L 1 R 126/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 337/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 126/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz, fiktive Einbeziehung, VEB Sekundärrohstofferfassung Halle
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 2. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Dem 1949 geborenen Kläger wurde mit Urkunde der Hochschule für Bauwesen vom 1972 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Bereits ab Oktober 1972 war er nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis als Bauleiter, ab Januar 1974 als Entwicklungsingenieur im VEB Spezialbaukombinat Magdeburg, Betrieb Beton- und Kühlturmbau, beschäftigt. Ab Mai 1975 war er als Projektierungsingenieur im VEB Betonwerke Gröbzig tätig. Ab 15. März 1984 war er im VEB Sekundärrohstofferfassung Halle, Sitz Zeitz, als Abteilungsleiter beschäftigt. Diese Beschäftigung übte er auch noch im Juni 1990 aus. Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) trat der Kläger nicht bei. Eine positive Versorgungszusage erhielt er nicht.

Am 27. Januar 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften wegen der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Mit Bescheid vom 29. März 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die am 30. Juni 1990 im VEB Sekundärrohstoffe Zeitz ausgeübte Beschäftigung nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden sei. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 13. April 2004 Widerspruch mit der Begründung, der VEB Sekundärrohstoffe Zeitz habe Zwischenprodukte aus Sekundärrohstoffen für die Weiterverarbeitung in der Industrie produziert. Der Betrieb habe sich nicht nur auf die Altstoffsammlung beschränkt, sondern die Altstoffe auch physikalisch und chemisch verändert. Zur Bekräftigung reichte der Kläger Unterlagen ein, aus denen hervorgehe, dass z. B. Papiergroßballen produziert worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 13. Juli 2004 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Halle Klage erhoben. Der VEB Sekundärrohstoffe habe aus Altpapier Papierballen und aus Lumpen in einem speziellen Trennverfahren Stoffballen für die Weiterverarbeitung in der Textilindustrie produziert. Dafür habe der Betrieb über spezielle technische Anlagen verfügt. Durch den Export der Papierballen seien Devisen erwirtschaftet worden. Aus vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass in einer Glasbruchanlage, die 1986 konzipiert worden sei, 5 000 Tonnen Glasbruch hätten produziert werden sollen. Die Beklagte hat auf die Einordnung des Betriebes in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR verwiesen. Danach sei er der Wirtschaftsgruppe 52211 zugeordnet gewesen. Diese habe den Produktionsmittelhandel mit Erzeugnissen der Industrie – ohne Lebensmittelindustrie – umfasst. Daher stehe fest, dass dem Betrieb nicht die industrielle Fertigung von Sachgütern das Gepräge gegeben habe und sein Hauptzweck auch nicht in der Massenproduktion von Bauwerken bestanden habe. Mit Urteil vom 2. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, der Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe im Wesentlichen Dienstleistungen für Industriebetriebe im Vorfeld deren eigentlicher Wertschöpfung erbracht. Die Papieraufbereitung, die Herstellung von Glasbruch und deren Verkauf als Papiergroßballen und in Glasbruchcontainern stelle keine Sachgüterproduktion dar. Dabei habe es sich lediglich um Zwischenprodukte gehandelt, die nicht bei einer Neuproduktion entstanden seien. Der Betrieb sei auch kein gleichgestellter Betrieb gewesen.

Gegen das ihm am 27. Februar 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. März 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Bei seinem Beschäftigungsbetrieb habe es sich um einen Produktionsbetrieb gehandelt. Nur im fordistischen Produktionsmodell habe der Betrieb die hohen Stückzahlen an Papiergroßballen (etwa 23.000 t/jährlich) und Glasbruch (5.000 t/jährlich) produzieren können. Es komme nicht darauf an, ob es sich dabei um Endprodukte gehandelt habe. Folge man der Ansicht des Sozialgerichts, seien alle Zulieferbetriebe keine Produktionsbetriebe gewesen. Die Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 52211 sei nicht ausschlaggebend. Es bestehe kein Zweifel, dass der Betrieb die Papier- und Stoffballen nach dem in der DDR verwandten Produktionsbegriff produziert habe. In betrieblichen Unterlagen sei immer von Produktion die Rede gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 2. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeit vom 1. November 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend.

Das Gericht hat Unterlagen zu dem VEB Sekundärrohstofferfassung Halle und zum Rechtsnachfolger, der Sero-Recycling GmbH, beigezogen, an die Beteiligten übersandt und mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand in einem Termin am 13. Januar 2010 erörtert. Die Beteiligten haben in dem Termin einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der Beratung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf deren Inhalt ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 29. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).

I. Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das Bundessozialgericht wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) veranlassen müssen. Denn die vom Bundessozialgericht vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, Az: B 10 EG 1/08 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 19).

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem". Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az: 1 BvR 1921/04 u. a., dokumentiert in juris, Rdnr. 36).

Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007, Az: 1 BvF 1/05, dokumentiert in juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

II.

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorliegen. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, da die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Der Kläger war nämlich am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002, Az: B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004, Az: B 4 RA 11/04 R, dokumentiert in Juris). Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004, Az: B 4 RA 57/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.).

Dem VEB Sekundärrohstofferfassung Halle hat nicht die Sachgüterproduktion das Gepräge gegeben. Dagegen spricht schon der Name. Auch aus dem Gründungsbericht der Sero-Recycling Halle GmbH geht hervor, dass der Betrieb die Hauptaufgabe hatte, Sekundärrohstoffe zu erfassen. 1989 geschah dies in folgendem Umfang: 60 000 t Altpapier, 77 Millionen Flaschen, 47 Millionen Gläser, 7 000 t Glasbruch, 4 000 t Alttextilien, 1 000 t Thermoplaste, 12 t Bettfedern und 20 100 t Schrott. Dazu unterhielt der Betrieb ein flächendeckendes Annahmestellensystem. Der Gründungsbericht spricht selber nicht von Produktion: die Papiergroßballen wurden gepresst, das Behälterglas sortiert und palettiert, die Alttextilien sortiert und gepresst und der Glasbruch und die Thermoplaste granuliert. Der Betrieb war also dafür verantwortlich, Sekundärrohstoffe einzusammeln und für die Weiterverarbeitung bereitzustellen und hatte daher, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Dienstleistungsfunktion. Auch die Einordnung innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige spricht dagegen, dass dem Betrieb die industrielle Sachgüterproduktion das Gepräge gegeben hat.

Bei dem VEB Sekundärrohstofferfassung handelte es sich auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb nach § 1 Abs. 2 der 2. DB. Den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind nur solche Einrichtungen, die in § 1 Abs. 2 der 2. DB abschließend aufgeführt sind (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, Az: B 4 RA 23/04 R, Soz-R 4-8570 § 1 AAÜG, Nr. 6, S. 31). Einer Analogie ist der Text der 2. DB nicht zugänglich. Sekundärrohstofferfassungsbetriebe sind als solche in der Aufzählung nicht enthalten. Er ist auch keiner der aufgezählten Versorgungsbetriebe, die durch den Zusatz "(Gas, Wasser, Energie)" auf Betriebe zur Versorgung mit leitungsgebunden zur Verfügung stehenden Gütern beschränkt sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
Saved