Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 18/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 6/07 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten - Erledigung - Akteneinsicht
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach Klagerücknahme in der Hauptsache noch über die Kosten des Rechtsstreits.
Der am ... 1967 geborene Kläger bezog neben der ihm vom zuständigen Rentenversicherungsträger gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Januar bis zum 13. März 2005 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII). Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld II Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung - SGB II) vom 14. März bis zum 31. August 2005 bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 29. September 2005 Leistungen ab dem 1. September 2005 bis auf weiteres und berechnete die Höhe der Leistung zu Gunsten des Klägers - nun unter Berücksichtigung seiner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 in Höhe von 266,70 EUR monatlich neu.
Der Kläger legte - durch den Prozessbevollmächtigten - am 1. November 2005 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 ein und beantragte Akteneinsicht in die Verwaltungsakte. Die "sorgfältige Behandlung und unverzügliche Rückgabe" werde versichert.
Mit Schreiben vom 20. November 2005 bestätigte die Beklagte - bei der sich zu diesem Zeitpunkt auch andere Anträge des Klägers in Bearbeitung befanden - den Eingang des Widerspruchs und teilte dem Prozessbevollmächtigten mit, eine Akteneinsicht sei nach Terminabsprache nur in den Räumen der Beklagten möglich. Es werde um einen Terminvorschlag gebeten. Hierzu führte dieser aus, ihm sei eine Akteneinsicht bei der Beklagten im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand unzumutbar, sodass er seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Übersendung in seine Kanzlei wiederhole. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten daraufhin mit, die Akteneinsicht in ihren Räumen könne keinen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen, da sich die Kanzlei in demselben Ort wie die aktenführende Behörde befinde. Im Übrigen handele es sich bei der Verwaltungsakte, in die Einsicht genommen werden solle, um eine Leistungsakte in laufender Bearbeitung, die am Ort verbleiben müsse. Die Versendung der kompletten Leistungsakte sei auch mit einem bedeutenden zeitlichen Mehraufwand und unnötigen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zur Akteneinsicht vor Ort stünden.
Der Kläger erhob am 6. März 2006 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006, mit dem der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen worden war. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Beklagten.
Nach Übersendung der Verwaltungsakte der Beklagten durch das Sozialgericht an den Klägerbevollmächtigten begründete der Kläger seine Klage mit am 8. August 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz damit, er sei durch den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2006 beschwert, weil diese rechtswidrig seien. Es fehle an der nach § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) erforderlichen Begründung der Entscheidung der Beklagten. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Ermessen im Zusammenhang mit der beantragten Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens rechtsfehlerhaft ausgeübt. Im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB II sei eine Versendung der Verwaltungsakten durch die Beklagte für drei bis fünf Tage üblich. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und nachfolgend klargestellt, dass damit auch das Verfahren für erledigt erklärt worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 12. Februar 2007 eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten abgelehnt. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sei auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Der Streit zwischen den Beteiligten über die Art der Gewährung einer Einsicht in die Verwaltungsakte stehe hiermit nicht in einem Zusammenhang, da die Ablehnung der Übersendung der Verwaltungsakte nicht im Klagewege angegriffen worden sei. Im Übrigen sei aus § 25 SGB X ein genereller Anspruch des Prozessbevollmächtigen auf Übersendung der Verwaltungsakte zur Gewährung von Akteneinsicht durch die Behörde nicht abzuleiten.
Der Kläger hat am 19. März 2007 Beschwerde gegen den ihm am 16. März 2007 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und diese mit seinem am 21. Dezember 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Zutreffend sei das Sozialgericht von einer Aussichtslosigkeit der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ausgegangen. Die Beklagte habe aber durch ihr ermessensfehlerhaftes Verhalten Anlass für die Klage gegeben. Hätte die Beklagte seinem Antrag auf Übersendung der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entsprochen, wäre die Rechtmäßigkeit des Bescheides außerhalb des gerichtlichen Verfahrens geprüft und im Ergebnis von der Klageerhebung abgesehen worden. Es sei von einem Gesamtzeitaufwand für die Akteneinsicht bei der Behörde von ca. 30 Minuten auszugehen (20 Minuten Hin- und Rückfahrt, 10 Minuten für die Akteneinsicht selbst). Der Klägerbevollmächtigte sehe die ihm - z.B. von der ARGE SGB II Halle - regelmäßig in die Kanzlei übersandten Verwaltungsakten entweder nach Büroschluss (18.00 Uhr) oder am Wochenende durch und lasse ein Aktendoppel im Wege der Vervielfältigung für seine Unterlagen erstellen. Die Beklagte übersende ihm nun auch Verwaltungsakten in seine Kanzlei.
Der Kläger beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Rechtsmittel sei bereits unzulässig, weil eine Kostenerstattungspflicht hier nach Rücknahme der offensichtlich unbegründeten Klage ausscheide.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 18. April 2007 zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie statthaft nach § 172 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.
Hier ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Eine einseitige Erledigungserklärung ist im Bereich der Verfahren, für die die Kostenfolgen nach § 193 SGG zu beurteilen sind, in der Regel als Klagerücknahme zu werten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 102 RdNr. 12).
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind, erfolgt nach sachgemäßem Ermessen (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 109 Nr. 1 = BSGE 78, 233 ff.; Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 20/98 R - SozR 3-3100 § 5 Nr. 7). Dabei ist zunächst maßgebend, wer im Fall einer streitigen Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich obsiegt hätte (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 8 B 28/06 R - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 193 RdNr. 12 und 13 m.w.N.). Insoweit ist von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mit dem Ziel, die Erfolgsaussichten der Klage näher aufzuklären, erfolgt im Regelfall nicht (vgl. Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl. S. III/109-61). Ferner hat das Ermessen auch die zur Klageerhebung und zur Erledigung des Rechtsstreits führenden Umstände zu berücksichtigen.
Die Klage hätte bei einer Entscheidung des Senats unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Die Inanspruchnahme des Gerichts zur vereinfachten Wahrnehmung der Akteneinsicht durch einen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ist hier missbräuchlich gewesen. Eine Ermessensausübung der Beklagten, Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur durch Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Behörde zu gewähren, hat die Klageerhebung gegen den nachfolgend erlassenen Widerspruchsbescheid nicht gerechtfertigt. Hier fehlte es an einer Pflicht der Beklagten, dem Bevollmächtigten des Klägers die Akten während des Vorverfahren zum Zweck der Akteneinsicht in seine Kanzlei zu übersenden.
Eine allgemeine Verpflichtung eines Sozialleistungsträgers, Einsicht in die Verwaltungsakten durch einen Rechtsanwalt durch Übersendung der Vorgänge zu gewähren, besteht nicht (vgl. von Wulffen in: von Wulffen (Hrsg.), SGB X Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 25 RdNr.10).
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 SGB X erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten (a.a.O. Satz 2).
Eine offensichtlich willkürliche Handhabung, die gegebenenfalls Auswirkungen auf die Bewertung einer rechtsstaatskonformen Handhabung des Vorverfahrens selbst haben könnte, ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, dem Bevollmächtigten des Klägers die Verwaltungsakte nicht in dessen Kanzlei zu übersenden, im Wesentlichen darauf gestützt, die Entfernung der Kanzlei zum Ort der Aktenaufbewahrung entspreche einer Fahrzeit mit dem Pkw von nur ca. 10 Minuten. Im Übrigen befinde sich der Aktenvorgang im laufenden Geschäftsgang. Der Kläger hat diese Angaben nicht bestritten, sondern auf andere Erwägungen abgestellt. Beide von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte konnten in die Ermessensausübung bezüglich der Art der Einsichtgewährung in die Verwaltungsakte eingestellt werden. Auch eine Abweichung der Beklagten von ihrer Verwaltungspraxis gegenüber dem Kläger, die gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung des § 25 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu berücksichtigen sein könnte, ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Die Verwaltungsakte der Beklagten besteht im Übrigen im Wesentlichen aus Unterlagen, die dem Kläger ebenfalls vorliegen müssten, sodass ein bloßer Abgleich der Informationen ausreichend war. Der Beklagten war es auch nicht zumutbar, zur Bearbeitung der weiteren Anträge bzw. Widersprüche des Klägers innerhalb der engen vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen durch Vervielfältigung weitere Akten anzulegen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten nach Klagerücknahme in der Hauptsache noch über die Kosten des Rechtsstreits.
Der am ... 1967 geborene Kläger bezog neben der ihm vom zuständigen Rentenversicherungsträger gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Januar bis zum 13. März 2005 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII). Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld II Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung - SGB II) vom 14. März bis zum 31. August 2005 bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 29. September 2005 Leistungen ab dem 1. September 2005 bis auf weiteres und berechnete die Höhe der Leistung zu Gunsten des Klägers - nun unter Berücksichtigung seiner Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 in Höhe von 266,70 EUR monatlich neu.
Der Kläger legte - durch den Prozessbevollmächtigten - am 1. November 2005 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 ein und beantragte Akteneinsicht in die Verwaltungsakte. Die "sorgfältige Behandlung und unverzügliche Rückgabe" werde versichert.
Mit Schreiben vom 20. November 2005 bestätigte die Beklagte - bei der sich zu diesem Zeitpunkt auch andere Anträge des Klägers in Bearbeitung befanden - den Eingang des Widerspruchs und teilte dem Prozessbevollmächtigten mit, eine Akteneinsicht sei nach Terminabsprache nur in den Räumen der Beklagten möglich. Es werde um einen Terminvorschlag gebeten. Hierzu führte dieser aus, ihm sei eine Akteneinsicht bei der Beklagten im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand unzumutbar, sodass er seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Übersendung in seine Kanzlei wiederhole. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten daraufhin mit, die Akteneinsicht in ihren Räumen könne keinen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen, da sich die Kanzlei in demselben Ort wie die aktenführende Behörde befinde. Im Übrigen handele es sich bei der Verwaltungsakte, in die Einsicht genommen werden solle, um eine Leistungsakte in laufender Bearbeitung, die am Ort verbleiben müsse. Die Versendung der kompletten Leistungsakte sei auch mit einem bedeutenden zeitlichen Mehraufwand und unnötigen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zur Akteneinsicht vor Ort stünden.
Der Kläger erhob am 6. März 2006 Klage vor dem Sozialgericht Halle unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2006, mit dem der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen worden war. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Beklagten.
Nach Übersendung der Verwaltungsakte der Beklagten durch das Sozialgericht an den Klägerbevollmächtigten begründete der Kläger seine Klage mit am 8. August 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz damit, er sei durch den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2006 beschwert, weil diese rechtswidrig seien. Es fehle an der nach § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) erforderlichen Begründung der Entscheidung der Beklagten. Im Übrigen habe die Beklagte ihr Ermessen im Zusammenhang mit der beantragten Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens rechtsfehlerhaft ausgeübt. Im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB II sei eine Versendung der Verwaltungsakten durch die Beklagte für drei bis fünf Tage üblich. Der Kläger hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und nachfolgend klargestellt, dass damit auch das Verfahren für erledigt erklärt worden sei.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 12. Februar 2007 eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten abgelehnt. Die Klage habe zum Zeitpunkt der Erledigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sei auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden. Der Streit zwischen den Beteiligten über die Art der Gewährung einer Einsicht in die Verwaltungsakte stehe hiermit nicht in einem Zusammenhang, da die Ablehnung der Übersendung der Verwaltungsakte nicht im Klagewege angegriffen worden sei. Im Übrigen sei aus § 25 SGB X ein genereller Anspruch des Prozessbevollmächtigen auf Übersendung der Verwaltungsakte zur Gewährung von Akteneinsicht durch die Behörde nicht abzuleiten.
Der Kläger hat am 19. März 2007 Beschwerde gegen den ihm am 16. März 2007 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und diese mit seinem am 21. Dezember 2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Zutreffend sei das Sozialgericht von einer Aussichtslosigkeit der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ausgegangen. Die Beklagte habe aber durch ihr ermessensfehlerhaftes Verhalten Anlass für die Klage gegeben. Hätte die Beklagte seinem Antrag auf Übersendung der Akten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entsprochen, wäre die Rechtmäßigkeit des Bescheides außerhalb des gerichtlichen Verfahrens geprüft und im Ergebnis von der Klageerhebung abgesehen worden. Es sei von einem Gesamtzeitaufwand für die Akteneinsicht bei der Behörde von ca. 30 Minuten auszugehen (20 Minuten Hin- und Rückfahrt, 10 Minuten für die Akteneinsicht selbst). Der Klägerbevollmächtigte sehe die ihm - z.B. von der ARGE SGB II Halle - regelmäßig in die Kanzlei übersandten Verwaltungsakten entweder nach Büroschluss (18.00 Uhr) oder am Wochenende durch und lasse ein Aktendoppel im Wege der Vervielfältigung für seine Unterlagen erstellen. Die Beklagte übersende ihm nun auch Verwaltungsakten in seine Kanzlei.
Der Kläger beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die außergerichtlichen Kosten für das Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Rechtsmittel sei bereits unzulässig, weil eine Kostenerstattungspflicht hier nach Rücknahme der offensichtlich unbegründeten Klage ausscheide.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt am 18. April 2007 zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie statthaft nach § 172 Abs. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird.
Hier ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Eine einseitige Erledigungserklärung ist im Bereich der Verfahren, für die die Kostenfolgen nach § 193 SGG zu beurteilen sind, in der Regel als Klagerücknahme zu werten (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 102 RdNr. 12).
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind, erfolgt nach sachgemäßem Ermessen (vgl. z.B. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Mai 1996 - 3 RK 23/95 - SozR 3-2500 § 109 Nr. 1 = BSGE 78, 233 ff.; Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 20/98 R - SozR 3-3100 § 5 Nr. 7). Dabei ist zunächst maßgebend, wer im Fall einer streitigen Entscheidung in der Hauptsache voraussichtlich obsiegt hätte (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 16. Juni 1999, a.a.O.; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2007 - L 8 B 28/06 R - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 193 RdNr. 12 und 13 m.w.N.). Insoweit ist von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mit dem Ziel, die Erfolgsaussichten der Klage näher aufzuklären, erfolgt im Regelfall nicht (vgl. Peters/Sautter/Wolff, 4. Aufl. S. III/109-61). Ferner hat das Ermessen auch die zur Klageerhebung und zur Erledigung des Rechtsstreits führenden Umstände zu berücksichtigen.
Die Klage hätte bei einer Entscheidung des Senats unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits voraussichtlich keinen Erfolg gehabt. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Die Inanspruchnahme des Gerichts zur vereinfachten Wahrnehmung der Akteneinsicht durch einen prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ist hier missbräuchlich gewesen. Eine Ermessensausübung der Beklagten, Akteneinsicht im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nur durch Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Behörde zu gewähren, hat die Klageerhebung gegen den nachfolgend erlassenen Widerspruchsbescheid nicht gerechtfertigt. Hier fehlte es an einer Pflicht der Beklagten, dem Bevollmächtigten des Klägers die Akten während des Vorverfahren zum Zweck der Akteneinsicht in seine Kanzlei zu übersenden.
Eine allgemeine Verpflichtung eines Sozialleistungsträgers, Einsicht in die Verwaltungsakten durch einen Rechtsanwalt durch Übersendung der Vorgänge zu gewähren, besteht nicht (vgl. von Wulffen in: von Wulffen (Hrsg.), SGB X Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 25 RdNr.10).
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 SGB X erfolgt die Akteneinsicht bei der Behörde, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten (a.a.O. Satz 2).
Eine offensichtlich willkürliche Handhabung, die gegebenenfalls Auswirkungen auf die Bewertung einer rechtsstaatskonformen Handhabung des Vorverfahrens selbst haben könnte, ist hier nicht erkennbar. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, dem Bevollmächtigten des Klägers die Verwaltungsakte nicht in dessen Kanzlei zu übersenden, im Wesentlichen darauf gestützt, die Entfernung der Kanzlei zum Ort der Aktenaufbewahrung entspreche einer Fahrzeit mit dem Pkw von nur ca. 10 Minuten. Im Übrigen befinde sich der Aktenvorgang im laufenden Geschäftsgang. Der Kläger hat diese Angaben nicht bestritten, sondern auf andere Erwägungen abgestellt. Beide von der Beklagten angeführten Gesichtspunkte konnten in die Ermessensausübung bezüglich der Art der Einsichtgewährung in die Verwaltungsakte eingestellt werden. Auch eine Abweichung der Beklagten von ihrer Verwaltungspraxis gegenüber dem Kläger, die gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung des § 25 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu berücksichtigen sein könnte, ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Die Verwaltungsakte der Beklagten besteht im Übrigen im Wesentlichen aus Unterlagen, die dem Kläger ebenfalls vorliegen müssten, sodass ein bloßer Abgleich der Informationen ausreichend war. Der Beklagten war es auch nicht zumutbar, zur Bearbeitung der weiteren Anträge bzw. Widersprüche des Klägers innerhalb der engen vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen durch Vervielfältigung weitere Akten anzulegen.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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