L 3 SF 93/10 AB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 R 245/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 SF 93/10 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Befangenheit
Der Antrag des Antragstellers auf Ablehnung der Richterin am Sozialgericht W. wegen der Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte am 16. März 2010 beim Sozialgericht Magdeburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung, ihm stehe gegenüber der Antragsgegnerin aus einem Widerspruchsverfahren ein Kostenerstattungsanspruch von 50,- EUR oder aber ein angemessener Betrag zu. Die Antragsgegnerin habe ihm die Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren im Abhilfebescheid bewilligt. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass er ALG-II Empfänger sei.

Die Antragsgegnerin vertrat im Schriftsatz vom 19. März 2010 die Auffassung, es liege weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor. Dem Antragsteller könnten nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen, die im Vorverfahren notwendig gewesen seien, erstattet werden. Die Aufwendungen seien bislang nicht im Einzelnen benannt und nicht durch geeignete Unterlagen belegt worden.

Mit Beschluss vom 23. März 2010 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz und die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet, da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein Eilbedürfnis sei nicht gegeben und dem Antragsteller sei zuzumuten, das Verwaltungsverfahren und gegebenenfalls das Klageverfahren durchzuführen. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfordere zudem eine zukünftige Rechtsbeeinträchtigung; eine in der Vergangenheit liegende Beeinträchtigung reiche nicht aus. Prozesskostenhilfe sei nicht zu bewilligen gewesen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe. Mit Verfügung vom 23. März 2010 stellte das Sozialgericht dem Antragsteller den ablehnenden Beschluss vom 23. März 2010 mit dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 19. März 2010 unter dem 6. April 2010 zu.

Am 12. April 2010 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Ablehnung der Richterin am Sozialgericht W. gestellt. Zur Begründung gibt er an, die Richterin komme "scheinbar vorsätzlich" ihrer Aufklärungs-, Hinweis- und Fürsorgepflicht nicht nach. Die Richterin habe gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoßen, indem sie ihm beispielsweise erst mit dem Beschluss den Schriftsatz der Antragsgegnerin mit übersandt habe. Die Ablehnung rechtfertige sich aus der Rechts-unwirksamkeit des angegriffenen Beschlusses. Die Richterin offenbare ihre Befangenheit dadurch, dass sie entgegen dem antragstellerischen Vortrag die grundlose Zahlungsverweigerung der Antragsgegnerin nicht zu erkennen vermöge.

Die Richterin hat sich dienstlich dahingehend geäußert, dass sie keinen Grund erkennen könne, welcher die Besorgnis ihrer Befangenheit rechtfertige.

II.

Der nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellte Antrag auf Ablehnung der erkennenden Richterin ist jedenfalls unbegründet.

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ist nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig und entscheidet durch Beschluss.

Der Senat konnte offen lassen, ob das Ablehnungsgesuch nicht bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war. Denn teilweise wird die Auffassung vertreten, dass für ein Ablehnungsgesuch das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die Instanz mit allen Nebenentscheidungen abgeschlossen ist (OLG Hamm NJW 76, 1701; BFH Beschluss vom 19. August 1998 - 1 B 74/98 - juris; kritisch hierzu seit der Entscheidung des BVerfG vom 8. Juni 1993 - 1 BvR 878/90 - BVerfGE 89, 28: BVerwG Urteil vom 16. April 1997 - 6 C 9/95 - DVBl 1997,1235 ff.). Der den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnende Beschluss vom 23. März 2010 ist nach §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht anfechtbar, da der Beschwerdewert in Höhe von 750,- EUR nicht überschritten wird. Auch die hierin enthaltene Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterliegt nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG keiner Beschwerde (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - juris; LSG Sachsen-Anhalt vom 20. Februar 2009 - L 5 B 304/08 AS - und - L 5 B 305/08 AS - juris; abweichend: LSG Berlin-Branden-burg Beschluss vom 16. Juli 2008 - L 29 B 1004/08 AS - juris).

Der Antrag ist jedenfalls unbegründet, da Gründe, die einen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit der Richterin W. nahelegen, nicht vorliegen. Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus (Bundessozialgericht (BSG), SozR 1500 § 60 Nr. 3). Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BVR 1852/54 -, BVerfGE 92, 138, 139). Zweifel können beispielsweise erheblich sein, wenn der Richter den Eindruck vermittelt, er wolle das Vorbringen von Beteiligten aus unsachgemäßen Erwägungen nicht zu Kenntnis nehmen, oder er habe sich einseitig auf eine Rechtsauffassung festgelegt und werde von dieser auch nicht abweichen. Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters sind grundsätzlich kein wesentlicher Grund für die Ablehnung (LSG Schleswig-Holstein Breithaupt 1994, 87).

Der Umstand, dass die Richterin eine für das Begehren des Antragstellers ablehnende Rechtsauffassung vertreten hat, wonach keine Eilbedürftigkeit vorliege, rechtfertigt die Annahme von Befangenheit nicht. Sofern der Antragsteller meint, die Richterin vermöge die "grundlose Zahlungsverweigerung der Antragsgegnerin nicht zu erkennen", kann dies ebenfalls die Annahme einer Befangenheit nicht begründen.

Auch Verfahrensfehler und unrichtige Entscheidungen des Richters geben keinen Ablehnungsgrund, wenn keine ursächliche Einstellung des Richters erkennbar ist (OLG Schleswig NJW 1994, 1227), da die Unerfahrenheit bzw. Unfähigkeit nicht dasselbe wie Befangenheit ist (Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 42 Rn. 16). Der Vortrag, das Gericht habe Hinweis- und Aufklärungspflichten verletzt oder das rechtliche Gehör des Antragstellers nicht beachtet, rechtfertigt allein keine Parteilichkeit. Hier hat der Antragsteller an Stelle des Verwaltungsverfahrens mit anschließendem Klageverfahren unmittelbar das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eingeleitet, um wegen der von ihm angenommenen Dringlichkeit eine möglichst schnelle gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Dies führt regelmäßig zu einer Fristverkürzung und summarischen Rechtsprüfung. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist hier sehr zeitnah beschieden worden. Die unterlassene Übersendung der ablehnenden Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 19. März 2010 ist nicht als Ausfluss einer Parteinahme zu sehen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 172 Abs. 2 SGG).

gez. Klamann gez. Müller-Rivinius gez. Frank
Rechtskraft
Aus
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