L 5 AS 275/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 599/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 275/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Rücknahme - Falschangaben - gewöhnlicher Aufenthalt
Im Verfahren L 5 AS 275/09 B ER wird der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 1. Juli 2009 abgeändert: Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage (Az.: S 4 AS 1099/09) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009 wird hinsichtlich der Bewilligung der Regelleistung iHv 351,00 EUR angeordnet. Die Antragsgegnerin hat im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung die dem Antragsteller bewilligten Regelleistungen für die Monate Juni und Juli 2009 in einer Gesamthöhe von 702,00 EUR nachzuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat 3/5 der dem Antragsteller entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Verfahren L 5 AS 363/09 B ER wird der Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 15. September 2009 abgeändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig im Zeitraum vom 31. August 2009 bis zum 31. Januar 2010 Regelleistungen nach dem SGB II iHv 12,00 EUR für August 2009 und 359,00 EUR monatlich ab September 2009 als Zuschuss zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der dem Antragsteller entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Verfahren L 5 AS 364/09 B ER wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in drei Beschwerdeverfahren die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 1. Juni 2009.

Seinen ersten SGB II-Leistungsantrag hatte der im Jahr 1948 geborene Antragsteller am 10. Juli 2006 bei der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis Helmstedt gestellt. Er hatte für eine Vertragsdauer vom 1. März 2004 bis zum 28. Februar 2009 eine Gaststätte mit zugehöriger Wohnung in K.-L. gepachtet. Die Leistungen wurden auf das Konto des Sohnes des Antragstellers, S. G., der in der A. straße , ... B. lebt, überwiesen.

In seinem an die ARGE Helmstedt gerichteten Weiterbewilligungsantrag vom 29. Dezember 2008 gab der Antragsteller als geänderte Anschrift: "D. straße , ... K." an. Dem Antrag beigefügt war ein ab 1. Januar 2009 gültiger Mietvertrag für eine 50,6 m² große 2-Zimmerwohnung in K. , für die eine Kaltmiete iHv 200,00 EUR/Monat zu zahlen war. Hinzu kam eine monatliche Pauschalzahlung für Betriebskosten iHv 55,00 EUR. Ausweislich des Mietvertrages oblag es dem Mieter, Heizmaterial für die nach dem Vertrag mit Kohleöfen ausgestattete Wohnung zu beschaffen und Verträge für die Abfallent- und Stromversorgung mit dem Versorger abzuschließen. Als Vermieter war im Vertrag "L. Gi. wohnhaft in D. " ohne weitere Anschrift benannt, der durch den Sohn des Antragstellers vertreten wurde. Der Mietvertrag enthielt die Hinweise, die Stromversorgung des Hauses reiche für den Betrieb eines Elektroherdes nicht und es sei eine Einzugsrenovierung vorzunehmen. Dem Leistungsantrag beigefügt war ein unter "B., 22.12.2008" gefertigtes Schreiben des Antragstellers, wonach er seine bisherige Wohnung aufgegeben habe. Der Umzug nach K. sei für Anfang Januar 2009 vorgesehen. Die Leistungen sollten weiterhin auf das Konto des Sohnes überwiesen werden. Zum 1. Januar 2009 meldete sich der Antragsteller nach K. um.

Mit Schreiben vom 5. und 28. Januar 2009 erkundigte sich der Antragsteller unter der Anschrift seines Sohns bei der ARGE Helmstedt nach dem Grund der zwischenzeitlichen Zahlungsunterbrechung. Er bat um Erteilung einer Zusicherung für den beabsichtigten Umzug gemäß § 22 Abs. 2 SGB II. Dieser sei notwendig, weil sein Sohn den Betrieb der Gaststätte habe aufgeben müssen.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 teilte die ARGE Helmstedt dem Antragsteller mit, dass für den angegebenen Wohnort K. die Antragsgegnerin zuständig sei. Unter dem 24. Februar 2009 erteilte sie die Zusicherung für die neue Unterkunft.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 meldete sich der Antragsteller schriftlich erstmalig bei der Antragsgegnerin und gab an, derzeit halte er sich in B. auf. Sein Umzug nach K. verzögere sich wegen seiner Mittellosigkeit. Daher könne er auch nicht persönlich bei der Antragsgegnerin vorsprechen. Ausweislich des beigefügten Leistungsantrags vom 19. Januar 2009 habe er kein Einkommen; Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen machte er nicht. In der Anlage KdU erklärte er, die Wohnung in K. sei seit ca. dem Jahr 1960 bezugsfertig. Die Grundmiete betrage monatlich 200,00 EUR zuzüglich Nebenkosten iHv 55,00 EUR. Er heize mit selbst beschaffter Kohle und sonstigem (z.B. Holz), koche mit Gas und bereite Warmwasser mit Strom. Als Anschrift des Vermieters nannte er "Sch.str. , D, ".

Die Antragsgegnerin bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 27. Januar 2009 Leistungen für den Zeitraum vom 23. Januar bis zum 31. Juli 2009 iHv 606,00 EUR monatlich (Regelleistung 351,00 EUR und Kosten der Unterkunft [KdU] 255,00 EUR). Auf schriftlichen Hinweis des Antragstellers vom 14. Februar 2009 unter Angabe der Anschrift in K. und des Ortes des Schreibens B. korrigierte die Antragsgegnerin mit Änderungsbescheid vom 18. Februar 2009 die Krankenversicherungsgesellschaft; die Leistungsfestsetzung im Übrigen blieb unverändert. Ausweislich des Bescheides wurden die KdU an Frau H. Gi. überwiesen (wie im Mietvertrag angegeben); die übrigen Leistungen wurden auf ein Konto des Sohnes des Antragstellers gezahlt.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2009 teilte die ARGE Helmstedt der Antragsgegnerin mit, der Antragsteller sei für drei Objekte in K. grundsteuerpflichtig. Daraufhin lud die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. Februar 2009 den Antragsteller "zur Klärung von Leistungsangelegenheiten" am 26. Februar 2009 in die Dienststelle ein. Der Antragsteller nahm den Termin nicht wahr. Mit Schreiben vom 24. Februar 2009 teilte er unter der Anschrift K. der Antragsgegnerin mit, er halte sich vom 26. Februar bis zum 13. März 2009 in B. auf und sei postalisch über seinen Sohn erreichbar.

Unter dem 5. März 2009 teilte die Antragsgegnerin ihm mit, sie habe die Leistungen vorläufig eingestellt und bitte um eine Vorsprache am 16. März 2009. Er verfüge über Grundstücke in K. , die er nicht als Vermögen angegeben habe. Zudem sei er bislang persönlich nicht bekannt. Es werde um Vorlage des Personalausweises sowie eine persönliche Unterschrift vor Ort gebeten. Schließlich habe er am 29. Januar 2009 bei der ARGE in Braunschweig einen Leistungsantrag gestellt, sodass davon auszugehen sei, dass er sich länger als drei Wochen nicht im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin aufgehalten habe.

Dazu erklärte der Antragsteller mit Schreiben vom 11. März 2009, er besitze kein Vermögen. Kontoauszüge könne er nicht vorlegen, da er kein Girokonto habe. In der beigefügten Anlage VM verneinte er die Frage nach Immobilieneigentum, führte aber in einer E-Mail vom 8. März 2009 aus, drei Eigentumswohnungen in K. und in P. stünden zur Veräußerung an. Es sei nicht zu erwarten, dass er einen Überschuss erwirtschaften könne. Er erhalte keine Mieteinnahmen und könne die Restforderung nicht beziffern. Alle Wohnungen seien voll über Darlehen finanziert worden, die von der finanzierenden Bank im Mai 2005 gekündigt worden seien. Die Bank habe die Wohnungen an die HOIST Group zum freihändigen Verkauf übertragen. Er werde am 16. März 2009 direkt aus B. anreisen. Per Post übersandte der Antragsteller Notarverträge, Darlehensverträge, weiteren Schriftverkehr mit der finanzierenden Bank, Grundsteuermessbescheide für die vorbenannten Wohnungen, eine Kopie seines Personalausweises sowie eine Bescheinigung des Einwohnermeldeamtes der Verwaltungsgemeinschaft B./K. über die Anmeldung zum 1. Januar 2009 in K ...

Weiterhin ergibt sich aus einer im Verwaltungsvorgang befindlichen Kopie eines Beschlusses des Sozialgerichts Braunschweig (Az.: S 27 AS 141/09 ER) vom 27. Januar 2009, dass eine vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung gegen die ARGE Helmstedt auf Zahlung von SGB II-Leistungen ab dem 1. Januar 2009 abgelehnt wurde. Für die Leistungsgewährung an den Antragsteller sei weder die ARGE Helmstedt noch die Antragsgegnerin zuständig, da er sich nach seinen Angaben seit Ende Dezember 2008 sowie weiterhin in B. aufhalte. Mit Bescheid vom 5. Februar 2009 lehnte die ARGE Braunschweig einen am 29. Januar 2009 gestellten Leistungsantrag ab, da der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt bereits in K. gehabt und Leistungen von der Antragsgegnerin erhalten habe. Dagegen legte der Antragsteller unter dem 5. März 2009 vorsorglich für die Zeit vom 1. bis zum 22. Januar 2009 Widerspruch ein.

Der Antragsteller sprach (wohl) am 16. März 2009 bei der Antragsgegnerin vor und legte anschließend eine entwertete Bahnfahrkarte für die Strecke Braunschweig – Stendal und zurück zur Kostenerstattung vor. Nach einem Aktenvermerk vom 20. März 2009 sei er zu einem Termin am 18. März 2009 nicht erschienen und habe auch keine Gründe für sein Nichterscheinen mitgeteilt. Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. März 2009 einen unter dem 22. Februar 2009 gestellten Antrag auf Erstausstattungsleistungen für die Wohnung ab, da die Notwendigkeit zur Gewährung der Beihilfe nicht mehr bestehe.

Mit Änderungsbescheid vom 17. März 2009 stellte die Antragsgegnerin die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Juli 2009 von einer Zuschuss- auf eine Darlehensleistung gemäß § 23 Abs. 5 SGB II um. Der Leistungsbetrag blieb unverändert.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 forderte sie den Antragsteller auf, Angaben zum Überschuss aus dem Verkaufserlös zu machen. Bis zum Abschluss des Veräußerungsverfahrens würden Leistungen darlehensweise erbracht. Zugleich veranlasste sie einen Hausbesuch.

Der Hausbesuchsbericht vom 19. Mai 2009 lautet u.a. wie folgt: "Versuche eines Hausbesuchs wurde am 18.05.09 und am 19.05.09 unternommen.

Da niemand angetroffen wurde, haben wir am 19.05.09 eine Mitteilungskarte und Belehrungsblatt im Postkasten hinterlassen, mit der Bitte, sich am 20.05.09 in der Zeit von 7.00 Uhr – 8.30 Uhr in der ARGE zu melden. Ein Rückruf erfolgte nicht.

Die Anschrift wurde nach längerem suchen im Ort und Auskunft von Nachbarn aufgefunden.

Unter der Hausnummer ... verbirgt sich ein großes, dem Augenschein nach, sanierungsbedürftiges Mehrfamilienhaus, mit angrenzenden Nebengelaß und einem großen Hof.

Unter der Anschrift konnte, von außen her, nur eine bewohnte Wohnung festgestellt werden. Dieser Eingang befindet sich an der Giebelseite des Hauses und wird von jemand anderem bewohnt.

Auf der Hofseite, wo der Zugang zu Herrn G. Wohnung ist, führt eine große Hauseingangstür in einen kleinen Vorflur, in dem sich zwei Briefkästen befinden. Der Briefkasten von Herrn G. ist vorhanden und auch übermäßig mit Post befüllt.

Folgende Briefe wurden mit Postdatum gesehen. Post von Wüstenrot – Poststempel 27.04.09, Post von SHV-Immobilien Poststempel 28.04.09 und 07.05.09, Post von Ludwigsburg Poststempel 04.05.09, Post von der ARGE Braunschweig Poststempel 14.05.09 und Post von der V-Gem. Kläden mit Poststempel vom 14.05.09.

Es lagen noch weitere Briefe in und auf dem Postkasten.

Von diesem Flur, so konnte man durch die Fenster der Zwischentür sehen, befindet sich ein größerer Flur mit Treppe ins obere Stockwerk.

Der Briefkasten als auch das Haus wurden fotografiert (siehe Anlage).

Die von uns befragten Anwohner erklärten, dass Herr G. alle vier bis sechs Wochen vorbei sieht und dann die Post herausnimmt. Wohnen tut er aber nicht im Haus. Die bezeichneten Wohnräume haben keine Stromanschluss und keine ordentlichen Öfen.

Ergebnis: Der Außendienst geht davon aus, dass Herr G. nicht im Haus wohnt bzw. eine bewohnbare Wohnung darin besitzt.

Den Poststempeln nach zu urteilen, dürfte Herr G., nach unserer Meinung, im Mai 2009 noch gar nicht unter der Anschrift erreichbar gewesen sein. Nach Aussage, der nach der Anschrift von uns befragten Bewohner im Dorf, hatten vor uns schon mehrere Leute nach der Anschrift gefragt.

Weitere Erkenntnisse sollte unter anderem auch von Auskünften bei Energieversorger, Wasserverband und Schornsteinfeger zu erwarten sein. "

Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 hob die Antragsgegnerin daraufhin die Bewilligung vom 17. März 2009 für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Juli 2009 vollständig auf, da der Antragsteller sich außerhalb des in der Erreichbarkeitsanordnung genannten Bereichs aufhalte und nicht in angemessener Zeit erreichbar sei. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 4a SGB II. Er wisse bzw. hätte wissen müssen, dass dadurch der ihm zuerkannte Anspruch ruhe oder ganz oder teilweise entfalle. Dazu benannte sie als Rechtsgrundlage § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X).

Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 teilte die HOIST Group mit, die genannten Immobilien befänden sich in der Zwangsverwertung. Es sei nicht zu erwarten, dass auszuzahlender Überschuss erzielt werden könne.

Am 2. Juni 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Stendal (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (Az.: S 4 AS 599/09 ER). Die Leistungen für Juni 2009 seien ohne Grund nicht überwiesen worden, sodass er derzeit mittellos sei. Er solle mitwirken, wisse aber nicht, was die Antragsgegnerin von ihm wolle, denn seine Wohnungen seien noch nicht verkauft. Er habe im Schreiben vom 8. März 2009 die Situation ausführlich geschildert. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22. Juni 2009 hat er ausgeführt, der Bescheid vom 25. Mai 2009 sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4a SGB II nicht vorlägen. Er müsse nicht täglich erreichbar sein, vielmehr genüge die postalische Erreichbarkeit. Gleichzeitig hat der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Mai 2009 eingelegt.

Mit Beschluss vom 1. Juli 2009 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes (Az.: S 4 AS 599/09 ER) abgelehnt. Der angegriffene Bescheid sei voraussichtlich rechtmäßig, denn die Antragsgegnerin habe zu Recht gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X die Bewilligungsbescheide aufgehoben. Der Antragsteller habe bei Antragstellung falsche Angaben gemacht. Es bestünden erhebliche Zweifel an seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Antragsgegnerin. Niemand würde in K. für eine unsanierte, renovierungsbedürftige Wohnung ohne Zentralheizung eine Kaltmiete von 4,00 EUR/m² bezahlen. Es sei zu vermuten, dass der Mietvertrag so abgeschlossen worden sei, um möglichst hohe Sozialleistungen zu erhalten. Der häufige Aufenthalt in B. spreche für einen Scheinmietvertrag und – wie auch das Ergebnis des Hausbesuchs – gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt in K ... Der Antragsteller sei wohl von Ende April bis zum 19. Mai 2009 nicht in K. gewesen, habe aber für diesen Zeitraum keine Ortsabwesenheit mitgeteilt. Zudem habe er wegen seiner Anträge auf Kostenübernahme für Einzugsrenovierung, Brennstoff und Erstausstattung der Wohnung, die bislang nicht beschieden worden seien, nicht nachgefragt. Er kommuniziere fast ausschließlich schriftlich und telefonisch mit der Antragsgegnerin.

Gegen den ihm am 8. Juli 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4. August 2009 Beschwerde eingelegt (Az.: L 5 B 275/09 B ER) und ausgeführt, er sei zum Besuch ihm vertrauter Ärzte wegen seiner Krebserkrankung ortsabwesend gewesen und habe die Termine gebündelt. Er habe jeweils angezeigt, wo er während der Abwesenheit zu erreichen sei. Der durchschnittliche Mietpreis für Wohnungen in Sachsen-Anhalt liege zwischen 4,00 EUR und 6,00 EUR pro m²; die von ihm bezahlte Miete sei also angemessen. Er besitze zwei große Hunde und habe eine stille, kostengünstige Wohnung auf dem Lande gesucht, die er in zwei Jahren als Altersrentner aus eigenen Mitteln bezahlen könne. Der überfüllte Briefkasten mit Briefen mit Poststempeln von Ende April 2009 beweise nicht, dass er sich seit Ende April bis zum 19. Mai 2009 nicht in K. aufgehalten habe. Er suggeriere jedermann, es sei niemand zu Hause. Es werde nicht geklopft, man habe seine Ruhe. Es sei nicht zu beanstanden, dass er überwiegend schriftlich und telefonisch kommuniziere.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2009 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 1. Juni 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung der nunmehr auf § 45 SGB X gestützten Rücknahme hat sie u.a. ausgeführt, die Bewilligungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Sie beruhten auf der zumindest grob fahrlässigen falschen Angabe des Antragstellers zum Wohnsitz in K ... Er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt weder bei Antragstellung noch in der Folgezeit im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin gehabt, weshalb er von ihr auch keine Leistungen beanspruchen könne.

Unter dem 3. August 2009 hat der Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag ausgefüllt, u.a nunmehr ein auf seinen Namen geführtes Konto bei der Wüstenrot Bank AG angegeben und diesen zusammen mit einem Leistungsantrag nach dem SGB XII an das Sozialamt des Landkreises Stendal geschickt, wo er am 4. August 2009 eingegangen ist. Mit Bescheid vom 31. August 2009 hat die Antragsgegnerin den an sie weitergeleiteten Antrag für die Zeit ab 1. August 2009 abgelehnt und sich zur Begründung der Entscheidung auf §§ 7 und 36 SGB II berufen.

Am 31. August 2009 hat der Antragsteller beim SG im Wege einer einstweiligen Anordnung sofortige Leistungen begehrt (Az.: S 4 AS 1023/09. Dies hat das SG mit Beschluss vom 15. September 2009 mit der Begründung abgelehnt, er habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Bereich der Antragsgegnerin und Mietschulden bestünden offensichtlich nicht. Dagegen hat der Antragsgegner am 23. September 2009 Anhörungsrüge erhoben (die bislang – soweit ersichtlich – nicht bearbeitet worden ist) und am 7. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt (Az.: L 5 B 363/09 B ER).

Am 14. September 2009 hat der Antragsteller beim SG gegen den Bescheid vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids (Az.: S 4 AS 1099/09) Klage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung beantragt (Az.: S 4 AS 1093/09 ER). Mit Beschluss vom 23. September 2009 hat das SG den Antrag als unbegründet abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 7. Oktober 2009 eingegangenen Beschwerde (Az.: L 5 AS 364/09 B ER).

Auf die Bitte des Senats, mitzuteilen, wo er sich wann aufgehalten habe, hat er mit Schreiben vom 28. September 2009 ausgeführt, postalisch sei er unter der Anschrift seines Sohns zu erreichen. Tatsächlich halte er sich derzeit im Wechsel bei Bekannten im Großraum Hannover/Braunschweig auf. Wegen fehlender Nahrungsmittel habe er am 2. August 2009 K. verlassen und sich an verschiedenen Orten aufgehalten. Zwischenzeitlich sei er allerdings einige Male wieder dort gewesen. In dem für das Beschwerdeverfahren L 5 AS 275/09 B ER maßgeblichen Zeitraum sei er lediglich vom 3. bis 5. Juni, am 29. und 30. Juni sowie vom 20. bis zum 30. Juli 2009 nicht in K. gewesen. Sein Umzugsgut habe er bereits im Dezember 2008 nach K. transportiert. Über die Weihnachtsfeiertage habe er sich in B. aufgehalten und beabsichtigt, Anfang Januar 2009 nach K. zu fahren. Da er jedoch keine Leistungen erhalten habe, sei er zunächst in B. geblieben. Nach Leistungsbewilligung Ende Januar 2009 habe er die Fahrt nach K. antreten können. Am 5. Oktober 2009 habe er wieder eine Mitfahrgelegenheit nach K. und sei dann dort wieder erreichbar.

Auf die Bitte des Senats um Übersendung eines Nachweises über den Abschluss von Verträgen über Stromlieferung und Abfallentsorgung sowie Belegen über die bisherigen Mietzahlungen, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Dezember 2009 erklärt, Belege über Mietzahlungen könnten nicht vorgelegt werden, da der Leistungsträger die KdU direkt an den Vermieter gezahlt habe. Als weitere Nachweise zu den KdU hat er beigefügt die Kopie einer Rechnung über Abfallgebühren vom 31. August 2009, wonach für die zweite Jahreshälfte 2009 noch keine Gebühren gezahlt worden waren. Das Adressfeld des Anschreibens, das den Rechnungsempfänger ausweist, ist beim Kopieren abgedeckt worden. Dasselbe gilt für die ebenfalls als Kopie vorgelegte Mahnung des Bezirksschornsteinfegermeisters vom ... 2009 über die Gebührenrechnung für das Jahr 2009. Die angeforderten Belege über die Vertragsabschlüsse sind nicht vorgelegt worden.

Am 14. Oktober 2009 ist ein erneuter Hausbesuch erfolgt. Der Hausbesuchsbericht vom 15. Oktober 2009 lautet auszugsweise wie folgt:

" das Haus machte von außen einen unbewohnten Eindruck.

Der Postkasten war leer.

Da Bewegung im Haus zu sehen war und Geräusche im Haus zu hören waren, wurde das Haus betreten.

Nach mehrmaligen Klopfen und rufen erschien Herr G. am Fenster im oberen Stock. Erst auf unsere persönliche Vorstellung bat er uns zur Giebelseite an die Terrassentür.

Nach Belehrung und nach intensiver Erläuterung des Grundes für den Hausbesuch gestattete er den Zutritt.

Herr G. führte uns durch die jetzt leere Wohnung, wo zum Zeitpunkt unseres ersten Hausbesuches noch die Familie Scheel gewohnt hat.

Er erklärte, sehr ängstlich zu sein, weil er in Insolvenz sei und ihm wieder Leute aufsuchen würden und Geld von möchten.

Der Weg zur Wohnung von Herrn G. führte durch die Wohnung, die Familie Scheel bewohnt hatte und dann über eine Holztreppe.

Herr G. selbst hat keinen Strom.

Er bezieht den Strom aus der jetzt leeren Wohnung der ausgezogenen Familie Scheel. Auf dem Fußboden lag ein längeres Stromkabel, das bis ins obere Stockwerk reichte.

Beheizt wird nur ein Zimmer.

Am Wochenende kommt vermutlich der Sohn, der gleichzeitig Vermieter der Wohnung ist, und bringt das Holz, so Herr G ...

In jedem Raum der Wohnung steht ein Kachelofen.

Die gezeigte Wohnung ist wie folgt unterteilt:

Über die Treppe erreicht man den Flur.

Vom Flur gelangt man nach links in das, wie er sagt, Wohnzimmer und dann rechts in den Schlafraum von Ihm und seinen beiden Hunden.

Im Wohnzimmer stehen ein Tisch, auf dem ein Computer stand, ein weiterer Tisch, der am Fenster steht und ein weißer Gartenmöbeltisch.

Im Schlafzimmer stehen zwei Liegen.

Auf der einen lag Bettzeug und auf der anderen nur eine alte Matratze für die Hunde zum schlafen. Im Schlafzimmer stand ebenfalls noch ein kleiner Tisch und ein Heizgerät, das mit einer Gasflasche betrieben wird.

Dem Wohnzimmer gegenüber befindet sich die Küche.

In der Küche stehen auf der linken Seite ein Herd und ein Kühlschrank, die nicht funktionstüchtig sind. Auf beiden Geräten und auf einem Tisch, der daneben stand, waren einige Lebensmittel wie Büchsen mit Fertiggerichten, Nudeln, Tomatensoßen und einige Wurstdosen zu sehen.

Da Herr G. kein Auto besitzt hat er durch die Nachbarn Hilfe beim Einkauf der Lebensmittel.

Der Küche angrenzend befindet sich auf der rechten Seite das Bad.

Im Bad war eine Toilette ohne Toilettendeckel, eine Badewanne und ein ziemlich neuer Kohlebadeofen zu sehen. Am Fußboden standen noch zwei Taschen mit Schmutzwäsche, die nach Aussage von Herrn G., vom Sohn abgeholt wird und zum Waschen mitnimmt.

Wie gaben Herrn G. den Hinweis, dass er nicht unter diesen, aus unserer Sicht unzumutbaren, Bedingungen hier wohnen muss und die Hilfe von den Behörden annehmen soll. Er lehnt dies jedoch mit Nachdruck ab, mit der Begründung, er sei schwerbeschädigt und wenn er in zwei Jahren in Rente gehe, möchte er auf keine Transferleistungen angewiesen sein. Ergebnis:

Der Außendienst geht davon aus, dass Herr G. noch nicht lange unter diesen Umständen wohnen kann.

Herr G. hielt sich unter der angegeben Wohnanschrift tatsächlich auf.

Das Haus, wie auch die Wohnräume von Herrn G. wirken renovierungsbedürftig.

Die Fenster sind undicht.

Die Wohnung ist dürftig ausgestattet.

Aus Sicht des Außendienstes sollte geprüft werden, inwieweit Hilfe / Betreuung von Amts wegen (Einschaltung eines Fallmanagers) erforderlich ist.

Am 28. Oktober 2009 um 12.40 Uhr ist ein weiterer Hausbesuch erfolgt, bei dem der Antragsteller nicht angetroffen worden ist.

"Im Briefkasten, der sich im Flur befindet, wurde ein Brief vom Landessozialgericht, mit Datum vom 15.10.09, gesehen.

An der Zwischentür war ein Zettel in Augenhöhe angebracht, auf dem steht, dass man sich im Notfall an Herr S. G. unter der Telefonnummer 0170 melden soll.

Auffällig war, dass, im Unterschied zu früheren Hausbesuchen, die Zwischentür zum Treppenhaus (Foyer) offen ist. Herr G. erklärte beim Hausbesuch am 14.10.09, dass er wegen der Hunde immer alles abschließen muß. Herr G. besitzt 2 Hunde. Hundegebell war nicht zu hören. Es konnten keine Hunde festgestellt werden.

Die Wohnung, die Herr G. beim Hausbesuch am 14.10.09 gezeigt hatte, war verschlossen.

Das Elektrokabel, dass beim letzten Hausbesuch von der unteren Wohnung nach oben führte, war nicht mehr ausgelegt.

Beim Blick durch das Fenster der unteren Wohnung ist das Kabel auch nicht vorhanden. Es war nur eine Mehrfachsteckdosenleiste auf dem Fußboden zu erkennen, die mit der Steckdose verbunden ist.

Der Eingang der Wohnung am Giebel, welcher beim letzten Hausbesuch genutzt wurde, war offen.

Das Licht konnte angeschaltet werde, es funktioniert auch.

Da Herr G. nicht angetroffen wurde, auch nicht nach mehrmaligen rufen und klopfen, gingen wir in die Nachbarschaft, die Herr G. selbst angegeben hat.

Es wurde nicht geöffnet und somit wurde eine andere Nachbarschaft befragt.

Eine ältere Dame erzählte, dass Herr G. so vor 14 Tagen für drei oder vier Tage im Haus war. Der Sohn holt und bringt seinen Vater ab und zu her.

Ergebnis:

Der Außendienst geht aufgrund des jetzigen Besuchsergebnisses davon aus, dass Herr G.n, entgegen dem Eindruck des letzten Hausbesuches nicht hier wohnt.

Es sind keine Brennstoffe vorhanden.

Die Zähler im Obergeschoss sind von eon-avacon gesperrt, wie durch die Fenster zu erkennen ist.

Sein Aufenthalt und die Anwesenheit beim Hausbesuch vom 14.10.09 war eher dem Zufall geschuldet.

Da sein Sohn eine Altkleidersammlung als Geschäft betreibt, ist anzunehmen, dass sich Herr G. beim Sohn aufhält und dort eine Beschäftigung ausübt. Eine entsprechende Prüfung in B. sollte angeregt werden."

Zu diesem Hausbesuchsbericht hat der Antragsteller ausgeführt, es sei ihm nicht zuzumuten, in einer kalten Wohnung bleiben.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß

in den Verfahren L 5 AS 275/09 B ER und L 5 AS 364/09 B ER, die Beschlüsse des Sozialgerichts Stendal vom 1. Juli und vom 23. September 2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage (Az.: S 4 AS 1099/09) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009 anzuordnen,

und im Verfahren L 5 AS 363/09 B ER, den Beschluss des Sozialgerichts Stendal vom 15. September 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 1. August 2009 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren sowie seine Mietschulden zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in ihrem Bereich habe. Er habe dort lediglich eine Postadresse angemeldet. Es sei auch die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers zu klären. Weitere persönliche Vorsprachen des Antragstellers seien nicht bekannt. Die Hausbesuchsberichte erhärteten den Verdacht, dass der Antragsteller einen dauerhaften Aufenthalt in K. nicht beabsichtige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

II. Die Beschwerden gegen die Ablehnung der drei Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beschwerdewert von 750,00 EUR ist jeweils überschritten, weil Streitgegenstand in jedem der Beschwerdeverfahren ein mehrmonatiger Leistungszeitraum ist. Zuletzt erhielt der Antragsteller monatliche Leistungen in Höhe von 606,00 EUR.

1. Die Beschwerde im Verfahren L 5 AS 275/09 B ER, in dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009 begehrt, ist teilweise begründet. Insoweit hat das SG zu Unrecht den Antrag vollständig abgelehnt. Streitgegenständlich ist hier der Zeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Juli 2009.

Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist statthaft nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsakt schon vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung (Artikel 2 Nr. 14 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008, BGBl. I S. 2917) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Der im Weg der isolierten Anfechtungsklage angegriffene Aufhebungsbescheid, der in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, auf § 45 SGB X gestützt ist, entscheidet über den vollständigen Entzug der bereits bewilligten Leistungen für die Dauer von zwei Monaten. Der dagegen eingelegte Rechtsbehelf hat daher keine aufschiebende Wirkung.

Durch die begehrte Anordnung kann die im Bewilligungsbescheid vom 27. Januar 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 18. Februar und 17. März 2009 verfügte darlehensweise Leistungsbewilligung vorläufig wieder aufleben.

Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b RN 12). Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung über die Aufhebung der sofortigen Vollziehung nach denselben Gesichtspunkten wie die Widerspruchsbehörde in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG. Bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Hauptsache überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse, umgekehrt bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsache das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des betroffenen Verwaltungsakts oder fehlende Erfolgsaussichten von Widerspruch und/oder Klage können allein das besondere Vollzugsinteresse jedoch nicht begründen oder eine Prüfung ersetzen oder entbehrlich machen. Sie können nur zur Folge haben, dass die vorhandenen, ihrer Art nach dringlichen Vollzugsinteressen grundsätzlich als schwerwiegender anzusehen sind als das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind dabei vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der dem Antragsteller auferlegten Belastungen und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihre Folgen zu berücksichtigen.

Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen im Hinblick auf die Entziehung der Regelleistung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Rücknahmebescheides. Insoweit überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin am Vollzug des Bescheides. Dies gilt jedoch nicht, soweit die bewilligten KdU zurückgenommen worden sind.

Die Antragsgegnerin kann voraussichtlich die Leistungsentziehung nicht erfolgreich auf § 45 SGB X – wie im Widerspruchsbescheid erfolgt – stützen.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach Satz 3 der Vorschrift kann sich jedoch der Begünstigte u.a. auf Vertrauen nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). In diesen Fällen hat die Rücknahme als gebundene Entscheidung zu ergehen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III). Die (objektive) Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 45 SGB X obliegt im Rahmen der Aufhebung eines Bewilligungsbescheides der Antragsgegnerin.

Da die Antragsgegnerin im Rahmen des auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gestützten Widerspruchsbescheides Ermessen nicht ausgeübt hat, wären die Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn der Bescheid vom 27. Januar 2009 aufgrund von zumindest grob fahrlässigen Falschangaben des Antragstellers nachweislich von Anfang an rechtswidrig gewesen wäre. Ansonsten stünde sein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse einer Rücknahme ohne Ermessensausübung entgegen.

Die Antragsgegnerin hat zur Begründung des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2009 ausgeführt, der Antragsteller habe falsche Angaben zum Wohnsitz und damit zum gewöhnlichen Aufenthalt gemacht. Es steht jedoch zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass der Antragsteller hinsichtlich seines künftigen gewöhnlichen Aufenthalts Falschangaben gemacht hat.

Gemäß § 36 Satz 1, 2 SGB II ist für die Leistung der Grundsicherung derjenige Träger zuständig, in dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Lässt sich ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht feststellen, so ist nach Satz 3 der Vorschrift der Träger örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige tatsächlich aufhält. Die Regelung bestimmt den örtlich zuständigen Träger für die Leistungsgewährung. Ob sie einen Träger zur Leistungsablehnung wegen örtlicher Unzuständigkeit ermächtigt, ist streitig (vgl. hierzu: Link in Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 36 RN 3, 31 f.; Schoch in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 36 RN 19; 2. Senat des LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Juli 2009, Az.: L 2 AS 194/09 B ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. November 2007, Az.: L 3 AS 60/07, zitiert nach juris RN 42; a.A: LSG NW, Beschluss vom 8. Juli 2009, Az.: L 7 B 198/09 AS ER). Dies kann hier jedoch dahinstehen, weil der Senat nach dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht davon ausgeht, dass der Antragsteller grob fahrlässig Falschangaben zum gewöhnlichen Aufenthalt gemacht hat.

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gesetzlich definiert. Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt ist vom tatsächlichen und nur vorübergehenden Aufenthalt abzugrenzen. Zur Beantwortung der Frage, ob sich jemand nicht nur vorübergehend an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält, kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse sowie auf eine vorausschauende Betrachtungsweise an. Dabei sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren (subjektiven und objektiven) Umstände zu berücksichtigen. In erster Linie sind die objektiven Umstände und das zeitliche Moment – der Aufenthalt muss zukunftsoffen sein – zu berücksichtigen. Erst in zweiter Linie kommt es auf die subjektiven Vorstellungen des Hilfebedürftigen an. Generell muss am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liegen. Besteht die Absicht, an einem Ort nicht nur vorübergehend zu verweilen, und stehen dem dauerhaften Verweilen keine objektiv erkennbaren Hinderungsgründe entgegen, so kann bereits mit dem Zuzug, das heißt am ersten Tag des Aufenthalts an diesem Ort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden (vgl. zum Vorstehenden: Link, a.a.O., § 36 RN 16,18 ff.).

Auf den Umstand, dass sich der Antragsteller im Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich mindestens 27. Januar 2009 (noch) nicht in K. aufgehalten hat, kann sich die Antragsgegnerin zur Begründung der Rücknahme nicht berufen, denn es war ihr bekannt, dass sich der Antragsteller tatsächlich bei seinem Sohn in B. aufhielt und nach seinen Angaben beabsichtigte, sich nach Leistungsbewilligung nach K. zu begeben und sich dort dauerhaft aufzuhalten.

Es ist nicht erwiesen, dass er diesen Plan nicht umsetzte oder von diesem Plan abrückte. Der Antragsteller ist – nach seinen Angaben – nach der Leistungsbewilligung umgezogen. Ein konkretes Datum hat er nicht genannt. Zwar hat er noch am 14. Februar 2009 ein Schreiben an die Antragsgegnerin unter der Ortsangabe B. verfasst, was allein jedoch nicht aussagekräftig ist. Auf den Umstand, dass er bereits im Dezember 2008 seine persönlichen Habe nach K. gebracht haben will, kommt es nicht an. Maßgeblich ist der Zuzug, d.h. der Einzug und tatsächliche Aufenthalt mit der Absicht, dort zu bleiben. Dem Indiz der Ummeldung beim zuständigen Einwohnermeldeamt, die zum 1. Januar 2009 erfolgte, kommt angesichts des abweichenden tatsächlichen Verlaufs vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Auch die Beantragung von Mitteln zur Erstausstattung und Renovierung der Wohnung mit Schreiben vom 22. Februar 2009 ist kein Beweis für eine erfolgte Wohnsitznahme.

Der Senat geht – mit Wirkung allein für das einstweilige Rechtsschutzverfahren – derzeit davon aus, dass der Antragsteller die ernsthafte Absicht hatte, nach K. umzuziehen und diese Absicht in der Folgezeit auch realisiert hat. Zwar ergeben sich nach Lage des Falles Indizien dafür, dass die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts dort – zumindest nicht zeitnah – nach der Erstbewilligung der Leistungen erfolgt ist (Beantragung von Heizmaterial erst am 22. Februar 2009, fehlender Abschluss eines Stromlieferungsvertrags), erwiesen ist dies jedoch nicht.

Der Antragsteller hat wohl beabsichtigt hat, sich in K. – zumindest auch – dauerhaft aufzuhalten. Er hat sich zeitweise dort aufgehalten und die Möglichkeit der Nutzung einer Wohnung gehabt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass er zum gewöhnlichen Aufenthalt zumindest grob fahrlässig Falschangaben gemacht hat.

Anderes gilt im Hinblick auf die Bewilligung von Leistungen für KdU: Insoweit hat der Antragsteller bereits bei Antragstellung falsche Angaben gemacht. Denn der vorgelegte Mietvertrag für die Wohnung in K. ist nach der Überzeugung des Senats ein Scheinmietvertrag. Es ist für den Senat offensichtlich, dass der Antragsteller rechtlich nicht zur Zahlung einer Miete iHv 200,00 EUR zzgl. 55,00 EUR Nebenkosten an den vorgeblichen Vermieter verpflichtet ist.

Ein rechtsgültiges Mietverhältnis besteht in Ansehung der Wohnung nicht. Zunächst ist bereits der namentlich benannte Vermieter L. Gi. im Mietvertrag unzureichend bezeichnet. Die Postanschrift ist nicht angegeben worden. Den (ohne Postleitzahl) angegebenen Wohnort namens "Desprtal" gibt es nicht. Gemeint ist möglicherweise der Ort D. bei Hildesheim. Auch in der vom Antragsteller am 23. Januar 2009 vorgelegten ausgefüllten Anlage KdU ist die Anschrift des Vermieters nur fehlerhaft enthalten. Wieder ist der Wohnort falsch angegeben. Auch die weitere Angabe "Sch.str. " ist falsch; in D. bei H. gibt es laut Google Maps keine Straße dieses Namens. Auch die Postleitzahl ist falsch. Es drängt sich der Verdacht auf, dass eine Identifizierung der Person des Vermieters oder die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit ihm verhindert werden sollte. Ein Schreibfehler scheidet aus, da der Ortsname "D. " verschiedentlich in genau dieser Schreibweise wiederholt wird. Weiter ist der Mietvertrag vom Sohn des Antragstellers – in Vertretung des Vermieters – unterschrieben worden; eine schriftliche Vollmacht des Vermieters wurde indes bisher nicht vorgelegt.

Nach den beim Hausbesuch am 18. Mai 2009 gefertigten Fotos befindet sich die Wohnung in einem unsanierten älteren Gebäude mit offensichtlichem massivem Sanierungsbedarf (einfach verglaste, teilweise defekte Fenster, defekte Rollläden, instandsetzungsbedürftige Hauseingangstür, alte Elektrik, Fassadenschäden). Ausweislich des Mietvertrages ist die Wohnung mit Kohleöfen versehen und muss vor einem Bezug noch durch den Mieter renoviert werden. Die Stromversorgung der Wohnung ist für den Betrieb eines Elektroherdes nicht ausreichend. Gemeinschaftsantennen für Fernseh- und Rundfunkempfang sind offensichtlich nicht vorhanden. Damit hat die Wohnung insgesamt allenfalls untersten Ausstattungsstandard.

Angesichts des Zustandes des Hauses und der Wohnung ist die behauptete Miete von annähernd 4,00 EUR kalt/m² extrem hoch. Der Mietpreis orientierte sich offensichtlich an dem Höchstwert an Unterkunftskosten für Einzelpersonen in den KdU-Richtlinien der Antragsgegnerin (maximale Kaltmiete einschließlich Betriebskosten für Einzelpersonen: 202,50 EUR). Er ist überhöht und in Ansehung des gebotenen Ausstattungsstandards offensichtlich unangemessen. Für eine Kaltmiete von 4,00 EUR/m² können nach Erfahrung des Senats aus anderen Verfahren vollsanierte Altbau- und Plattenbauwohnungen in Mittelzentren (Wernigerode, Halberstadt, Schönebeck) angemietet werden.

Die Unangemessenheit des Mietpreises gilt insbesondere in Ansehung der konkreten Wohnumstände und der Infrastruktur. Das Dorf K. hat etwa 170 Einwohner und liegt 22 km westlich von Stendal, bzw. 30 km östlich von Klötze. Die nächste größere Stadt G. liegt 20 km in südwestlicher Richtung entfernt. Es gibt in dem Dorf keine Einkaufsmöglichkeit. Es ist nicht einmal durch eine Landesstraße erschlossen. Der nächste Bahnhof befindet sich in der Nachbargemeinde Hohenwulsch, die etwa 5 km entfernt liegt.

Der Senat teilt insoweit die Einschätzung des SG im angegriffenen Beschluss: Danach würde niemand für eine unsanierte und unrenovierte Altbauwohnung ohne Zentralheizung in einem kleinen Dorf in der Altmark ohne Infrastruktur eine Kaltmiete von 4,00 EUR/m² zahlen. Offensichtlich ging es bei der Abfassung des Mietvertrags darum, eine rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, höchstmögliche KdU-Leistungen zu erhalten, ohne dass eine wirksame mietvertragliche Verpflichtung des Antragstellers begründet wurde. Es kann dahinstehen, ob Bereicherungsabsicht zugunsten des Antragstellers, des vorgeblichen Vermieters oder des Sohns des Antragstellers besteht.

Für das Fehlen einer rechtlichen Zahlungspflicht des Antragstellers spricht im Übrigen, dass er trotz des – im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats – inzwischen bestehenden Mietrückstands von acht Monatsmieten weder eine Mahnung der ausstehenden Zahlungen, noch eine Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter erhalten hat. Jedenfalls hat er derartige Schreiben in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen die Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen ist, nicht vorgelegt.

Nach den Umständen des Einzelfalls lassen sich zur Überzeugung des Senats auch keine dem Antragsteller entstehenden tatsächlichen Unterkunftskosten feststellen. Anhaltspunkte dafür, dass die mietvertraglich vereinbarte Miete lediglich überhöht festgesetzt wurde und es daneben eine ernsthaft vereinbarte "echte" Miete zwischen den Beteiligten (dem Antragsteller und dem "echten" Vermieter) gibt, sind nicht ersichtlich, so dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin von Anfang an keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Unterkunft in K. gehabt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller sich tatsächlich zeitweise in der Wohnung aufgehalten hat.

Insoweit konnte die Antragsgegnerin die ursprünglichen Bewilligungsbescheide mit dem angegriffenen Bescheid auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X zurücknehmen, denn nach der Überzeugung des Senats hat eine rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, Unterkunftskosten für diese Wohnung zu bezahlen, von Anfang an nicht bestanden. Die Bewilligungsbescheide erweisen sich im Hinblick auf die bewilligten KdU-Leistungen voraussichtlich als rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit beruht auf zumindest grob fahrlässig falschen Angaben des Antragstellers bei der Antragstellung. Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor; eine Ermessensausübung hatte mangels Vertrauensschutzes aufgrund der Falschangaben nicht stattzufinden (§ 40 Abs.1 Nr. 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III).

Die Antragsgegnerin könnte die Aufhebung der Bewilligung hinsichtlich der Regelleistung voraussichtlich auch nicht erfolgreich auf eine andere Ermächtigungsgrundlage, § 48 SGB X, stützen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Hierfür müssten sich die tatsächlichen Umstände nach Leistungsbewilligung geändert haben. Legt man zugrunde, dass der Antragsteller einen gewöhnlichen Aufenthalt in K. begründet hatte, ist eine Änderung für die Monate Juni und Juli 2009 – etwa durch Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts – nicht erwiesen. Diese ergibt sich weder aus dem Hausbesuchsbericht vom 19. Mai 2009 noch aus den Äußerungen des Antragstellers. Auch die häufigen und auch längerfristigen Aufenthalte außerhalb des Bereichs der Antragsgegnerin lassen nicht auf die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts schließen. Mögliche Verstöße gegen die Vorgaben der Erreichbarkeitsanordnung führten nicht zur Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des Dauerverwaltungsakts für die Zukunft, denn § 7 Abs. 4a SGB II ist eine Leistungsausschlussnorm, die nur für genau denjenigen Zeitraum greift, in dem eine ungenehmigte Ortsabwesenheit vorliegt (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink: SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 RN 78, 88).

Da sich der Bescheid vom 25. Mai 2009 im Hinblick auf die Bewilligung der Regelleistungen nicht auf eine Ermächtigungsgrundlage stützen lässt, war der Beschluss des SG teilweise aufzuheben und insoweit die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage anzuordnen.

Da der Zeitraum, für den die aufschiebende Wirkung der Klage Auswirkungen hat, bereits abgelaufen und der angegriffene Bescheid vollzogen worden ist, war über eine Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG zu entscheiden. Der Senat hält es hier unter Berücksichtigung der Situation des Antragstellers für geboten, durch eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Nachzahlung der für die Monate Juni und Juli 2009 bewilligten Regelleistungen iHv 351,00 EUR monatlich die unmittelbaren Folgen der Vollziehung zu beseitigen, da der Antragsteller seither keine Leistungen mehr zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten hat und eine Nachzahlung ersichtlich benötigt.

Die Beschwerde im Verfahren L 5 AS 363/09 B ER, in dem es um eine einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für die weitere Leistungsgewährung ab 1. August 2009 geht, ist teilweise begründet. Das SG hat den Antrag zu Unrecht vollständig abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Die einstweilige Anordnung ist auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Sie setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen. Sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch sind nach § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, d.h. die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen überwiegend wahrscheinlich sein.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236, und vom 12. Mai 2005, Az.: 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Erforderlich ist eine aktuelle existentielle Notlage, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch vorliegen muss.

Eine solche existenzielle Notlage hat der Antragsteller im Hinblick auf einen Regelleistungsanspruch nach § 20 SGB II glaubhaft gemacht, denn er hat widerspruchsfrei vorgetragen, dass er seinen Lebensunterhalt nur mit Hilfe von Naturalleistungen von Verwandten und Freunden sichern kann.

Zudem hat er einen Anordnungsanspruch auf Gewährung der Regelleistung nach § 20 SGB II glaubhaft gemacht. Denn für den Folgezeitraum liegen die Leistungsvoraussetzungen iSv § 19 SGB II vor und es gibt keine durchgreifenden Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers.

Leistungen nach § 19 SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Der Senat geht davon aus, dass der 61jährige Antragsteller weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Er ist – so lange seine Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt ist – als erwerbsfähig anzusehen (§ 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II). Der Antragsteller ist auch hilfebedürftig gewesen, denn an seiner Hilfebedürftigkeit bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Sie ist insbesondere nicht wegen des Vorhandenseins eines einzusetzenden Vermögens nach § 12 SGB II entfallen. Der Senat hält es für unwahrscheinlich, dass aus der Verwertung der ihm gehörenden Eigentumswohnungen ein Erlös erzielt werden konnte, welcher die Hilfebedürftigkeit beseitigt hätte. Zwar unterliegen die Eigentumswohnungen nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht dem Schonvermögen. Sie sind jedoch bei Erlass des ersten Bewilligungsbescheids kein zum Bestreiten des Lebensunterhaltes bereites Mittel, welches die Bedürftigkeit hätte entfallen lassen.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein anderer Vermögensgegenstände oder ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Einkommen bestehen nicht. Daher hat der Antragsteller grundsätzlich für den folgenden Bewilligungszeitraum beginnend ab Antragstellung am 4. August 2009 (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II) einen Anspruch auf die Gewährung von Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II.

Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller im vorigen Bewilligungszeitraum einen gewöhnlichen Aufenthalt in K. im Bereich der Antragsgegnerin begründet hat. Es sind auch keine erwiesenen Tatsachen ersichtlich, diesen gewöhnlichen Aufenthalt für die Folgezeit als nicht hinreichend glaubhaft gemacht zu verneinen. Der Antragsteller, der erst am 4. August 2009 mit Eingang des Antrags beim Sozialamt des Landkreises Stendal einen Weiterbewilligungsantrag gestellt hat, hat selbst vorgetragen, sich allein wegen des Fehlens finanzieller Mittel ab 2. August 2009 nicht mehr regelmäßig in K. aufgehalten zu haben und nur noch sporadisch – bei Gelegenheit – dorthin zurückgekehrt zu sein. Dem lässt sich jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts entnehmen. Vielmehr bekundet der Antragsteller, weiterhin dort wohnen zu wollen. Letztlich wird dies durch das Ergebnis des Hausbesuchs am 14. Oktober 2009 bestätigt, bei dem sich der Antragsteller und seine Habe in K. befanden. Auch dem Hausbesuchsbericht vom 28. Oktober 2009, bei dem er in der Wohnung nicht angetroffen wurde, lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Wohnung endgültig verlassen worden war und der Antragsteller nunmehr den Aufenthalt dort aufgegeben hatte. Möglicherweise wird das Stromkabel nur bei Bedarf, d.h. nur bei Anwesenheit, benutzt, um aus der anderen Wohnung Strom zu beziehen. Letztlich wird die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts im Hauptsacheverfahren endgültig zu klären sein.

Da im vorliegenden Fall die Leistungsvoraussetzungen wahrscheinlich erfüllt sind, besteht für die begehrten Regelleistungen ein Anordnungsanspruch. Es ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sicherzustellen, dass ab Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtschutzes Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II erbracht werden. Denn ohne die begehrte einstweilige Anordnung ist die Existenz des Antragstellers bedroht. Der Existenzsicherung gebührt der Vorrang.

Einen Anspruch auf Leistungen für KdU hat der Antragsteller jedoch nicht glaubhaft gemacht, weil er nach der Überzeugung des Senats aus dem vorgelegten Scheinmietvertrag keiner rechtsgültigen Mietforderung ausgesetzt ist. Insoweit verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen und sieht von einer erneuten Darstellung ab. Es hat sich für den Folgezeitraum keine Änderung ergeben.

Die Antragsgegnerin war daher zur Gewährung der Regelleistung iHv 359,00 EUR monatlich ab Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes, die am 31. August 2009 erfolgte, für die Dauer des bis zum 31. Januar 2010 laufenden Bewilligungszeitraum zu verpflichten. Für den Monat August 2009 sind gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II anteilige Leistungen iHv 12,00 EUR zu erbringen (359,00 EUR: 30 Tage = 11,97 EUR; gerundet gemäß § 41 Abs. 2 SGB II: 12,00 EUR). Gründe für eine darlehensweise Gewährung der Regelleistung bestehen nicht.

Die Beschwerde im Verfahren L 5 AS 364/09 B ER ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Materiell geht es dem Antragsteller um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2009. Es handelt sich um denselben Streitgegenstand wie im Verfahren L 5 AS 275/09 B ER. Daher steht diesem, am 14. September 2009 beim SG Stendal rechtshängig gemachten weiteren einstweiligen Anordnungsverfahren auf SGB II-Leistungen für die Monate Juni und Juli 2009 der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit des bereits seit 2. Juni 2009 anhängigen Verfahrens gemäß § 202 SGG iVm § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz entgegen. Danach kann während der Rechtshängigkeit die(selbe) Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Gemeint ist damit derselbe Streitgegenstand. Der Antrag wäre durch das SG bereits als unzulässig abzulehnen gewesen.

Die gegen den ablehnenden Beschluss vom 23. September 2009 eingelegte Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidungen in den Beschwerdesachen beruhen auf entsprechenden Anwendungen von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved