gewesen sei, habe das Beschäftigungsverhältnis mit der T. GmbH von vornherein nicht gelebt werden können. Dies lasse den Schluss zu, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis lediglich konstruiert worden sei, um einen günstigen Schutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erlangen.

Ab 20. März 2000 war Frau B. in einer Teilzeitbeschäftigung mit halber Arbeitszeit bei der T. GmbH beschäftigt und wurde bei der IKK Gesund Plus pflichtversichert.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat Frau B. am 30. März 2000 Klage erhoben und zunächst vorgetragen, der Widerspruchsbescheid sei ihr am 29. Februar 2000 zugestellt worden. Im Weiteren hat sie dann eidesstattlich versichert, der Widerspruchsbescheid sei ihr erst am 2. März 2000 zugegangen. Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen, sie habe sich in der Zeit vom 14. bis 25. Juni 1999 sowie in der Zeit vom 2. bis 8. Juli 1999 wegen eines metastasierenden Mammakarzinoms einer stationären Behandlung unterzogen. Am 1. Juli 1999 habe sie aber tatsächlich die Arbeit bei der T. GmbH bereits aufgenommen, auch wenn der Arbeitsvertrag erst während ihres stationären Aufenthaltes am 6. Juli 1999 unterzeichnet worden sei. Im Anschluss an diesen Krankenhausaufenthalt habe sie die Tätigkeit wieder aufgenommen. In der Zeit vom 28. Juli 1999 bis zum 19. März 2000 sei sie wegen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und dementsprechend krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit krankgeschrieben gewesen. Die von ihr verrichtete, im Einzelnen näher beschriebene Tätigkeit sei bis Mai 1998 von Frau G. G. gegen ein Gehalt von 4.500,- DM ausgeübt worden. Im Anschluss seien die Aufgaben als Leiterin Innendienst/Verkauf zunächst von anderen Mitarbeitern übernommen worden. Ab 2001 habe Frau B. die Geschäftsleitung der T. GmbH übernehmen wollen, hiervon sei aber aufgrund ihres Gesundheitszustandes Abstand genommen worden. Sie habe während ihrer Tätigkeit stets dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterstanden. Die T. GmbH habe das Entgelt für den Zeitraum vom 9. September 1999 bis zum 19. März 2000 und die Behandlungskosten aus der stationären Behandlung in der M. -Universität gezahlt (vgl. Blatt 222), weil die Beklagte kein Krankengeld gezahlt und den Versicherungsschutz abgelehnt habe. Im Juli 1999 habe Frau B., ebenso wie verschiedene andere Mitarbeiter, auf ihr Gehalt lediglich einen Abschlag erhalten. Der Kläger ist der Auffassung, wegen der Änderung des § 186 Abs. 1 SGB V von Anfang 1998 beginne die Versicherungspflicht und Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nunmehr auch bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der vertraglich vorgesehenen Arbeitsaufnahme der Tätigkeit, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes habe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses und der Beginn der Mitgliedschaft auch dann nicht ausgeschlossen, wenn ein Arbeitnehmer die Beschäftigung aufnehme, obwohl er wegen seines Gesundheitszustandes zur Ausübung der vereinbarten Tätigkeit nicht oder nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit in der Lage sei. Die Beklagte habe außerdem ihren Bescheid auf Vermutungen gestützt, da sie von dem stationären Krankenhausaufenthalt der Versicherten zum Zeitpunkt der Entscheidung noch keine Kenntnis gehabt habe. Zudem werde der Bescheid den Anforderungen des § 45 SGB X nicht gerecht, da die Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe. Schon mit dem Schreiben vom 11. November 1999 sei der Bescheid vom 18. August 1999 ohne Anhörung aufgehoben worden. Missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Beklagten könne Frau B. nicht vorgehalten werden, und es liege auch kein Scheingeschäft vor. Der Klage sind als Beleg für die Lohnzahlung u. a. Kopien von Kontoauszügen, der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2000 sowie Auszüge aus dem Jahreskonto der T. GmbH beigefügt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die Beklagte hat ausgeführt, nach der Rechtsprechung des BSG trage für die Versicherungspflicht derjenige die Beweislast, der sich darauf berufe. Die Versicherungspflicht sei hier nicht hinreichend bewiesen. Frau B. sei spätestens seit Mai 1999 aufgrund einer onkologischen Erkrankung ärztlich behandelt worden und am 1. Juli 1999 gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, die Beschäftigung vollschichtig auszuüben. Sie sei in der Zeit vom 24. Mai bis 8. Juni 1999, vom 14. bis 18. Juni 1999, vom 21. bis 25. Juni 1999, vom 2. bis 8. Juli 1999, vom 19. bis 20. Juli 1999 und vom 26. bis 27. Juli 1999 jeweils mit der Diagnose ICD 174.9: bösartige Neubildung Brust stationär behandelt worden, ab Juli mit Chemotherapie. Zudem sei sie nach den bei der Beklagten vorliegenden Unterlagen vom 26. Juli bis 30. November 1999 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der Arbeitsvertrag sei am 6. Juli 1999 und damit während der stationären Krankenhausbehandlung bei Chemotherapie unterzeichnet worden. Es gehe vorliegend nicht um die Frage eines sogenannten "missglückten Arbeitsversuchs". Frau B. sei seit August 1996 nicht erwerbstätig und familienversichert gewesen. Interessant sei auch, dass sie ihre Arbeitszeit nach Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit von vollschichtig (40 Stunden pro Woche) auf Teilzeit (4 Stunden täglich) reduziert habe. Zudem lasse allein die Zahlung von Arbeitsentgelt nicht die Schlussfolgerung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu. Es widerspreche den Grundsätzen der Vernunft, einen schwerstkranken Menschen neu in einem Unternehmen anzustellen und ihn mit einer verantwortungsvollen Aufgabe zu betrauen, wenn die Schwere der Erkrankung bekannt und eine Besserung des Gesundheitszustandes vorerst nicht zu erwarten sei. Wenn Frau B. in der streitigen Zeit tatsächlich gearbeitet hätte, würde dies einen Beitragsanspruch, aber keinen Krankengeldanspruch auslösen. An den Nachweis der Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründeten, seien nach der Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen zu stellen, wenn der Verdacht von Manipulationen zu Lasten der Krankenkassen bestehe. Das Schreiben vom 11. November 1999 stelle eine Anhörung und keinen Rücknahmebescheid nach § 45 SGB X dar. Dies werde auch aus dem Schreiben deutlich. Demgemäß habe der Kläger auch nur beantragt, den Bescheid vom 30. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2000 aufzuheben und das Schreiben vom 11. November 1999 nicht erwähnt. Eine Ermessensentscheidung zu Gunsten von Frau B. habe nicht getroffen werden können, da es sich um ein Scheingeschäft nach § 117 BGB zur Erlangung von Leistungen (Krankengeld) gehandelt habe. Ein Ermessensfehler liege nicht vor, vorsorglich werde aber die erforderliche Ermessensbegründung nachgeholt. Bei Erlass des Bescheides sei der Beklagten durchaus bewusst gewesen, dass § 45 SGB X auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eröffne. Gegen die Rücknahme des Bescheides sprechende Umstände hätten jedoch nicht vorgelegen. Allein der schlechte Gesundheitszustand der Frau B. lasse das öffentliche Interesse an der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nicht zurücktreten. Der Kläger könne noch Umstände darlegen, die im Rahmen der Ermessensabwägung zu berücksichtigen seien.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 13. September 2001 beigezogen. Darin ist ausgeführt, am 11. Juni 1999 sei es nach Feststellung der Brustkrebserkrankung zu Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwäche, Kraftlosigkeit und Schmerzattacken gekommen. Er habe Frau B. vom 28. Juli 1999 bis 20. Oktober 1999 arbeitsunfähig geschrieben. Er hat einen Arztbrief der Frauenklinik und Hebammenschule des Städtischen Klinikums K. vom 8. Juni 1999 beigefügt, aus welchem bereits die Diagnose eines exulzerierten, ossär metastasierten Mammakarzinoms links hervor geht. Weiter hat er verschiedene Arztbriefe der M.-Universität beigefügt. Die Frage, ob Frau B. ab Juni/Juli 1999 bewusst gewesen sein müsse, dass sie für längere Zeit arbeitsunfähig sein könne, hat er in einem weiteren Schreiben aufgrund der Schwere der Erkrankung bejaht. Weiter hat das Sozialgericht einen Befundbericht von Dr. L. , Oberarzt der M. -Universität, Zentrum für Frauenheilkunde, vom 9. September 2002 eingeholt, in welchem von einem weit fortgeschrittenen Tumorleiden berichtet wird. Frau B. sei während der gesamten Behandlung arbeitsunfähig gewesen, nach der Entlassung sei die weitere Beurteilung seitens des Hausarztes erfolgt. Im Verlauf der Behandlung habe die Metastasierung zugenommen. Frau B. sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Beigefügt waren auch hier verschiedene Arztbriefe, darunter einer des Städtischen Klinikums K. vom 10. Juni 1999.

Frau B. hat hierzu ausgeführt, sie könne sich die Angaben des Dr. H. , ab dem 11. Juni 1999 unter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwäche, Kraftlosigkeit und Schmerzattacken gelitten zu haben, nicht erklären. Sie könne sich nicht erinnern, ihm die genannten Beschwerden geklagt zu haben. Der Befundbericht von Dr. L. stehe ihrer ernstlichen Absicht zur Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht entgegen. Dies werde durch den beigefügten Bericht von Dr. H. (St. V. -Krankenhäuser K. ) vom 25.01.2001 (Bl. 120) gestützt, der von einem beschwerdefreien Zustand der Frau B. berichtete.

Frau B. ist am 29. Juni 2002 verstorben. Seitdem führt der Kläger, der Alleinerbe ist, das Verfahren als Rechtsnachfolger fort.

Das Sozialgericht hat in der nicht öffentlichen Sitzung am 8. August 2003 drei Zeugen zum Umfang der Tätigkeit der Frau B. vernommen. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen.

Die Beklagte hat zu der Aussage der Zeugin R. , Frau B. sei im Juli 1999 an allen Tagen anwesend gewesen, ausgeführt, dies könne nicht zutreffen, da Frau B. in dieser Zeit vom 2. bis 8. Juli und vom 19. bis 20. Juli 1999 in stationärer Behandlung gewesen sei. Gegen die Aussage der Zeugin M. K. hat die Beklagte eingewandt, diese habe in der streitigen Zeit noch gar nicht im Betrieb gearbeitet. Der Zeuge U. T. habe ausgeführt, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob Frau B. ab Mitte 1999 krankheitsbedingt nicht in der Firma gewesen sei.

Mit Urteil vom 22. Dezember 2003 hat das Sozialgericht Halle den Bescheid der Beklagten vom 30. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2000 aufgehoben. Die Klage sei rechtzeitig erhoben, da der Widerspruchsbescheid am 28. Februar 2000 zur Post gegeben worden sei und daher nach § 4 Verwaltungszustellungsgesetz am 2. März 2000 als zugestellt gelte. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass es zum 1. Juli 1999 zu einem rechtswirksamen Arbeitsvertrag mit Frau B. gekommen sei. Diese habe trotz der Schwere ihrer Erkrankung – abgesehen von den Zeiträumen ihrer stationären Aufenthalte – ihre berufliche Tätigkeit ausgeübt. Insoweit seien die übereinstimmenden Zeugenaussagen glaubhaft. Das Beschäftigungsverhältnis habe bis zum Krankenkassenwechsel der Frau B. zum 1. Dezember 1999 bestanden. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass ein Bezug von Krankengeld aufgrund der Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht in Betracht komme.

Gegen das der Beklagten am 16. März 2004 zugestellte Urteil hat diese am 8. April 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung beruft sie sich auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes vom 6. Mai 2003, das neben den vorliegenden ärztlichen Befundberichten eindeutig bestätige, dass die Schwere der Erkrankung bereits am 24. Mai 1999 bekannt gewesen sei. Aufgrund des vorangeschrittenen Krankheitsstadiums habe bei Frau B. Anfang Juli 1999 auch keine individuelle Leistungsfähigkeit bestanden. Diese habe in einem Schreiben vom 26. April 2000 an die Firma T. GmbH selbst mitgeteilt, dass seit dem 28.7.1999 Arbeitsunfähigkeit vorliege und seitens der Firma seit dem 9. September 1999 bis zum 19. März 2000 kein Gehalt gezahlt worden sei. Außerdem habe sie im Juli 1999 mindestens 15 Fehltage aufgrund Arbeitsunfähigkeit gehabt. Die Zeugenaussagen seien daher nicht glaubhaft. Die Zeugin R. und der Zeuge T. seien außerdem neben der Gesellschafterin H. B. seit dem 17. Juli 2001 ebenfalls Gesellschafter der Firma T. GmbH.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Schreiben vom 26. April 2000 stehe nicht im Widerspruch zu den klägerseitigen Aussagen, weil darin ausdrücklich auf die Zeit ab 28. Juli 1999 Bezug genommen werde. Die Glaubwürdigkeit der Zeugen werde durch ihre Gesellschafterstellung nicht in Frage gestellt. Die Klage sei auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidungen gerichtet und diene daneben der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte. Für den Zeitraum vom 1. Dezember 1999 bis zur Versicherung bei der IKK bestehe eine Versicherungslücke. Aus diesem Zeitraum resultierten noch offene Behandlungskosten. Frau B. habe weiterhin Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie auch gearbeitet habe. Ansonsten habe sie Arbeitsentgelt im Rahmen der Lohnfortzahlung erhalten. Sie sei immer in der Firma involviert gewesen, zum 1. Juli 1999 sei sie eingestellt worden, weil der Kläger selbst zu dieser Zeit mit dem Aufbau eines zweiten Unternehmens erheblich belastet gewesen sei. Frau B. habe auf jeden Fall eine 40 Stundenwoche gehabt, wenn nicht mehr. Der Kläger und Frau B. hätten gleich neben dem Betrieb gewohnt, so dass Frau B. abgesehen von den Zeiten ihrer Krankenhausaufenthalte tatsächlich jeden Tag in der Firma gewesen sei.

Die T. GmbH ist seit Juni 2006 aufgelöst. Der Senat hat die übrigen Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen. Sie haben keine Anträge gestellt.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2009 den Zeugen U. T. vernommen, für dessen Aussage auf das Protokoll der Sitzung Bezug genommen wird.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der streitige Bescheid ist nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung i. S. v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichtet, sondern auf die Aufhebung der Feststellung der Versicherungspflicht. Die Berufung ist daher nicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes beschränkt und im Hinblick auf ihre form- und fristgerechte Einlegung zulässig.

Wie bereits das Sozialgericht festgestellt hat, war auch die Klage fristgerecht erhoben. Nach § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nach Satz 3 dieser Vorschrift nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Danach gilt der am 28. Februar 2000 zur Post gegebene Widerspruchsbescheid am 2. März 2000 als zugestellt, so dass die am 30. März 2000 erhobene Klage fristgerecht ist.

Der Kläger konnte die Klage als Rechtsnachfolger der nach Klageerhebung am 29. Juni 2002 Verstorbenen nach § 202 SGG i. V. m. §§ 239 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) fortsetzen. Als Alleinerbe war er Rechtsnachfolger im Sinne dieser Vorschriften. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch durch den Tod der Frau B. nicht entfallen. Dabei kann dahinstehen, ob aus der streitigen Versicherungspflicht noch Ansprüche gegen die Beklagte (z. B. auf Krankengeld oder wegen Schadensersatzansprüchen) möglich sind, da nach der Mitteilung des beigeladenen Rentenversicherungsträgers aus der streitigen Versicherung der Verstorbenen sowohl Witwer- als auch Waisenrenten gezahlt werden, die sich erhöhen könnten, wenn die streitige Versicherungspflicht festgestellt würde. Dies ist für das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls ausreichend.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 30. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2000, mit welchem die Beklagte die zum 1. Juli 1999 begründete und mit Bescheid vom 18. August 1999 festgestellte Mitgliedschaft der Frau B. rückwirkend "storniert" hat. Damit steht die Versicherungspflicht der Frau B. vom 1. Juni 1999 bis zum 19. März 2000 im Streit, da nach den Angaben der Klägerseite das streitige Beschäftigungsverhältnis in dieser Zeit unverändert fortbestand. Für die ab 20. März 2000 von Frau B. und der T. GmbH angegebene Teilzeitbeschäftigung ist seitens einer anderen Krankenkasse Versicherungspflicht angenommen worden. Der insoweit zumindest inzident ergangene und inzwischen bestandskräftige Verwaltungsakt ist nicht angefochten worden, so dass die Versicherungspflicht ab diesem Zeitpunkt nicht streitgegenständlich ist.

Unerheblich ist, dass das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen lediglich von einem streitigen Zeitraum bis 30. November 1999 ausgegangen ist. In materielle Rechtskraft erwächst nur die Urteilsformel, die Entscheidungsgründe sind insoweit nur zur Auslegung und näheren Bestimmung der Urteilsformel heranzuziehen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 141 Rz. 7 ff.). Mit der Urteilsformel hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 30. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2000 aufgehoben. Dadurch "lebte" zunächst der Bescheid vom 18. August 1999 mit der Feststellung der Versicherungspflicht ab 1. Juli 1999 wieder auf und blieb bis zu seiner Änderung durch die ab 20. März 2000 angenommene Versicherungspflicht in Bezug auf die neu angemeldete Teilzeitbeschäftigung der Frau B. bei der T. GmbH in Kraft. Eine demgegenüber mögliche Begrenzung des Streitgegenstandes auf den Zeitraum bis einschließlich 30. November 1999 ist auch den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils nicht zu entnehmen. Die Ausführung, das Beschäftigungsverhältnis habe bis zum Krankenkassenwechsel der Frau B. zum 1. Dezember 1999 bestanden, verdeutlicht vielmehr, dass auch das Sozialgericht auf den Zeitpunkt des Krankenkassenwechsels abstellen wollte. Da dieser aber nicht zum 1. Dezember 1999, sondern erst zum 20. März 2000 stattgefunden hat, ist auch nur das Datum des tatsächlichen Krankenkassenwechsels für die zeitliche Abgrenzung des Streitgegenstandes maßgeblich.

Der Bescheid der Beklagten vom 30. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2000 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, denn Frau B. stand in der streitigen Zeit nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur T. GmbH und die Beklagte hat ihren vorherigen Bescheid vom 18. August 1999, mit der sie die Versicherungspflicht der Beschäftigung zunächst festgestellt hatte, rechtsfehlerfrei zurückgenommen.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt ist nach § 44 SGB X zurückzunehmen.

Ein begünstigender Verwaltungsakt ist ein solcher, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (Legaldefinition in § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X). Der Bescheid der Beklagten vom 18. August 1999, mit welchem sie die Versicherungspflicht der Beschäftigung der Frau B. bei der T. GmbH in allen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt hat, enthält sowohl begünstigende (mögliche Leistungsansprüche aus den einzelnen Sozialversicherungszweigen) als auch belastende (Beitragspflicht) Elemente. Leistungs- und Beitragspflichten sind in der Sozialversicherung untrennbar miteinander verbunden, so dass der feststellende Verwaltungsakt eine Doppelwirkung hat. Bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung richtet sich die Korrektur je nach Ausmaß des zuzubilligenden Vertrauensschutzes entweder nach § 44 SGB X oder nach § 45 SGB X. Dabei kommt es darauf an, ob die begünstigenden oder die belastenden Elemente des Verwaltungsaktes überwiegen. Hierbei ist im Zweifel die Sicht des Betroffenen richtungsweisend (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl., § 44 Rz. 7; ähnlich auch Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 44 SGB X, Rz. 12 ff. m.w.N.). Frau B. war offensichtlich sehr an der Versicherungspflicht ihrer Beschäftigung in der streitigen Zeit gelegen. Der die Versicherungspflicht feststellende Verwaltungsakt vom 18. August 1999 enthielt daher aus ihrer Sicht für sie offensichtlich überwiegend begünstigende Elemente. Für die Aufhebung dieses Verwaltungsaktes ist ihr daher der in § 45 SGB X verankerte erheblich weitergehende Vertrauensschutz zuzubilligen, so dass die Beklagte diesen Verwaltungsakt nur unter Berücksichtigung dieser erhöhten Vertrauensschutzgesichtspunkte zurücknehmen konnte.

Der Verwaltungsakt der Beklagten vom 18. August 1999 war rechtswidrig, weil Frau B. in der Zeit ab 1. Juli 1999 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der T. GmbH gestanden hat. Zwar steht die bloße Tatsache der Arbeitsunfähigkeit der Frau B im Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen. Das BSG hat sein gegenteilige Rechtsprechung zum missglückten Arbeitsversuch aufgegeben (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1989 – B 1 KR 10/96 R), weil die Versicherungspflicht nach den Vorschriften des SGB V nicht von bestimmten gesundheitlichen Voraussetzungen oder von der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten abhängt. Dies ist durch das Gesetz zur sozialen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6. April 1998 (BGBl. I S. 688) bestätigt worden, wodurch § 186 Abs. 1 SGB V rückwirkend zum 1. Januar 1998 dahingehend geändert worden ist, dass anstelle des Eintritts in die Beschäftigung nunmehr der Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis für das Entstehen der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung genügt. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 13/9818, S. 13) sollte damit u. a. gegenüber der anderslautenden Rechtsprechung des BSG klar gestellt werden, dass eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann zustande kommt, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat.

Gleichwohl bleibt zu prüfen, ob ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis begründet worden ist. Dies setzt Willenserklärungen mit der ernsthaften Absicht voraus, die gegenseitigen Pflichten des vereinbarten Arbeitsverhältnisses tatsächlich einzugehen. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Die Beurteilung des Vorliegens eines solchen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses richtet sich nicht nur nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Die Begründung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist insbesondere von einem Scheingeschäft abzugrenzen, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Hierzu hat das BSG ausgeführt, dass Versicherungspflicht nicht eintritt, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. In Fällen, in denen die Umstände ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahe legten, bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung dieser Umstände und der von den Arbeitsvertragsparteien wirklich verfolgten Absichten. Zusätzliche Ermittlungen seien beispielsweise erforderlich, wenn bereits bei der Arbeitsaufnahme Arbeitsunfähigkeit bestehe, dieses bekannt sei und die Arbeit alsbald aufgegeben werde. Liege zusätzlich eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor, sei eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe vereinbart, habe der Betroffene einen anderweitigen Versicherungsschutz verloren oder sei eine rückwirkende Anmeldung bei der Krankenkasse nach zwischenzeitlichem Auftreten einer kostenaufwendigen Erkrankung erfolgt, könne von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräfteten (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.1998 – B 1 KR 10/96 R, Rdz. 19, zit. nach Juris).

Unter Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles muss von einem missbräuchlichen Verhalten der Beteiligten zu Lasten der gesetzlichen Sozialversicherung ausgegangen werden. Nach Überzeugung des Senats steht fest, dass die Beteiligten das Arbeitsverhältnis von vornherein in der Absicht eingegangen sind, Frau B. werde die Tätigkeit auf Grund ihrer schwerwiegenden und langfristigen, wenn nicht gar tödlichen Erkrankung nicht antreten oder alsbald wieder aufgeben. Dies wird durch die eingeholten medizinischen Unterlagen belegt. Frau B. war bereits in der Zeit vom 24. Mai bis 8. Juni 1999, vom 14. bis 18. Juni 1999, vom 21. bis 25. Juni 1999 und vom 2. bis 8. Juli 1999 jeweils mit der Diagnose ICD 174.9, bösartige Neubildung in der Brust, stationär behandelt worden. Nach einem Arztbrief des Städtischen Klinikums K. vom 10. Juni 1999 ist die Patientin bereits zu diesem Zeitpunkt intensiv über ihre Erkrankung aufgeklärt und beraten worden. Sie habe sich für eine Therapie am Wohnort entschieden. Ihr Hausarzt hat bestätigt, dass diese bösartige Erkrankung mindestens seit Juni 1999 bekannt gewesen sein müsse. In dem Arztbrief der M.-Universität H. vom 24. Juni 1999 ist bereits ein exulzeriertes ossär metastasiertes Mammakarzinom links angegeben. Danach hat bereits am 24. Juni 1999 ein erster Zyklus Chemotherapie stattgefunden. Der behandelnde Oberarzt der M.-Universität H., Dr. L. , hat in einem Befundbericht vom 9. September 2002 ausgeführt, es habe sich um ein weit fortgeschrittenes Tumorleiden gehandelt und Frau B. sei während der gesamten Behandlung arbeitsunfähig gewesen. Sie sei nicht in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In einem weiteren Arztbrief der M.-Universität vom 21. Dezember 2000 ist ausgeführt, dass der erste Zyklus Chemotherapie EC im Juni 1999 wegen schwerer Neutropenie mit neutropenischem Fieber und Infektion nicht weiter habe durchgeführt werden können. Frau B. habe anstelle dessen sechs Zyklen Taxol weekly erhalten. Ihr Hausarzt Dr. H. hat am 22. November 2002 mitgeteilt, im Vordergrund der Behandlung im Juni 1999 hätten die Beschwerden der Chemotherapie gestanden. Eine hausärztliche Mitbetreuung wegen Schwächezuständen und schwerer Leucopenien sei erfolgt. Auf Grund der Schwere der Erkrankung habe Frau B. bewusst sein müssen, dass sie auf längere Zeit arbeitsunfähig sein könne. Daraus folgert der Senat, dass Frau B. bei Abschluss des Vertrages Anfang Juli 1999 auf Grund der Art und Schwere ihrer Erkrankung, über die sie umfassend aufgeklärt war, nicht davon ausgehen konnte, die vereinbarte Arbeitstätigkeit alsbald antreten und dauerhaft ausüben zu können. Der von Dr. H. im Arztbrief vom 25. Januar 2001 beschriebene beschwerdefreie Zustand kann dem nicht entgegengehalten werden, da sich diese Ausführungen auf eine erstmalige Vorstellung der Frau B. in der dortigen Klinik am 23. Januar 2001 bezogen. Daraus können keine Rückschlüsse auf die gesundheitliche Situation der Frau B. im Juli 1999 gezogen werden.

Zusätzlich sprechen weitere Umstände für ein missbräuchliches Verhalten der Beteiligten. So wurde der schriftliche Arbeitsvertrag am 6. Juli 1999 rückwirkend zum 1. Juli 1999 geschlossen. Dies geschah während eines stationären Krankenhausaufenthaltes der Frau B. in der Zeit vom 2. Juli bis 8. Juli 1999. Dabei sind auch die verwandtschaftlichen Beziehungen der Frau B. zum Arbeitgeber nicht außer Acht zu lassen. Der Kläger – ihr Ehemann – war gemeinsam mit einem Herrn A. aus B. Gesellschafter und Geschäftsführer der T. GmbH. Er hatte Einzelvertretungsbefugnis. Wie das in der Verwaltungsakte befindliche Schreiben der T. GmbH vom 24. November 1999 zeigt, hat er in dieser Zeit auch mit der Einzelvertretungsbefugnis gearbeitet und ist allein als Arbeitgeber aufgetreten. Der Vergleich der Unterschriften zeigt auch, dass er als Arbeitgeber den Arbeitsvertrag mit Frau B. allein unterschrieben hat.

Die Höhe des vereinbarten Arbeitsentgeltes liegt mit 5.400,00 DM genau auf der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung im Beitrittsgebiet im Jahre 1999, nachdem die Tätigkeit zuletzt bis Mai 1998 von einer angestellten Mitarbeiterin gegen ein Entgelt von 4.500,00 DM ausgeübt worden ist. Zwischenzeitlich konnte die Arbeit offensichtlich ohne Besetzung dieser Stelle von anderen Mitarbeitern zusätzlich erledigt werden.

Schließlich sind die Arbeitszeiten der Frau B. offensichtlich nicht erfasst worden und dies, obwohl die tatsächliche Arbeitsaufnahme bereits mit Anhörungsschreiben vom 11. November 1999 angezweifelt worden war. Auch zu den Aufgaben der Frau B. im Einzelnen wurde mit Schriftsatz der Klägerseite vom 21. Mai 2003 erstmalig vorgetragen; zu diesem Zeitpunkt war Frau B. bereits verstorben. Eine zeitnahe Aufzeichnung und beweiskräftige Dokumentation ihrer Arbeitszeiten wäre 1999/2000 ohne Weiteres möglich gewesen. Stattdessen ergibt sich jedoch aus den relativ vagen Angaben der Klägerseite allenfalls eine tatsächliche Tätigkeit der Frau B. am 1. Juli 1999 (einem Donnerstag) und vom 9. Juli (einem Freitag) bis 27. Juli 1999 (einem Dienstag). Diesbezüglich hatten zwar der Kläger in einem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 30. November 1999 und Frau B. in ihrem Widerspruchsschreiben vom 29. Dezember 1999 erklärt, das Arbeitsverhältnis werde ausgeübt, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge würden abgeführt, demgegenüber enthält aber das Schreiben der Frau B. vom 26. April 2000 an die T. GmbH die Angaben, seit 28. Juli 1999 habe Arbeitsunfähigkeit vorgelegen und seitens der Firma sei vom 9. September 1999 bis zum 19. März 2000 kein Gehalt gezahlt worden. In der Klagebegründung (Schriftsatz vom 14. Juli 2000, S. 3/4) wird dann ausgeführt, Frau B. habe ihre Tätigkeit am 1. Juli 1999 begonnen und diese im Anschluss an den stationären Aufenthalt vom 2. bis 8. Juli 1999 wieder aufgenommen. In der Zeit vom 28. Juli 1999 bis zum 19. März 2000 sei sie wegen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und dementsprechend krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit krankgeschrieben gewesen. Den pauschalen Ausführungen, Frau B. habe tatsächlich gearbeitet, soweit es ihr Gesundheitszustand erlaubt habe und insoweit sei auch Lohn gezahlt worden, lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr liegen auch für die Lohnzahlungen Belege lediglich für eine Abschlagszahlung in Höhe von 2.200,00 DM für Juli 1999 (Bl. 73) sowie bezüglich einer Zahlung für August 1999 in Höhe von 3.636,78 DM (Bl. 69) bzw. in Höhe von 3.836,74 DM (Bl. 71) vor. Aus der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2000 (Bl. 66) geht hervor, dass jedenfalls für die Zeit vom 1. Januar bis 19. März 2000 keine Lohnzahlungen mehr erfolgt sind. Weitere Nachweise sind trotz Nachfragen nicht vorgelegt worden. Der Senat geht daher davon aus, dass jedenfalls über die Zahlungen für Juli 1999 und August 1999 hinaus keine Zahlungen geleistet wurden, auch wenn mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2003 (Seite 4 des Schriftsatzes, Bl. 222 Gerichtsakte) mitgeteilt worden ist, die Firma habe das Entgelt vom 9. September 1999 bis zum 19. März 2000 selbst gezahlt, da die Beklagte kein Krankengeld gezahlt habe. Im Berufungsverfahren ist nämlich demgegenüber vorgetragen worden, Frau B. habe weiterhin Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie auch gearbeitet habe. Ansonsten habe sie Arbeitsentgelt im Rahmen der Lohnfortzahlung erhalten. Die Nachfrage des Senats, an welchen einzelnen Tagen Frau B. tatsächlich gearbeitet habe und welches Gehalt sie genau bezogen habe, hat der Kläger trotz mehrfacher Erinnerungen nicht beantwortet. Diese Angaben lassen nicht den Schluss auf weitere Lohnzahlungen oder eine weitergehende tatsächliche Tätigkeit der Frau B. zu.

Auch aus den Zeugenaussagen konnte der Senat keine Anhaltspunkte für die ernstliche Absicht der Frau B. entnehmen, den schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag tatsächlich anzutreten und mit einer gewissen Dauerhaftigkeit auszuführen. Wenn die Zeugin H. angibt, Frau B. sei jeden Tag durch die Produktionsstätte gegangen und habe alle Mitarbeiter begrüßt, spricht dies nicht für die tatsächliche Ausübung des auf die Vollzeittätigkeit einer Leiterin des Innendienstes und Verkaufs gerichteten Arbeitsvertrages. Ein solches, eher für den Inhaber einer Firma typisches Verhalten, drückt vielmehr ihre Nähe zur Arbeitgeberseite aus. Insoweit hatte Frau B. bereits vor Juli 1999 im Rahmen familienhafter Mitarbeit eine Tätigkeit in gewissem Umfang im Unternehmen ausgeübt. Die Aussage der Zeugin, Frau B. sei im Juli 1999 an allen Arbeitstagen anwesend gewesen, kann schon wegen ihrer stationären Aufenthalte in dieser Zeit nicht richtig sein. Für die entscheidungserhebliche Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtigen Tätigkeit – insbesondere in Abgrenzung zu lediglich familienhaften Mitarbeit – ist diese Aussage daher ebenso unergiebig, wie die Aussage der Zeugin K. , die ihre Tätigkeit in der Firma erst am 1. November 2000 aufgenommen hat und daher für die hier streitige Zeit keine relevanten Umstände bezeugen konnte.

Auch die beiden Aussagen des Zeugen T. belegen keine Tatsachen, die für das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Frau B. sprechen. Nachvollziehbar ist, dass das Erinnerungsvermögen des Zeugen an die Zustände ab Juli 1999 bei seiner Aussage im August 2003 noch besser gewesen ist, als bei der Aussage im Oktober 2009. Dennoch sind die Aussagen insofern widersprüchlich, als der Zeuge in der mündlichen Verhandlung im August 2003 angegeben hat, er meine sich zu erinnern, dass Frau B. erst ab Juli 1999 an allen fünf Tagen der Woche anwesend gewesen sei, während sie vorher lediglich sporadisch Aushilfe geleistet habe. Demgegenüber hat er in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2009 auch auf nochmalige Nachfrage angegeben, die Präsenz der Frau B. sei während seiner gesamten Ausbildungszeit seit Dezember 1998 gleichbleibend gewesen. Dies sei definitiv so gewesen. Insgesamt ist die Aussage auch deshalb nicht glaubhaft, weil der Zeuge zwar ausgeführt hat, sich an die tägliche und ständige Anwesenheit der Frau B. im Büro zu erinnern und ihr sogar gegenüber gesessen zu haben, an die häufigen Abwesenheitszeiten, die sich schon aus ihren stationären Aufenthalten ergeben, aber keine Erinnerung zu haben. Dem Senat schien es bei dieser Sachlage zumindest auch zweifelhaft, dass der Zeuge im gesamten Jahr 1999 keine äußeren Krankheitszeichen an Frau B. bemerkt haben will und ihre Krankheit nie thematisiert worden sei. Nicht glaubhaft schien dem Senat, dass er sich zwar an die ständige Anwesenheit der Frau B. in der hier streitigen Zeit erinnern könne, aber schon bei seiner ersten Aussage keinerlei Angaben für das Jahr 2000 machen konnte. In der zweiten Vernehmung hat er dann auch keine Angaben dazu machen können, wie lange Frau B. überhaupt noch in der GmbH beschäftigt gewesen ist, ob er ihr gekündigt habe und "wie es damals abgelaufen" sei, obwohl er zu dieser Zeit bereits Geschäftsführer der Firma gewesen ist. Nachdem der Zeuge die fehlenden persönlichen Gespräche über den Gesundheitszustand der Frau B. insbesondere mit der unterschiedlichen Stellung zwischen Auszubildendem und "Chefin" erklärt hatte, gab er bei der weiteren Befragung ausdrücklich an, es habe für ihn keine besondere Bedeutung gehabt, dass er der Chef seiner früheren Chefin geworden sei. Insgesamt bleibt auch die Aussage dieses Zeugen zu vage, um den Senat davon zu überzeugen, dass Frau B. in der streitigen Zeit tatsächlich eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und nicht lediglich die bereits vorher ausgeübte familienhafte Mitarbeit fortgesetzt hat.

Schließlich hätte Frau B. – wenn sie tatsächlich ständig Vollzeit versicherungspflichtig in der Firma gearbeitet hätte – auch einen entsprechenden Gehaltsanspruch gehabt. Von tatsächlich erfolgten Gehaltszahlungen kann aber nach den vorliegenden Unterlagen nicht ausgegangen werden. Wenn Frau B. ständig ohne Lohn gearbeitet hat, spricht dies ebenfalls nicht für die Durchführung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern für die Ausübung von familienhafter Mitarbeit.

Nicht in das Bild der Ausübung einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung passt auch die Tatsache, dass Frau B. mit dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 20. März 2000 bei der T. GmbH eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen hat, während sie für die Zeit bis dahin, also für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit, angibt, die ernsthafte Verpflichtung zur Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung eingegangen zu sein.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass Frau B. bei Vertragsschluss im Juli 1999 zwar auf Grund einer Familienversicherung krankenversichert war, ein Anspruch auf Krankengeld hieraus jedoch nicht erwachsen konnte. Mit dem Ende der Versicherung ihres Ehemannes in der gesetzlichen Krankenversicherung am 30. November 1999 war dann auch ihre Familienversicherung beendet, so dass ab diesem Zeitpunkt – ohne versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis – kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung mehr bestand. Die Beklagte hatte hierzu mitgeteilt, Frau B. erfülle nicht die für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung erforderliche Vorversicherungszeit, so dass sie der freiwilligen Versicherung nicht beitreten könne. Auf diesen Versicherungsschutz war Frau B. aber gerade auf Grund der Art und Schwere ihrer Erkrankung besonders angewiesen.

Tatsachen, die den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit der vereinbarten Tätigkeit verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, sind nicht ersichtlich. Darauf, ob und inwieweit Frau B. möglicherweise ohne feste oder ggf. mit geringerer wöchentlicher Arbeitszeit im Rahmen familienhafter Mitarbeit gearbeitet hat, kommt es vorliegend nicht an. Für das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung bestehen weder nach den Angaben der Klägerseite noch nach den Ausführungen der Beklagten irgendwelche Anhaltpunkte. Der Senat ist jedenfalls davon überzeugt, dass das konkret von der T. GmbH bei der Beklagten angemeldete Arbeitsverhältnis, für das die Beteiligten den schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen haben, von vornherein nicht mit der Absicht eingegangen worden ist, dieses tatsächlich anzutreten und mit einer gewissen Dauerhaftigkeit durchzuführen. Für weitere Ermittlungen in Bezug auf eine Teilzeitbeschäftigung sah der Senat weder Anlass noch Möglichkeiten. Er ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen auch nicht vom Vorliegen einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung in Abgrenzung zur familienhaften Mitarbeit ohne gegenseitige rechtliche Verpflichtungen überzeugt.

Bei dieser Sachlage durfte Frau B. nicht auf den Bestand des die Versicherungspflicht feststellenden Verwaltungsaktes vom 18. August 1999 vertrauen. Das Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungsaktes ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich nach Satz 3 dieser Vorschrift der Begünstigte aber nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Frau B. erfüllt die Voraussetzungen jeder dieser drei Ziffern. Insbesondere lag in der Anmeldung zur Sozialversicherung und den hierzu erteilten weiteren Angaben im Fragebogen eine arglistige Täuschung im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Ziff. 1 SGB X. Eine Täuschung liegt in der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums. Arglist erfordert einen Täuschungswillen, d. h. der Handelnde muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen und er muss wissen, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Erklärung bestimmt wird, die er bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht abgegeben hätte (vgl. hierzu Heinrichs in Palandt, BGB, 62. Auflage, § 123 Rz. 2-11; sowie Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 45 SGB X Rz. 37, der hierzu auf die Kommentierung im Palandt verweist). Unerheblich ist, ob das vorsätzliche Verhalten des Begün¬stigten in Form der Anstiftung, Beihilfe oder Täterschaft erfolgt (vgl. Hauck-Haines, SGB X/1, 2 K § 45 Rz. 22).

Durch die Anmeldung zur Sozialversicherung, die Vorlage des schriftlichen Arbeitsvertrages und die entsprechenden Angaben auf Nachfrage seitens der Beklagten hatte Frau B. bei der Beklagten den Irrtum über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung erregt und dadurch den rechtswidrigen Bescheid vom 18. August 1999 erwirkt. Frau B. kannte die Unrichtigkeit ihrer Angaben, da sie das Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingegangen war, die Tätigkeit auf Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Sie wusste auch, dass die Beklagte die Versicherungspflicht bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht festgestellt hätte und nur durch die Täuschung hierzu bestimmt worden ist.

Die Beklagte durfte daher den die Versicherungspflicht feststellenden Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 1, Abs. 4 SGB X auch mit Wirkung für Vergangenheit zurücknehmen. Fehler in der Ausübung des nach § 45 SGB X eingeräumten Ermessens sind nicht ersichtlich. Vielmehr lag eine "Ermessensreduzierung auf Null" vor. Eine Ermessensentscheidung der Behörde ist bei einer "Ermessensschrumpfung auf Null" nicht erforderlich, weil bei einer solchen Ermessensreduzierung jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre. Hierfür muss nach dem festgestellten Sachverhalt das Vorliegen von Umständen ausgeschlossen sein, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens fehlerfrei zuließen (vgl. hierzu Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. II, § 45 Rz. 59, m.w.N.). Nur unter diesen Voraussetzungen hätte eine andere Entscheidung in der Sache nicht ergehen können (§ 42 SGB X). Bei Vorliegen einer betrügerischen Leistungserschleichung ohne aktenkundige und vom Versicherten vorgetragene Umstände, die für das Ermessen Bedeutung haben könnten, hat das BSG eine "Ermessensschrumpfung auf Null" zu ungunsten des Betroffenen bejaht (BSG SozR 3-4100 § 155 Nr. 2 S. 16 f.).

Die Beklagte hätte mit jeder anderen Entscheidung einer missbräuchlichen Erschleichung von Versicherungsleistungen zu Lasten der Versichertengemeinschaft Vorschub geleistet, so dass in der Sache keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. Die Beklagte hatte ihre Entscheidung darauf gestützt, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sei lediglich konstruiert worden, um einen günstigen Versicherungsschutz zu erlangen. Zu dieser Erkenntnis ist sie auch nicht aufgrund bloßer Vermutungen gelangt. Vielmehr lagen ihr bereits im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung die eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einschließlich der dort genannten Diagnosen und die Zeiten der stationären Behandlungen einschließlich der vom jeweiligen Krankenhaus angegebenen Diagnosen vor. Dadurch war ihr die gesundheitliche Situation der Frau B. im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung im Wesentlichen bekannt. Ebenfalls bekannt war ihr die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Geschäftsführer der GmbH und Frau B., sowie die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages, der fehlende anderweitige Versicherungsschutz der Frau B., sowie die Tatsache, dass der Arbeitsvertrag rückwirkend und während eines stationären Krankenhausaufenthaltes abgeschlossen worden ist. Wenn bei dieser Sachlage keine Umstände ersichtlich sind oder vorgetragen werden, die zugunsten der Klägerseite sprechen und auf Beklagtenseite kein Mitverschulden vorliegt (z. B. bei der rechtswidrigen Feststellung der Versicherungspflicht oder durch erhebliche Verzögerungen der Aufhebungsentscheidung o.ä.), konnte aufgrund des missbräuchlichen Verhaltens der Klägerseite offensichtlich keine andere Entscheidung seitens der Beklagten rechtsfehlerfrei ergehen. Denn bei dem von der Beklagten festgestellten Sachverhalt, dass ein Beschäftigungsverhältnis zur Erlangung von Leistungsansprüchen konstruiert worden sei, erscheint es – jedenfalls ohne Anhaltspunkte, die für die Klägerseite sprechen könnten – vollkommen unangemessen, den auf diese Weise erzielten Versicherungsschutz – auch nur für Teilzeiträume – bestehen zu lassen. Eine solche Entscheidung, die beispielsweise grundsätzlich auch die Nachzahlung von Krankengeld zur Folge hätte – läge außerhalb der Ermessensgrenzen und könnte daher nicht fehlerfrei ergehen.

Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X geltende Jahresfrist für die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes hat die Beklagte ebenso wie die Fristen nach § 45 Abs. 3 SGB X eingehalten.

Entgegen dem Einwand der Klägerseite fehlt es auch nicht an der nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderlichen Anhörung. Eine solche liegt vielmehr in dem Schreiben der Beklagten vom 11. November 1999. Nach den Ausführungen in diesem Schreiben musste für Frau B. deutlich erkennbar sein, dass noch keine Entscheidung seitens der Beklagten über die Aufhebung des Bescheides vom 18. August 1999 gefallen war, sondern dass ihr noch Gelegenheit zur Stellungnahme vor einer endgültigen Entscheidung seitens der Beklagten eingeräumt wurde. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Schreibens. Zwar heißt es dort wörtlich: "Gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) heben wir unseren Bescheid vom 18.08.99 auf." Nach Darlegung der Begründung folgt dann aber der Satz: "Wir beabsichtigen daher, Ihre zum 01.07.99 begründete Mitgliedschaft zu stornieren. Bevor wir einen entsprechenden Bescheid erteilen, geben wir Ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von 14 Tagen zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern und ggf. Gründe darzulegen, die nach Ihrer Ansicht gegen eine Änderung unserer Entscheidung sprechen (§ 24 SGB X)." Zusätzlich wird der ausdrückliche Hinweis erteilt: "Unser heutiges Schreiben dient ausschließlich Ihrer Anhörung und stellt noch keinen Verwaltungsakt dar, gegen den sich ein etwaiger Widerspruch richten könnte." Insgesamt ergibt sich daraus – trotz des nicht ganz eindeutigen ersten Satzes – unzweifelhaft das Vorliegen einer Anhörung und noch nicht den Erlass eines endgültigen Verwaltungsaktes. Schließlich verweist auch der letzte Satz des Schreibens nochmals darauf, dass die Entscheidung erst nach Ablauf der Anhörungsfrist bekannt gegeben werde. Zudem hat Frau B. dies auch tatsächlich so verstanden, da sie erstinstanzlich nur die Aufhebung des Bescheides und nicht auch die des Anhörungsschreibens beantragt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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