L 1 R 260/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 167/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 260/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, betriebliche Voraussetzung, VEB Baumechanik Hall
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen sind.

Dem 1953 geborenen Kläger wurde mit Urkunde der technischen Hochschule vom 30. September 1976 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Er war vom 01. Juni 1978 bis 09. Januar 1984 als Technologe im VEB Kreisbetrieb für Landtechnik und sodann bis zum 30. Juni 1990 als Konstrukteur im VEB Baumechanik Magdeburg beschäftigt. Mit notariell beurkundeter Umwandlungserklärung vom 13. Juni 1990 wandelten der VEB Baumechanik Magdeburg und die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt) auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften vom 01. März 1990 den VEB Baumechanik Magdeburg in die Firma Baumechanik GmbH und in die Firma Metallbau GmbH um. Die Eintragung der Baumechanik GmbH in das Handelsregister erfolgte nach dem 30. Juni 1990. Die Beschäftigung des Klägers bei der Baumechanik GmbH endete am 28. Februar 1991. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung gehörte der Kläger nicht an. Eine positive Versorgungszusage ist ihm zur Zeit der DDR nicht erteilt worden.

Am 28. Februar 2003 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Bescheid vom 17. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dieser sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03. März 2005 Widerspruch ein und führte darin aus, der Hauptzweck des VEB Baumechanik Magdeburg habe in der Fertigung von Maschinen und Anlagen bestanden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2005 zurück.

Mit der dagegen am 22. Juli 2005 beim Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger seinen im Widerspruchsverfahren gehaltenen Vortrag wiederholt und vertieft.

Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 11. Juli 2007 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen. Im Anschluss hieran hat es die notarielle Umwandlungserklärung und den Gesellschaftsvertrag der Baumechanik GmbH vom 13. Juni 1990 beigezogen und sodann die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei vor dem 30. Juni 1990 nicht mehr in einem volkseigenen Produktionsbetrieb tätig gewesen. Auf Grund der notariellen Umwandlungserklärung vom 13. Juni 1990 sei nämlich das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des VEB Baumechanik Magdeburg auf die Baumechanik GmbH und die Metallbau GmbH übertragen worden. Der VEB Baumechanik Magdeburg sei damit am 30. Juni 1990 wirtschaftlich nicht mehr in der Lage gewesen, eine Produktion zu betreiben und habe nur aus einer "leeren Hülle" bestanden.

Gegen den ihm am 25. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18. August 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht, da die Baumechanik Magdeburg GmbH erst am 31. Juli 1990 in das Handelsregister eingetragen und die Umwandlung des VEB Baumechanik Magdeburg erst zu diesem Zeitpunkt vollzogen worden sei, habe am 30. Juni 1990 noch ein Beschäftigungsverhältnis in einem volkseigenen Produktionsbetrieb bestanden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2005, die Zeit vom 30. September 1976 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den entsprechenden Entgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat den Beteiligten das Protokoll der Beweisaufnahme vom 16. Januar 2009 im Berufungsrechtszug des Verfahrens L 1 R 413/06 mit der Aussage des Zeugen Dieter Maier, des ehemaligen Direktors für Beschaffung und Absatz im VEB Baumechanik Magdeburg, übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten und der sie bestätigende Gerichtsbescheid des SG sind rechtmäßig und im Ergebnis nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

I.

Allerdings hat das SG verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden, obwohl die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dies war hier nicht der Fall.

Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Rechtsansicht weist die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der VEB Baumechanik Magdeburg auf Grund der Umwandlung in die Baumechanik GmbH mit notariell beurkundeter Erklärung vom 13. Juni 1990 nur noch eine "leere Hülle" und damit kein Produktionsbetrieb mehr gewesen sei. Für diese vom SG vertretene Rechtsauffassung spricht insbesondere, dass ausweislich der notariellen Umwandlungserklärung vom 13. Juni 1990 mit Stichtag vom 01. Juni 1990 zur Durchführung der Umwandlung das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft des Betriebes auf die o. g. Kapitalgesellschaften, also auch auf die Baumechanik Magdeburg GmbH, übertragen wurde. Damit verfügte der VEB Baumechanik Magdeburg am 30. Juni 1990 nicht mehr über die Betriebsmittel, um Produktionsaufgaben zu erfüllen. In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte wird deshalb auch die Auffassung vertreten, dass in Umwandlungsfällen bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz auf den Zeitpunkt der (rückwirkenden) Übertragung der Produktionsmittel nach dem Umwandlungsvertrag abzustellen ist. Dabei handelt es sich um eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, zu der beim Bundessozialgericht mehrere Revisionen anhängig sind. Deshalb weist die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf, weshalb die in § 105 Abs. 1 SGG statuierten Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorlagen.

Weiterhin ist eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur zulässig, wenn die Beteiligten zuvor gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ordnungsgemäß angehört worden sind. Dies verlangt der Grundsatz auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG; Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG)). Die hier vorgenommene Anhörung war verfahrensfehlerhaft. Denn das SG hat im Anschluss an sein Anhörungsschreiben vom 11. Juli 2007 die notarielle Umwandlungserklärung und den Gesellschaftsvertrag der Baumechanik GmbH vom 13. Juni 1990 beigezogen und wäre aufgrund der insoweit im Raum stehenden Änderung der Sach- und Rechtslage gehalten gewesen, die Beteiligten erneut zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid anzuhören.

Infolge der Entscheidung durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter durch Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter hat SG dem Kläger seinen gesetzlichen Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (vgl. auch BSG, Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –).

Der Senat hat von einer Zurückverweisung der Sache an das SG abgesehen. Im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat er das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits stärker gewichtet als die durch den Verlust einer Tatsacheninstanz erwachsenden Nachteile, wobei insbesondere die Entscheidungsreife der Sache gegen eine Zurückverweisung sprach. II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die zuletzt beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfällt im zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 16. April 1973 bis 31. Dezember 1984 nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil er in diesem Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (Bundessozialgericht (BSG) , Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, zitiert nach juris, RdNr. 19).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826 S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Personengruppen eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVert umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 – u. a., dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

3. Aber auch wenn man der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgen würde, hat das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 AAÜG keinen Anspruch auf die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem für den zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 16. April 1973 bis 31. Dezember 1984, da er während dieser Zeit die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nicht erfüllte. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30).

Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung nichtproduzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 der 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sind und denen die Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –, dokumentiert in Juris). Nach dem Zweck der AVItech erfasst der maßgebliche, auf eine industrielle, arbeitsteilige Produktion beschränkte Produktionsbegriff nur die Neufertigung von Sachgütern, nicht jedoch die Aufarbeitung, Instandsetzung oder Reparatur. Denn die Versorgungsordnung sollte einen Anreiz für eine Tätigkeit in der Industrie bieten, weil und soweit sie einen Massensausstoß standardisierter Produkte ermöglichte (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, zitiert nach Juris). Im Zentrum der Aufmerksamkeit der sozialistischen Planwirtschaft stand die Herstellung neuer Produkte, nicht die Erhaltung bestehender Sachgüter. Daraus ergibt sich, dass Reparatur und Instandsetzung nicht als Produktion im versorgungsrechtlichen Sinne angesehen werden können, selbst wenn sie unter den Bedingungen industrieller Fertigung erfolgten (vgl. Urteil des Senats vom 20. April 2006 – L 1 RA 253/03 –). Denn durch eine Reparatur soll die Gebrauchsfähigkeit eines schon vorhandenen Wirtschaftsgutes erhalten bleiben. Das Gut wird nicht – wie es dem Produktionsbegriff entsprechen würde – in ein Wirtschaftsgut von höherer Qualität umgewandelt, sondern entsprechend seiner alten Funktion weiterverwendbar gehalten (so namentlich BSG, Urteil vom 24. April 2008 B 4 RS 31/07 R –, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2007 – L 12 RA 110/04 , zitiert nach Juris). Inwieweit die als Neufertigung zu verstehende Massenproduktion von Sachgütern dem jeweiligen VEB das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –; BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 R – ).

Gemessen hieran handelte es sich bei dem VEB Baumechanik Magdeburg bzw. dem VEB (B) Bezirksbaumechanik Magdeburg als Vorläuferbetrieb nicht um einen Produktionsbetrieb. Denn diesem Betrieb hat die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion im Sinne einer Neufertigung von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Dies folgt insbesondere aus den detaillierten, anschaulichen, differenzierten und deshalb glaubhaften Bekundungen des Zeugen Maier im Termin zur Beweisaufnahme in dem Verfahren L 1 R 413/06 vom 16. Januar 2009. Der Zeuge bekundete, dass der Betrieb ursprünglich hauptsächlich Baugeräte repariert habe. Später habe der Betrieb aber auch z. B. Betonsteinfertiger, Bauelementefertiger, Stahlformen und die Transportanlagen für die Plattenwerke gefertigt. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Betrieb habe sich der Anteil der Neufertigung auf ungefähr 50 % der betrieblichen Tätigkeit belaufen. Bereits aufgrund dieser glaubhaften Bekundungen des Zeugen Maier steht fest, dass die Produktion von Industriegütern nicht der Hauptzweck des Betriebes gewesen ist und ihm nicht das Gepräge gegeben hat. Vielmehr bestand die betriebliche Tätigkeit zu einem prägenden Anteil in der Reparatur. Dies kommt bereits darin zum Ausdruck, dass der Betrieb nach den Bekundungen des Zeugen Maier ursprünglich "hauptsächlich" Baugeräte repariert hat. Selbst als später der Anteil der Neufertigung stärkeres Gewicht gewann, führte dies nicht zu einer Änderung des Hauptzwecks der betrieblichen Tätigkeit.

Die Art und Ausprägung der im Betrieb verrichteten Reparaturarbeiten gebietet keine abweichende Beurteilung. Insbesondere können diese Tätigkeiten nicht als Massenproduktion im Sinne einer Neufertigung von Sachgütern eingestuft bzw. dieser gleichgestellt werden. Nach den Bekundungen des Zeugen Maier und den Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vor dem Senat im Parallelverfahren L 1 R 413/06 am 16. Januar 2009 wurden die zu reparierenden Geräte zunächst vollständig auseinander gebaut und sodann aus regenerierten alten und auch aus neu gefertigten Teilen vollständig wieder zusammengebaut. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich nicht um die industrielle Massenfertigung im Sinne einer Neuherstellung von Sachgütern. Weiterhin spricht auch die Einordnung als Reparatur- und Montagebetrieb im Statistischen Betriebsregister der DDR dagegen, dass die industrielle Massenproduktion dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers das Gepräge gegeben hat. Denn die auf Reparatur und Montage gerichtete Tätigkeit ist schon begrifflich klar von der Neuherstellung von Sachgütern durch industrielle Massenproduktion zu unterschieden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist Reparatur die Wiederherstellung von Geräten, Montage das Zusammensetzen einzelner Teile. Damit erfassen weder die Reparatur noch die Montage die eigentliche Produktion im Sinne einer Neuherstellung von Gegenständen.

Auf die vom SG aufgeworfene Frage, inwieweit der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am 30. Juni 1990 nur noch eine "leere Hülle" gewesen ist, kommt es von daher nicht an. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers am 30. Juni 1990 noch um einen Produktionsbetrieb der Industrie gehandelt hat. Der Nachfolgebetrieb – die Baumechanik GmbH – hat jedenfalls keine produzierende Tätigkeit mehr ausgeübt, wie sich aus der im Parallelverfahren L 1 R 413/06 beigezogenen Bilanz der Baumechanik GmbH ergibt. Dies lässt wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zur Umwandlung darauf schließen, dass auch der Vorläuferbetrieb am 30. Juni 1990 keine produzierende Tätigkeit mehr ausgeübt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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