Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 U 260/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 134/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. September 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 11. Dezember 2003 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Veränderungen der Lendenwirbelsäule des Klä-gers in den Bereichen L2/L3 und L4 - S1 ab 1. Dezember 2003 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sind.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu zwei Dritteln zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1955 geborene Kläger erlernte vom 1. September 1972 bis 30. Juni 1974 den Beruf des Baufacharbeiters und übte anschließend Tätigkeiten als Maurer und Tiefbaufacharbeiter bis zum 25. Oktober 1974 aus. Nach einer Beschäfti-gung als Behördenangestellter nahm er am 1. Dezember 1977 wiederum eine Tätigkeit als Baufacharbeiter auf, die er bis zum 29. Februar 1980 ausübte. Anschließend war er bis 1983 in einer Strafvollzugseinrichtung und bis 1985 beim Rat des Kreises als Angestellter tätig. Am 10. September 1985 nahm er eine Tätigkeit als Tiefbauarbeiter, Gerüstbauer und Pflasterer auf, die er bis zum 30. Juni 1997 ausübte. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beruf am 30. November 2003 war er - unterbrochen von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - mit Tiefbauarbeiten, Handschachtungen, Verlegen von Kanal-rohren und Pflasterarbeiten betraut.
Am 12. Februar 2002 zeigte die Krankenkasse des Klägers, die AOK Sachsen-Anhalt, der Beklagten eine Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK an und wies diverse hierauf beruhende Arbeitsunfähigkeitszeiten aus. Sie fügte einen Bericht von MR Dr. A. , M. D. der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt, vom 28. Januar 2002 bei, der bei dem Kläger eine lumbale Radikulopathie diagnostiziert hatte.
Unter dem 10. März 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe sich im Jahr 2000 mit Rückenschmerzen, unter denen er bereits seit 15 Jahren leide, in orthopädi-sche Behandlung begeben. Unter dem 15. April 2002 ergänzte er, unter Beschwerden der Lendenwirbelsäule leide er bereits seit 1984. Er überließ der Beklagten diverse Befundberichte: Die Fachärzte für Diagnostische Radiologie Dr. G. und M. erkannten in dem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 20. Juli 2001 eine deutliche linkskonvexe Torsionsskoliose der Lendenwirbelsäule und zirkuläre Protrusionen bei B12/L1 und L1/2 bei Bandscheibenvorfällen in den übrigen lumbalen Segmenten, insbesondere bei L4/5 mit Tangierung der L 5-Wurzel und L5/S1. Die Fachärzte für Orthopädie Dres. H. und H. diagnostizierten unter dem 28. September 2001 unter Berücksichtigung eines MRT vom gleichen Tag als Fremdbefund eine Claudicatio spinalis bei erworbenem relativ engem Spinalkanal von L2 - S1.
Die Beklagte erhielt von der AOK Sachsen-Anhalt ein Vorerkrankungsverzeichnis, das seit 1996 Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers wegen Rückenbeschwerden auswies. Unter dem 11. Juni 2002 teilte die Hausärztin Dipl.-Med. M. der Beklagten mit, der Kläger leide seit 1993 unter chronischen rezidivierenden zunehmenden Wirbelsäu-len- und Gelenkbeschwerden. Dabei handele es sich um eine berufsbedingte vorzeiti-ge degenerative Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates. Beigefügt war ein Bericht des Arztes für Orthopädie Dr. H. unter Mitwirkung der Stationsärztin Dipl.-Med. K. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 17. Januar bis 14. Februar 1996 in der Rehaklinik B. O ... Dr. H. /K. führten darin aus, die Lendenwirbelsäule des Klägers weise eine flache linkskonvexe Skoliose auf. An sämtlichen Lendenwirbelkörpern sei eine geringe spondylotische Osteophytenbildung mit deutlichen osteochondrotischen degenerativen Zeichen bei L2 bis L5 zu erkennen.
Ferner lag der Beklagten der Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 5. Mai 2000 vor, der ein rezidivierendes Pseudoradikulärsyndrom bei L5/S1 und degenerative Verände-rungen der Bandscheiben L3 bis S1 diagnostizierte.
In dem Entlassungsbericht vom 9. Februar 2001 zum stationären Aufenthalt des Klägers in der Teufelsbad Fachklinik diagnostizierten die Leitende Chefärztin Prof. Dr. K. und die Fachärztin für Orthopädie R. ein rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule.
Die Beklagte holte Auskünfte zur Tätigkeit des Klägers ein: Unter dem 17. Juni 2002 berichtete der frühere Arbeitgeber des Klägers, dieser habe in der Zeit vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 als Tiefbauer die Lasten vor dem Körper und als Gerüstbauer vor dem Körper und auf den Schultern gehoben oder getragen.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten errechnete unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und seines früheren Arbeitgebers für den Zeitraum von Oktober 1985 bis Juni 1996 als Gerüstbauer/Tiefbauer und Pflasterer und für den Zeitraum von Juli 1996 bis 30. September 2002 die nachfolgenden Belastungen:
Unter 25 kg Über 25 kg Extreme Rumpf-beugung Gerüstbauer ca. 30 % der Schicht ca. 25 % der Schicht ca. 10 % der Schicht Tiefbauarbeiter und Pflasterer ca. 30 % der Schicht ca. 20 % der Schicht ca. 20 % der Schicht Tiefbauarbeiter ca. 30 % der Schicht ca. 25 % der Schicht ca. 15 % der Schicht
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Oberarzt des Zentrums für Rückenmarkverletz-te und Klinik für Orthopädie der B. Kliniken B. H. Dr. M. mit der Erstattung des fachorthopädischen Gutachtens vom 3. März 2003 nach Untersuchung des Klägers am 11. Dezember 2002. Der Kläger wog bei der Untersu-chung 117 kg bei einer Körpergröße von 192 cm. Dr. M. diagnostizierte eine linkskonvexe Torsionsskoliose mit einem Winkel von 7,7 Grad, Bandscheibenprotrusi-onen der Segmente L1/2 bis L4/5 und eine Spondylosis deformans der Lendenwirbel-säule mit einem Maximalbefund bei L4/5. Die Arthrose der Lendenwirbelsäule rufe ein chronisch rezidivierendes Krankheitsbild hervor. Funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule bestünden jedoch nicht. Die Entfaltung der Wirbelsäule sei harmonisch. Der alleinige Befund der degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Funktionsausfälle begründe keine BK. Auch habe die bandscheibenbedingte Erkran-kung der Lendenwirbelsäule nicht zur Unterlassung aller belastenden Tätigkeiten des Klägers gezwungen, denn seine Arbeitsunfähigkeit beruhe auf einer Knieerkrankung. Es sei damit zu rechnen, dass die Erkrankung zur Aufgabe der Tätigkeit als Tiefbauer führen werde.
Die Gewerbeärztin Dr. G. vertrat unter dem 29. April 2003 die Auffassung, die Manifestation von Rückenbeschwerden im Jahr 1984, in einer Zeit, in der der Kläger beruflich keine körperlich belastende Tätigkeit ausgeübt habe, spreche nicht für eine berufsbedingte Verursachung, sondern sei als schicksalhaft anzusehen.
Mit Bescheid vom 26. August 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Sozialleis-tungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil die Voraussetzungen der Anerkennung einer BK 2108 nicht vorgelegen hätten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbe-scheid vom 11. Dezember 2003 zurück. Der Kläger habe bereits im Jahr 1985 unter Wirbelsäulenbeschwerden gelitten, obgleich er seinerzeit noch keiner ausreichenden wirbelsäulenbelastenden Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus fehle es an dem Vollbeweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäu-le sowie an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule, die den Kläger veranlasst hätte, die gefährdende Tätigkeit aufzugeben.
Mit der am 22. Dezember 2003 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung einer BK 2108 weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat Prof. Dr. M. von der Kl. für O. der Universität L. mit der Erstattung des orthopädischen Gutachtens vom 3. August 2004 nach Untersu-chung des Klägers am 28. Juli 2004 beauftragt. Prof. Dr. M. hat ausgeführt, der Kläger leide unter einer degenerativen Erkrankung der Bandscheiben zwischen L3 und S1, verbunden mit einem Drehgleiten. Die lumbale Skoliose sei Folge dieser Band-scheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule. Die Erkrankung der Lendenwirbelsäule betreffe die drei unteren Segmente. Die Beteiligung der oberen Lendenwirbelsäule an der Erkrankung äußere sich in einer Verdichtung der Wirbelschlussplatten, die belas-tungsbedingt einen vermehrten Kalksalzgehalt aufwiesen. Dort zeigten sich kleine spondylotische Randzacken. Auf dem MRT vom 20. Juli 2001 seien Bandscheiben-vorwölbungen zwischen Th12/L2 sowie Bandscheibenvorfälle an den übrigen lumbalen Segmenten erkennbar. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lenden-wirbelsäule vor, die ursächlich auf langjährige schädigende Einwirkungen durch das Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zurückzuführen sei. Der Kläger sei nicht im Stande, weiterhin in seinem Beruf als Tiefbauer und Gerüstbauer zu arbeiten.
In der von der Beklagten vorgelegten beratenden Stellungnahme des Oberarztes der Abteilung für Unfallchirurgie der A. Klinik Dr. A. vom 2. Dezember 2004 hat dieser ausgeführt, bei dem Kläger liege eine chronisch rezidivierende bandscheiben-bedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Da die Erkrankung bereits 1985 aufgetreten sei, der Kläger jedoch zuvor nicht langjährig rückenbelastend gearbeitet habe, habe die berufliche Tätigkeit die bandscheibenbedingte Erkrankung der Len-denwirbelsäule nicht verursacht. Auch sei das Rückenleiden nicht durch die rückenbe-lastende Tätigkeit wesentlich verschlimmert worden. Eine Verschlimmerung eines bestehenden Leidens hätte erst 10 Jahre nach Aufnahme der belastenden Tätigkeit auftreten können.
Mit Urteil vom 14. September 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht wahrscheinlich, dass die berufliche Tätigkeit die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers verursacht habe. Die Beschwerden seien bei dem Kläger bereits im Alter von 30 Jahren aufgetreten, als er noch keine körperlich belastende Tätigkeit ausgeübt hatte. Der Kläger leide vielmehr an einer anlagebedingten Skoliose. Auch weise das Auftreten der Polyarthrose auf eine sich langzeitig entwickelnde anlagebedingte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule hin.
Gegen das am 23. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2005 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begrün-dung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er habe bereits seit 1985 mehr als sieben Jahre die Tätigkeiten eines Baufacharbeiters und Maurers ausgeübt. Den Ausführun-gen von Prof. Dr. M. folgend hätten die degenerativen Veränderungen des Bandscheibengewebes mit Drehgleiten die lumbale Skoliose hervorgerufen. Es sei deshalb von einer beruflich bedingen Erkrankung auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und festzustellen, dass die Verände-rungen der Lendenwirbelsäule des Klägers in den Bereichen L2/L3 und L4 - S1 ab Dezember 2003 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Be-rufskrankheiten-Verordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise der Beklagten Gelegenheit zur schrift-lichen Stellungnahme zu den aufgeworfenen Kritikpunkten gegenüber dem Gutachten Dr. M. einzuräumen.
Sie beruft sich auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie die zutreffenden Entschei-dungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat den Facharzt für Chirurgie MR Dr. M. vom Medizinischen Gutach-teninstitut D. mit der Erstattung des Fachchirurgischen Gutachtens vom 21. März 2007 nach Untersuchung des Klägers am 21. Februar 2007 beauftragt. Bei der Untersuchung hat der Kläger 120 kg gewogen. MR Dr. M. hat ausgeführt, bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit einem beginnenden Bandscheibenvorfall des Segmentes L5/S1 bei einer altersuntypi-schen Chondrose der Segmente L2/L3 und L4/L5 vor. L3/L4 und L5/S1 wiesen demgegenüber keine Chondrose aus. Das Lasegue-Zeichen war positiv. Die Be-schwerden des Klägers und die klinisch erhobenen Befunde stimmten überein. Der allgemeine Degenerationsgrad der Lendenwirbelsäule überschreite das alterstypische Maß hingegen nicht. Nach den Konsensempfehlungen sei es nicht wahrscheinlich, dass die Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien. Nach der Hamburger Formel sei eine Kongruenz zwischen Lasteinwirkung, Röntgenbefund, Funktionseinschränkung und Schmerzlokalisation unter Ausschluss anderer Erkrankungen zu verlangen. Ein solcher Befund liege nicht vor. Nach dem spezifischen Schadensbild der BK 2108 seien degenerative Verände-rungen an der Lendenwirbelsäule von oben nach unten zur Hauptbelastungszone hin zu erwarten. Biomechanisch sei nicht nachvollziehbar, dass einzelne Segmente der Lendenwirbelsäule von einer Chondrose ausgespart seien. Es sei vielmehr von einer schicksalhaften Entwicklung auszugehen, die sich schon in den Jahren 1984/1985 durch Rückenschmerzen angedeutet habe. Es sei keine altersunübliche Spondylose oder Retrospondylose zu verzeichnen.
Dem Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 02/01074/9 B vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senates war.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat Erfolg.
Die als Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erhobene Klage ist zulässig.
Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst (hier der BK) statthaft (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 11. Dezember 2003 beschwert den Kläger im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger einen Anspruch auf die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (in der Fassung der letzten Änderung durch Verordnung vom 11. Juni 2009, BGBl. I S. 1273) hat.
Anzuwenden sind hier die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn der dem Anspruch des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall, zu dem auch das Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit gehört, ist erst nach dem Inkrafttre-ten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff., § 212 SGB VII). Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit setzt nicht die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses voraus, sondern kann dann gegeben sein, wenn der Versicherte durch eine auf unbestimmte Zeit eingetretene Arbeitsunfähigkeit dauerhaft an der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit gehindert wird. Dies wird frühestens seit dem 25. Juni 2003 der Fall gewesen sein, als der Kläger nach Beendigung einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer Knieoperation am 9. April 2003 wegen des Wirbelsäu-lenleidens arbeitsunfähig erkrankt ist. Spätestens seit dem 1. Dezember 2003 übt der Kläger die Tätigkeiten als Maurer, Tiefbaufacharbeiter, Gerüstbauer und Pflasterer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht mehr aus.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung der Anerkennung der hier strittigen BK 2108 ist das Vorliegen einer bandscheibenbe-dingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Danach müssen für die Anerkennung als BK 2108 folgende Kriterien erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichtet habe, bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwir-belsäule vorliegen, die durch die berufliche Einwirkung entstanden ist, diese Erkran-kung muss zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben und der Versicherte darf eine solche Tätigkeit tatsächlich auch nicht mehr ausüben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7).
Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt.
Während die versicherte Tätigkeit, die Einwirkung einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes und die Erkrankung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (im Sinne des Vollbeweises) nachgewiesen sein müssen, gilt für die Beurteilung der kausalen Zusammenhänge zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen, zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung sowie zwischen der Erkrankung und dem Zwang zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
Der Kläger war unstreitig während der Ausübung versicherter Tätigkeit einer ausrei-chenden die Wirbelsäule schädigenden Einwirkung im Sinne der BK 2108 ausgesetzt.
Der Kläger hat in der Zeit von 1972 bis 31. Dezember 1991 Tätigkeiten in der ehemali-gen DDR ausgeübt, die denen eines Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gleichstehen. Vom 1. Januar 1992 bis 2003 hat er versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeübt. Nach den überzeugenden Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten hat der Kläger in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten Tätigkeiten ausgeübt, die nach dem Merkblatt zu der BK 2108 (Bekanntmachung des BMAS vom 1. September 2006, BArbBl. 10/2006, S. 30, veröffentlicht in Mehr-tens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Oktober 2008, M2108) die Anforderungen an ein langjähriges Heben und Tragen von schweren Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung erfüllen. Danach liegen bei Männern schwere Lasten vor ab 10 kg einhändiges Heben, 20 kg beidhändiges Heben, 30 kg beidseitiges Tragen neben dem Körper, auf den Schultern oder dem Rücken und 25 kg Tragen vor oder einseitig neben dem Körper. Diese Lastgewichte müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, d. h. Häufigkeit und Dauer pro Schicht, gehandhabt werden, um als Ursache von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule in Frage kommen zu können. Dies ist bei einer Häufigkeit von 250 Hebe- oder Umsetz-vorgängen pro Tag oder einer Gesamttragedauer von ca. 30 Minuten pro Tag der Fall (Merkblatt zu der BK 2108, a.a.O. S. 8). Nach Mitteilung des früheren Arbeitgebers hat der Kläger in der Zeit vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 die Lasten bei Ausübung der Tiefbauarbeiten vor dem Körper und bei Ausübung der Gerüstbauarbei-ten vor dem Körper und auf der Schulter gehoben oder getragen; seit dem 1. Juli 1996 hat er Lasten je nach Arbeitsablauf gehoben oder getragen. Unter Berücksichtigung der vom TAD ermittelten Zeitanteile für das Heben und Tragen von Lasten über 25 kg von mindestens 20 % pro Schicht im Zeitraum vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 ergibt sich bei einer Mindestarbeitszeit von 39 Stunden pro Woche bzw. 7,8 Stunden pro Tag ein Zeitanteil von mindestens 1 1/2 Stunden pro Schicht. Dies liegt über der geforderten Gesamteinwirkung pro Tag von mindestens 30 Minuten. Der Kläger hat diese Lasten auch in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen. Als weitere Belastung sind die Arbeiten in extremer Rumpf-beugehaltung mit mindestens 10 % der Schicht hinzuzurechnen.
Der Kläger hat die schweren Lasten langjährig gehoben und getragen bzw. langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt. Langjährig setzt nach dem Merkblatt zu der BK 2108 eine ca. zehnjährige Tätigkeit voraus. Nach den Berechnun-gen des TAD war der Kläger ca. 17 Jahre mit dem Tragen und Heben schwerer Lasten und mit Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung befasst. Dies stellt jedenfalls eine langjährige Belastung dar.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers ist auch vollbeweislich gesichert. Als bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbel-säule im Sinne der BK 2108 kommen Bandscheibendegenerationen, Instabilitäten im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfälle (Prolapse), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose) oder degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) in Betracht, wobei das Krankheitsbild neben einem durch Veränderungen an der Bandscheibe verursachten objektivierten Schaden zu chronischen oder chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschrän-kungen der Lendenwirbelsäule führen muss (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Die Radiologen Dr. G. und M. haben in dem MRT vom 20. Juli 2001 in dem Segment L4/L5 einen breiten Prolaps mit Tangierung des Duralsackes und der L5-Wurzel und in dem Segment L5/S1 einen kräftigen Prolaps erkannt. Einen begin-nenden Prolaps bei L5/S1 hat auch MR Dr. M. festgestellt. Auf das für eine Wurzelreizung typische Lasegue-Zeichen hat die Klägerin positiv reagiert. Unter Heranziehung der herrschenden medizinischen Auffassung, die die BK 2108 nach den Konsensempfehlungen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 13/05 R - zitiert nach juris) einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und BK 2005, S. 211 ff.) beurteilt, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne eines lumbalen Wurzelsyndroms leidet. Diese Krankheit bedingte auch klinische Symptome und Funktionseinschränkungen. So war der Kläger nach Mitteilung der AOK Sachsen-Anhalt wegen einer Wirbelsäulenerkrankung in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 12. Februar 1999, vom 02. August 1999 bis 9. August 1999, vom 9. Dezem-ber 1999 bis 17. Dezember 1999, vom 8. November 2000 bis 10. November 2000, vom 17. Januar 2001 bis 7. Februar 2001, vom 28. Mai 2001 bis 1. Juni 2001, vom 24. September 2001 bis 1. März 2002 und vom 3. April 2002 bis 17. April 2002 wieder-holt arbeitsunfähig erkrankt. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. konnte der Kläger nach der Neutral-Null-Methode den Rumpf nur noch mit 10/0/10 Grad seitwärts drehen und mit 10/0/10 Grad seitwärts neigen. Das Zeichen nach Schober ergab einen Wert von 10/12 cm, der Finger-Boden-Abstand lag bei 50 cm. Ähnliche Befunde hat MR Dr. M. erhoben: Seitwärtsdrehen und Seitwärtsneigen des Rumpfes war dem Kläger mit 10/0/10 Grad möglich; Zeichen nach Schober lag bei 10/11 cm und der Finger-Boden Abstand bei 45 cm. Die Seitneigung ist Gesunden üblicherweise mit 30/0/30 Grad und das Drehen des Oberkörpers mit 50/0/50 möglich, das Zeichen nach Schober liegt bei Gesunden bei 10/15 cm und der Finger-Boden Abstand bei 10 cm (Rompe/Erlenkämper, 3. Auflage, S. 254 f.). Diese Befunde weisen auf eine Ein-schränkung der Funktionalität der Lendenwirbelsäule des Klägers hin.
Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können auch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückgeführt werden. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den berufli-chen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlich-keit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.).
Maßgeblich für die Einschätzung, ob ein hinreichender Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und Erkrankung besteht, sind dabei die Konsensempfehlungen. Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen behandelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers in die Gruppe B 2.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Sammelgruppe "B", weil er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung des Abschnitts "L5/S1" zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein in Form eines Bandscheibenvorfalls leidet. Dieser Prolaps ist im MRT vom 3. Juni 2002 zu erkennen, auf welches MR DR. M. seine Diagnose gestützt hat. Im Sinne der Zuordnung zur Untergruppe B 2 sind bei dem Kläger keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Die Skoliose der Lendenwirbelsäule scheidet als Konkurrenzursache aus. Nach den Konsensempfehlungen ist eine Skoliose der Lendenwirbelsäule zwischen 10 Grad und unter 25 Grad nach Cobb nach den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich nicht als konkurrierende Ursache geeignet, sofern der Scheitelpunkt nicht im untersten Segment der Lendenwirbelsäule liegt. Nach Dr. M. hat das Röntgen-bild vom 11. Dezember 2002 eine Skoliose der Lendenwirbelsäule von 7,7 Grad nach Cobb mit einem Scheitelpunkt bei L3 gezeigt. Zwar kommt Dipl. Med. B. nach Auswertung der Röntgenbilder vom 14. April 2000 auf eine Skoliose mit 10 Grad nach Cobb und Prof. Dr. M. nach Auswertung des Röntgenbildes vom 11. Dezember 2002 auf etwa 20 Grad nach Cobb. Dabei haben beide jedoch keinen von Dr. M. Feststellungen abweichenden Scheitelpunkt der Skoliose angegeben, so dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Skoliose die bandscheibenbedingte Erkrankung wesentlich verursacht hat. Auch scheidet das beim Kläger festgestellte Übergewicht nach den Konsensempfehlungen als konkurrierende Ursache aus (Konsensempfeh-lungen a.a.O., S. 251). Ferner besteht zwischen der Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und der ausreichenden Exposition ein plausibler zeitlicher Zusam-menhang (vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 217). Dass der Kläger bereits 1984 unter Rückenbeschwerden gelitten hat, als noch keine ausreichende Exposition gegeben war, steht einem zeitlichen Zusammenhag nicht entgegen. Die bandschei-benbedingte Erkrankung des Klägers ist erstmals im Jahr 2001 nachgewiesen. Dass zwischen dieser und den Beschwerden im Jahr 1984 bereits ein Zusammenhang bestanden hat, ist nicht ersichtlich und weder klinisch noch bildgebend dokumentiert.
In Abgrenzung zur Konstellation B 1, die einen Wahrscheinlichkeitszusammenhang ohne weiters vermittelt, liegt hier die Konstellation B 2 mit einem Fehlen einer Begleitspondylose vor. Diese hat bei dem Kläger nicht vorgelegen. Als Begleitspondy-lose wird eine Spondylose in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten sowie in von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten, die nachgewiesenerma-ßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalles aufgetreten ist, definiert. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Alters-maß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. MR Dr. M. hat in Auswer-tung der Röntgenaufnahmen vom 11. Dezember 2002 keine altersuntypischen spondy-lotischen Anbauten an den Lendenwirbelkörpern gefunden. Auch die Röntgenaufnah-men vom 28. Juli 2004 zeigen nur kleine spondylotische Randzacken der oberen Lendenwirbelsäule. Prof. Dr. M. hat diese Randzackenbildung als nicht allzu ausgeprägt bezeichnet, wobei der Maximalbefund bei L5/S1 liegt. Auch Dr. M. hat lediglich eine Spondylose der Lendenwirbel mit einem Maximalbefund ohne funktionel-le Einschränkung festgestellt. Altersuntypisch wäre aber nach den Konsensempfehlun-gen bei einem Versicherten unter 50 Jahren eine Spondylose ab dem II. Grad mit einer Randzackenbildung zwischen 3 und 5 mm. Kleine spondylotische Randzacken erfüllen den II. Grad einer Spondylose nicht. Ferner erfüllt der Kläger das zusätzliche Merkmal einer Höhenminderung und/oder eines Prolapses an mehreren Bandscheiben (Untergruppe B 2). Die Konsensempfeh-lungen benennen hinter dem Anstrich zu den Zusatzkriterien des Krankheitsbildes zwei verschiedene hinreichende Voraussetzungen. Die eine besteht in dem auffälligen Black-disc-Befund zweier benachbarter Bandscheiben bei monosegementalem Befall mit dem klinischen Krankheitsbild. Die zweite - hier erfüllte - besteht in einer Höhen-minderung eines zweiten Segments als Ausdruck bisegmentalen Befalls. Gefordert wird insoweit hier nicht eine Chondrose II. Grades, die nur Ausdruck der bandschei-benbedingten Erkrankung ist, die die Eingangsvoraussetzung der B-Konstellation darstellt. Höhenminderung ist vielmehr jede Chondrose (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 214, 1.2 A). Ob diese altersuntypisch sein muss, kann dahinstehen, weil dies hier jedenfalls der Fall ist. Neben dem Prolaps bei L5/S1 liegt zwischen den Wirbelkör-pern L4/L5 eine Höhenminderung (Chondrose) I. Grades vor. MR Dr. M. hat hier anhand der Röntgenaufnahmen vom 11. Dezember 2002 eine Bandscheibenhöhe von 5,0 mm gemessen. Dies ergibt eine normierte relative Bandscheibenhöhe (gerundet) von 79 %. Ergibt die normierte relative Bandscheibenhöhe einen Prozentwert über 66 und von höchstens 80, so liegt eine Chondrose I. Grades vor (vgl. Konsensempfehlun-gen, a.a.O., Tabelle 7, S. 230; Excel-Rechner unter www.dguv.de/inhalt/leistungen/¬verschutz/¬bk/¬wirbel¬saeule/¬in¬dex.jsp). Mit 79 % ist dies bei dem Kläger der Fall. MR Dr. M. hält auch die Röntgenaufnahme vom 11. Dezember 2002 zur Messung der Bandscheibenhöhe für verwertbar.
Der Kläger erfüllt damit die Voraussetzungen der Konstellation B 2 der Konsensemp-fehlungen. Danach ist es hinreichend wahrscheinlich, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung wesentlich durch die beruflichen Tätigkeiten verursacht worden ist.
Die diesem Ergebnis entgegenstehende Gesamtbeurteilung von MR Dr. M. überzeugt demgegenüber nicht, denn sie stimmt nicht mit den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den Konsensempfehlungen zum Ausdruck kommen, überein. Die sog. "Hamburger Formel", auf die sich MR DR. M. neben den Konsensempfeh-lungen stützt und die bereits vor der Erarbeitung der Konsensempfehlungen von einigen Gerichten zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs herangezogen wurde, entspricht gerade nicht dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Stand. Sie ist daher für eine Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs nicht - auch nicht zusätzlich zu den Konsensempfehlungen - geeignet (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O.). Eine von oben nach unten zunehmende Intensität der degenerati-ven Veränderungen der Lendenwirbelsäule - wie sie MR Dr. M. für eine Anerken-nung der BK 2108 vorausgesetzt hat - ist nach den Konsensempfehlungen nicht erforderlich. Nach der Konstellation B 2 reicht es bei einer bandscheibenbedingten Erkrankung und fehlender Begleitspondylose aus, dass eines der Zusatzkriterien vorliegt. Der Nachweis eines bisegmentalen Schadens der unteren Lendenwirbelseg-mente - wie er bei dem Kläger vorliegt - reicht daher aus, um die hinreichende Wahr-scheinlichkeit eines Zusammenhangs zur beruflichen Tätigkeit zu begründen.
Der Kläger war auch gezwungen, seine Tätigkeiten als Maurer, Tiefbauer, Gerüstbauer und Pflasterer wegen seiner Beschwerden der Lendenwirbelsäule aus medizinischer Sicht aufzugeben. Dies hat Prof. Dr. M. in seinem Gutachten bestätigt. Auch Dr. M. ist davon ausgegangen, dass eine Fortsetzung der Tätigkeiten eines Tiefbauarbeiters zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung führen werde. Der Kläger hat die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten auch spätestens mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 30. November 2003 endgültig aufgegeben.
Die Berufung des Klägers ist daher begründet. Dem Hilfsantrag der Beklagten, ihr zu den aufgeworfenen Kritikpunkten gegenüber dem Gutachten von MR Dr. M. Gele-genheit zur Stellungnahme zu geben, war nicht stattzugeben. Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. Juni 2006 (a.a.O.) hätte der Beklagten bekannt sein müssen, dass der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen beruflicher Exposition und bandscheibenbedingter Erkrankung die Konsensempfehlungen zugrunde zu legen sind und die Hamburger Formel als wissenschaftlich nicht begründet hierfür ungeeignet ist. Dass der Senat die Gutachten an den Konsensempfehlungen messen wird, war für die Beklagte vorhersehbar. Die Beklagte hat in dem Termin der mündlichen Verhand-lung ausreichend Gelegenheit erhalten, zu dem Sach- und Streitstand Stellung zu nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, wobei der in der 1. Instanz verfolgte Antrag, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr geltend gemacht hat, mit einem Drittel zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Dr. Ulrich gez. Boldt
Es wird festgestellt, dass die Veränderungen der Lendenwirbelsäule des Klä-gers in den Bereichen L2/L3 und L4 - S1 ab 1. Dezember 2003 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sind.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu zwei Dritteln zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1955 geborene Kläger erlernte vom 1. September 1972 bis 30. Juni 1974 den Beruf des Baufacharbeiters und übte anschließend Tätigkeiten als Maurer und Tiefbaufacharbeiter bis zum 25. Oktober 1974 aus. Nach einer Beschäfti-gung als Behördenangestellter nahm er am 1. Dezember 1977 wiederum eine Tätigkeit als Baufacharbeiter auf, die er bis zum 29. Februar 1980 ausübte. Anschließend war er bis 1983 in einer Strafvollzugseinrichtung und bis 1985 beim Rat des Kreises als Angestellter tätig. Am 10. September 1985 nahm er eine Tätigkeit als Tiefbauarbeiter, Gerüstbauer und Pflasterer auf, die er bis zum 30. Juni 1997 ausübte. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beruf am 30. November 2003 war er - unterbrochen von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - mit Tiefbauarbeiten, Handschachtungen, Verlegen von Kanal-rohren und Pflasterarbeiten betraut.
Am 12. Februar 2002 zeigte die Krankenkasse des Klägers, die AOK Sachsen-Anhalt, der Beklagten eine Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK an und wies diverse hierauf beruhende Arbeitsunfähigkeitszeiten aus. Sie fügte einen Bericht von MR Dr. A. , M. D. der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt, vom 28. Januar 2002 bei, der bei dem Kläger eine lumbale Radikulopathie diagnostiziert hatte.
Unter dem 10. März 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe sich im Jahr 2000 mit Rückenschmerzen, unter denen er bereits seit 15 Jahren leide, in orthopädi-sche Behandlung begeben. Unter dem 15. April 2002 ergänzte er, unter Beschwerden der Lendenwirbelsäule leide er bereits seit 1984. Er überließ der Beklagten diverse Befundberichte: Die Fachärzte für Diagnostische Radiologie Dr. G. und M. erkannten in dem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 20. Juli 2001 eine deutliche linkskonvexe Torsionsskoliose der Lendenwirbelsäule und zirkuläre Protrusionen bei B12/L1 und L1/2 bei Bandscheibenvorfällen in den übrigen lumbalen Segmenten, insbesondere bei L4/5 mit Tangierung der L 5-Wurzel und L5/S1. Die Fachärzte für Orthopädie Dres. H. und H. diagnostizierten unter dem 28. September 2001 unter Berücksichtigung eines MRT vom gleichen Tag als Fremdbefund eine Claudicatio spinalis bei erworbenem relativ engem Spinalkanal von L2 - S1.
Die Beklagte erhielt von der AOK Sachsen-Anhalt ein Vorerkrankungsverzeichnis, das seit 1996 Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers wegen Rückenbeschwerden auswies. Unter dem 11. Juni 2002 teilte die Hausärztin Dipl.-Med. M. der Beklagten mit, der Kläger leide seit 1993 unter chronischen rezidivierenden zunehmenden Wirbelsäu-len- und Gelenkbeschwerden. Dabei handele es sich um eine berufsbedingte vorzeiti-ge degenerative Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates. Beigefügt war ein Bericht des Arztes für Orthopädie Dr. H. unter Mitwirkung der Stationsärztin Dipl.-Med. K. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 17. Januar bis 14. Februar 1996 in der Rehaklinik B. O ... Dr. H. /K. führten darin aus, die Lendenwirbelsäule des Klägers weise eine flache linkskonvexe Skoliose auf. An sämtlichen Lendenwirbelkörpern sei eine geringe spondylotische Osteophytenbildung mit deutlichen osteochondrotischen degenerativen Zeichen bei L2 bis L5 zu erkennen.
Ferner lag der Beklagten der Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 5. Mai 2000 vor, der ein rezidivierendes Pseudoradikulärsyndrom bei L5/S1 und degenerative Verände-rungen der Bandscheiben L3 bis S1 diagnostizierte.
In dem Entlassungsbericht vom 9. Februar 2001 zum stationären Aufenthalt des Klägers in der Teufelsbad Fachklinik diagnostizierten die Leitende Chefärztin Prof. Dr. K. und die Fachärztin für Orthopädie R. ein rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule.
Die Beklagte holte Auskünfte zur Tätigkeit des Klägers ein: Unter dem 17. Juni 2002 berichtete der frühere Arbeitgeber des Klägers, dieser habe in der Zeit vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 als Tiefbauer die Lasten vor dem Körper und als Gerüstbauer vor dem Körper und auf den Schultern gehoben oder getragen.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten errechnete unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und seines früheren Arbeitgebers für den Zeitraum von Oktober 1985 bis Juni 1996 als Gerüstbauer/Tiefbauer und Pflasterer und für den Zeitraum von Juli 1996 bis 30. September 2002 die nachfolgenden Belastungen:
Unter 25 kg Über 25 kg Extreme Rumpf-beugung Gerüstbauer ca. 30 % der Schicht ca. 25 % der Schicht ca. 10 % der Schicht Tiefbauarbeiter und Pflasterer ca. 30 % der Schicht ca. 20 % der Schicht ca. 20 % der Schicht Tiefbauarbeiter ca. 30 % der Schicht ca. 25 % der Schicht ca. 15 % der Schicht
Die Beklagte beauftragte daraufhin den Oberarzt des Zentrums für Rückenmarkverletz-te und Klinik für Orthopädie der B. Kliniken B. H. Dr. M. mit der Erstattung des fachorthopädischen Gutachtens vom 3. März 2003 nach Untersuchung des Klägers am 11. Dezember 2002. Der Kläger wog bei der Untersu-chung 117 kg bei einer Körpergröße von 192 cm. Dr. M. diagnostizierte eine linkskonvexe Torsionsskoliose mit einem Winkel von 7,7 Grad, Bandscheibenprotrusi-onen der Segmente L1/2 bis L4/5 und eine Spondylosis deformans der Lendenwirbel-säule mit einem Maximalbefund bei L4/5. Die Arthrose der Lendenwirbelsäule rufe ein chronisch rezidivierendes Krankheitsbild hervor. Funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule bestünden jedoch nicht. Die Entfaltung der Wirbelsäule sei harmonisch. Der alleinige Befund der degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule ohne Funktionsausfälle begründe keine BK. Auch habe die bandscheibenbedingte Erkran-kung der Lendenwirbelsäule nicht zur Unterlassung aller belastenden Tätigkeiten des Klägers gezwungen, denn seine Arbeitsunfähigkeit beruhe auf einer Knieerkrankung. Es sei damit zu rechnen, dass die Erkrankung zur Aufgabe der Tätigkeit als Tiefbauer führen werde.
Die Gewerbeärztin Dr. G. vertrat unter dem 29. April 2003 die Auffassung, die Manifestation von Rückenbeschwerden im Jahr 1984, in einer Zeit, in der der Kläger beruflich keine körperlich belastende Tätigkeit ausgeübt habe, spreche nicht für eine berufsbedingte Verursachung, sondern sei als schicksalhaft anzusehen.
Mit Bescheid vom 26. August 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Sozialleis-tungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil die Voraussetzungen der Anerkennung einer BK 2108 nicht vorgelegen hätten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbe-scheid vom 11. Dezember 2003 zurück. Der Kläger habe bereits im Jahr 1985 unter Wirbelsäulenbeschwerden gelitten, obgleich er seinerzeit noch keiner ausreichenden wirbelsäulenbelastenden Gefährdung ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus fehle es an dem Vollbeweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäu-le sowie an einer Funktionsstörung der Wirbelsäule, die den Kläger veranlasst hätte, die gefährdende Tätigkeit aufzugeben.
Mit der am 22. Dezember 2003 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung einer BK 2108 weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat Prof. Dr. M. von der Kl. für O. der Universität L. mit der Erstattung des orthopädischen Gutachtens vom 3. August 2004 nach Untersu-chung des Klägers am 28. Juli 2004 beauftragt. Prof. Dr. M. hat ausgeführt, der Kläger leide unter einer degenerativen Erkrankung der Bandscheiben zwischen L3 und S1, verbunden mit einem Drehgleiten. Die lumbale Skoliose sei Folge dieser Band-scheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule. Die Erkrankung der Lendenwirbelsäule betreffe die drei unteren Segmente. Die Beteiligung der oberen Lendenwirbelsäule an der Erkrankung äußere sich in einer Verdichtung der Wirbelschlussplatten, die belas-tungsbedingt einen vermehrten Kalksalzgehalt aufwiesen. Dort zeigten sich kleine spondylotische Randzacken. Auf dem MRT vom 20. Juli 2001 seien Bandscheiben-vorwölbungen zwischen Th12/L2 sowie Bandscheibenvorfälle an den übrigen lumbalen Segmenten erkennbar. Es liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lenden-wirbelsäule vor, die ursächlich auf langjährige schädigende Einwirkungen durch das Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung zurückzuführen sei. Der Kläger sei nicht im Stande, weiterhin in seinem Beruf als Tiefbauer und Gerüstbauer zu arbeiten.
In der von der Beklagten vorgelegten beratenden Stellungnahme des Oberarztes der Abteilung für Unfallchirurgie der A. Klinik Dr. A. vom 2. Dezember 2004 hat dieser ausgeführt, bei dem Kläger liege eine chronisch rezidivierende bandscheiben-bedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Da die Erkrankung bereits 1985 aufgetreten sei, der Kläger jedoch zuvor nicht langjährig rückenbelastend gearbeitet habe, habe die berufliche Tätigkeit die bandscheibenbedingte Erkrankung der Len-denwirbelsäule nicht verursacht. Auch sei das Rückenleiden nicht durch die rückenbe-lastende Tätigkeit wesentlich verschlimmert worden. Eine Verschlimmerung eines bestehenden Leidens hätte erst 10 Jahre nach Aufnahme der belastenden Tätigkeit auftreten können.
Mit Urteil vom 14. September 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht wahrscheinlich, dass die berufliche Tätigkeit die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers verursacht habe. Die Beschwerden seien bei dem Kläger bereits im Alter von 30 Jahren aufgetreten, als er noch keine körperlich belastende Tätigkeit ausgeübt hatte. Der Kläger leide vielmehr an einer anlagebedingten Skoliose. Auch weise das Auftreten der Polyarthrose auf eine sich langzeitig entwickelnde anlagebedingte bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule hin.
Gegen das am 23. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Oktober 2005 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begrün-dung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er habe bereits seit 1985 mehr als sieben Jahre die Tätigkeiten eines Baufacharbeiters und Maurers ausgeübt. Den Ausführun-gen von Prof. Dr. M. folgend hätten die degenerativen Veränderungen des Bandscheibengewebes mit Drehgleiten die lumbale Skoliose hervorgerufen. Es sei deshalb von einer beruflich bedingen Erkrankung auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 11. Dezember 2003 aufzuheben und festzustellen, dass die Verände-rungen der Lendenwirbelsäule des Klägers in den Bereichen L2/L3 und L4 - S1 ab Dezember 2003 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Be-rufskrankheiten-Verordnung sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise der Beklagten Gelegenheit zur schrift-lichen Stellungnahme zu den aufgeworfenen Kritikpunkten gegenüber dem Gutachten Dr. M. einzuräumen.
Sie beruft sich auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie die zutreffenden Entschei-dungsgründe des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat den Facharzt für Chirurgie MR Dr. M. vom Medizinischen Gutach-teninstitut D. mit der Erstattung des Fachchirurgischen Gutachtens vom 21. März 2007 nach Untersuchung des Klägers am 21. Februar 2007 beauftragt. Bei der Untersuchung hat der Kläger 120 kg gewogen. MR Dr. M. hat ausgeführt, bei dem Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit einem beginnenden Bandscheibenvorfall des Segmentes L5/S1 bei einer altersuntypi-schen Chondrose der Segmente L2/L3 und L4/L5 vor. L3/L4 und L5/S1 wiesen demgegenüber keine Chondrose aus. Das Lasegue-Zeichen war positiv. Die Be-schwerden des Klägers und die klinisch erhobenen Befunde stimmten überein. Der allgemeine Degenerationsgrad der Lendenwirbelsäule überschreite das alterstypische Maß hingegen nicht. Nach den Konsensempfehlungen sei es nicht wahrscheinlich, dass die Gesundheitsstörungen der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien. Nach der Hamburger Formel sei eine Kongruenz zwischen Lasteinwirkung, Röntgenbefund, Funktionseinschränkung und Schmerzlokalisation unter Ausschluss anderer Erkrankungen zu verlangen. Ein solcher Befund liege nicht vor. Nach dem spezifischen Schadensbild der BK 2108 seien degenerative Verände-rungen an der Lendenwirbelsäule von oben nach unten zur Hauptbelastungszone hin zu erwarten. Biomechanisch sei nicht nachvollziehbar, dass einzelne Segmente der Lendenwirbelsäule von einer Chondrose ausgespart seien. Es sei vielmehr von einer schicksalhaften Entwicklung auszugehen, die sich schon in den Jahren 1984/1985 durch Rückenschmerzen angedeutet habe. Es sei keine altersunübliche Spondylose oder Retrospondylose zu verzeichnen.
Dem Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 02/01074/9 B vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senates war.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat Erfolg.
Die als Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erhobene Klage ist zulässig.
Die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ist dabei über den auf die Feststel-lung einer (Unfall- oder Berufskrankheiten-) "Folge" gerichteten Wortlaut hinaus auch für die Feststellung des jeweiligen Versicherungsfalles selbst (hier der BK) statthaft (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 3).
Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 11. Dezember 2003 beschwert den Kläger im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil der Kläger einen Anspruch auf die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (in der Fassung der letzten Änderung durch Verordnung vom 11. Juni 2009, BGBl. I S. 1273) hat.
Anzuwenden sind hier die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn der dem Anspruch des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall, zu dem auch das Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit gehört, ist erst nach dem Inkrafttre-ten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff., § 212 SGB VII). Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit setzt nicht die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses voraus, sondern kann dann gegeben sein, wenn der Versicherte durch eine auf unbestimmte Zeit eingetretene Arbeitsunfähigkeit dauerhaft an der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit gehindert wird. Dies wird frühestens seit dem 25. Juni 2003 der Fall gewesen sein, als der Kläger nach Beendigung einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer Knieoperation am 9. April 2003 wegen des Wirbelsäu-lenleidens arbeitsunfähig erkrankt ist. Spätestens seit dem 1. Dezember 2003 übt der Kläger die Tätigkeiten als Maurer, Tiefbaufacharbeiter, Gerüstbauer und Pflasterer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nicht mehr aus.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung der Anerkennung der hier strittigen BK 2108 ist das Vorliegen einer bandscheibenbe-dingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Danach müssen für die Anerkennung als BK 2108 folgende Kriterien erfüllt sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verrichtet habe, bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwir-belsäule vorliegen, die durch die berufliche Einwirkung entstanden ist, diese Erkran-kung muss zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten gezwungen haben und der Versicherte darf eine solche Tätigkeit tatsächlich auch nicht mehr ausüben (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7).
Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt.
Während die versicherte Tätigkeit, die Einwirkung einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes und die Erkrankung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (im Sinne des Vollbeweises) nachgewiesen sein müssen, gilt für die Beurteilung der kausalen Zusammenhänge zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen, zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung sowie zwischen der Erkrankung und dem Zwang zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
Der Kläger war unstreitig während der Ausübung versicherter Tätigkeit einer ausrei-chenden die Wirbelsäule schädigenden Einwirkung im Sinne der BK 2108 ausgesetzt.
Der Kläger hat in der Zeit von 1972 bis 31. Dezember 1991 Tätigkeiten in der ehemali-gen DDR ausgeübt, die denen eines Versicherten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gleichstehen. Vom 1. Januar 1992 bis 2003 hat er versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeübt. Nach den überzeugenden Feststellungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten hat der Kläger in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten Tätigkeiten ausgeübt, die nach dem Merkblatt zu der BK 2108 (Bekanntmachung des BMAS vom 1. September 2006, BArbBl. 10/2006, S. 30, veröffentlicht in Mehr-tens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Oktober 2008, M2108) die Anforderungen an ein langjähriges Heben und Tragen von schweren Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung erfüllen. Danach liegen bei Männern schwere Lasten vor ab 10 kg einhändiges Heben, 20 kg beidhändiges Heben, 30 kg beidseitiges Tragen neben dem Körper, auf den Schultern oder dem Rücken und 25 kg Tragen vor oder einseitig neben dem Körper. Diese Lastgewichte müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, d. h. Häufigkeit und Dauer pro Schicht, gehandhabt werden, um als Ursache von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule in Frage kommen zu können. Dies ist bei einer Häufigkeit von 250 Hebe- oder Umsetz-vorgängen pro Tag oder einer Gesamttragedauer von ca. 30 Minuten pro Tag der Fall (Merkblatt zu der BK 2108, a.a.O. S. 8). Nach Mitteilung des früheren Arbeitgebers hat der Kläger in der Zeit vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 die Lasten bei Ausübung der Tiefbauarbeiten vor dem Körper und bei Ausübung der Gerüstbauarbei-ten vor dem Körper und auf der Schulter gehoben oder getragen; seit dem 1. Juli 1996 hat er Lasten je nach Arbeitsablauf gehoben oder getragen. Unter Berücksichtigung der vom TAD ermittelten Zeitanteile für das Heben und Tragen von Lasten über 25 kg von mindestens 20 % pro Schicht im Zeitraum vom 10. September 1985 bis 30. Juni 1997 ergibt sich bei einer Mindestarbeitszeit von 39 Stunden pro Woche bzw. 7,8 Stunden pro Tag ein Zeitanteil von mindestens 1 1/2 Stunden pro Schicht. Dies liegt über der geforderten Gesamteinwirkung pro Tag von mindestens 30 Minuten. Der Kläger hat diese Lasten auch in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen. Als weitere Belastung sind die Arbeiten in extremer Rumpf-beugehaltung mit mindestens 10 % der Schicht hinzuzurechnen.
Der Kläger hat die schweren Lasten langjährig gehoben und getragen bzw. langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeübt. Langjährig setzt nach dem Merkblatt zu der BK 2108 eine ca. zehnjährige Tätigkeit voraus. Nach den Berechnun-gen des TAD war der Kläger ca. 17 Jahre mit dem Tragen und Heben schwerer Lasten und mit Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung befasst. Dies stellt jedenfalls eine langjährige Belastung dar.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers ist auch vollbeweislich gesichert. Als bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbel-säule im Sinne der BK 2108 kommen Bandscheibendegenerationen, Instabilitäten im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfälle (Prolapse), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose) oder degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) in Betracht, wobei das Krankheitsbild neben einem durch Veränderungen an der Bandscheibe verursachten objektivierten Schaden zu chronischen oder chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschrän-kungen der Lendenwirbelsäule führen muss (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2).
Die Radiologen Dr. G. und M. haben in dem MRT vom 20. Juli 2001 in dem Segment L4/L5 einen breiten Prolaps mit Tangierung des Duralsackes und der L5-Wurzel und in dem Segment L5/S1 einen kräftigen Prolaps erkannt. Einen begin-nenden Prolaps bei L5/S1 hat auch MR Dr. M. festgestellt. Auf das für eine Wurzelreizung typische Lasegue-Zeichen hat die Klägerin positiv reagiert. Unter Heranziehung der herrschenden medizinischen Auffassung, die die BK 2108 nach den Konsensempfehlungen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 13/05 R - zitiert nach juris) einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 (hier zitiert nach Trauma und BK 2005, S. 211 ff.) beurteilt, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne eines lumbalen Wurzelsyndroms leidet. Diese Krankheit bedingte auch klinische Symptome und Funktionseinschränkungen. So war der Kläger nach Mitteilung der AOK Sachsen-Anhalt wegen einer Wirbelsäulenerkrankung in der Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 12. Februar 1999, vom 02. August 1999 bis 9. August 1999, vom 9. Dezem-ber 1999 bis 17. Dezember 1999, vom 8. November 2000 bis 10. November 2000, vom 17. Januar 2001 bis 7. Februar 2001, vom 28. Mai 2001 bis 1. Juni 2001, vom 24. September 2001 bis 1. März 2002 und vom 3. April 2002 bis 17. April 2002 wieder-holt arbeitsunfähig erkrankt. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. konnte der Kläger nach der Neutral-Null-Methode den Rumpf nur noch mit 10/0/10 Grad seitwärts drehen und mit 10/0/10 Grad seitwärts neigen. Das Zeichen nach Schober ergab einen Wert von 10/12 cm, der Finger-Boden-Abstand lag bei 50 cm. Ähnliche Befunde hat MR Dr. M. erhoben: Seitwärtsdrehen und Seitwärtsneigen des Rumpfes war dem Kläger mit 10/0/10 Grad möglich; Zeichen nach Schober lag bei 10/11 cm und der Finger-Boden Abstand bei 45 cm. Die Seitneigung ist Gesunden üblicherweise mit 30/0/30 Grad und das Drehen des Oberkörpers mit 50/0/50 möglich, das Zeichen nach Schober liegt bei Gesunden bei 10/15 cm und der Finger-Boden Abstand bei 10 cm (Rompe/Erlenkämper, 3. Auflage, S. 254 f.). Diese Befunde weisen auf eine Ein-schränkung der Funktionalität der Lendenwirbelsäule des Klägers hin.
Die beim Kläger vorliegenden Krankheitsbilder im Bereich der Lendenwirbelsäule können auch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückgeführt werden. Maßgeblich ist für den Zusammenhang zwischen den berufli-chen Belastungen und dem Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlich-keit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Dabei ist nur die Bedingung rechtlich erheblich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Eintritt des geltend gemachten Gesundheitsschadens "wesentlich" beigetragen hat (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr. 4, 15 m.w.N.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.).
Maßgeblich für die Einschätzung, ob ein hinreichender Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und Erkrankung besteht, sind dabei die Konsensempfehlungen. Von den verschiedenen Fallgruppen, die in den Konsensempfehlungen behandelt werden, gehört das Krankheitsbild des Klägers in die Gruppe B 2.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der Sammelgruppe "B", weil er unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung des Abschnitts "L5/S1" zwischen dem unteren Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein in Form eines Bandscheibenvorfalls leidet. Dieser Prolaps ist im MRT vom 3. Juni 2002 zu erkennen, auf welches MR DR. M. seine Diagnose gestützt hat. Im Sinne der Zuordnung zur Untergruppe B 2 sind bei dem Kläger keine wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren erkennbar. Die Skoliose der Lendenwirbelsäule scheidet als Konkurrenzursache aus. Nach den Konsensempfehlungen ist eine Skoliose der Lendenwirbelsäule zwischen 10 Grad und unter 25 Grad nach Cobb nach den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich nicht als konkurrierende Ursache geeignet, sofern der Scheitelpunkt nicht im untersten Segment der Lendenwirbelsäule liegt. Nach Dr. M. hat das Röntgen-bild vom 11. Dezember 2002 eine Skoliose der Lendenwirbelsäule von 7,7 Grad nach Cobb mit einem Scheitelpunkt bei L3 gezeigt. Zwar kommt Dipl. Med. B. nach Auswertung der Röntgenbilder vom 14. April 2000 auf eine Skoliose mit 10 Grad nach Cobb und Prof. Dr. M. nach Auswertung des Röntgenbildes vom 11. Dezember 2002 auf etwa 20 Grad nach Cobb. Dabei haben beide jedoch keinen von Dr. M. Feststellungen abweichenden Scheitelpunkt der Skoliose angegeben, so dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Skoliose die bandscheibenbedingte Erkrankung wesentlich verursacht hat. Auch scheidet das beim Kläger festgestellte Übergewicht nach den Konsensempfehlungen als konkurrierende Ursache aus (Konsensempfeh-lungen a.a.O., S. 251). Ferner besteht zwischen der Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung und der ausreichenden Exposition ein plausibler zeitlicher Zusam-menhang (vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 217). Dass der Kläger bereits 1984 unter Rückenbeschwerden gelitten hat, als noch keine ausreichende Exposition gegeben war, steht einem zeitlichen Zusammenhag nicht entgegen. Die bandschei-benbedingte Erkrankung des Klägers ist erstmals im Jahr 2001 nachgewiesen. Dass zwischen dieser und den Beschwerden im Jahr 1984 bereits ein Zusammenhang bestanden hat, ist nicht ersichtlich und weder klinisch noch bildgebend dokumentiert.
In Abgrenzung zur Konstellation B 1, die einen Wahrscheinlichkeitszusammenhang ohne weiters vermittelt, liegt hier die Konstellation B 2 mit einem Fehlen einer Begleitspondylose vor. Diese hat bei dem Kläger nicht vorgelegen. Als Begleitspondy-lose wird eine Spondylose in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten sowie in von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten, die nachgewiesenerma-ßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalles aufgetreten ist, definiert. Um eine positive Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Alters-maß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall. MR Dr. M. hat in Auswer-tung der Röntgenaufnahmen vom 11. Dezember 2002 keine altersuntypischen spondy-lotischen Anbauten an den Lendenwirbelkörpern gefunden. Auch die Röntgenaufnah-men vom 28. Juli 2004 zeigen nur kleine spondylotische Randzacken der oberen Lendenwirbelsäule. Prof. Dr. M. hat diese Randzackenbildung als nicht allzu ausgeprägt bezeichnet, wobei der Maximalbefund bei L5/S1 liegt. Auch Dr. M. hat lediglich eine Spondylose der Lendenwirbel mit einem Maximalbefund ohne funktionel-le Einschränkung festgestellt. Altersuntypisch wäre aber nach den Konsensempfehlun-gen bei einem Versicherten unter 50 Jahren eine Spondylose ab dem II. Grad mit einer Randzackenbildung zwischen 3 und 5 mm. Kleine spondylotische Randzacken erfüllen den II. Grad einer Spondylose nicht. Ferner erfüllt der Kläger das zusätzliche Merkmal einer Höhenminderung und/oder eines Prolapses an mehreren Bandscheiben (Untergruppe B 2). Die Konsensempfeh-lungen benennen hinter dem Anstrich zu den Zusatzkriterien des Krankheitsbildes zwei verschiedene hinreichende Voraussetzungen. Die eine besteht in dem auffälligen Black-disc-Befund zweier benachbarter Bandscheiben bei monosegementalem Befall mit dem klinischen Krankheitsbild. Die zweite - hier erfüllte - besteht in einer Höhen-minderung eines zweiten Segments als Ausdruck bisegmentalen Befalls. Gefordert wird insoweit hier nicht eine Chondrose II. Grades, die nur Ausdruck der bandschei-benbedingten Erkrankung ist, die die Eingangsvoraussetzung der B-Konstellation darstellt. Höhenminderung ist vielmehr jede Chondrose (Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 214, 1.2 A). Ob diese altersuntypisch sein muss, kann dahinstehen, weil dies hier jedenfalls der Fall ist. Neben dem Prolaps bei L5/S1 liegt zwischen den Wirbelkör-pern L4/L5 eine Höhenminderung (Chondrose) I. Grades vor. MR Dr. M. hat hier anhand der Röntgenaufnahmen vom 11. Dezember 2002 eine Bandscheibenhöhe von 5,0 mm gemessen. Dies ergibt eine normierte relative Bandscheibenhöhe (gerundet) von 79 %. Ergibt die normierte relative Bandscheibenhöhe einen Prozentwert über 66 und von höchstens 80, so liegt eine Chondrose I. Grades vor (vgl. Konsensempfehlun-gen, a.a.O., Tabelle 7, S. 230; Excel-Rechner unter www.dguv.de/inhalt/leistungen/¬verschutz/¬bk/¬wirbel¬saeule/¬in¬dex.jsp). Mit 79 % ist dies bei dem Kläger der Fall. MR Dr. M. hält auch die Röntgenaufnahme vom 11. Dezember 2002 zur Messung der Bandscheibenhöhe für verwertbar.
Der Kläger erfüllt damit die Voraussetzungen der Konstellation B 2 der Konsensemp-fehlungen. Danach ist es hinreichend wahrscheinlich, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung wesentlich durch die beruflichen Tätigkeiten verursacht worden ist.
Die diesem Ergebnis entgegenstehende Gesamtbeurteilung von MR Dr. M. überzeugt demgegenüber nicht, denn sie stimmt nicht mit den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in den Konsensempfehlungen zum Ausdruck kommen, überein. Die sog. "Hamburger Formel", auf die sich MR DR. M. neben den Konsensempfeh-lungen stützt und die bereits vor der Erarbeitung der Konsensempfehlungen von einigen Gerichten zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs herangezogen wurde, entspricht gerade nicht dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Stand. Sie ist daher für eine Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs nicht - auch nicht zusätzlich zu den Konsensempfehlungen - geeignet (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O.). Eine von oben nach unten zunehmende Intensität der degenerati-ven Veränderungen der Lendenwirbelsäule - wie sie MR Dr. M. für eine Anerken-nung der BK 2108 vorausgesetzt hat - ist nach den Konsensempfehlungen nicht erforderlich. Nach der Konstellation B 2 reicht es bei einer bandscheibenbedingten Erkrankung und fehlender Begleitspondylose aus, dass eines der Zusatzkriterien vorliegt. Der Nachweis eines bisegmentalen Schadens der unteren Lendenwirbelseg-mente - wie er bei dem Kläger vorliegt - reicht daher aus, um die hinreichende Wahr-scheinlichkeit eines Zusammenhangs zur beruflichen Tätigkeit zu begründen.
Der Kläger war auch gezwungen, seine Tätigkeiten als Maurer, Tiefbauer, Gerüstbauer und Pflasterer wegen seiner Beschwerden der Lendenwirbelsäule aus medizinischer Sicht aufzugeben. Dies hat Prof. Dr. M. in seinem Gutachten bestätigt. Auch Dr. M. ist davon ausgegangen, dass eine Fortsetzung der Tätigkeiten eines Tiefbauarbeiters zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung führen werde. Der Kläger hat die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten auch spätestens mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 30. November 2003 endgültig aufgegeben.
Die Berufung des Klägers ist daher begründet. Dem Hilfsantrag der Beklagten, ihr zu den aufgeworfenen Kritikpunkten gegenüber dem Gutachten von MR Dr. M. Gele-genheit zur Stellungnahme zu geben, war nicht stattzugeben. Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. Juni 2006 (a.a.O.) hätte der Beklagten bekannt sein müssen, dass der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen beruflicher Exposition und bandscheibenbedingter Erkrankung die Konsensempfehlungen zugrunde zu legen sind und die Hamburger Formel als wissenschaftlich nicht begründet hierfür ungeeignet ist. Dass der Senat die Gutachten an den Konsensempfehlungen messen wird, war für die Beklagte vorhersehbar. Die Beklagte hat in dem Termin der mündlichen Verhand-lung ausreichend Gelegenheit erhalten, zu dem Sach- und Streitstand Stellung zu nehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, wobei der in der 1. Instanz verfolgte Antrag, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr geltend gemacht hat, mit einem Drittel zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
gez. Eyrich gez. Dr. Ulrich gez. Boldt
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