L 5 AS 418/09 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 1479/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 418/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassungsgrund - Erstausstattung einer Wohnung - Darlehen - Kostenvoranschlag - Amtsermittlungsgrundsatz
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer begehren die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg (SG) vom 6. Oktober 2009 und die Durchführung des Berufungsverfahrens.

Die Kläger und Beschwerdeführer beziehen von der Beklagten und Beschwerdegegnerin seit dem Jahr 2005 laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 9. August 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für die Neubeschaffung eines Schlafzimmerschranks ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2008 zurück.

Am 30. Mai 2008 haben die Kläger Klage erhoben, die sie ebenfalls nicht begründet haben. Im Erörterungstermin beim SG am 26. September 2008 haben sie ausgeführt, sie seien zur ratenweisen Rückzahlung eines möglicherweise für den Schlafzimmerschrank zu bewilligenden Darlehens derzeit nicht in der Lage. Sie haben dann – wie auch die Beklagte – auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, es bestehe kein Anspruch aus § 23 Abs. 1 SGB II auf Wohnungserstausstattung. Die geltend gemachte Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Schlafzimmerschranks sei keine Erstausstattung, sondern eine Ersatz- oder Ergänzungsbeschaffung. Mangels entgegenstehender Angaben der Kläger sei davon auszugehen, dass ihre Wohnung bereits vor der Antragstellung mit Mobiliar ausgestattet gewesen sei. Im Übrigen hätten die Kläger nicht darlegt, und es sei auch durch die Beklagte durch ihre Ermittlungen nicht festgestellt worden, dass ausnahmsweise ein Sonderbedarf vorliege, der eine Bewilligung rechtfertige. Eine darlehensweise Bewilligung scheide aus, weil die Kläger der Aufforderung der Beklagten nach Konkretisierung ihres Begehrens nicht nachgekommen seien. Die Berufung ist im Urteil nicht zugelassen worden.

Gegen das ihnen am 22. Oktober 2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 18. No-vember 2009 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Es sei fraglich, ob das SG den Begriff Erstausstattung richtig ausgelegt habe. Obwohl die Kläger bereits seit längerem in ihrer Wohnung wohnten, könne die Anschaffung eines Möbelstücks dann als Erstausstattung zu bewerten sein, wenn dieses im Haushalt noch nicht vorhanden sei. Hier sei ein Kleiderschrank durch die Geburt eines weiteren Kindes im Frühjahr 2009 erforderlich geworden. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010 hätten die Kläger einen Anspruch auf die Bewilligung, denn es handele sich um einen unabweisbaren Sonderbedarf. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei auch die Frage, ob die Beklagte für eine Darlehensbewilligung die Vorlage eines Angebots oder eines Kostenvoranschlags habe verlangen dürfen. Im Übrigen liege ein Verfahrensmangel vor, denn das SG sei der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen. Es hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Oktober 2009 zuzulassen und das Berufungsverfahren durchzuführen.

Die Beklagte hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Sie war Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Berufung gegen das Urteil vom 6. Oktober 2009 zu Recht nicht zugelassen.

Die Berufung war nicht kraft Gesetzes zulässig. Gemäß § 144 Abs. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des SG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Beschwerdewert liegt hier bei höchstens 500,00 EUR, denn mit einem Aufwand in der Höhe ist jedenfalls der Erwerb eines grundlegenden Bedürfnissen genügenden Kleiderschranks möglich.

Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft keine bislang ungeklärten Rechtsfragen auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.

Die von den Klägern formulierte Frage nach der Reichweite des Begriffs Erstausstattung iSv § 23 Abs. 1 SGB II ist bereits grundsätzlich geklärt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20. August 2009, Az.: B 14 AS 45/08 R, RN 11, zitiert nach juris) sind die Leistungen auf Erstausstattung einer Wohnung nicht strikt zeitgebunden und nicht nur innerhalb eines gewissen Zeitfensters geltend zu machen. Maßgeblich ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist (BSG, a.a.O., RN 14).

Im zu Grunde liegenden Klageverfahren haben die Kläger selbst nicht behauptet, bislang keinen Kleiderschrank besessen zu haben. Ihr Vortrag im Beschwerdeverfahren, der Bedarf nach einem Schlafzimmerschrank sei nach der Geburt eines weiteren Kindes im Frühjahr 2009 (1 ½ Jahre nach Antragstellung bei der Beklagten) entstanden, spricht dagegen.

Auch die Urteile des BVerfG vom 9. Februar 2009 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, zitiert nach www.bundesverfassungsgericht.de) führen im vorliegenden Fall nicht zu einer grundsätzlich klärungsbedürftigen Frage. Das BVerfG hat wegen des gegenwärtigen Fehlens einer Härtefallklausel im SGB II entschieden, dass ein Leistungsanspruch wegen dringender Sonderbedarfe aktuell aus Art. 1 Grundgesetz herzuleiten sei. Als Sonderbedarf hat es einen längerfristigen und laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf charakterisiert. Indes ist die Beschaffung eines neuen Kleiderschranks kein laufender, sondern ein einmaliger Bedarf. Er ist daher von der Entscheidung nicht erfasst.

Die weitere von den Klägern aufgeworfene, als klärungsbedürftig erachtete Frage, ob die Beklagte für eine Darlehensbewilligung Kostenvoranschläge verlangen dürfe, stellt sich im Berufungsverfahren voraussichtlich nicht. Die Kläger wurden im Verlauf des Verwaltungsverfahrens am 13. Juni 2007 aufgefordert, ihren Darlehensantrag zu konkretisieren und hierfür Kostenvoranschläge vorzulegen. Gegenüber der Beklagten haben die Kläger auf die Aufforderung nicht reagiert. Im Erörterungstermin beim SG haben sie erklärt, ohnedies Rückzahlungsraten für ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II nicht aufbringen zu können. Damit haben sie zu erkennen gegeben, dass sie keine Darlehensgewährung mehr begehren. Dementsprechend haben sie auch die Gewährung eines Darlehens nicht in den im Erörterungstermin zu Protokoll erklärten Antrag aufgenommen, sodass ein Antrag auf Darlehensleistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II schon nicht mehr Streitgegenstand gewesen sein dürfte.

Es liegt auch kein Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor. Ein Verfahrensverstoß ist nur gegeben, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, dieser vorliegt und die Entscheidung auf ihm beruhen kann. Unter einem Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt, zu verstehen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008 § 144 RN 36 ff.).

Der von den Klägern geltend gemachte Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz liegt nicht vor. Gemäß § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind hierbei heranzuziehen. Der Umfang der Amtsermittlungspflicht richtet sich nach dem Streitgegenstand, nämlich dem prozessualen Anspruch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten. Welche Tatsachen im Einzelfall zu ermitteln sind, hängt davon ab, welche Voraussetzungen nach dem Gesetz für den Anspruch des Klägers gegeben sein müssen und welche Voraussetzungen für seine prozessuale Geltendmachung. Insoweit ist insbesondere ein rechtskundig vertretener Kläger im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens gehalten, die in seiner Sphäre liegenden Tatsachen anzugeben, die nach Lage der Sache erforderlich sind.

Da die Kläger selbst nicht erklärt hatten, bislang keinen Kleiderschrank zu besitzen, bestand für das Gericht kein Anlass, der Frage weiter nachzugehen, ob es sich möglicherweise um einen zeitlich gestreckten Erstausstattungsanspruch handeln könnte. In dieser Situation musste sich das Gericht nicht zu weiteren Ermittlungen aus seiner rechtlichen Sicht gedrängt fühlen.

Dies gilt auch in Ansehung des in der Beschwerde wieder geltend gemachten Darlehens, das nach den Bekundungen der Kläger im Erörterungstermin bereits nicht mehr Gegenstand des Verfahrens war. Es ist nicht Aufgabe des SG, ins Blaue hinein zu ermitteln. Zu weiteren Ermittlungen hätte sich das SG erst gedrängt sehen müssen, wenn die Kläger im Verlauf des Verfahrens behauptet hätten, in ihrem Haushalt noch nie einen Kleiderschrank besessen zu haben. Da die Kläger dies nicht erklärt haben, waren auch keine weiteren Ermittlungen veranlasst.

Im Übrigen sind konkrete Verfahrensverstöße weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde nicht zulässig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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