L 3 R 228/08 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 506/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 228/08 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nichtzulassungsbeschwerde, Berechnung Übergangsgeld
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juni 2008 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger für die Zeit vom 28. Juni bis 19. Juli 2006 zustehenden Übergangsgeldes wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation streitig.

Der Kläger ist selbstständiger Drucker. Er ist bei der Beklagten freiwillig versichert und hatte für das Jahr 2005 Beiträge in Höhe von 4.800,00 EUR entrichtet. Er war ab dem 21. März 2005 fortlaufend arbeitsunfähig und bezog ausweislich der Bescheinigung der AOK Sachsen-Anhalt vom 23. Juni 2006 seit dem 2. Mai 2005 ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 23,79 EUR auf der Grundlage eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von 33,98 EUR. In der Zeit vom 28. Juni 2006 bis zum 19. Juli 2006 nahm der Kläger an einer von der Beklagten bewilligten Leistung zur medizinischen Rehabilitation in dem Klinikzentrum B. S. GmbH teil. Während dieser Zeit war er ohne Einkommen.

Mit Bescheid vom 3. August 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 28. Juni bis zum 19. Juli 2006 ein Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 7,26 EUR. In der Anlage 1 zum Bescheid verwies sie bezüglich der Berechnung des Übergangsgeldes auf § 21 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI). Die Beitragszahlung im Bemessungszeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2005 entspreche einem Arbeitsentgelt (Arbeitseinkommen) in Höhe von 4.800,00 EUR. Für einen Kalendertag seien der 360. Teil aus 80 v.H. dieses Einkommens anzusetzen, nämlich 10,67 EUR (3.840,00 EUR geteilt durch 360). Nach Verminderung dieses Betrages auf 68 v.H. gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX) ergebe sich ein kalendertäglicher Betrag in Höhe von 7,26 EUR.

Den dagegen am 11. August 2006 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat sich der Kläger sich mit der am 6. November 2006 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage gewandt und geltend gemacht, der Berechnung des Übergangsgeldes seien die Leistungen zugrunde zu legen, die Grundlage für die Berechnung des Krankengeldes gewesen seien. Er berufe sich auf die Vorschrift des § 48 SGB IX.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 20. Juni 2008 abgewiesen und zur Begründung angegeben, die Berechnung des Übergangsgeldes gemäß § 21 Abs. 2 SGB VI, § 46 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 2 SGB IX sei nicht zu beanstanden. Eine vom Kläger begehrte Übergangsgeldberechnung nach dem Einkommen, welches der Krankengeldgewährung zugrunde gelegen habe, sehe das Gesetz nicht vor und scheitere jedenfalls daran, dass der Kläger im Jahr 2005 nicht durchgehend ausschließlich Krankengeld bezogen habe, sondern weiterhin selbstständig tätig gewesen sei. Eine Berechnung nach § 48 SGB IX komme nicht in Betracht, da die Vorschrift nur für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, nicht jedoch für medizinische Rehabilitationsleistungen gelte.

Gegen das ihm am 26. Juni 2008 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 21. Juli 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde. Zur Begründung führt er an, die gesetzlichen Vorgaben regelten nicht ausreichend die Berechnung von Übergangsgeld bei einem vorherigen Bezug von Krankengeld. Im Jahr 2005 habe er freiwillige Beiträge nur in Höhe von 4.800,00 EUR geleistet, da er infolge von Arbeitsunfähigkeit gehindert gewesen sei, ein höheres Einkommen zu erzielen. Deshalb seien - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (B 1 KR 11/06 R) - bei einem überwiegenden Bezug von Krankengeld in dem sich aus § 21 Abs. 2 SGB VI ergebenen Bemessungszeitraum in analoger Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V) der Berechnung von Übergangsgeld die vor Eintritt von Arbeitsunfähigkeit entrichteten Beiträge zugrunde zu legen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juni 2008 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, d.h. eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liege, nicht dargelegt. Vielmehr sei die Berechnung des Übergangsgeldes entsprechend der bestehenden gesetzlichen Vorschriften erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juni 2008 ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BLBl. I S.444) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt (Nr. 1), es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Im erstinstanzlichen Verfahren hat sich der Kläger gegen die Höhe des Übergangsgeldes gewandt und eine Berechnung desselben nach dem des der Krankengeldberechnung zugrunde gelegten Bemessungsentgelts begehrt. Ausgehend von einem Betrag von 33,98 EUR, der Berechnungsgrundlage für das Krankengeld des Klägers, ergäbe sich bei einer Verminderung auf 68 v. H. desselben nach § 46 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 SGB IX ein kalendertägliches Übergangsgeld von 23,11 EUR und damit für die Zeit vom 28. Juni 2006 bis zum 19. Juli 2006, d.h. für 22 Kalendertage, insgesamt ein Betrag in Höhe von 508,42 EUR (7,26 EUR x 22) statt der bewilligten 159,72 EUR. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt damit 348,70 EUR und liegt unter 750,00 EUR.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwarten werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über ein bloß individuelles Interesse hinausgeht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnr. 28). Vorliegend vermag der Senat eine grundsätzliche Bedeutung im vorstehenden Sinne nicht zu erkennen. Der Rechtsstreit wirft keine grundsätzlichen Fragen auf, die für eine Mehrzahl anderer Fälle von Bedeutung sind. Die Rechtslage hinsichtlich der Berechnung des Übergangsgeldes bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist für den Personenkreis der Selbstständigen, die Arbeitseinkommen erzielt haben, und der freiwillig Versicherten, die Arbeitsentgelt erzielt haben, mit der Schaffung der Sonderregelung des § 21 Absatz 2 SGB VI geklärt.

§ 21 Abs. 1 SGB VI bestimmt, dass sich die Höhe und Berechnung des Übergangsgeldes grundsätzlich nach Teil 1 Kapitel 6 des Neunten Buches, d.h. nach §§ 44 bis 54 SGB IX, richten, soweit die Absätze 2 bis 4 nichts Abweichendes bestimmen.

Für Versicherte, die Arbeitseinkommen erzielt haben, und für freiwillig Versicherte, die Arbeitsentgelt erzielt haben, wird nach § 21 Abs. 2 SGB VI die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld aus 80 v. H. des Einkommens ermittelt, das den vor Beginn der Leistungen für das letzte Kalenderjahr (Bemessungszeitraum) gezahlten Beiträgen zugrunde liegt. Der Gesetzgeber hat damit eine Sonderregelung sowohl für pflichtversicherte als auch freiwillig versicherte Selbstständige geschaffen. Bemessungszeitraum ist das letzte Kalenderjahr vor dem Beginn der Rehabilitationsleistung, unabhängig davon, ob und wie lange der Versicherte vorher arbeitsunfähig war. In diesem Bemessungszeitraum muss mindestens ein Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sein. Die Berechnung des Übergangsgeldes auf der Grundlage des Bemessungsentgelts des zuvor bezogenen Krankengeldes ist damit gerade für den Kläger als freiwillig versicherten Selbstständigen nicht möglich.

§ 21 Abs. 3 SGB VI trifft zwar eine Sonderregelung, u.a. für den Fall des vorangegangenen Bezuges von Krankengeld, und ordnet die Anwendung von § 49 SGB IX mit der Maßgabe an, dass Versicherte unmittelbar vor dem Bezug der dort genannten Leistungen Pflichtbeiträge geleistet haben. Dabei regelt § 49 SGB IX Folgendes: Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistung ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze. Danach muss bei der Berechung der Lohnersatzleistung als Berechnungsgrundlage ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt zugrunde gelegen haben. Für freiwillig Versicherte und Versicherte, die nur Arbeitseinkommen erzielt haben, kann die Berechnungsgrundlage auch dann nicht nach Abs. 3 ermittelt werden, wenn sie Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet haben. Bei diesem Personenkreis soll eine Kontinuität der Bemessungsgrundlage bei einem unmittelbar vorangegangenen Bezug von Krankengeld oder anderen Entgeltersatzleistungen gerade nicht gewährleistet sein. Da der Gesetzgeber zu der vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Frage eine gesetzliche Regelung geschaffen hat, ist eine Klärungsbedürftigkeit zu verneinen.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Eine solche liegt nur vor, wenn das Sozialgericht eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von einem durch ein übergeordnetes Gericht in seiner Entscheidung aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz abweicht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht, d.h. die Entscheidung des Sozialgerichts anders ausgefallen wäre, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung beachtet worden wäre (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 30 unter Hinweis auf § 160 Rdnr. 10 ff.). Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend nicht ersichtlich. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BSG (Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 11/06 -) betrifft allein die Berechnung von Krankengeld.

Schließlich hat der Kläger auch nicht gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.

gez. Klamann gez. Fischer gez. Mülller-Rivinius
Rechtskraft
Aus
Saved