L 5 AS 41/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 AS 3408/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 41/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zusicherung - Umzug - KdU - Angemessenheit - Beschwerdewert
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag der Antragstellerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.
Die Antragstellerinnen begehren in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer vorläufigen Zusicherung von der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für eine Wohnung im B.-T.-R ... in M ... Die am ... 1985 geborene Antragstellerin zu 1. bewohnt derzeit zusammen mit ihrer am ... 2008 geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 2., und dem Vater des Kindes, Herrn M. W. , eine Wohnung im B.-T.-R. 15 in M ... Sie beziehen als Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Am 6. Oktober 2009 stellte die Antragstellerin zu 1. bei der Antragsgegnerin den Antrag auf Zustimmung zum Umzug. Sie habe sich vom Vater ihrer Tochter getrennt und wolle daher zusammen mit ihrer Tochter aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Sie legte dem Antrag ein Wohnungsangebot bei. Dieses bezog sich auf eine 70,24 qm große 2½ Zimmer-Wohnung im B.-T.-R ... (1. Etage, 1. Wohnung von links). Die Kaltmiete für diese Wohnung betrug 281,00 EUR; die monatlich zu zahlenden Vorauszahlungen für die kalten und warmen Betriebskosten beliefen sich auf je 70,00 EUR. Die Antragsgegnerin erkannte zwar die Notwendigkeit des Umzugs an, lehnte jedoch unter dem 7. Oktober 2009 die Erteilung einer verbindlichen Zusicherung für die Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe ab. Die Wohnung sei sowohl hinsichtlich der Wohnungsgröße als auch hinsichtlich der Höhe der Grundmiete und der Betriebskosten unangemessen. Unter dem 9. November 2009 beantragte die Antragstellerin erneut die Zustimmung zum Umzug. Sie verwies auf die bereits dem Antrag vom 6. Oktober 2009 zugrundeliegenden Gründe. Dem Antrag fügte sie ein Wohnungsangebot derselben Wohnung wie beim ersten Antrag bei. Die Grundmiete hatte der Vermieter auf 250,00 EUR reduziert. Mit Schreiben vom 10. November 2009 lehnte die Antragsgegnerin eine verbindliche Zusicherung der Zahlung der KdU sowie die Übernahme von Umzugskosten ab. Sowohl die Wohnungsgröße als auch die monatlichen Vorauszahlungen für die kalten und warmen Betriebskosten seien unangemessen. Es werde lediglich zur Berechnung der Leistungen nach dem SGB II die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten nach den Richtlinien der Landeshauptstadt (Unterkunftsrichtlinie) bestätigt. Die Antragstellerinnen haben am 18. November 2009 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, eine Zusicherung für den Umzug in die Wohnung B.-T.-R ... in M. zu erteilen. Die begehrte Wohnung sei angemessen. Es sei nach der herrschenden Produkttheorie auf die Gesamtmiete abzustellen, nicht auf einzelne Faktoren. Die Wohnung liege mit den Betriebskosten nur 2,00 EUR/Monat über dem Wert, den die Stadt M. in den Unterkunftsrichtlinien als angemessen ansehe. Die Gesamtmiete i.H.v. 390,00 EUR unterschreite den seitens der Antragsgegnerin höchstens als angemessen angesehenen Wert von 414,00 EUR (276,00 EUR Kaltmiete für eine 60 qm große Wohnung zzgl. kalter und warmer Betriebskosten i.H.v. 2,30 EUR/qm = 138,00 EUR). Die Antragsgegnerin hat im Wesentlichen darauf verwiesen, ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Sie habe die Erforderlichkeit des Umzuges anerkannt. Es stehe der Antragstellerin zu 1. frei, die Wohnung zu beziehen. Die monatlichen Aufwendungen für einen Zwei-Personen-Haushalt würden in angemessener Höhe, d.h. die Grundmiete bis zu 276,00 EUR und die Betriebskosten bis zu 138,00 EUR erbracht, wobei für die zentrale Warmwasserversorgung noch eine monatliche Pauschale in Abzug zu bringen sei. Die Entscheidung komme zudem der Vorwegnahme der Hauptsache gleich. Eine solche sei nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, die hier nicht vorlägen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass allein die W. BAU M. 195 Wohnungen in verschieden Stadtteilen anböte, die die Angemessenheitskriterien der Unterkunftsrichtlinie erfüllten (Stand 17. Dezember 2009). Zudem sei kein Anordnungsanspruch erkennbar. Die Betriebskosten lägen zwar nur 2,00 EUR über der Angemessenheitsgrenze. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden sie sich jedoch – bezogen auf die Wohnungsgröße – erhöhen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2010 hat das SG den Antrag zurückgewiesen. Es liege wohl kein Anordnungsanspruch nach § 22 Abs. 2 SGB II vor. Zwar blieben die Gesamtmietkosten unter den von der Antragsgegnerin als angemessen erachteten Gesamtkosten für eine 60 qm große Wohnung. Andererseits sei die Argumentation der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, dass die in Aussicht genommene Betriebskostenvorauszahlung im Verhältnis zur Größe der Wohnung sehr niedrig ausfalle. Es sei nicht auszuschließen, dass die tatsächlichen Betriebskosten wesentlich höher liegen würden. Es sei aber kein Anordnungsgrund ersichtlich. Die Angaben, die Antragstellerin zu 1. habe sich mit dem Vater des Kindes auseinander gelebt, und es gäbe ständig Reibereien wegen der Erziehung des Kindes, ließen nicht den Schluss auf unüberbrückbare Gegensätze zu, die es unzumutbar machen würden, auch nur einen Tag länger mit dem Vater des Kindes gemeinsam in der Wohnung zu verbringen. Sie ließen auch nicht den Schluss eines tiefgreifenden Zerwürfnisses zu. Da die Antragsgegnerin die Erforderlichkeit des Umzugs und somit auch die Übernahme der angemessenen KdU anerkannt habe, vermöge das SG auch vor diesem Hintergrund eine Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen. Das SG hat in der Rechtsmittelbelehrung auf das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 172 SGG verwiesen. Gegen den ihnen am 22. Januar 2010 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 25. Januar 2010 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt. Die Antragstellerin zu 1. werde nunmehr von ihrem Ex-Freund bedroht. Auf den unter dem 3. Februar 2010 erteilten Hinweis des Senats, die pauschale Behauptung einer Bedrohung reiche für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs bzw. -grundes nicht aus, hat die Antragstellerin zu 1.) unter Beifügung einer Eidesstattlichen Versicherung dargelegt, sie werde von Herrn F. beschimpft und als "hinterhältiges kleines Miststück" betitelt. Sie halte es in der Wohnung nicht mehr aus. Auf den bereits unter dem 11. Februar 2010 erteilten Hinweis des Senats, es bestünden Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei, haben die Antragstellerinnen darauf verwiesen, dass die Mietzahlung für die Wohnung 390,00 EUR/Monat betrage. Bei einem sechsmonatigen Bewilligungszeitraum sei der Beschwerdewert überschritten. Selbst wenn davon ausgegangen werde, die Antragsgegnerin habe eine Grundmiete von 250,00 EUR anerkannt, seien immer noch die Betriebskosten i.H.v. 140,00 EUR/Monat im Streit. Die Antragstellerinnen beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 13. Januar 2010 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Zusicherung für den Umzug in die Wohnung im B.-T.-R ..., 1. Etage, 1. Wohnung links, in M., zu erteilen, sowie ihnen Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen. Die Antragsgegnerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme zur Beschwerde und zum PKH-Antrag erhalten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin (Bl. 674 – 693) sowie auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Der Beschwerdewert übersteigt den Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG i.H.v. 750,00 EUR nicht. Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit 1. April 2008 gültigen Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die nach ihrem Wortlaut nicht völlig eindeutige Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach ihrem Sinn und ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen und somit unzulässig ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. Beschluss vom 25. November 2008, L 5 B 341/08 AS ER). Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 EUR übersteigt. Vorliegend begehren die Antragstellerinnen die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer vorläufigen Zusicherung. Diese hat für die die Antragstellerinnen einen wirtschaftlichen Wert von 2,00 EUR/Monat, denn allein streitig ist die Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung der Wohnung. Die Antragsgegnerin war von Anfang an bereit, die ihrer Ansicht nach angemessenen monatlichen Mietkosten zu übernehmen; die Grundmiete in voller Höhe, die Betriebskosten i.H.v. 138,00 EUR (statt der tatsächlich anfallenden 140,00 EUR) abzüglich der pauschalierten Kosten der Warmwasseraufbereitung. Da bei dieser Wohnung auch von den tatsächlich anfallenden Heizkosten die Warmwasserkosten in Abzug gebracht werden müssen, hätten die Antragstellerinnen letztlich ohne die Zusicherung höchstens 2,00 EUR zusätzlich pro Monat aus ihren Regelleistungen zu zahlen. Dieser Betrag entspricht letztlich dem Erfolg, der mit der Zusicherung angestrebt wird (§ 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 3 ZPO). Etwaige vom SG und der Antragsgegnerin vermutete Erhöhungen der Nebenkostenvorauszahlungen sind in den Streitwert nicht einzurechnen. Es ist nach § 40 GKG für die Wertberechnung des Streitwerts der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtsstreit einleitet. Im zeitlichen Umfang ist das Interesse der Zusicherung begrenzt auf die Dauer eines Bewilligungsabschnitts, mithin auf sechs Monate, höchstens zwölf Monate (§ 41 Abs. 1 Sätze 4, 5 SGB II). Eine Einbeziehung weiterer Bewilligungsabschnitte kommt nicht in Betracht, da jeweils materiell-rechtlich selbstständige, hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen von einander unabhängige Ansprüche auf Sozialleistungen im Streit stehen (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1982, 7 RAr 50/80, SozR 4100 § 118 Nr. 10). Nicht ausreichend für die Zusammenrechnung von einzelnen Zeitabschnitten sind ein natürlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang oder dasselbe Sozialrechtsverhältnis (vgl. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2008, B 14 AS 7/08 B, juris, für Bewilligungsabschnitte bei SGB II-Leistungen). Die einzelnen Bewilligungsabschnitte bilden selbstständige prozessuale Ansprüche. Sie fließen zwar aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis und kehren in regelmäßigen Abständen wieder (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144, Rn. 22, 23). Sie beruhen aber nicht auf einem einheitlichen Stammrecht. Bei der Zeitberechnung kommt es auf den Bestimmungszeitraum, nicht auf den Zahlungszeitraum an (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144, Rn. 24). Der zeitlich beschränkte Bewilligungsabschnitt soll zudem eine regelmäßige Überprüfung der Hilfebedürftigkeit in überschaubaren zeitlichen Abständen sicherstellen (BT-Drucks. 15/1516, S. 63 zu § 41). Der Anspruch entsteht jeweils neu. Er richtet sich nicht nach den Voraussetzungen, die zu Beginn des erstmaligen Leistungsbezugs gegeben waren. Die Leistungsträger des SGB II müssen nicht nur Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen Rechnung tragen, sondern sie müssen diese auch bei der Ermittlung des normativen Bedarfs beachten, sodass Folgebescheide häufig neue, gegenüber dem Ausgangsbescheid besondere Tat- und Rechtsfragen aufwerfen (vgl. ausführlich Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Mai 2009, L 5 AS 17/09 B). Wird beispielsweise die Miete erhöht, so ist - trotz vorheriger Zusicherung - die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung erneut zu prüfen. Somit kann sich auch die begehrte Zusicherung der Höhe der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung letztlich nur auf einen Bewilligungsabschnitt auswirken. Da der Wert der Beschwerde somit unter 750,00 EUR liegt, war sie als unzulässig zu verwerfen. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der (falschen) Rechtsmittelbelehrung des SG, nach der gegen seine Beschlüsse die Beschwerde zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt möglich sei. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (Mayer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., vor § 143 Rdnr. 14 b; BSG, Urteil vom 20. Mai 2003, B 1 KR 25/01 R, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1). Der Antrag auf Bewilligung von PKH war nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) aus den o.g. Gründen mangels Erfolgsaussicht abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved