L 3 R 76/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 RJ 219/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 76/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) streitig.

Die am ... 1953 geborene Klägerin arbeitete nach dem Hauptschulabschluss in der Personenwagenreinigung am Hauptbahnhof M., als Werkstattschreiberin, als Aushilfe in einer Gaststätte, als Reinigungskraft, als Poststellenmitarbeiterin, als Verkäuferin, Frisörhilfe und Aufkäuferin in einer Recycling GmbH, als Küchenhilfe und zuletzt versicherungspflichtig als Verkäuferin im Bistro "L. und L." M. von März 1993 bis August 1994. Danach war sie im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen 1994 im Staatshochbauamt, M. - Markt M., beim Veranstaltungsservice M. und im Staatsarchiv M. beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig erkrankt.

Am 5. September 2002 stellte die Klägerin den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag. Wegen Herz-Kreislauf-Beschwerden, einer Osteoporose und einer Wirbelsäulenerkrankung könne sie keinerlei Arbeiten mehr verrichten.

Die Beklagte zog zunächst die anlässlich des ersten Rentenantrages vom 18. Dezember 1996 eingeholten ärztlichen Unterlagen bei. Dort war die Klägerin u.a. von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. K. unter dem 9. Oktober 1997 und von dem Facharzt für Orthopädie Dr. P. vom 10. März 1998 begutachtet worden. Dr. K. hatte leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sowie auch überwiegend im Sitzen sowie die Tätigkeit als Verkäuferin in wechselnden Fachbereichen vollschichtig für möglich gehalten. Dr. P. hatte leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten bei Meidung schwerer Hebe- und Trageleistungen, Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr vollschichtig für zumutbar erachtet.

Ferner holte die Beklagte einen Behandlungs- und Befundbericht von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. E. vom 7. Oktober 2002 ein. Diese teilte als Diagnosen eine coronare Herzerkrankung, eine euthyreote Struma, einen degenerativen Wirbelsäulenschaden, eine Osteoporose und einen Hemispasmus facialis rechts sowie einen Diabetes mellitus mit. Sie fügte Arztbriefe anderer Fachrichtungen bei, u. a. den Arztbrief des Facharztes für Chirurgie Dr. K. aus der Gemeinschaftspraxis für Angiologie und Phlebologie M. vom 17. April 2002 über die dort durchgeführte Diagnostik. Danach hätten sich das tiefe Venensystem und die Arterien ohne pathologischen Befund dargestellt und suffiziente tiefe Venenklappen beidseits gezeigt. Die angegebenen Beschwerden der Klägerin ließen sich aus angiologischer Sicht nicht erklären. Aus der Epikrise der Klinik für Neurologie der Uni-Klinik M. vom 1. November 2002 ergibt sich, dass die Klägerin wegen eines Hemispasmus facialis seit Juli 1997 in vierteljährlichen Abständen Injektionen erhalte, deren Wirkung nach ca. einer Woche einsetze und im Mittel zehn Wochen anhalte. Die Klägerin habe die Wirkung als sehr gut beschrieben und sei oft mehrere Wochen vollkommen beschwerdefrei; Nebenwirkungen seien bisher nicht aufgetreten.

Sodann ließ die Beklagte die Klägerin von der Fachärztin für Orthopädie Dr. D. unter dem 21. Januar 2003 begutachten. Bei der Klägerin bestünden ein rezidivierendes Zervicobrachial- und Lumbalsyndrom sowie eine Chondropathia patellae beidseits. Daraus resultiere eine Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens dahingehend, dass Tätigkeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel, häufigem Bücken, Hocken, Knien, häufiger Überkopfarbeit, Ersteigen von Treppen, Gerüsten und Leitern, Arbeiten mit Gang- und Standsicherheit sowie mit Zwangshaltungen im Halswirbelsäulen (HWS)- und Lendenwirbelsäulen (LWS)-Bereich nicht möglich seien. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen unter Beachtung der qualitativen Leistungseinschränkungen in Tag-, Früh-, Spät- und Nachtschicht sechs Stunden und mehr verrichten. Auch als Imbissverkäuferin in wechselnder Körperhaltung sei die Klägerin aus orthopädischer Sicht sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Da bei der Klägerin neurologisch-psychiatrische Einschränkungen im Vordergrund stünden, sei eine Zusatzbegutachtung auf diesem Fachgebiet durchzuführen.

Daraufhin wurde die Klägerin von Dipl.-Med. F., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, begutachtet. Die Gutachterin stellte unter dem 29. Januar 2003 die Diagnosen einer Somatisierungsstörung, eines Hemispasmus facialis rechts, derzeit unter Medikation erscheinungsfrei, sowie eines rezidivierenden Zervikobrachial- und Lumbalsyndroms bei Osteoporose. Der neurologische Status habe sich weitgehend regelrecht dargestellt. In psychischer Hinsicht sei die Klägerin durch eine weitschweifige und ausführliche Beschwerdeschilderung aufgefallen. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Beachtung der orthopädischerseits bestehenden qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2003 den Rentenantrag der Klägerin ab. Zwar sei das Leistungsvermögen der Klägerin durch ein schmerzhaftes Wirbelsäulenleiden, die Erkrankung eines Gesichtsnervs rechts und eine Osteoporose eingeschränkt. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne die Klägerin gleichwohl sechs Stunden und mehr täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.

Hiergegen hat die Klägerin am 21. Mai 2003 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, an einer Polyarthrose mit Osteoporose, an einer Spondylarthrose und einer Schwellung im Bereich der Handrücken, an Verhärtungen im Schulter-Nacken-Bereich, an Bandscheibenbeschwerden sowie an Angina pectoris, Beschwerden an Blase und Niere sowie im Magen-Darm-Bereich zu leiden. Ferner sei sie lichtempfindlich und leide unter Seh- und Schlafstörungen. Durch die vielfältigen Erkrankungen habe auch ihre Psyche sehr gelitten. Eine von ihr beantragte Rehabilitationsmaßnahme sei von der Beklagten abgelehnt worden, da diese aufgrund der Erkrankungen keine Einsatzmöglichkeiten gesehen habe.

Die Beklagte hat demgegenüber auf ihren Bescheid vom 21. Dezember 1999 hingewiesen, in dem der Antrag der Klägerin auf Bewilligung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation vom 15. April 1999 mit der Begründung abgelehnt worden war, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, da sie weiterhin eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben könne.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Behandlungs- und Befundberichten von Dr. E. vom 25. September 2003, von den Fachärztinnen für Neurologie und Psychiatrie Dres. L. und H. vom 1. Oktober 2003 und die Fachärztinnen für Orthopädie Dipl.-Med. H. und Dipl.-Med. B. vom 26. November 2003. Zum Leistungsvermögen der Klägerin befragt, hat Dr. E. angegeben, auf Grund der Multimorbidität der Klägerin bestehe nur eine Einsatzfähigkeit von täglich unter sechs Stunden. Demgegenüber haben Dres. L./H. und Dipl.- Med. H./ Dipl.-Med. B. ein tägliches Leistungsvermögen von maximal sechs Stunden befürwortet.

Die Klägerin hat jeweils die ärztlichen Unterlagen über ihre ambulanten Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu den Akten gereicht. Ausweislich des Arztbriefes des Facharztes für Radiologie Dr. K. war bei der Magnetresonanztomografie (MRT) der LWS vom 2. Februar 2004 eine leichte Bandscheibenprotrusion im kaudalen Umfang des rechten Neuroforamens bei L 4/5 erkennbar. Der Nachweis einer Spinalkanalstenose oder einer wesentlichen Bandscheibenprolapsbildung sei nicht gegeben. Über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 22. September bis zum 12. Oktober 2004 im Fachkrankenhaus V. G. wird in der Epikrise vom 9. November 2004 berichtet und es sind als Diagnosen ein Fibromyalgiesyndrom sowie eine manifeste Osteoporose genannt. Der erhobene Gelenkstatus habe eine mittelgradige Bewegungseinschränkung der LWS, einen Finger-Boden-Abstand von 30 cm, einen vollständigen Faustschluss und eine endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke ergeben. Die Zeichen nach Mennell und Lasègue seien beidseits negativ gewesen. Die Spirometrie habe keine Ventilationsstörung ergeben. Das EKG sei unauffällig gewesen. Aufgrund multipler Sehnenansatzdruckschmerzpunkte und bestehender vegetativer Probleme sei die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms zu stellen. Für eine entzündlich-rheumatische Grunderkrankung habe kein Hinweis gefunden werden können. Es seien eine Fortsetzung der ambulanten Osteoporosebehandlung, eine Beibehaltung der medikamentösen Schmerztherapie, Entspannungsübungen und eine psychologische Weiterbetreuung zu empfehlen. Im Entlassungsbericht des Städtischen Klinikums M. vom 27. Dezember 2004 wird über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. bis zum 20. Dezember 2004 wegen eines schweren Virusinfektes mit Kopfschmerzen und Fieber berichtet, aus dem die Klägerin in deutlich gebesserten Allgemeinzustand entlassen werden konnte; es ist hervorgehoben, dass sich die Klägerin krankheitsfixiert gezeigt habe.

Die Beklagte hat sodann das MDK-Gutachten vom 24. Januar 2005 und den Entlassungsbericht der Burgenlandklinik Bad K. vom 15. April 2005 bei dem dortigen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. März bis zum 14. April 2005 zu den Akten gereicht. Danach seien ein lumbales Pseudoradikulär- und ein Zervikobrachialsyndrom rechts, eine postmenopausale Osteoporose mit pathologischen Rippenfrakturen, eine Rhizarthrose rechts sowie "psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren" zu berücksichtigen. Die testpsychologische Untersuchung habe eine durchschnittliche Intelligenz, eine leicht überdurchschnittliche geistige Beweglichkeit bei hoher Sorgfalt und eine durchschnittliche Gesamtkonzentrationsleistung ergeben. Zum verhaltensanalytischen Befund ist mitgeteilt, dass die Klägerin über ihre Fixierung auf die somatischen Beschwerden und Einschränkungen eigene bedürftige Anteile kompensiere; prädisponierend wirke vermutlich das Modell des mit 27 Jahren bereits voll invaliden Vaters, mit dem sich die Klägerin stark identifiziere. Auffällig sei gewesen, dass die Klägerin zahlreiche körperlich begründete Einschränkungen angegeben habe, die kaum Möglichkeiten für eine erfolgreiche Stellensuche offen ließen. Gleichzeitig habe sie sich im Klinikalltag bzw. in der Freizeitgestaltung außerhalb des therapeutischen Angebotes sehr aktiv gezeigt. Durch diese Diskrepanz werde aus dortiger Sicht das Rentenbegehren der Klägerin deutlich. Aus sozialmedizinischer Sicht könne die Klägerin noch leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne gebückte Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, häufiges Heben und Tragen, Klettern auf Leitern und Gerüsten sowie Gehen in unebenem Gelände und ohne Nässe und Kälte sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Klägerin sei hiermit nicht einverstanden gewesen und habe daran festgehalten, nur noch für drei Stunden täglich arbeiten zu können.

Mit Urteil vom 24. Januar 2006 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Hiervon sei die Kammer aufgrund des orthopädischen Gutachtens vom 21. Januar 2003, des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens vom 29. Januar 2003 sowie des Entlassungsberichtes vom 15. April 2004 vollständig überzeugt.

Gegen das ihr am 2. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Februar 2006 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das bei ihr bestehende Fibromyalgiesyndrom sei mit einem unverhältnismäßig großen Schmerzgeschehen verbunden, wodurch die Gehfähigkeit und die Gebrauchsfähigkeit der Hände beeinträchtigt seien. Ferner seien Gesundheitsstörungen auf HNO-fachärztlichem und internistischem Fachgebiet nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Klägerin hat den ärztlichen Entlassungsbericht der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses G. vom 19. April 2006 über ihre stationäre Behandlung vom 14. bis zum 21. April 2006 wegen der Infarzierung eines Netzzipfels, wahrscheinlich in Folge einer Torsion, beigefügt. Eingriff und postoperativer Verlauf hätten sich komplikationslos gestaltet. Eine erneut von Dipl.-Med. K. von der Praxisklinik für Angiologie und Phlebologie durchgeführte Diagnostik hat laut Arztbrief vom 2. Mai 2006 wiederum ein morphologisch unauffälliges tiefes Venensystem sowie unauffällige Arterien gezeigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Oktober 2002 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Der Senat hat zunächst von der Bundesagentur für Arbeit das Gutachten von MedDirin Dipl.-Med. S. vom 26. April 2007 nach Aktenlage sowie Behandlungs- und Befundberichte von Dr. E. vom 25. August 2007, von Dr. L. vom 4. September 2007 und vom 8. September 2008 und von Dipl.-Med. H. vom 19. September 2007 eingeholt. Dr. E. hat über die bekannten Diagnosen hinaus eine Fruktoseintoleranz, einen Folsäure- und Vitamin-B-12-Mangel, einen Tinnitus, eine rezidivierende Gastritis und eine Depression mitgeteilt. Sie hat diverse Arztfremdberichte beigefügt. U.a. hat die Fachärztin für Nuklearmedizin Dr. H. unter dem 2. Januar 2007 ausgeführt, dass bei bestehendem Verdacht auf eine Rheumatoidarthritis eine durchgeführte 2-Phasen-Szintigraphie des Ganzkörpers vom 2 Januar 2007 ergeben habe, dass im Bereich der peripheren Gelenke sowie im Stammskelett keine floriden Entzündungsprozesse erkennbar seien und sich das gesamte Skelett szintigraphisch unauffällig dargestellt habe. Der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie Dr. U. hat unter dem 6. Juni 2007 unter Bezugnahme auf die gestellten Diagnosen der reaktiven Leukozytose, des Folsäure- und Vitamin-B12-Mangels, der Osteoporose, der Struma und der Depressionen mitgeteilt, dass das Blutbild unauffällig und eine spezielle Therapie aus hämatologischer Sicht nicht erforderlich gewesen sei. Dipl.-Med. H. hat u.a. auf den Arztbrief des Facharztes für Radiologie Dr. B. vom 17. Oktober 2006 hingewiesen, wonach das MRT der LWS vom 17. Oktober 2006 keinen Hinweis für einen Bandscheibenvorfall oder eine Einengung des Spinalkanals ergeben und in Höhe L 4/L 5 beginnende degenerative Veränderungen in den kleinen Wirbelgelenken gezeigt habe. Dr. L. hat als Diagnosen eine Dysthymia sowie eine rezidivierende depressive Störung, einen Hemispasmus facialis rechts, eine somatoforme Störung sowie ein radikuläres Reizsyndrom der HWS und LWS genannt. Ein veranlasstes MRT des Kopfes vom 25. August 2008 habe altersentsprechende zerebrale Befunde ergeben. Aus dem an Dr. E. gerichteten Arztbrief von Dr. H. vom 7. Dezember 2007 ergibt sich, dass dieser hinsichtlich des neurologischen Befundes eine sehr diskrete Fazialismundastschwäche links bei einem sonst unauffällig neurologischen Status erhoben hatte. Schließlich habe er keinen ausreichenden Anhalt für ein KTS als Ursache für das von der Klägerin geklagte Anschwellen und Taubheitsgefühl der Hände gefunden.

Die Klägerin hat ihrerseits Arztberichte eingereicht: Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. P. hat unter dem 13. Februar 2008 über seine Behandlung der Klägerin berichtet. Aufgrund der von ihm erhobenen und ihm vorliegenden Befunde habe der Klägerin keine Operation, sondern die Fortführung der konservativen Therapie empfohlen werden können. Die Lungenklinik L. gGmbH hat unter dem 28. Januar 2008 über die durchgeführte Polysomnographie berichtet und nach der bisherigen Diagnostik keine Indikation für eine CPAP-Therapie gesehen. Die Fachärztin für HNO-Heilkunde und Allergologie Dr. W. hat unter dem 21. Februar 2008 keine Ursache für den von der Klägerin geklagten Schwindel, insbesondere kein vestibuläres Defizit feststellen können. Nach dem Bericht von Prof. Dr. F. vom 15. September 2008, der die Klägerin vom 19. auf den 20. Mai 2008 im Schlaflabor betreut hat, sei von einer psychophysiologischen Insomnie auszugehen. Differentialdiagnostisch sei das Vorliegen einer sekundären Insomnie im Kontext einer depressiven Störung zu eruieren.

Schließlich hat der Senat ein Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin, Betriebsmedizin Dr. H. vom 14. August 2009 eingeholt. Dr. H. hat folgende Gesundheitsstörungen, die das Leistungsvermögen der Klägerin im Erwerbsleben beeinflussen, festgestellt:

Somatisierungsstörung und dysthyme Stimmungsstörung. Lumbales Pseudoradikulärsyndrom. Zervikokranial- und pseudoradikuläres Zervikobrachialsyndrom. Postmenopausale Osteoporose.

Unter Auswertung der aktenkundigen Unterlagen und der von ihr erhobenen Befunde sei die Funktionalität des Bewegungsapparates zu keinem Zeitpunkt schwergradig eingeschränkt gewesen; es lägen keine bis leichte Bewegungseinschränkungen vor. Die Stimmungsstörung erfülle allenfalls die Kriterien einer leichtgradigen Episode. Bereits in der Burgenlandklinik Bad K. sei darauf hingewiesen worden, dass die vorgetragenen körperlichen Einschränkungen den Aktivitäten in der Freizeitgestaltung nicht entsprochen hätten und diese Diskrepanz als Rentenbegehren aufgefasst werde. Auch bei der gutachterlichen Untersuchung durch sie seien Verdeutlichungstendenzen aufgefallen, die die Grenze des der Begutachtungssituation zuzuschreibenden Verhaltens überschritten hätten und als bewusstseinsnahe gesteuerte Verhaltensweise zu deuten seien. Die Klägerin sei im Kontakt freundlich, affektiv gut modulationsfähig, in der Erzählweise weitschweifig, inhaltlich eingeengt und fixiert auf das Beschwerdebild gewesen. Konzentrationsstörungen seien nicht aufgetreten. Aufmerksamkeit, Ausdauer, Konzentrationsvermögen, Wendigkeit hätten während der Untersuchungen nicht abgenommen. Für eine Somatisierungsstörung spreche auch das praktizierte häufige Aufsuchen von Ärzten und Einrichtungen verschiedener Fachrichtungen, ohne dass ein relevanter pathologischer Befund habe erhoben werden können. Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten resultierten aus der Somatisierungsstörung aber nicht. Die Osteoporose sei medikamentös behandelt und zum Stillstand gekommen. Die Klägerin könne noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und/oder Sitzen in geschlossenen Räumen, unter Witterungsschutz auch im Freien, mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Wegen der Somatisierungsstörung sollten Arbeiten unter Zeitdruck und mit Wechselschicht ausscheiden. Ungünstig seien auch Arbeiten in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, auf Gerüsten oder Leitern, mit Gefährdung durch Kälte, Zugluft und Nässe. Keine Einschränkungen bestünden für häufigen Publikumsverkehr. Die Klägerin sei durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsvermögen, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens lägen nicht vor. Körperliche Arbeiten wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen seien körperlich zumutbar. Die Klägerin könne auch viermal arbeitstäglich einen Fußweg von jeweils mehr als 500 Metern zurücklegen. Hierfür benötige sie weniger als 20 Minuten. Sofern die Klägerin beim Gehtest in 20 Minuten nur 450 Meter bewältigt habe, habe sie diese Gehstreckeneinschränkung aggraviert. Wirbelsäulen- und Gelenkstatus sprächen gegen eine Gehbehinderung. Auch das kardiopulmonale System sei uneingeschränkt leistungsfähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Klägerin steht eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch zumindest leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und/oder Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Sie kann in geschlossenen Räumen und unter Witterungsschutz auch im Freien arbeiten. Arbeiten unter Zeitdruck und mit Wechselschicht, in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, auf Gerüsten oder Leitern, mit Exposition gegenüber Kälte, Zugluft und Nässe sind ausgeschlossen. Arbeiten mit Publikumsverkehr sind ebenso möglich wie Arbeiten, die eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erfordern. Die Klägerin ist durchschnittlichen Anforderungen an geistige und mnestische Fähigkeiten, d.h. an Reaktionsvermögen, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit, gewachsen. Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens liegen nicht vor.

Dies ergibt sich für den Senat aus dem Gutachten von Dr. H. vom 14. August 2009 sowie aus den beigezogenen Befundberichten und Arztbriefen der behandelnden Ärzte und aus dem Rehabilitationsbericht vom 15. April 2005. Schließlich hat der Senat die von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. D. und Dipl.-Med. F., jeweils von Januar 2003, berücksichtigt.

Danach bestehen bei der Klägerin ein lumbales Pseudoradikulärsyndrom sowie ein Zervikokranial- und ein pseudoradikuläres Zervikobrachialsyndrom. Röntgenologisch nachweisbar sind insoweit beginnende Arthrosen der kleinen Wirbelgelenke. Einen Bandscheibenvorfall oder eine Spinalkanalenge haben sämtliche MRT-Aufnahmen ausgeschlossen. Von allen Gutachtern und behandelnden Ärzten sind relevante Bewegungseinschränkungen sowie eine radikuläre Ausfallsymptomatik oder Nerven- und Muskelreizerscheinungen nicht festgestellt worden. Insbesondere Anhaltspunkte für ein operatives Vorgehen wurden von niemandem gesehen.

Die bestehende Osteoporose ist medikamentös ausreichend eingestellt und zum Stillstand gekommen. Dies hat Dr. H. in Übereinstimmung mit dem behandelnden Hämatologen festgestellt.

Die Fruktoseintoleranz ist diätisch behandelbar. Der Vitamin-B-12- und Folsäuremangel sind ausreichend medikamentös behandelt. Die Somatisierungsstörung und die dysthyme Stimmungsstörung sind leichtgradig ausgeprägt und hindern die Klägerin nicht an einer strukturierten Alltags- und Freizeitgestaltung. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben der Klägerin gegenüber Dipl.-Med. F. sowie den Feststellungen in der Burgenlandklinik und von Dr. H ... Sofern die Klägerin eine erhebliche Leistungseinschränkung im Alltag behauptet, ist das aufgrund ihres Körperzustandes nicht nachvollziehbar. Der Gelenk- und Muskelstatus ist völlig unauffällig und spricht für einen regelmäßigen Gebrauch der oberen und unteren Extremitäten und stützt die Behauptungen der Klägerin nicht. Auf eine Diskrepanz der vorgetragenen Beschwerden und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit ist in der Rehabilitationsklinik hingewiesen worden. Auch Dr. H. hat eine Aggravation von Beschwerden geschildert und entsprechend gewürdigt. Die überwiegenden von der Klägerin angegebenen Beschwerden haben trotz umfangreichster diagnostischer Maßnahmen der behandelnden Ärzte kein organisches Korrelat ergeben. Sämtliche dopplersonographischen Untersuchungen, MRT-Aufnahmen, die neurologischen Befunderhebungen und HNO-fachärztlichen Untersuchungen haben jeweils keine pathologischen Befunde gezeigt.

Bei der Klägerin liegen deshalb auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für zumindest leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.).

Auch liegt im Falle der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit eine Versicherte täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Die Gehfähigkeit der Klägerin ist nach übereinstimmender Beurteilung aller gehörten Ärzte nicht so wesentlich eingeschränkt, dass sie nicht die oben genannten Wegstrecken zurücklegen könnte. Dr. H. hat die demonstrierte Begrenzung der Gehstrecke auf unter 500 Meter als aggraviert und mit dem übrigen guten Körperstatus der Klägerin für nicht vereinbar erachtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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