L 1 R 183/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 349/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 183/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, betriebliche Voraussetzung, VEB Technische Gebäudeausrüstung Halle
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozial-gerichts Halle vom 26. März 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem für den Zeitraum vom 15. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1990.

Der 1950 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Technischen Universität vom 31. Oktober 1972 berechtigt, den akademischen Grad Diplomingenieur zu führen. In der Zeit vom 15. Oktober 1972 bis zum 31. Oktober 1976 war er an der Hochschule für industrielle Formgestaltung beschäftigt, anschließend bis zum 30. Juni 1990 als Projektant beim VEB Technische Gebäudeausrüstung (TGA) Halle. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) leistete er in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 30. Juni 1990. Die schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger nicht.

Den Antrag des Klägers vom 9. April 2002 auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Oktober 2004 mit der Begründung ab, dass weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen habe noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Am 30. Juni 1990 sei der Kläger nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Dagegen erhob der Kläger am 2. November 2004 Widerspruch und trug vor, der VEB TGA Halle habe eindeutig zu den Produktionsbetrieben gehört. Seine Aufgabe habe darin bestanden, Neuanlagen für Heizungs-, Sanitär- und Lüftungstechnik sowie den Rohrleitungsbau zu errichten. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2005 zurück: Der VEB TGA Halle sei in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der Wirtschaftsgruppe 20279 (Ausbaubetriebe (Gebäudeausrüstungen)) zugeordnet gewesen. Ihm habe weder die industrielle Fertigung (Fabrikation, Herstellung oder Produktion) von Sachgütern das Gepräge gegeben noch sei sein Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen. Damit seien die betrieblichen Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt.

Dagegen hat der Kläger am 12. April 2005 beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und vorgetragen, im VEB TGA Halle seien Rohrbündel und Rohrbaugruppen für den gesamten Wohnungsbau der ehemaligen DDR in industriemäßiger Vorfertigung für die Systeme Trinkwasser, Abwasser, Gas und Heizung mit jährlich ca. 100.000 Elementen produziert worden. Im Bereich Elektroinstallation seien Schaltschränke und Bauteile für Industrieanlagen vorgefertigt worden. Darüber hinaus seien Bauleistungen im Bereich des Wohnungsbaues für die Gewerke Heizung, Lüftung und Sanitär sowie des Rohrleistungsbaues erbracht worden. Weiterhin seien Vorfertigungen für Gliederkesselhäuser, Schwimmhallen sowie Wärmepumpenanlagen erfolgt. Es habe sich um Industrieproduktion des Bauwesens gehandelt. Der VEB TGA Halle sei ein Betrieb im VEB Kombinat TGA Leipzig gewesen, welches unmittelbar dem Ministerium für Bauwesen unterstellt gewesen sei.

Das SG hat einen Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft für den VEB Kombinat TGA Leipzig, Betrieb TGA Halle, den Registerauszug für dessen Rechtsnachfolgerin Technische Gebäudeausrüstung Halle GmbH, Betriebsunterlagen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (Dokumente zur Umwandlung in die TGA Halle GmbH, Bilanzen) und den Treuhandprüfbericht zur Technischen Gebäudeausrüstung Halle GmbH beigezogen. Sodann hat es mit Urteil vom 26. März 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der vorliegenden Unterlagen sei es nicht überzeugt, dass es sich beim VEB TGA Halle um einen Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech gehandelt habe.

Gegen das ihm am 5. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. April 2007 Berufung beim Sozialgericht Halle eingelegt. Zur Begründung führt er ergänzend und vertiefend aus, beim VEB TGA Halle habe es sich um einen auf die Belange der industriellen Massenproduktion des Wohnungsbaues ausgerichteten Betrieb gehandelt. Es sei unverständlich, dass die Mitarbeiter der ehemaligen Wohnungsbaubetriebe Zusatzversorgungen erhielten, nicht jedoch die Mitarbeiter der Hersteller und Bauproduktionsbetriebe im Sinne der Technischen Ausrüstung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 15. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft Unterlagen zum VEB Kombinat TGA Leipzig und die Erklärung zur Umwandlung des VEB TGA Halle in eine GmbH beigezogen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist nicht begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2005 den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, den begehrten Zeitraum als Zugehörigkeitszeit nach § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) (i.d.F.v. Art. 13 des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I, S. 3024) feststellen zu lassen, denn das AAÜG ist im Fall des Klägers nicht anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des Bundessozialgerichts folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).

I.

Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom Bundessozialgericht behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des Bundessozialgerichts tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das Bundessozialgericht wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) veranlassen müssen. Denn die vom Bundessozialgericht vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom Bundessozialgericht vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, Juris, Rdnr 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den Einigungsvertrag Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des Einigungsvertrages zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem Einigungsvertrag vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom Bundessozialgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des Bundessozialgerichts konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des Einigungsvertrages umfasst ist.

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. –, Juris, Rdnr. 36).

Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das Bundessozialgericht der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das Bundesverfassungsgericht genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

II.

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des Bundessozialgerichts hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. der DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

1. Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorliegen.

Der VEB TGA Halle war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (so bereits Urteile des Senats vom 22. Oktober 2009 – L 1 R 414/06 – und vom 16. Dezember 2009 – L 1 R 336/08 –). Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –, Juris). Der VEB TGA Halle war kein Produktionsbetrieb in diesem Sinne, denn er hat nicht massenhaft Bauwerke errichtet, sondern war nur für Teilgewerke innerhalb eines Bauwerkes zuständig. Dies folgt bereits aus der Bezeichnung des Betriebes als Techni¬sche Gebäudeausrüstung. Ein Betrieb, der Gebäude ausrüstet, stellt keine Bauwerke (Gebäude) her. Es kann dahinstehen, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers diese Teilgewerke in Gebäuden, die ihrerseits in Form einer massenhaften Produktion errichtet wurden, erbracht hat, denn dies reicht auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R –, Juris) nicht aus, um die betriebliche Voraussetzung zu bejahen. Dass nur eine derartige Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art für die DDR von maßgeblicher Bedeutung war, spiegelt sich nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, a.a.O.) auch in dem Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen vom 14. Juni 1963 (GBl. DDR II S. 437) wider. Dort wurde auf die besondere Bedeutung des Bauwesens nach dem Produktionsprinzip u. a. unter der Zuständigkeit des Ministeriums für Bauwesen hingewiesen. Mit der Konzentration der Baukapazitäten in großen Bau- und Montagekombinaten sollte ein neuer, selbstständiger Zweig der Volkswirtschaft geschaffen werden, der die Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand hatte. Die Bau- und Montagekombinate sollten danach u. a. den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchführen und jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens übergeben. Von wesentlicher Bedeutung war somit das (Massen-) "Produktionsprinzip" in der Bauwirtschaft. Demgemäß wurde in dem o. g. Beschluss u. a. zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und andererseits den Baureparaturbetrieben, die im Wesentlichen für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten zuständig waren – letztere waren im Übrigen Baudirektionen unterstellt –, unterschieden. Der Kläger übersieht indessen, dass damit nach Ansicht des Bundessozialgerichts nur die Bau- und Monatgebetriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens zählen sollten, die massenhaft Bauwerke errichteten. Entgegen der Auffassung des Klägers zählten damit nicht bereits die Betriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens, die massenhaft Teilgewerke für ein Bauwerk, wie z. B. Rohbauten, errichteten, denn auch der Rohbauer produziert noch kein Bauwerk, so dass sich daraus keine Ungleichbehandlung zu den anderen an der Errichtung von Gebäuden beteiligten Gewerken ergibt. Vielmehr setzt die (massenhafte) Produktion von Bauwerken voraus, dass die Gebäude schlüsselfertig erstellt werden, mithin insgesamt für die Auftraggeber nutzbar sind. Aufgrund dessen zählen zu den Produktionsbetrieben des Bauwesens nur die Betriebe, die sämtliche Gewerke, die erforderlich sind, um ein Bauwerk zu errichten, selbst erbringen, wie dies möglicherweise die Wohnungsbaukombinate getan haben.

Zudem beinhaltet die technische Gebäudeausrüstung nicht die standardisierte massenhafte Produktion, sondern typischerweise handwerkliche Ausbauleistungen. Demgemäß war der Betrieb auch im Statistischen Betriebsregister der DDR der Wirtschaftsgruppe 20279 – Ausbaubetriebe (Gebäudeausrüstungen) – zugeordnet. Auch daran wird deutlich, dass bei dem VEB TGA Halle die handwerkliche, nicht aber die industrielle Leistung im Vordergrund stand.

Der VEB TGA Halle war auch kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie. Der Begriff des Produktionsbetriebes der Industrie erfasst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell, d. h. serienmäßig wiederkehrend gefertigt, fabriziert, hergestellt bzw. produziert haben (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –, Juris).

Dass der Beschäftigungsbetrieb des Klägers diese Kriterien nicht erfüllt, ergibt sich bereits aus dem Gründungsbericht zur Umwandlung des Betriebes. Die Bau- und Montageleistungen stellten danach den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeiten dar. Die Produktionsstruktur umfasste nämlich zu 75 % Bau- und Montageleistungen für Heizung, Lüftung, Sanitär und Rohrleitungen, während 22 % die Erzeugnisse, speziell Rohrbündel und Rohrbaugruppen für die Sanitärinstallation im Wohnungsbau usw., 2,5 % die eigenen Projektierungsarbeiten für die Montageproduktion und 0,5 % sonstige Lieferungen und Leistungen im Bereich der nichtindustriellen Leistungen betrafen. Bestätigt wird dies gleichermaßen durch den Treuhandprüfbericht, der als Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit der Rechtsnachfolgerin des VEB TGA Halle, der Technische Gebäudeausrüstung H. GmbH, die Vorbereitung und Ausführung von Heizungs-, Lüftungs-, Sanitäranlagen und Rohrleitungen beschreibt. Mit gleichlautender Beschreibung ist die Rechtsnachfolgerin im Handelsregister eingetragen.

Da die betriebliche Voraussetzung am 30. Juni 1990 nicht erfüllt war und damit der Anwendungsbereich des AAÜG auch nach der Rechtsprechung des AAÜG nicht eröffnet ist, erübrigen sich Feststellungen zur zeitlich vorhergehenden Beschäftigung an der Hochschule für industrielle Formgestaltung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abweicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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