L 1 R 49/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 RA 191/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 49/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
fiktive Einbeziehung, zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 22. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Die 1944 geborene Klägerin schloss ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Lederverarbeitungstechnik vom 12. Juli 1967 das Fachschulstudium Lederverarbeitungstechnik als Ingenieur ab. Anschließend war sie beim VEB Lederwarenfabrik, VEB Lederwerk "A. A." N.-G., der Interpelz-Export-Import GmbH, VEB KIM und seit 24. August 1971 beim VVB Schuhe, ab 1979 VEB Kombinat Schuhe, zuletzt in der Funktion als Mitarbeiterin Außenwirtschaft, tätig. Aus einem Schreiben des VEB Kombinat Schuhe an die Klägerin vom 28. Juni 1990 geht hervor, dass ihr "zum 30.6.1990 per 31.7.1990" gekündigt wurde. Bereits zum 25. Juni 1990 nahm die Klägerin eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der B. Gmb, auf. Im Versicherungsverlauf der Klägerin vom 11. November 2002 wurde der Zeitraum vom 25. Juni 1990 bis 31. Dezember 1990 als Rentenversicherung der Angestellten mit DM ausgewiesen. Eine Versorgungszusage für eine zusätzliche Altersversorgung war der Klägerin zu Zeiten der DDR nicht erteilt worden. Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) gehörte sie seit dem 01. November 1981 an.

Am 22. April 2002 beantragte die Klägerin die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04. September 2003 mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht als Ingenieur, sondern als Mitarbeiter Außenwirtschaft beschäftigt gewesen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06. Oktober 2003 Widerspruch ein, den sie damit begründete, eine technische Tätigkeit ausgeübt und Lohn nach I-Gruppen erhalten zu haben. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2004 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 30. März 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie habe im Beschäftigungsbetrieb eine ihrer Qualifikation als Ingenieurin entsprechende technische Tätigkeit ausgeübt. Ihre Kündigung durch den VEB Kombinat Schuhe sei erst zum 31. Juli 1990 erfolgt. Sie sei deshalb bis zu diesem Zeitpunkt in einem volkseigenen Betrieb beschäftigt gewesen, wenngleich sie bereits am 25. Juni 1990 eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der B. GmbH aufgenommen habe. Im Übrigen seien mehrere im VEB Kombinat Schuhe in vergleichbarer Funktion beschäftigte Arbeitskollegen von ihr in das Zusatzversorgungssystem aufgenommen worden.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Januar 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Einbeziehung der Klägerin in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz komme nicht in Betracht, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder in einem gleichgestellten Betrieb, sondern bei der B. GmbH in den alten Bundesländern beschäftigt gewesen sei. Dies folge aus ihren eigenen Angaben und dem Versicherungsverlauf, worin der Zeitraum ab 25. Juni 1990 als Rentenversicherung der Angestellten mit DM-Engelten ausgewiesen sei.

Gegen den ihr am 02. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am selben Tag Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und unter anderem ausgeführt, die Entscheidung des SG diskriminiere sie gegenüber ihren männlichen Kollegen mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit, die in das Zusatzversorgungssystem einbezogen worden seien. Diesbezüglich werde die Einvernahme von Zeugen beantragt. Die Sache sei von daher dem EuGH vorzulegen. Von schriftlichen Versorgungszusagen des Betriebes sei im Übrigen nie die Rede gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 22. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 01. September 1967 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den dazugehörigen Entgelten festzustellen, hilfsweise das Verfahren dem EuGH vorzulegen, hilfsweise dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. März 2010 überreichten Beweisantrag nachzukommen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe bereits zum 25. Juni 1990 eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Gebietsvertreterin bei der B. GmbH aufgenommen und sei deshalb bereits vor dem 30. Juni 1990 aus dem Beschäftigungsverhältnis in einem volkseigenen Produktionsbetrieb ausgeschieden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sei insoweit nicht ersichtlich.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der das Begehren der Klägerin ablehnende Bescheid der Beklagten und der ihn bestätigende Gerichtsbescheid des SG sind rechtmäßig und nicht zu beanstanden, so dass die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

Es kann insoweit dahinstehen, inwieweit die erforderlichen Voraussetzungen für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) tatsächlich vorlagen. Eine Zurückverweisung der Sache an das SG kam nämlich nicht in Betracht, da die Sache entscheidungsreif ist und der Senat im Rahmen seines nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens das Interesse der Klägerin an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits stärker gewichtet hat als die durch den Verlust einer Tatsacheninstanz entstehenden Nachteile.

Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Sie unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil sie weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte. 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19).

Die Klägerin erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihr von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist sie aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in ihrem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146). Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlauf von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826, S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Personengruppen eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u.a. –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a.a.O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 –, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990, jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a.a.O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

3. Aber auch wenn man der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgen würde, hat das Begehren der Klägerin keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

In Anwendung dieser Maßstäbe hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem, da sie am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem nicht erfüllte. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (oder in einem gleichgestellten Betrieb) erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Am 30. Juni 1990 war die Klägerin nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb, sondern tatsächlich in einer GmbH beschäftigt. Die Klägerin war nämlich tatsächlich seit dem 25. Juni 1990 bei der B. GmbH tätig und hat seit dem 25. Juni 1990 dort und nicht in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet. Dies folgt aus den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin vom 12. April 2006 vor dem SG und dem Versicherungsverlauf vom 11. November 2002, worin der Zeitraum ab 25. Juni 1990 als Rentenversicherung der Angestellten mit DM-Entgelten ausgewiesen ist. Da die B. GmbH ihren Sitz in den alten Bundesländern hatte, kommt eine Einbeziehung der Klägerin in das Zusatzversorgungssystem auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG nicht in Betracht.

Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten der Klägerin beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in vergleichbaren Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festgestellt hat. Selbst bei gleicher Sachlage könnte die Klägerin sich nicht darauf berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvR 25/77 &9472; BVerfGE 50, 142, 166). Deshalb war dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag (Zeugenbeweis) nicht zu folgen. Da sich aufgrund der vorgenannten Erwägungen auch die von der Klägerin thematisierte Frage eines Verstoßes gegen das vom EuGH aufgestellte Diskriminierungsverbot nicht stellt und der Fall keinen spezifisch europarechtlichen Bezug aufweist, kam auch die von der Klägerin beantragte Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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