L 1 RA 301/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 RA 290/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 301/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
SGB VI, § 2 Satz 1 Nr. 9
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 26. Oktober 2005 teilweise abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2002 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für den Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis 31. Dezember 2003 festgestellt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als arbeitnehmerähnliche Selbständige gesetzlich rentenversicherungspflichtig ist.

Am 30. Dezember 1999 schloss die Klägerin mit der Q. GmbH & Co. KG, vertreten durch die Q. Verwaltungs-GmbH (im nachfolgenden Q. genannt) einen Partnerschafts- und Abrechnungsvertrag. Der Vertrag lief mit Wirkung ab 1. Februar 2000. Darin heißt es u. a.:

1.1. Die Q ist eine Allfinanz-Vermittlungsgesellschaft, die sich mit der Vermittlung von Finanzdienstleistungen jeder Art befasst. Diese Vermittlungstätigkeit wird von der Q. i. S. §§ 84 ff. HGB ausgeübt. 2.1. Der Partner ist selbständiger Handelsvertreter im Nebenberuf i. S. d. §§ 84 ff., 92 und 92 b HGB&61472;i. V. m. 43 VVG, soweit nicht eindeutig Hauptberuflichkeit gegeben oder vereinbart ist. Er verpflichtet sich, nach besten Kräften die zum Produktbereich der Q. und der Gesellschaften gehörenden Produkte zu vermitteln und alles zu tun, um die Vermittlung solcher Produkte zu fördern.

Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 10 ff. der Gerichtsakte (GA) verwiesen. Außerdem schloss die Klägerin im Februar 2000 mit der W. Lebensversicherung a. G. einen Vertrag (Vertragsbeginn: 1. Februar 2000). Darin heißt es u. a.:

§ 1 Nr. 1 Der Vertragspartner wird damit betraut, für die W. Anträge auf Abschluß, Änderung, und Wiederinkraftsetzung von Lebensversicherungen nach deren Tarif zu vermitteln.

Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 20 ff. GA verwiesen. Ebenfalls im Februar 2000 schloss die Klägerin rückwirkend zum 1. Februar 2000 einen Vertrag mit der S. Lebensversicherung a. G. Darin heißt es u. a.:

Rechtsstellung Sie sind nebenberuflicher Handelsvertreter im Sinne des § 92b HGB und Vermittlungsagent nach § 43 VVG.

Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 32 ff. GA verwiesen.

Die damalige LVA Westfalen führte im Jahr 2000 bei der Q. eine Betriebsprüfung gem. § 28 p des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) durch. Dabei erhielt sie Kenntnis über den Einsatz von selbständigen Handelsvertretern, die als Vermittler von Finanzdienstleistungen aller Art für die Q. im gesamten Bundesgebiet tätig seien. Die damalige LVA Westfalen unterrichtete die Beklagte davon, dass sich keine Feststellungen ergeben hätten, die einer Selbständigkeit der Handelsvertreter entgegenstünden. Allerdings bestünde für diese unter Umständen eine Rentenversicherungspflicht als Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI).

Die Beklagte wandte sich daher mit mehreren Schreiben an die Klägerin und stellte schließlich mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 ihre Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ab 1. Februar 2000 fest. Außerdem stellte die Beklagte in dem Bescheid die zu zahlenden Beiträge ausgehend von einem halben Regelbeitrag für den Zeitraum Februar 2000 bis Oktober 2001 fest.

Am 28. Dezember 2001 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht anzunehmen sei. Sie sei selbständige Vermittlerin von Versicherungen und Bausparverträgen und vermittle diese für unterschiedliche Gesellschaften, wie z. B. die S. Versicherung, die H., die B.-Versicherung, die G. Versicherung, die B.-K.-Versicherung, die V., die A. Versicherung, die H.-M.-Versicherung, die D. H. Versicherungs-AG, die S. I. Versicherungs-AG und die E & L G.-Versicherung. Provisionen erhalte sie von den genannten Gesellschaften. Die Abrechnung erfolge durch die Q., die W. Lebensversicherungs-AG und die S. Lebensversicherungs-AG. Sie sei keine Scheinselbständige. Es liege auch keine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit vor. Die verschiedenen Auftraggeber seien weder Konzernunternehmen im Sinne von § 18 des Aktiengesetzes (AktG) noch verbundene Unternehmen im Sinne der §§ 229, 319 AktG oder sonst wie Kooperationspartner. Sie sei für jede der oben genannten Gesellschaften unabhängig tätig.

Mit weiteren Bescheiden vom 4. Januar 2002 und 4. Februar 2002 stellte die Beklagte nochmals die von der Klägerin zu zahlenden Beiträge einschließlich der Säumniszuschläge fest.

Mit Schreiben vom 23. April 2002 teilte die Klägerin der Beklagten die Umsätze für den Zeitraum 2000, 2001 und das erste Quartal 2002 mit. Sie führte aus, dass aus den einzelnen Abrechnungen ersichtlich sei, dass sie für mehrere Auftraggeber tätig geworden sei. Auch unter Zugrundelegung der 5/6-Regelung sei dies der Fall.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei seit 1. Februar 2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig. Die Voraussetzung, dass der Selbständige auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sein dürfe, umfasse nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden sei, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem einzigen Auftraggeber abhängig sei. Durch die Bindung an einen Auftraggeber dürfe für den Betroffenen kein weiterer nennenswerter unternehmerischer Spielraum verbleiben. Die Bindung an einen Auftraggeber gelte stets in den Fällen einer vertraglichen Ausschließlichkeitsbindung, soweit sie eingehalten werde. Es genüge jedoch auch eine faktische Bindung an einen Auftraggeber. Nach den Angaben der Klägerin sei sie für mehrere Auftraggeber tätig. Die Abrechnung erfolge durch die Q. Wirtschafts- und Finanzberatungs-GmbH & Co. KG, die W. Lebensversicherungs-AG und die S. Lebensversicherungs-AG. Der Darstellung der Klägerin, sie sei für jede dieser Gesellschaften unabhängig tätig, könne nicht gefolgt werden. Nach der Ausgestaltung der Vertreterverträge sei davon auszugehen, dass alle von der Klägerin abgeschlossenen Verträge mit einem Konzern abgeschlossen worden seien, denn alle Verträge würden letztlich von der Q.-Wirtschafts- und Finanzberatungs-GmbH & Co. KG betreut. Der Widerspruchsbescheid wurde am 16. September 2002 zugestellt.

Am 10. Oktober 2002 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Dessau erhoben. Zur Klagebegründung hat sie u. a. ausgeführt, sie sei selbständige Vermittlerin von Versicherungen und Bausparverträgen. Sie vermittle für unterschiedliche Gesellschaften. Die Abrechnung der vermittelten Versicherungsverträge der einzelnen Gesellschaften erfolge durch die Q. Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzberatung GmbH & Co. KG, durch die W. Lebensversicherungs-AG und die S. Lebensversicherungs-AG.

Das Abrechnungsverfahren sei wie folgt organisiert: Nachdem sie einen Versicherungsvertrag abgeschlossen habe, reiche sie diesen bei der Q. ein. Dort werde der jeweilige Vertrag hinsichtlich der Rahmendaten geprüft, EDV-technisch erfasst und anschließend bei der Versicherung eingereicht. Im weiteren Verlauf überprüfe diese den Versicherungsantrag inhaltlich. Sei die Prüfung positiv, so werde die Police ausgestellt und gleichzeitig die Provisionsabrechnung durch die Versicherung erteilt. Zu festgelegten Terminen werde die Provisionszuteilung des Vertrages, zusammen mit allen anderen Vertragsabrechnungen an die Q. übermittelt. Die Provisionsabrechnung und -zahlung werde folglich durch die jeweilige Versicherungsgesellschaft geleistet und stelle für die abrechnende Q. einen durchlaufenden Posten dar. Die W.-AG und die S. AG überprüften die Rahmendaten ebenfalls selbständig und erfassten den jeweiligen Vertrag EDV-technisch selber. Darüber hinaus prüften sie, ebenso wie die anderen Versicherer, den einzelnen Vertrag auch inhaltlich. Im Unterschied zu diesen nähmen sie jedoch auch die Provisionsabrechnung und -zahlung selbst vor. Dies erfolge deshalb, weil die W. AG und die S. AG diese direkte Anbindung der Handelsvertreter wünschten und weil diese Versicherungen zu dieser logistischen Leistung bereit und in der Lage wären.

Außer der Abrechnungsleistung erbringe die Q. Serviceleistungen an die einzelnen Versicherungsgesellschaften, wie z. B. die Schulung der freien Handelsvertreter und deren Akquisition. Die Q. nehme damit lediglich eine Bündelungsfunktion für eine Vielzahl von Versicherungsunternehmen wahr, soweit diese nicht, wie z. B. die W.-AG oder die S. AG, unmittelbar Vertragspartner der Klägerin seien. Die Q. selbst könne für die vermittelten Produkte gar nicht Auftraggeber sein, da sie selbst kein einziges Versicherungsprodukt anbiete. Vielmehr biete sie der Klägerin die Bündelungsfunktion vieler verschiedener Versicherungen sowie Serviceleistungen im Bereich der Abrechnung an. Viele Versicherungsunternehmen seien nämlich nicht bereit oder verwaltungstechnisch nicht in der Lage, mit Tausenden von Handelsvertretern eigene Verträge abzuschließen und diese zu verwalten. Sie suchten deshalb einen Betreuer für diese Handelsvertreter, der die Verwaltung und Abrechnung übernehme, die Handelsvertreter in der Ausübung ihrer Vermittlungstätigkeit jedoch trotzdem nicht einschränke, so dass die Entscheidung über die Vergütung der abgeschlossenen Versicherungen letztendlich bei den einzelnen Versicherern verbleibe. Im Gegenzug erwirke die Q. für die Klägerin durch diese Bündelungsfunktion günstigere Konditionen bei den einzelnen Versicherungsgesellschaften. Sie eröffne ihr den Zugang zu Versicherungen, die keine Möglichkeit besäßen, die Handelsvertreter selbst verwaltungstechnisch zu betreuen und zu denen sie als einzelne Handelsvertreterin erst nach langer Verhandlung Zugang erhalten könne.

Es existiere auch kein, wie von der Beklagten angenommen, Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den mit der Q. und den mit der W.-AG und der S. Lebensversicherungs AG geschlossenen Verträgen. Daher komme es auch nicht allein, wie die Beklagte meine, auf den Vertrag mit der Q. an. Wäre ein solches Über- und Unterordnungsverhältnis gewünscht gewesen, hätte eine ausschließliche vertragliche Vereinbarung mit der Q. genügt. Die Q. hätte in diesem Fall auch die Abrechnung für die W. und die S. übernehmen können.

Auch sei sie weder vertraglich noch tatsächlich ausschließlich an die Q. gebunden, da sie ihre Umsätze mit verschiedenen, wirtschaftlich unabhängigen Auftraggebern tätige. Sie könne auch mit weiteren Versicherungsgesellschaften, die mit der Q. keine Abrechnungsvereinbarung getroffen hätten, Verträge schließen. Von dieser Möglichkeit habe sie durch Abschluss der Verträge mit der W. und der S. Gebrauch gemacht. Soweit der Vertrag mit der Q. die Klausel beinhalte, dass Verträge mit anderen Gesellschaften der vorherigen Zustimmung bedürften, bestünden gegen eine solche vertragliche Vereinbarung keine Bedenken. Es handle sich hier um eine Konkurrenzschutzklausel, die keine Ausschließlichkeitsbindung an die Q. beinhalte. Ein Auftraggeber habe ein berechtigtes Interesse daran, dass der Auftragnehmer die bei ihm erworbenen Kenntnisse nicht für einen Wettbewerber gewinnbringend einsetze, den der Auftraggeber noch nicht einmal kenne. Die erforderliche Zustimmung werde im Übrigen, wie sich aus den Verträgen mit der W. und der S. ergebe, in der Regel auch erteilt.

Soweit die Beklagte sich auf § 12 a des Tarifvertragsgesetzes (TVG) und § 92 a des Handelsgesetzbuches (HGB) beziehe, sei anzumerken, dass diese Vorschriften in einem völlig anderen Sachzusammenhang stünden und dementsprechend für die Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht herangezogen werden dürften.

Ihre Tätigkeit passe auch nicht zu dem Bild, das der Gesetzgeber von typischen arbeitnehmerähnlichen Selbständigen gehabt habe, als er die gesetzlichen Regelungen zur Versicherungspflicht arbeitnehmerähnlicher Selbständiger geschaffen habe. Die Tätigkeit als freier Handels- und Versicherungsvertreter unterfalle gerade nicht dieser Schutzbedürftigkeit. Deren Selbständigkeit sei nicht durch arbeitnehmerähnliche Bindungen geprägt, die typischerweise mit der beobachteten Erosion der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einhergingen. Es bedürfe eines sozialversicherungsrechtlichen Schutzes schon deshalb nicht, weil diese Personengruppe wegen ihrer Tätigkeit Vorsorgebewusstsein zeige und auch die Möglichkeit habe, vorzusorgen.

Außerdem hat die Klägerin zur Bekräftigung ihres Vorbringens auf ein Urteil des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen verwiesen, welches zur Frage der Versicherungspflichtigkeit eines Vermittlers der Q. ergangen ist (Urteil vom 12. Januar 2005, L 8 RA 6/03, Bl. 205 ff. GA).

Die Beklagte hat ausgeführt, dass allein das Vertragsverhältnis mit der Q. das entscheidende Vertrags- bzw. Auftragsverhältnis darstelle, welches der versicherungsrechtlichen Beurteilung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zugrunde zu legen sei. Bereits aus dem Inhalt der mit den Versicherungsgesellschaften abgeschlossenen Verträge könne geschlussfolgert werden, dass diesen Vertragsverhältnissen ein übergeordnetes Vertragsverhältnis, und zwar das Vertragsverhältnis mit der Q. vorstehe. Die Q. sei insoweit als ein Auftraggeber anzusehen. Dazu hat sie auf mehrere Punkte der von der Klägerin geschlossenen Verträge verwiesen. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin kein eigenständiges Unternehmenskonzept mit freier Partnerwahl entwickeln könne, sondern letztendlich von einem Auftraggeber, der Q., abhängig bleibe.

Im Übrigen sei die Klägerin organisatorisch der Q. unterstellt. Die Abwicklung des Geschäftsverkehrs erfolge über die Q. und diese sei grundsätzlich gegenüber der Klägerin primär weisungsbefugt.

Im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm und zur Vermeidung von Umgehungen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sei ein Selbständiger auch dann nur für einen Auftraggeber im Sinne der Vorschrift tätig, wenn zwar mehrere rechtlich voneinander unabhängige Vertragsverhältnisse zu verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen bestünden, diese Personenmehrheiten aber organisatorisch in einer Form miteinander verbunden seien, die zu einer tatsächlichen (wirtschaftlichen) Bindung des arbeitnehmerähnlichen Selbständigen führten. Die Q., W. und S. führten in Teilen einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb, so dass eine Organisationsgemeinschaft im Sinne von § 12 a Abs. 2 TVG und § 92 a HGB bestehe, mit der Folge, dass die Klägerin tatsächlich an nur einen Auftraggeber gebunden sei. Das Vorliegen eines teilweisen gemeinsamen Geschäftsbetriebes ergebe sich insbesondere aus § 4 des Vertrages mit der W ... Die Q., W. und S. verfügten über eine teilweise gemeinsame Vertriebsstruktur. Dies gelte entsprechend für den Abrechnungsbereich.

In ihrer Gesamtheit bestätigten die Regelungen in den drei Verträgen die Existenz eines teilweise gemeinsamen Geschäftsbetriebes. Nach einer Zeugenaussage des Prokuristen der Q. vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 8 RA 6/03, siehe Sitzungsniederschrift vom 14. April 2004, Bl. 376 GA) könne auch davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Verhältnisse den vertraglichen Bestimmungen im Wesentlichen entsprochen hätten.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Dessau den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2002 aufgehoben. Zur Begründung hat das Gericht u. a. ausgeführt, die Klägerin sei nicht auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig gewesen. Die Kammer schließe sich nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des Landessozialgerichtes Nordhein-Westfalen im Urteil vom 12. Januar 2005 (Az: L 8 RA 6/03) an, wonach es zur Beurteilung dieser Frage im Wesentlichen auch auf die Ausgestaltung der Verträge ankomme. Aus den vorgelegten Verträgen ergebe sich, dass die Klägerin nicht nur für die Q., sondern auch im wesentlichen Umfang für die S. Lebensversicherung AG und die W. Lebensversicherungs-AG tätig geworden sei. Nach dem Gesamtbild der vorgelegten Vertragsunterlagen sei davon auszugehen, dass die Q. nicht als alleiniger Auftraggeber auftrete, sondern lediglich eine Bündelungsfunktion für die eigenständigen Auftragsverhältnisse zu den Versicherungsunternehmen wahrnehme, mit denen die Klägerin eigenständige Vertragsbeziehungen unterhalte. Die Klägerin habe außerdem nach den vorgelegten Abrechnungsunterlagen nicht den überwiegenden Teil ihrer Umsätze (5/6) aus der Tätigkeit für die Q. erzielt. So habe sie z. B. im Jahre 2000 lediglich ca. 30 % und im Jahre 2001 weniger als 20 % ihres Umsatzes aus der Tätigkeit für die Q. erzielt. Das Urteil ist der Beklagten am 14. November 2005 zugestellt worden.

Am 6. Dezember 2005 hat die Beklagte bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im sozialgerichtlichen Verfahren, vertieft diese und bezeiht sich auf ein Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen, welches die Versicherungspflicht eines Vermittlers der Q. nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bejaht hat (Urteil vom 26. Januar 2006, L 1 RA 105/04, Bl. 268 ff. GA).

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es für die Beurteilung der Frage, inwieweit eine Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber ausgeübt werde, auf das sich aus den vertraglichen Regelungen und den tatsächlichen Verhältnissen ergebende Gesamtbild der Tätigkeit ankomme. Maßgebend sei insbesondere, in welchem Umfang die unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten der Klägerin durch abgestimmte Vorgaben von kooperierenden Gesellschaften eingeschränkt seien. Die Frage nach dem Auftraggeber könne jedenfalls in den Fällen nicht allein nach dem formalen Kriterium des Provisionsanspruchs beantwortet werden, in denen, wie hier, die Provisionshöhe und die Auszahlung der Provision in Folge von Verrechungsmöglichkeiten der Q. beeinflusst werden könne. In diesem Zusammenhang vermöge auch das Argument des Sozialgerichtes gegen die Annahme einer arbeitnehmerähnlichen Selbständigkeit, wonach die Abrechnung über die jeweilige Versicherungsgesellschaft erfolge, nicht zu überzeugen. Es möge zwar zutreffen, dass die Klägerin aus dem Verkauf von Produkten der W. und der S. mehr Umsatz erzielt habe als von Produkten der Q ... Jedoch bestimme die Q. im Ergebnis, wie sich die Umsätze in Form von ausgezahlten Vergütungen an die Klägerin widerspiegelten.

Soweit die Klägerin behaupte, ab 2004 für die Q. GmbH & Co. KG und die Q. F. S. AG und damit für zwei Auftraggeber tätig gewesen zu sein, sei davon auszugehen, dass es sich nicht um einen weiteren Auftraggeber handele. Dies ergebe sich aus einem Rundschreiben des Geschäftsführers der Q. GmbH & Co. KG vom 25. Juni 2004 (Bl. 392 GA). Daraus ergebe sich, dass die Q. F. S. AG gegründet worden sei, um das Kapitalanlagen- und Investmentgeschäft aus der Q. GmbH & Co. KG herauszulösen und damit der "5/6 - 1/6-Regelung in ausreichender Form" Genüge zu tun. Außerdem sei der Partnerschafts- und Abrechnungsvertrag mit der Q. ergänzt worden (unter Verweis auf eine Erklärung der Q. vom 25. Juni 2004, Bl. 393 GA).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 26. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI setze voraus, dass der Betreffende wirtschaftlich von einem Auftraggeber abhängig sei und den deutlich überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit für diesen einen Auftraggeber aufwende oder mehr als 5/6 seines Gesamteinkommens von diesem Auftraggeber beziehe. Es sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass eine der beiden zuletzt genannten Voraussetzungen kumulativ zur wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Auftraggeber vorliegen müsse. Es reiche daher nicht aus, die Verträge rechtlich zu würdigen. Wie bereits in der ersten Instanz ausgeführt und bewiesen worden sei, habe sie aus ihrer Tätigkeit für die Q. lediglich 30 % ihrer Gesamteinkünfte und damit nicht mehr als 5/6 ihrer Gesamteinkünfte erzielt, wie dies nach der Praxis der Rentenversicherungsträger zu fordern wäre. Anders als die Beklagte behaupte, bestimme die Q. auch nicht, wie sich ihre Umsätze in Form von ausgezahlten Vergütungen widerspiegelten. Die Umsätze hingen allein von der Anzahl der vermittelten Verträge für die jeweilige Versicherung ab. Für welche Gesellschaften sie Verträge vermittle, bestimme sie allein. Die Q. habe auf die Vermittlungsleistung keinerlei Einfluss.

Außerdem sei sie schon deshalb nicht nur für einen Auftraggeber tätig, weil sie neben ihrer Tätigkeit für die Q., die W. und die S. u. a. auch für die Firma AP C. tätig werde. Dort biete sie hauptsächlich Dienstleistungen im Bereich der Unternehmensberatung an. Kunden der AP C. seien vorwiegend Ärzte, Unternehmen und Immobilienbesitzer. Darüber hinaus biete sie Seminare zu den Themen Existenzgründung, Geschäftserweiterung etc. an. Schließlich erziele sie etwa ein Drittel ihrer Einnahmen über verschiedene Banken in Form von Finanzierungsprovisionen. Zudem habe sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit eine Arbeitnehmerin beschäftigt, was sich daraus ergebe, dass sie für diese Bürokostenpauschalen bezahlt habe.

Die Klägerin hat auf Anforderung des Gerichts die Provisionsabrechnungen für die Zeiträume April 2002 bis September 2002 (Bl. 307 ff. GA, Zusammenfassung Bl. 358 GA) und für die Jahre 2004 bis 2007 vorgelegt. Einkommensnachweise für den Zeitraum Oktober 2002 bis Ende Dezember 2004 hat sie nicht vorgelegt und dazu erklärt, diese Unterlagen seien ihr entwendet worden. Zur Glaubhaftmachung hat sie Unterlagen über die gerichtliche Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Vermieter eingereicht. Die Klägerin hat außerdem einen Aufhebungsvertrag, den sie mit der Q. im Oktober 2007 geschlossen hat, vorgelegt. Aus einem weiteren Schreiben, welches die Klägerin eingereicht hat, geht hervor, dass sie ihren Vertrag mit der Q. AG zu Ende Dezember 2007 gekündigt hat.

Das Gericht hat Handelsregisterauszüge der Q. Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzberatung GmbH & Co. KG und der Q. Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzberatung GmbH und die Sitzungsniederschrift des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14. April 2004 (L 8 RA 6/03) beigezogen (Zeugenaussage des Prokuristen der Q., Bl. 373 ff. GA) und an die Beteiligten überreicht. Mit den Beteiligten ist außerdem der Sach- und Streitstand in einem Termin erörtert worden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Der Bescheid vom 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2002, mit dem die Beklagte die Rentenversicherungspflicht der Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI festgestellt hat, beschwert die Klägerin nur zum Teil gem. §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Zu Beginn der selbständigen Tätigkeit Anfang Februar 2000 liegen bei der Klägerin nämlich die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht als arbeitnehmerähnliche Selbständige nicht vor. Ab Januar 2004 ist jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig geworden ist und damit die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht vorliegen.

Dabei hat das Gericht bei einem Bescheid, der die Versicherungspflicht feststellt, den Zeitraum bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt: Der Bescheid beschränkt sich nämlich nicht auf eine einmalige Regelung (dazu z. B. Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45, Rdnr. 63 f.). Bei einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sind aber Rechts- und Sachverhaltsänderungen bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen (Castendiek in Lüdtke u. a., SGG, 3. Aufl., § 54, Rdnr. 56). Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Beteiligten den Streitgegenstand auf den Zeitraum bis Ende 2007 beschränkt haben.

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl. I 2000 S. 2) sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630 Deutsche Mark (ab 1.1.2002: "325 Euro", Änderung durch Bekanntmachung der Neufassung des SGB VI vom 19.2.2002, BGBl. I S. 754; ab 1.1.2003: "400 Euro", Änderung durch Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl. I S. 4621; ab 1.5.2007 vollständige Streichung des 2. Halbsatzes "dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 Euro" durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl. I S. 554) im Monat übersteigt, und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (ab 1.7.2006 Anfügung " , bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft," durch Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 29.6.2006, BGBl. I S. 1402).

Die Voraussetzung, dass der Selbständige auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers dann erfüllt sein, wenn der Betreffende rechtlich (vertraglich) oder tatsächlich (wirtschaftlich) an einen Auftraggeber gebunden bzw. von diesem abhängig ist (BTDrs. 14/45 S. 20). Erfasst werden von vornherein nur "echte" Selbständige, also Personen, die weisungsfrei (d. h. ohne in eine fremde Arbeitsorganisation integriert zu sein) auf eigene Rechnung und mit Gewinnerzielungsabsicht arbeiten (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, § 2, Rdnr. 79). Unter "einem Auftraggeber" ist dabei "derselbe Auftraggeber" zu verstehen (Fichte, a. a. O., Rdnr. 82). Von einer Tätigkeit auf Dauer nur für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt (Grintsch in Kreikebohm u. a., SGB VI, 3. Aufl., § 2, Rdnr. 39). Das Erfordernis, im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein, wird von der Praxis als erfüllt angesehen, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten erzielt (Grintsch, a. a. O.; Fichte, a. a. O., Rdnr. 84). Entscheidend sind dabei allein die tatsächlichen Verhältnisse (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Januar 2006, Az: L 1 RA 105/04, dokumentiert in juris, Rdnr. 63).

Es finden sich keine Hinweise, dass, wie die Klägerin meint, von der Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bestimmte Gruppen von Selbständigen von vorneherein nicht erfasst werden sollten. Aus dem Wortlaut der Regelung lässt sich dies nicht ableiten. Aber auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich dafür nichts. Die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen, die (neu) in die Rentenversicherungspflicht einbezogen werden sollten, zeichnen sich nach Ansicht des Gesetzgebers gerade nicht durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen aus, sondern durch typische Tätigkeitsmerkmale (BTDrs. 14/45 S. 20). Aufgrund dieser Merkmale sind sie sozial nicht weniger schutzbedürftig, als die von § 2 Nr. 1 bis 7 SGB VI erfassten Selbständigen. Diese Merkmale (Nichtbeschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers, wesentliches Tätigwerden nur für einen Auftraggeber) sind aber unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe gegeben oder aber nicht gegeben.

Der Senat zweifelt nicht daran, dass die Klägerin selbständig tätig ist. Sie ist nämlich u. a. nicht in die Betriebsorganisation der Q. GmbH & Co. KG eingebunden, frei in der Einteilung ihrer Arbeitszeit und der Bestimmung ihres Arbeitsplatzes. Sie ist nicht verpflichtet, eine bestimmte Anzahl von Versicherungen zu vermitteln; sie trägt daher allein das wirtschaftliche Risiko ihres Tätigwerdens.

Die Klägerin war rechtlich nicht nur an einen Auftraggeber gebunden. Sie hatte mehrere Auftraggeber, nämlich die Q., die W. Lebensversicherung a. G. und die S. Lebensversicherung a. G.

Die Klägerin ist Handelsvertreterin bzw. Versicherungsvertreterin gem. §§ 92, 84 des Handelsgesetzbuches (HGB). Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen (§ 92 Abs. 1 HGB). Auftraggeber eines Handelsvertreters ist der Prinzipal und sind nicht etwa die einzelnen Kunden (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 2 SGB VI; Pkt. 18 a; Hessisches LSG, Urteil vom 9. Juni 2005, Az: L 1 KR 550/03, dokumentiert in juris, 3. Leitsatz).

Die Klägerin ist zum Einem aus Ziff. 2.1. des Partnerschaftsvertrages mit der Q. gegenüber dieser verpflichtet, die zum Produktbereich der Q. und der Gesellschaften gehörende Produkte zu vermitteln. Dass die Q. selber Handelsvertreter bzw. Versicherungsvertreter ist (siehe Ziff. 1.1. des Partnerschaftsvertrages), steht dem nicht entgegen. Die Klägerin ist somit Untervertreterin der Q. i. S. d. § 84 Abs. 3 HGB, da sie für die Q. deren Vermittlungsverpflichtung gegenüber den Gesellschaften erfüllt (siehe Ziff. 1.1. – 1.3. des Partnerschaftsvertrages). Darüber hinaus ist die Klägerin jedoch nach § 1 Ziff. 1. des zwischen ihr und der W. Lebensversicherung a. G. geschlossenen Vertrages direkt gegenüber der W. verpflichtet, Versicherungen der W. zu vermitteln. Sofern auch die Q. aufgrund eines Vertrages gegenüber der W. zur Vermittlung von Produkten der W. verpflichtet sein sollte, wäre die Klägerin unechte Untervertreterin der Q., da sie selber direkt gegenüber der W. verpflichtet ist (zur Abgrenzung echter, unechter Untervertreter siehe z. B. von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 1, § 84, Rdnr. 17, 93 ff.). Auch gegenüber der S. Lebensversicherung a. G. hat sich die Klägerin direkt verpflichtet, Versicherungen zu vermitteln.

An dem Ergebnis, dass die Klägerin mit der Q., der W. und der S. drei Auftraggeber hat, ändert auch der Verweis der Beklagten auf § 12 a des Tarifvertragsgesetzes (TVG) bzw. auf § 92 a HGB nichts.

§ 12 a Abs. 1 TVG regelt die Anwendbarkeit des TVG bei arbeitnehmerähnlichen Personen und definiert dazu den Begriff, wonach u. a. das überwiegende Tätigwerden für eine (andere natürliche bzw. juristische) Person ausschlaggebend ist. Absatz 2 regelt, dass dabei mehrere Personen als eine Person gelten, wenn diese nach der Art eines Konzerns (§ 18 des Aktiengesetzes) zusammengefasst sind oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft oder nicht nur vorübergehenden Arbeitsgemeinschaft gehören.

§ 92 a Abs. 1 HGB ermöglicht es, durch Rechtsverordnung für sog. Einfirmenvertreter soziale und wirtschaftliche Mindestbedingungen festzusetzen. Absatz 2 bezieht dann auch formelle Mehrfirmenvertreter ein, wenn die vertretenen Unternehmen zu einem Versicherungskonzern oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft gehören, sofern die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem dieser Versicherer im Zweifel auch die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den anderen Versicherern zur Folge haben würde.

Nach Ansicht der Beklagten sollen die Erweiterung des Begriffs "eine Person" in § 12 a Abs. 2 TVG bzw. die Grundsätze für die Anwendbarkeit sozialer und wirtschaftlicher Mindestbedingungen bei Mehrfirmenvertretern sinngemäß auch im Rahmen des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI angewandt werden. Es sollen also bei der Frage, ob nur "ein Auftraggeber" im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vorliegt, konzernrechtliche Verflechtungen mehrerer vorhandener Auftraggeber (hier der Q., W. und S.) geprüft bzw. festgestellt werden, ob zwischen den Auftraggebern eine Organisationsgemeinschaft oder Arbeitsgemeinschaft besteht.

Dagegen ist, zumindest im Fall der Klägerin, zunächst einzuwenden, dass nach § 12 a Abs. 4 TVG die Vorschrift gerade keine Anwendung auf Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB findet. Will man § 12 a TVG zur Auslegung von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI heranziehen, dürfte dies konsequenterweise nicht in Fällen von Handelsvertretern geschehen. Außerdem hätte der Gesetzgeber direkt in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eine §§ 12 a Abs. 2 TVG, 92 a Abs. 2 Satz 1 HGB vergleichbare Definition eines "einheitlichen Auftraggebers" (so Reichel u. a., TVG, § 12 a, Rdnr. 44) vornehmen können. Dies ist jedoch unterblieben. In den Gesetzesmaterialien (BTDrs. 14/45) findet sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Parallele zwischen "ein Auftraggeber" in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI einerseits und den Regelungen in § 12 a Abs. 2 TVG bzw. § 92 a Abs. 2 Satz 1 HGB andererseits gesehen hat. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Regelungslücke vorliegt, die durch analoge Anwendung der §§ 12 a Abs. 2 TVG, 92 a Abs. 2 Satz 1 HGB zu schließen wäre. Die Vergleichbarkeit der Problematik eines einheitliches Auftraggebers hätte es vielmehr nahe gelegt, dass der Gesetzgeber die Begriffsdefinition der §§ 12 a TVG, 92 a HGB übernimmt. Dies ist jedoch nicht erfolgt (dagegen insgesamt zustimmend zur Heranziehung des "Rechtsgedanken" des § 12 a TVG Fichte, a. a. O., Rdnr. 87).

Außerdem liegen die Voraussetzungen der §§ 12 a TVG, 92 a Abs. 2 Satz 1 HGB im vorliegenden Fall ohnehin nicht vor.

Es sind zunächst keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass zwischen der Q., der W. und der S. konzernrechtliche Verbindungen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes (AktG) bestehen. Es liegt zwischen der Q., der W. und der S. auch keine Organisationsgemeinschaft im Sinne der §§ 12 a TVG, 92 a Abs. 2 Satz 1 HGB vor. Bei einer Organisationsgemeinschaft bedienen sich verschiedene Personen einer gemeinsamen Organisation, um ihren Geschäftsbetrieb zu führen (Wank in Wiedemann, TVG, 7. Aufl., § 12 a, Rdnr. 67). Hier ist nicht ersichtlich, dass die drei Auftraggeber der Klägerin zur Führung ihres Geschäftsbetriebes eine Gemeinschaft gebildet haben, zumal die Q. als Handelsvertreterin einen anderen Geschäftsgegenstand hat als die Versicherungen W. und S ... Denkbar wäre, dass die W. und die S. sich der Q. als Organisationsgemeinschaft bedienen, um ihre Versicherungen zu vertreiben, wobei keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die W. und die S. die Q. als eigene gemeinsame Organisation betreiben. Dagegen spricht vielmehr, dass die Q. auch für die von der Klägerin benannten weiteren Versicherungsunternehmen Produkte vermittelt. Auch wäre für den Fall, dass die W. und die S. die gemeinsame Organisation "Q." zur Versicherungsvermittlung betreiben, nicht nachvollziehbar, warum die W. und die S. direkt mit der Klägerin Verträge schließen sollten, wenn sie zur Auslagerung des Vermittlungsgeschäfts gerade die Q. gebildet hätten.

Auch eine Arbeitsgemeinschaft im Sinne des § 12 a Abs. 2 TVG liegt zwischen den drei Auftraggebern der Klägerin nicht vor. Ursprünglich wollte der Gesetzgeber mit den Arbeitsgemeinschaften in erster Linie die Arbeitsgemeinschaften der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) erfassen (Wank, a. a. O., Rdnr. 68). Aber auch Zusammenschlüsse von Bau- oder Industrieunternehmen zur gemeinsamen Ausführung von Großaufträgen in ARGEN werden damit umschrieben (Stein in Kempen u. a., TVG, 4. Aufl., § 12 a, Rdnr. 30). Dann wird aber häufig ohnehin nur ein Vertragsverhältnis zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und der ARGE bestehen, mithin nur ein Auftraggeber vorhanden sein (a. a. O.). Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass zwischen den drei Auftraggebern der Klägerin eine Arbeitsgemeinschaft besteht.

Die Klägerin war, zumindest bis Ende 2003 auch tatsächlich nicht nur an einen ihr drei Auftraggeber gebunden. Sie war unter Berücksichtigung der 5/6-Grenze im Wesentlichen nicht nur für einen ihrer drei Auftraggeber tätig. Aus den vorgelegten Übersichten ergibt sich, dass die Klägerin nie über 5/6 ihrer Umsätze über einen Auftraggeber erzielt hat (siehe Bl. 11, 358 der Gerichtsakte). Soweit die Klägerin angibt, ihre Umsätze ab Oktober 2002 nicht mehr belegen zu können, da ihr die Unterlagen im Zuge einer mietrechtlichen Auseinandersetzung abhanden gekommen sind, hält das Gericht ihre Angaben für glaubhaft. Zu Gunsten der Klägerin wird unterstellt, dass sich ihre Umsätze in diesem Zeitraum entsprechend den Zeitraum bis September 2002 entwickelt haben.

Anders stellt es sich hingegen für den Zeitraum ab Januar 2004 dar. Aus den vorgelegten Übersichten ergibt sich, dass die Klägerin im Wesentlichen für die Q. GmbH & Co. KG und die Q. F. S. AG tätig war (siehe Bl. 388 der Gerichtsakte). Der Senat geht hier, ohne sich zu seinen vorherigen Ausführungen in Widerspruch zu setzen, davon aus, dass die Einnahmen, die die Klägerin durch ihre Tätigkeit für diese beiden Auftraggeber erzielt hat, zusammen zu berücksichtigen sind.

Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht aus dem Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, da danach bei der Prüfung des wesentlichen Tätigwerden auf nur einen Auftraggeber abzustellen ist. Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass die soziale Schutzbedürftigkeit, welche die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI begründet, auch dann gegeben ist, wenn mehrere Auftraggeber derart eng personell und wirtschaftlich miteinander verknüpft sind, dass üblicherweise zu erwarten ist, dass das unternehmerische Auftreten zwischen diesen abgestimmt ist und parallel verläuft (siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Februar 2007, Az: L 22 R 1732/05, dokumentiert in juris, Rdnr. 72, welches auf die tatsächliche oder rechtliche Verbundenheit mehrerer Auftraggeber abstellt). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich bei den verschiedenen Auftraggebern um Gesellschaften handelt, die von derselben Person wirtschaftlich beherrscht werden oder wenn eine natürliche Person die Geschäftstätigkeiten der verschiedenen Auftraggeber entscheidend beeinflussen und steuern kann. Denn dann ist der Selbständige im Ergebnis von dieser einen, hintern den verschiedenen Auftraggebern stehenden Person, wirtschaftlich abhängig.

So liegt der Fall aber hier. Der Geschäftsführer der Q. Verwaltungs GmbH, der gleichzeitig einziger Kommanditist der Q. GmbH & Co. KG ist, ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Q. F. S. AG. Diese personelle Identität lässt den Schluss zu, dass der Klägerin mit den beiden Auftraggebern tatsächlich nur eine Person gegenübersteht, von der ihre geschäftliche Situation abhängig ist. Auch sind die beiden Auftraggeber der Klägerin wirtschaftlich verknüpft. Dafür spricht, dass die Q. F. S. AG zur Abwicklung des Kapitalanlagen- und Investmentgeschäftes, für das die Q. GmbH & Co. KG als Vermittler von Finanzdienstleistungen (Ziff. 1.1. des Partnerschaftsvertrages) zuständig war, errichtet worden ist und dieses Vermittlungsgeschäft auf die Q. F.- S. AG übertragen wurde (siehe Rundschreiben der Q. vom 25. Juni 2004, Bl. 392 der Gerichtsakte). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob mit der Errichtung der Q. F. S. AG bewusst die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI umgangen werden sollte. Dafür spricht zumindest der Hinweis in dem Rundschreiben vom 25. Juni 2004, wonach die Errichtung der AG auch deshalb erfolgte, um der 5/6 - 1/6 Regelung Genüge zu tun. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Literatur davon aus, dass es einer eigenständigen Rechtsfigur "Umgehungsgeschäft" nicht bedarf. Vielmehr ist durch Auslegung der Norm, die umgangen werden soll, zu prüfen, ob der Lebenssachverhalt nicht ohnehin von der Norm erfasst werden soll (siehe z. B. Armbrüster im Münchener Kommentar zum BGB, § 134, Rdnr. 8 ff.). Dies ist hier aber, wie oben dargestellt, der Fall.

Die Klägerin hat im Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2007 im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit auch keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Begriff des Arbeitnehmers erfordert die nicht selbständige Arbeit in einem Arbeitnehmerverhältnis i. S. d. § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 2 Rdnr. 9). Der Arbeitnehmer muss zum Selbständigen selber und nicht zu einem Dritten in einem formalen sozialversicherungsrechtlichen Rechts- und Pflichtenverhältnis stehen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2006, Az: B 12 RA 2/05 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 8, Rdnr. 24). Die Zahlung einer Bürokostenpauschale, auch wenn damit Dienst- bzw. Werkleistungen abgegolten sein sollten, genügt diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin tritt dabei gerade nicht als Arbeitgeberin auf, die mit dem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ein Arbeitsvertragsverhältnis begründet hat. Allein der Umstand, dass sich der Selbständige Dienst- bzw. Werkleistungen von Dritten erbringen lässt, kann die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI nicht entfallen lassen, da dies typischerweise bei einem Selbständigen zumindest in geringen Umfang immer der Fall sein wird. Erst wenn der Selbständige regelmäßig einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, kann davon ausgegangen werden, dass er selber nicht schutzwürdig und der Versicherungspflicht zu unterstellen ist.

Aus der vorgelegten Übersicht geht hervor, dass die Klägerin ab 2004 mehr als 5/6 ihrer Einnahmen aus der Tätigkeit mit der Q. GmbH & Co. KG und der Q. F. S. AG erzielte (im Zeitraum 2004 bis 2007 insgesamt EUR, davon EUR mit den beiden Gesellschaften; dies entspricht mehr als 5/6 der Gesamteinnahmen). Andere Einnahmen hat die Klägerin nicht belegt.

Dabei stellt der Senat auf den gesamten Zeitraum 2004 bis 2007 ab und berücksichtigt nicht die einzelnen Geschäfts- bzw. Kalenderjahre (für das grundsätzliche Abstellen auf ein Kalenderjahr: Eicher/Haase/Rauschenbach, a. a. O., Pkt. 18 b; Fichte, a. a. O., Rdnr. 84, wobei allerdings auch das Vorjahr sowie die voraussichtlichen Einkünfte zu berücksichtigen sein soll). Der Gesetzeswortlaut gibt ein Abstellen auf das Geschäfts- bzw. Kalenderjahr nicht vor. Vielmehr ist mit der Formulierung "auf Dauer und im Wesentlichen" ein wertendes Element verbunden, welches eine exakte Grenzziehung ohnehin ausschließt (Fichte, a. a. O.). Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 SGB VI, wonach Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, von der Versicherungspflicht für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 erfüllt, befreit werden, weist darauf hin, dass bei der Betrachtung der Entwicklung einer selbstständigen Tätigkeit nicht zwingend auf nur ein Kalender- oder Geschäftsjahr abzustellen ist. Diese Befreiungsmöglichkeit soll es Existenzgründern ermöglichen, die finanziellen Mittel auf den Aufbau des Betriebes zu konzentrieren (BTDrs. 14/1855, S. 9). Der Gesetzgeber hat angenommen, dass die Existenzgründer in der Gründungsphase aus der Versicherungspflicht herauswachsen können und insoweit einen Dreijahreszeitraum und nicht nur ein Geschäfts- bzw. Kalenderjahr als relevant angesehen, in dem diese wirtschaftliche Entwicklung möglich ist. Daher kann auch die selbstständige Tätigkeit der Klägerin über den längeren Zeitraum 2004 bis 2007 insgesamt bewertet werden. Erwartungen und Aussichten, die bei Beginn der Tätigkeit eine Rolle gespielt haben könnten und dort bei der Frage der Versicherungspflicht prognostisch zu bewerten waren, lassen sich nunmehr aus einer ex post – Betrachtung an der Realität messen. Dabei zeigt sich, dass es der Klägerin ab 2004 bis zum Ende ihrer Tätigkeit für die Q. im Dezember 2007 nicht gelungen ist, dauerhaft für mehrere Auftraggeber tätig zu sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin teilweise Erfolg hatte.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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