Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RA 499/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 R 462/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
-:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben sich keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist 19. geboren und war nach einer Facharbeiterausbildung zur Kellnerin ab 1982 zunächst beim VEB RBM in H. im Betriebsschutz und im Weiteren bis 1997 als Sachbearbeiterin bei der Deutschen Post und der Deutschen Bahn AG tätig. Danach arbeitete sie bis zum Jahre 2001 bei einer Auffanggesellschaft der Deutschen Bahn AG. Nach einer Umschulung zur Reisekauffrau im Zeitraum vom September 2001 bis Juni 2003 war sie arbeitslos. Anschließend erfolgten eine Qualifikationsmaßnahme und eine kurzzeitige Tätigkeit als Zimmermädchen.
Im März 2002 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Im Oktober 2003 beantragte sie eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung wies sie darauf hin, sie leide seit ca. 27 Jahren an Fibromyalgie. Dies sei aber erst im Mai 2001 durch einen Rheumatologen diagnostiziert worden. Sie könne nur noch weniger als drei Stunden arbeiten. In einem daraufhin eingeholten Befundbericht vom 20. Oktober 2003 bestätigte Frau G. - Fachärztin für Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin - die Diagnose Fibromyalgie. Außerdem stellte sie eine Gonarthrose beidseits sowie CVS II (gemeint wohl: CVI - chronisch venöse Insuffizienz 2. Grades) beidseits fest. Auch sie beschrieb Schmerzen in diversen Gelenken sowie Schlafstörungen, Nachtschweiß und Atemnot. In einem beigefügten Bericht von Prof. Dr. B. von Mai 2002 wird angegeben, dass die Fibromyalgie vermutlich mit einem Fahrradsturz im 14. Lebensjahr der Klägerin begonnen habe. Weiter wurde das Ergebnis einer radiologischen Untersuchung übersandt; danach lagen bei der Klägerin eine mäßiggradige Gon- und Retropatellararthrose links sowie eine Gonarthrose rechts vor. In einem weiteren Befundbericht vom 20. Oktober 2003 gab Dr. L. - Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie - an, die Klägerin leide an einem Fibromyalgiesyndrom und einer Somatisierungsstörung. Daraus folgten ein Ganzkörperschmerz sowie ein Schmerz in Gelenken und Muskulatur der Klägerin. Es seien 18 von 18 Fibromyalgiedruckpunkten positiv.
Auf Bitten der Beklagten erstatteten Prof. Dr. F. /PD Dr. K. /Dr. Sch. unter dem 18. Februar 2004 ein internistisch-rheumatologisches Gutachten. Diese stellten die Diagnose auf ein Fibromyalgiesyndrom und medial betonte Kniegelenksarthrose links größer als rechts sowie Zustand nach Meningitis 1981. Nach ihrer Einschätzung war die Klägerin damit noch in der Lage, eine leichte bis mittelschwere körperliche und geistige Arbeit vollschichtig zu verrichten. Arbeiten mit langen Gehstrecken (oberhalb von 1 km) sollten vermieden werden. Schweres Heben und Tragen von Lasten oberhalb von 15 kg sollten gleichfalls vermieden werden.
Mit Bescheid vom 16. April 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Erwerbsminderungsrente ab. Zur Begründung gab sie an, nach den ärztlichen Feststellungen könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen legte die Klägerin mit einem am 25. Mai 2004 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie seit ca. 30 Jahren mit zeitweise unerträglichen Schmerzen lebe. Ganz extrem seien die Schmerzen und die Nebenwirkungen der Fibromyalgie vor etwa 14 Jahren geworden. Der Gutachter habe sie in einem Moment erwischt, wo es ihr mal etwas besser gegangen sei. Sie habe auch Probleme mit ihrem Gedächtnis und könne sich Gesagtes einfach nicht merken. Sie habe oft Kopfschmerzen, angeschwollene Hände und Füße und könne weder schwer heben noch tragen. Am Schlimmsten sei aber der wandernde Schmerz.
Daraufhin erstellte Dr. Sch. - Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - unter dem 22. Juli 2004 ein Gutachten. Danach lagen bei der Klägerin ein Fibromyalgiesyndrom, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung sowie ein Zustand nach Meningitis 1981 vor. Nach Einschätzung der Gutachterin war die Klägerin in Stresssituationen und Akkordarbeit nicht vollständig belastbar, jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere in der zuletzt umgeschulten Tätigkeit als Reisekauffrau einsatzfähig. Bei einem Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen liege die Leistungsfähigkeit bei sechs Stunden täglich und mehr. Schweres Heben, Tragen und Zwangshaltungen seien ihr nicht zuzumuten; psychiatrischerseits lägen ansonsten keine Einschränkungen vor.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2004 (abgesandt am 22.10.2004) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und vertiefte ihre bisherige Begründung.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. November 2004 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt. Unter dem 17. Mai 2006 hat Frau G. ihre bisherigen Angaben bestätigt und weiterhin ein degeneratives Wirbelsäulenleiden diagnostiziert. Ihrer Auffassung nach ständen die Funktionseinschränkungen nicht einer sechsstündigen leichten Arbeit entgegen. Mit Urteil vom 23. August 2006 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie den eingeholten Befundbericht gestützt.
Gegen das ihr am 14. September 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, in den Befundberichten bzw. Gutachten sei ein zu positives Bild von ihrem Leistungsvermögen gezeichnet worden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie sich gegen die Ablehnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI im Hinblick auf ihr Geburtsdatum nicht wende.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Oktober 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten. Unter dem 20. August 2007 hat Dr. F. - Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie - die bisherigen Diagnosen bestätigt. Seiner Einschätzung nach konnte die Klägerin noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In einem weiteren Befundbericht vom 25. September 2007 hat Dr. Z. - Hautarzt/Allergologe - eine Prurigo (stark juckende Hauterkrankung) diagnostiziert. Dieser Befund habe sich im Weiteren verbessert und stehe einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. W. - Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie - gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser hat unter dem 6. November 2008 die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms bestätigt. Seiner Ansicht nach war eine regelmäßige Erwerbstätigkeit problematisch. Es sei damit zu rechnen, dass Phasen von relativer Leistungsfähigkeit (z. B. drei bis sechs Stunden) mit langen Phasen abwechselten, in denen Erwerbsunfähigkeit vorliege. Eine anhaltende regelmäßige Erwerbstätigkeit sei angesichts der langjährigen Chronifizierung sehr unwahrscheinlich. Eine solche Erwerbstätigkeit sei nur unter erheblichen Schmerzen möglich. Weiter hat Dr. W. ausgeführt, die Klägerin könne nicht mehr als sechs Stunden, jedoch mindestens drei Stunden täglich beschäftigt sein. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei sinnvoll.
Der Empfehlung von Dr. W. folgend bewilligte die Beklagte der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde vom 5. Mai bis 30. Mai 2009 in einer Klinik in Bad W. (Abteilung Orthopädie) durchgeführt. Die dortigen Diagnosen lauteten auf eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychosomatischen Faktoren. Nach der sozialmedizinischen Einschätzung ist die Klägerin als Bürokauffrau/Sachbearbeiterin damit noch sechs Stunden und mehr einsetzbar. Grundsätzlich seien ihr noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder auch Sitzen auch im Schichtbetrieb zumutbar.
In einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 7. August 2009 schloss sich Dr. M. der Einschätzung dieser Rehabilitationseinrichtung uneingeschränkt an. Insofern müsse die Formulierung von Dr. W. , dass eine angepasste Tätigkeit mindestens drei Stunden täglich ausgeübt werden könne, so verstanden werden, dass diese Tätigkeit noch sechs Stunden verrichtet werden könne. Dem hat die Klägerin widersprochen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
A. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, regelmäßig im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Tätigkeit nachzugehen. Arbeiten mit langen Gehstrecken (oberhalb von 1 km) und Stresssituationen wie Akkordarbeit sollten vermieden werden.
Insoweit folgt der Senat der im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzung der Rehabilitations-Klinik in Bad W. , der Gutachter Prof. Dr. F. /PD Dr. K. /Dr. Sch. und dem Gutachten von Dr. Sch ... Auch die behandelnden Ärzte Frau G. (Befundbericht vom 17. Mai 2006) und Dr. F. (Befundbericht vom 30. April 2007) haben angegeben, die Klägerin könne noch 6 Stunden täglich eine solche Arbeit ausführen bzw. die Krankheiten ständen einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Lediglich Dr. W. hat eventuell eine andere Auffassung vertreten. Sein Gutachten ist jedoch nicht überzeugend.
1. Im Vordergrund der verschiedenen bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen steht die Fibromyalgie. Diese Erkrankung ist jedoch nicht so stark ausgeprägt, als dass die Klägerin nicht mehr zu Arbeiten unter den oben genannten Bedingungen in der Lage ist. Die abstrakte Diagnose Fibromyalgie kann noch keine Erwerbsminderung begründen; dies zeigt schon der Umstand, dass die Klägerin mit einigen Ärzten den Beginn ihrer Erkrankung auf das 14. Lebensjahr datiert und die Klägerin mit dieser Erkrankung dann bereits rund 20 Jahre berufstätig gewesen wäre. Auch Dr. Weiss hat bestätigt, dass es letztlich gleichgültig ist, ob ein Krankheitsbild als "chronisches Schmerzsyndrom", "somatoforme Schmerzstörung" oder "Fibromyalgiesyndrom" bezeichnet wird. Entscheidend sind allein die durch diese Erkrankung ausgelösten Funktionseinschränkungen wie insbesondere die Schmerzen und die damit möglicherweise verbundenen psychischen und physischen Einschränkungen. Solche sind jedoch bei der Klägerin nicht objektivierbar.
Bei starken Schmerzen müssten zumindest in den Bereichen Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer Defizite feststellbar sein. Im Kurztest zur Erfassung von Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen zeigten sich jedoch bei Dr. Sch. nur "ganz diskrete Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite ohne Krankheitsrelevanz". Auch Dr. W. hat angegeben, die Klägerin sei bei der Anamnese konzentriert und aufmerksam gewesen. Auch er hat festgestellt, dass das Kurzzeitgedächtnis unauffällig und die Merkfähigkeit nicht erkennbar gestört gewesen sei. Die Auffassungsgabe sei adäquat und die Konzentrationsfähigkeit zumindest nicht erkennbar reduziert gewesen.
Angesichts dieser selbst erhobenen Befunde ist unverständlich, dass Dr. W. zu dem Ergebnis kommt, die intellektuellen Fähigkeiten wie Denkvermögen, Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer seien eingeschränkt. Hierbei setzt er sich auch nicht mit den abweichenden Vorgutachten auseinander.
Die verhältnismäßig geringe Ausprägung des Fibromyalgiesyndroms und der damit verbundenen Schmerzen bei der Klägerin belegt auch der Bericht von Dr. F. vom 30. April 2007, wonach bisher lediglich die Gabe von niedrig dosierten Antidepressiva erfolgt sei. Bereits die nächste Stufe der Schmerztherapie mit schwach wirksamen Opioiden oder gar die höchste Stufe der Schmerztherapie mit Schmerzpflaster sollte danach möglichst vermieden werden. Etwas anderes hat die Klägerin auch gegenüber Dr. W. nicht angegeben. Bei Dr. Sch. hat die Klägerin sogar angegeben, keine Medikamente zu nehmen. Stärkere Schmerzen sind somit nicht erkennbar.
Ein Leidensdruck der Klägerin ist auch sonst nicht ersichtlich. Selbst Dr. W. hat festgestellt, dass die Klägerin vergleichsweise wenig eigene Verfahren praktiziert, um zu einer Linderung zu kommen (Bl. 210 GA). Auch die Ärzte der Rehabilitationsklinik in Bad Wildungen haben angegeben, dass die Klägerin keinerlei Eigeninitiative zur Überwindung ihrer Krankheit gezeigt habe. Danach gestalteten sich die Gespräche mit der Klägerin schwierig, weil diese mehr daran interessiert zu sein schien, ihrem Ärger Luft zu machen, als mitzuarbeiten. Insoweit ist es für den Senat auch nachvollziehbar, dass diese Ärzte in der stationären Rehabilitation bei der Klägerin Diskrepanzen zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und den ärztlich erhobenen Untersuchungsbefunden feststellten.
Nicht nachvollziehbar ist daher die gegenteilige Schlussfolgerung von Dr. W. , dass keine Bedenken gegen die Beschwerdeschilderung der Klägerin bestünden. Denn die Klägerin gibt nach dem Gutachten von Dr. W. die durchschnittliche Schmerzstärke in den letzten Wochen mit 8 auf einer 10stufigen Analogskala an; die größte Schmerzstärke habe 9 betragen. Bei solchen starken Schmerzen müsste sich die Klägerin jedoch um andere Medikamente bemühen und würde mehr bei der Bekämpfung ihrer Erkrankung mitarbeiten. Ein weiteres Indiz für eine Aggravation ist, dass die Klägerin unterschiedslos bei jeder Reflex- und Sensibilitätsprüfung bei der Untersuchung durch Dr. Sch. mit "Au" antwortete. Mehrfach haben Gutachter beschrieben, dass die Klägerin in der jeweiligen Untersuchungssituation auch gelacht habe (vgl. Gutachten Dr. W. , Bl. 196 GA; Dr. Sch. Bl. 35 Verwaltungsakte). Diese Überbewertung der Schmerzen durch Dr. W. ist besonders problematisch, da nach seinem Gutachten der Schmerz und seine Folgen der eigentliche Grund für eine Einschränkung des Leistungsvermögens bei einer Fibromyalgie sind. Bei einer unbemerkten Aggravation kommt er damit zwangsläufig zu dem falschen Ergebnis.
Denn Dr. Sch. hatte weiter eine durchschnittlich intellektuelle Befähigung (IQ 104) festgestellt; die ausreichende intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin wird auch dadurch weiter belegt, dass diese am 24. Juni 2003 ihre Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf einer Reiseverkehrsfrau bestand und im Weiteren nach Rentenantragstellung eine Führerscheinprüfung erfolgreich ablegte. Für eine Verschlechterung gibt es keinen Anhaltspunkt.
Nicht nachvollziehbar sind auch die Feststellungen des Gutachters Dr. W. , wonach die Klägerin nur in geringem Umfang regelmäßig belastet werden kann. Dies widerspricht der von ihm selbst vorgenommenen Ergometrie. Im Belastungstest gelang danach eine Leistung bis zu zwei Minuten bei 125 Watt (Gutachten Dr. W. Bl. 204 GA). Damit sind leichte Arbeiten regelmäßig möglich.
2. Weiter liegen bei der Klägerin eine mäßiggradige Gon- und Retropatellararthrose links sowie eine Gonarthrose rechts vor. Diese stehen einer leichten Arbeit nicht entgegen. Nach dem Bericht von Dr. F. vom 30. April 2007 waren die Knie- und Hüftgelenke normal beweglich. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. F. / PD Dr. K. / Dr. Sch. waren das Kniegelenk rechts mit 0/5/120° und das Kniegelenk links mit 0/5/130°beweglich, wobei sich rechts ein Bewegungsschmerz mit Krepitation zeigte. Dies bedeutet nur eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit oder sogar nur eine Messungenauigkeit. Nach dem Bericht des Johanniter Krankenhauses im Fläming - Rheumazentrum des Landes Brandenburg - vom 10. Oktober 2004 war das Kniegelenk rechts mit 0/5/130° beweglich, wobei dieses röntgenologisch die ausgeprägtere Retropallararthose zeigte. Auch im Rahmen der stationären Rehabilitation im Mai 2009 konnten keine Funktionsdefizite am Bewegungsapparat festgestellt werden. Die Klägerin selbst hat zudem angegeben, eine Wegstrecke von 1 km sei noch möglich (Bl. 199 GA).
3. Weiter liegt nach den Angaben von Frau G. ein degeneratives Wirbelsäulenleiden vor. Auch dies ist nur gering ausgebildet, wie bereits der Umstand zeigt, dass diese Erkrankung sonst von keinem Arzt festgestellt worden ist. Nach dem Bericht des J. K. im F. - Rheumazentrum des Landes B. - vom 10. Oktober 2004 bestand bei der Klägerin nur ein Klopfschmerz an der Lendenwirbelsäule bei normaler Rotation. Der Finger-Boden-Abstand betrug 2 cm. Die Halswirbelsäule zeigte normale Bewegungsausmaße.
4. Angeschwollene Hände oder Füße konnte kein Gutachter oder Arzt feststellen. Auch Dr. F. hat in seinem Bericht vom 30. April 2007 (Bl. 126 GA) bestätigt, dass eine normale Beweglichkeit in den Fingergelenken bestehe und der Faustschluss, Hinterhauptgriff und Schürzengriff beidseits möglich sei.
5. Die Prurigo steht nach dem Befundbericht vom 25. September 2009 von Dr. Z. - Hautarzt/Allergologe - einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen; zudem hat sich dieser Befund verbessert.
6. Eine chronisch venöse Insuffizienz wurde nach dem Befundbericht von Frau G. am 20. Oktober 2003 von keinem Arzt - auch von Frau G. selbst - mehr angegeben. Der Senat geht daher davon aus, dass diese Erkrankung entweder nur gering ausgeprägt ist oder nicht mehr vorliegt.
B. Bei der Klägerin liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die zu einer Verpflichtung der Beklagten führen würde, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Von solchen Einschränkungen kann nur gesprochen werden, wenn sie über das hinausgehen, was bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" mit umfasst ist. Zwar liegen bei der Klägerin eine Reihe von Erkrankungen vor. Die dadurch hervorgerufenen gesundheitlichen Einschränkungen sind jedoch noch mit der Umschreibung leichter Tätigkeiten vereinbar. Die Minderung der Leistungsfähigkeit ist daher bezogen auf die Bedingungen der Arbeitswelt, insbesondere was leichte körperliche Arbeiten betrifft, nicht als außergewöhnlich zu bezeichnen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte körperliche und psychisch einfache Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Akten anlegen und verwalten, Post bearbeiten, Schriftverkehr führen und telefonieren aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19.12.1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Damit ist sie zu Verrichtungen in der Lage, wie sie in der Arbeitswelt als Inhalt auch ungelernter Tätigkeiten gefordert werden. Für die Notwendigkeit von weiteren Pausen neben den üblichen oder für eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin bei Strecken von unter 1 km gibt es keinen medizinischen Anhaltspunkt. Zudem hat die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, noch regelmäßig Auto zu fahren, sofern sie nicht akut erkrankt sei.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist 19. geboren und war nach einer Facharbeiterausbildung zur Kellnerin ab 1982 zunächst beim VEB RBM in H. im Betriebsschutz und im Weiteren bis 1997 als Sachbearbeiterin bei der Deutschen Post und der Deutschen Bahn AG tätig. Danach arbeitete sie bis zum Jahre 2001 bei einer Auffanggesellschaft der Deutschen Bahn AG. Nach einer Umschulung zur Reisekauffrau im Zeitraum vom September 2001 bis Juni 2003 war sie arbeitslos. Anschließend erfolgten eine Qualifikationsmaßnahme und eine kurzzeitige Tätigkeit als Zimmermädchen.
Im März 2002 wurde bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Im Oktober 2003 beantragte sie eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung wies sie darauf hin, sie leide seit ca. 27 Jahren an Fibromyalgie. Dies sei aber erst im Mai 2001 durch einen Rheumatologen diagnostiziert worden. Sie könne nur noch weniger als drei Stunden arbeiten. In einem daraufhin eingeholten Befundbericht vom 20. Oktober 2003 bestätigte Frau G. - Fachärztin für Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin - die Diagnose Fibromyalgie. Außerdem stellte sie eine Gonarthrose beidseits sowie CVS II (gemeint wohl: CVI - chronisch venöse Insuffizienz 2. Grades) beidseits fest. Auch sie beschrieb Schmerzen in diversen Gelenken sowie Schlafstörungen, Nachtschweiß und Atemnot. In einem beigefügten Bericht von Prof. Dr. B. von Mai 2002 wird angegeben, dass die Fibromyalgie vermutlich mit einem Fahrradsturz im 14. Lebensjahr der Klägerin begonnen habe. Weiter wurde das Ergebnis einer radiologischen Untersuchung übersandt; danach lagen bei der Klägerin eine mäßiggradige Gon- und Retropatellararthrose links sowie eine Gonarthrose rechts vor. In einem weiteren Befundbericht vom 20. Oktober 2003 gab Dr. L. - Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie - an, die Klägerin leide an einem Fibromyalgiesyndrom und einer Somatisierungsstörung. Daraus folgten ein Ganzkörperschmerz sowie ein Schmerz in Gelenken und Muskulatur der Klägerin. Es seien 18 von 18 Fibromyalgiedruckpunkten positiv.
Auf Bitten der Beklagten erstatteten Prof. Dr. F. /PD Dr. K. /Dr. Sch. unter dem 18. Februar 2004 ein internistisch-rheumatologisches Gutachten. Diese stellten die Diagnose auf ein Fibromyalgiesyndrom und medial betonte Kniegelenksarthrose links größer als rechts sowie Zustand nach Meningitis 1981. Nach ihrer Einschätzung war die Klägerin damit noch in der Lage, eine leichte bis mittelschwere körperliche und geistige Arbeit vollschichtig zu verrichten. Arbeiten mit langen Gehstrecken (oberhalb von 1 km) sollten vermieden werden. Schweres Heben und Tragen von Lasten oberhalb von 15 kg sollten gleichfalls vermieden werden.
Mit Bescheid vom 16. April 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Erwerbsminderungsrente ab. Zur Begründung gab sie an, nach den ärztlichen Feststellungen könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen legte die Klägerin mit einem am 25. Mai 2004 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie seit ca. 30 Jahren mit zeitweise unerträglichen Schmerzen lebe. Ganz extrem seien die Schmerzen und die Nebenwirkungen der Fibromyalgie vor etwa 14 Jahren geworden. Der Gutachter habe sie in einem Moment erwischt, wo es ihr mal etwas besser gegangen sei. Sie habe auch Probleme mit ihrem Gedächtnis und könne sich Gesagtes einfach nicht merken. Sie habe oft Kopfschmerzen, angeschwollene Hände und Füße und könne weder schwer heben noch tragen. Am Schlimmsten sei aber der wandernde Schmerz.
Daraufhin erstellte Dr. Sch. - Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie - unter dem 22. Juli 2004 ein Gutachten. Danach lagen bei der Klägerin ein Fibromyalgiesyndrom, eine undifferenzierte Somatisierungsstörung sowie ein Zustand nach Meningitis 1981 vor. Nach Einschätzung der Gutachterin war die Klägerin in Stresssituationen und Akkordarbeit nicht vollständig belastbar, jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere in der zuletzt umgeschulten Tätigkeit als Reisekauffrau einsatzfähig. Bei einem Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen liege die Leistungsfähigkeit bei sechs Stunden täglich und mehr. Schweres Heben, Tragen und Zwangshaltungen seien ihr nicht zuzumuten; psychiatrischerseits lägen ansonsten keine Einschränkungen vor.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2004 (abgesandt am 22.10.2004) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und vertiefte ihre bisherige Begründung.
Hiergegen hat die Klägerin am 11. November 2004 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt. Unter dem 17. Mai 2006 hat Frau G. ihre bisherigen Angaben bestätigt und weiterhin ein degeneratives Wirbelsäulenleiden diagnostiziert. Ihrer Auffassung nach ständen die Funktionseinschränkungen nicht einer sechsstündigen leichten Arbeit entgegen. Mit Urteil vom 23. August 2006 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie den eingeholten Befundbericht gestützt.
Gegen das ihr am 14. September 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, in den Befundberichten bzw. Gutachten sei ein zu positives Bild von ihrem Leistungsvermögen gezeichnet worden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie sich gegen die Ablehnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI im Hinblick auf ihr Geburtsdatum nicht wende.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Oktober 2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten. Unter dem 20. August 2007 hat Dr. F. - Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie - die bisherigen Diagnosen bestätigt. Seiner Einschätzung nach konnte die Klägerin noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In einem weiteren Befundbericht vom 25. September 2007 hat Dr. Z. - Hautarzt/Allergologe - eine Prurigo (stark juckende Hauterkrankung) diagnostiziert. Dieser Befund habe sich im Weiteren verbessert und stehe einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. W. - Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie - gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dieser hat unter dem 6. November 2008 die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms bestätigt. Seiner Ansicht nach war eine regelmäßige Erwerbstätigkeit problematisch. Es sei damit zu rechnen, dass Phasen von relativer Leistungsfähigkeit (z. B. drei bis sechs Stunden) mit langen Phasen abwechselten, in denen Erwerbsunfähigkeit vorliege. Eine anhaltende regelmäßige Erwerbstätigkeit sei angesichts der langjährigen Chronifizierung sehr unwahrscheinlich. Eine solche Erwerbstätigkeit sei nur unter erheblichen Schmerzen möglich. Weiter hat Dr. W. ausgeführt, die Klägerin könne nicht mehr als sechs Stunden, jedoch mindestens drei Stunden täglich beschäftigt sein. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei sinnvoll.
Der Empfehlung von Dr. W. folgend bewilligte die Beklagte der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde vom 5. Mai bis 30. Mai 2009 in einer Klinik in Bad W. (Abteilung Orthopädie) durchgeführt. Die dortigen Diagnosen lauteten auf eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychosomatischen Faktoren. Nach der sozialmedizinischen Einschätzung ist die Klägerin als Bürokauffrau/Sachbearbeiterin damit noch sechs Stunden und mehr einsetzbar. Grundsätzlich seien ihr noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder auch Sitzen auch im Schichtbetrieb zumutbar.
In einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 7. August 2009 schloss sich Dr. M. der Einschätzung dieser Rehabilitationseinrichtung uneingeschränkt an. Insofern müsse die Formulierung von Dr. W. , dass eine angepasste Tätigkeit mindestens drei Stunden täglich ausgeübt werden könne, so verstanden werden, dass diese Tätigkeit noch sechs Stunden verrichtet werden könne. Dem hat die Klägerin widersprochen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet, denn der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
A. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, regelmäßig im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Tätigkeit nachzugehen. Arbeiten mit langen Gehstrecken (oberhalb von 1 km) und Stresssituationen wie Akkordarbeit sollten vermieden werden.
Insoweit folgt der Senat der im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzung der Rehabilitations-Klinik in Bad W. , der Gutachter Prof. Dr. F. /PD Dr. K. /Dr. Sch. und dem Gutachten von Dr. Sch ... Auch die behandelnden Ärzte Frau G. (Befundbericht vom 17. Mai 2006) und Dr. F. (Befundbericht vom 30. April 2007) haben angegeben, die Klägerin könne noch 6 Stunden täglich eine solche Arbeit ausführen bzw. die Krankheiten ständen einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Lediglich Dr. W. hat eventuell eine andere Auffassung vertreten. Sein Gutachten ist jedoch nicht überzeugend.
1. Im Vordergrund der verschiedenen bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen steht die Fibromyalgie. Diese Erkrankung ist jedoch nicht so stark ausgeprägt, als dass die Klägerin nicht mehr zu Arbeiten unter den oben genannten Bedingungen in der Lage ist. Die abstrakte Diagnose Fibromyalgie kann noch keine Erwerbsminderung begründen; dies zeigt schon der Umstand, dass die Klägerin mit einigen Ärzten den Beginn ihrer Erkrankung auf das 14. Lebensjahr datiert und die Klägerin mit dieser Erkrankung dann bereits rund 20 Jahre berufstätig gewesen wäre. Auch Dr. Weiss hat bestätigt, dass es letztlich gleichgültig ist, ob ein Krankheitsbild als "chronisches Schmerzsyndrom", "somatoforme Schmerzstörung" oder "Fibromyalgiesyndrom" bezeichnet wird. Entscheidend sind allein die durch diese Erkrankung ausgelösten Funktionseinschränkungen wie insbesondere die Schmerzen und die damit möglicherweise verbundenen psychischen und physischen Einschränkungen. Solche sind jedoch bei der Klägerin nicht objektivierbar.
Bei starken Schmerzen müssten zumindest in den Bereichen Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer Defizite feststellbar sein. Im Kurztest zur Erfassung von Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen zeigten sich jedoch bei Dr. Sch. nur "ganz diskrete Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite ohne Krankheitsrelevanz". Auch Dr. W. hat angegeben, die Klägerin sei bei der Anamnese konzentriert und aufmerksam gewesen. Auch er hat festgestellt, dass das Kurzzeitgedächtnis unauffällig und die Merkfähigkeit nicht erkennbar gestört gewesen sei. Die Auffassungsgabe sei adäquat und die Konzentrationsfähigkeit zumindest nicht erkennbar reduziert gewesen.
Angesichts dieser selbst erhobenen Befunde ist unverständlich, dass Dr. W. zu dem Ergebnis kommt, die intellektuellen Fähigkeiten wie Denkvermögen, Reaktionszeit, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer seien eingeschränkt. Hierbei setzt er sich auch nicht mit den abweichenden Vorgutachten auseinander.
Die verhältnismäßig geringe Ausprägung des Fibromyalgiesyndroms und der damit verbundenen Schmerzen bei der Klägerin belegt auch der Bericht von Dr. F. vom 30. April 2007, wonach bisher lediglich die Gabe von niedrig dosierten Antidepressiva erfolgt sei. Bereits die nächste Stufe der Schmerztherapie mit schwach wirksamen Opioiden oder gar die höchste Stufe der Schmerztherapie mit Schmerzpflaster sollte danach möglichst vermieden werden. Etwas anderes hat die Klägerin auch gegenüber Dr. W. nicht angegeben. Bei Dr. Sch. hat die Klägerin sogar angegeben, keine Medikamente zu nehmen. Stärkere Schmerzen sind somit nicht erkennbar.
Ein Leidensdruck der Klägerin ist auch sonst nicht ersichtlich. Selbst Dr. W. hat festgestellt, dass die Klägerin vergleichsweise wenig eigene Verfahren praktiziert, um zu einer Linderung zu kommen (Bl. 210 GA). Auch die Ärzte der Rehabilitationsklinik in Bad Wildungen haben angegeben, dass die Klägerin keinerlei Eigeninitiative zur Überwindung ihrer Krankheit gezeigt habe. Danach gestalteten sich die Gespräche mit der Klägerin schwierig, weil diese mehr daran interessiert zu sein schien, ihrem Ärger Luft zu machen, als mitzuarbeiten. Insoweit ist es für den Senat auch nachvollziehbar, dass diese Ärzte in der stationären Rehabilitation bei der Klägerin Diskrepanzen zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und den ärztlich erhobenen Untersuchungsbefunden feststellten.
Nicht nachvollziehbar ist daher die gegenteilige Schlussfolgerung von Dr. W. , dass keine Bedenken gegen die Beschwerdeschilderung der Klägerin bestünden. Denn die Klägerin gibt nach dem Gutachten von Dr. W. die durchschnittliche Schmerzstärke in den letzten Wochen mit 8 auf einer 10stufigen Analogskala an; die größte Schmerzstärke habe 9 betragen. Bei solchen starken Schmerzen müsste sich die Klägerin jedoch um andere Medikamente bemühen und würde mehr bei der Bekämpfung ihrer Erkrankung mitarbeiten. Ein weiteres Indiz für eine Aggravation ist, dass die Klägerin unterschiedslos bei jeder Reflex- und Sensibilitätsprüfung bei der Untersuchung durch Dr. Sch. mit "Au" antwortete. Mehrfach haben Gutachter beschrieben, dass die Klägerin in der jeweiligen Untersuchungssituation auch gelacht habe (vgl. Gutachten Dr. W. , Bl. 196 GA; Dr. Sch. Bl. 35 Verwaltungsakte). Diese Überbewertung der Schmerzen durch Dr. W. ist besonders problematisch, da nach seinem Gutachten der Schmerz und seine Folgen der eigentliche Grund für eine Einschränkung des Leistungsvermögens bei einer Fibromyalgie sind. Bei einer unbemerkten Aggravation kommt er damit zwangsläufig zu dem falschen Ergebnis.
Denn Dr. Sch. hatte weiter eine durchschnittlich intellektuelle Befähigung (IQ 104) festgestellt; die ausreichende intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin wird auch dadurch weiter belegt, dass diese am 24. Juni 2003 ihre Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf einer Reiseverkehrsfrau bestand und im Weiteren nach Rentenantragstellung eine Führerscheinprüfung erfolgreich ablegte. Für eine Verschlechterung gibt es keinen Anhaltspunkt.
Nicht nachvollziehbar sind auch die Feststellungen des Gutachters Dr. W. , wonach die Klägerin nur in geringem Umfang regelmäßig belastet werden kann. Dies widerspricht der von ihm selbst vorgenommenen Ergometrie. Im Belastungstest gelang danach eine Leistung bis zu zwei Minuten bei 125 Watt (Gutachten Dr. W. Bl. 204 GA). Damit sind leichte Arbeiten regelmäßig möglich.
2. Weiter liegen bei der Klägerin eine mäßiggradige Gon- und Retropatellararthrose links sowie eine Gonarthrose rechts vor. Diese stehen einer leichten Arbeit nicht entgegen. Nach dem Bericht von Dr. F. vom 30. April 2007 waren die Knie- und Hüftgelenke normal beweglich. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. F. / PD Dr. K. / Dr. Sch. waren das Kniegelenk rechts mit 0/5/120° und das Kniegelenk links mit 0/5/130°beweglich, wobei sich rechts ein Bewegungsschmerz mit Krepitation zeigte. Dies bedeutet nur eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit oder sogar nur eine Messungenauigkeit. Nach dem Bericht des Johanniter Krankenhauses im Fläming - Rheumazentrum des Landes Brandenburg - vom 10. Oktober 2004 war das Kniegelenk rechts mit 0/5/130° beweglich, wobei dieses röntgenologisch die ausgeprägtere Retropallararthose zeigte. Auch im Rahmen der stationären Rehabilitation im Mai 2009 konnten keine Funktionsdefizite am Bewegungsapparat festgestellt werden. Die Klägerin selbst hat zudem angegeben, eine Wegstrecke von 1 km sei noch möglich (Bl. 199 GA).
3. Weiter liegt nach den Angaben von Frau G. ein degeneratives Wirbelsäulenleiden vor. Auch dies ist nur gering ausgebildet, wie bereits der Umstand zeigt, dass diese Erkrankung sonst von keinem Arzt festgestellt worden ist. Nach dem Bericht des J. K. im F. - Rheumazentrum des Landes B. - vom 10. Oktober 2004 bestand bei der Klägerin nur ein Klopfschmerz an der Lendenwirbelsäule bei normaler Rotation. Der Finger-Boden-Abstand betrug 2 cm. Die Halswirbelsäule zeigte normale Bewegungsausmaße.
4. Angeschwollene Hände oder Füße konnte kein Gutachter oder Arzt feststellen. Auch Dr. F. hat in seinem Bericht vom 30. April 2007 (Bl. 126 GA) bestätigt, dass eine normale Beweglichkeit in den Fingergelenken bestehe und der Faustschluss, Hinterhauptgriff und Schürzengriff beidseits möglich sei.
5. Die Prurigo steht nach dem Befundbericht vom 25. September 2009 von Dr. Z. - Hautarzt/Allergologe - einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen; zudem hat sich dieser Befund verbessert.
6. Eine chronisch venöse Insuffizienz wurde nach dem Befundbericht von Frau G. am 20. Oktober 2003 von keinem Arzt - auch von Frau G. selbst - mehr angegeben. Der Senat geht daher davon aus, dass diese Erkrankung entweder nur gering ausgeprägt ist oder nicht mehr vorliegt.
B. Bei der Klägerin liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die zu einer Verpflichtung der Beklagten führen würde, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Von solchen Einschränkungen kann nur gesprochen werden, wenn sie über das hinausgehen, was bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" mit umfasst ist. Zwar liegen bei der Klägerin eine Reihe von Erkrankungen vor. Die dadurch hervorgerufenen gesundheitlichen Einschränkungen sind jedoch noch mit der Umschreibung leichter Tätigkeiten vereinbar. Die Minderung der Leistungsfähigkeit ist daher bezogen auf die Bedingungen der Arbeitswelt, insbesondere was leichte körperliche Arbeiten betrifft, nicht als außergewöhnlich zu bezeichnen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für leichte körperliche und psychisch einfache Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Akten anlegen und verwalten, Post bearbeiten, Schriftverkehr führen und telefonieren aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19.12.1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Damit ist sie zu Verrichtungen in der Lage, wie sie in der Arbeitswelt als Inhalt auch ungelernter Tätigkeiten gefordert werden. Für die Notwendigkeit von weiteren Pausen neben den üblichen oder für eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit der Klägerin bei Strecken von unter 1 km gibt es keinen medizinischen Anhaltspunkt. Zudem hat die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, noch regelmäßig Auto zu fahren, sofern sie nicht akut erkrankt sei.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved