L 3 R 382/09 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 698/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 382/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
einstweiliger Rechtsschutz, Auszahlung Nachzahlung
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. September 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das zwischenzeitlich beendete Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Halle gegen die Antragsgegnerin.

Der Antragsteller erhielt von der Antragsgegnerin zunächst Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. Mai 2009. Mit Bescheid vom 13. Januar 2009 hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mitgeteilt, der bestandskräftig festgestellte Anspruch der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Höhe von 4.243,68 EUR zuzüglich weiterer Säumniszuschläge/Zinsen werde mit der Rente des Antragstellers wegen Erwerbsminderung nach § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil – SGB I) i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB I verrechnet. Die Verrechnung erfolge in Höhe der einbehaltenden Nachzahlung von 511,30 EUR und ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt in monatlichen Raten von 296,39 EUR bis zur Tilgung der Forderung. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger am 10. Februar 2009 Widerspruch erhoben. Mit Schreiben vom 18. März 2009 hatte der Kläger seine Bereitschaft erklärt, diese Schulden abzutragen, was ihm allerdings aufgrund seiner derzeitigen Einkommensverhältnisse nicht möglich sei. Auf die Aufforderungen der Antragsgegnerin hin hatte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2009 eine Bedarfsberechnung des Landkreises M.-S. vom 5. August 2009 zur Darlegung seiner Hilfebedürftigkeit übersandt; danach bestand kein Anspruch auf laufende Leistungen.

Mit Bescheid vom 7. August 2009 bewilligte die Antragsgegnerin auf Antrag des Antragstellers vom 18. März 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31. August 2012 weiter. Sie teilte mit, für die Zeit ab 1. September 2009 würden laufend monatlich 551,96 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. August 2009 betrage die Nachzahlung 1.636,55 EUR. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt. Die Beklagte teilte auf Seite 3 des Bescheides mit, zunächst seien Ansprüche anderer Stellen zu klären (z.B. Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Träger der Sozialhilfe, Arbeitgeber, vergleichbare Stellen im Ausland, Versicherungsträger im Ausland). Sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei, rechne sie die Nachzahlung ab.

Am 13. August 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle den Antrag gestellt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Nachzahlung für die Rente wegen voller Erwerbsminderung mindestens in Höhe von 818,28 EUR auszuzahlen. Gleichzeitig hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Er hat vorgetragen, er habe gegen die von der Antragsgegnerin vorgelegte Berechnung des Landkreises M.-S. vom 5. August 2009 Widerspruch eingelegt. Ungeachtet dessen habe die Beklagte die Verrechnung vorgenommen. Durch die Ablehnung der Auszahlung der Nachzahlung werde ihm seine Existenzgrundlage vollständig entzogen. Soweit man eine Pfändung dem Grunde nach anerkenne, dürfe die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I allenfalls bis zur Hälfte der laufenden Geldleistungen erfolgen. Die Antragsgegnerin sei danach verpflichtet, den Mindestbetrag in Höhe von 818,28 EUR an ihn auszuzahlen.

Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Antragsteller am 20. August 2009 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 21. August 2009 mitgeteilt, zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei ihr am 14. August 2009 noch keine Entscheidung darüber getroffen zu haben, inwieweit die Nachzahlung aus dem Rentenbescheid vom 7. August 2009 mit Beitragsforderungen der KKH verrechnet werden solle. Für den Antrag habe also überhaupt keine Veranlassung bestanden. Ferner habe sie den Antragsteller mit Schreiben vom 19. August 2009 von der beabsichtigten Überweisung von 818,28 EUR auf dessen Konto in Kenntnis gesetzt.

Mit Schreiben vom 25. August 2009 hat der Antragsteller darauf hingewiesen, die Antragsgegnerin habe sehr wohl Anlass zur Stellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegeben. Der angegriffene Bescheid habe nicht erkennen lassen, wann die Antragsgegnerin über die Erstattung entscheiden werde. Selbst auf seine telefonische Nachfrage am 11. August 2009 hin hätten die Sacharbeiter der Antragsgegnerin, Herr S. und Frau H., lediglich pauschal mitgeteilt, die Ansprüche anderer Stellen müssten geprüft werden; ein konkreter Auszahlungstermin habe nicht angegeben werden können. Ein weiteres Abwarten der Festsetzung des Nachzahlungsbetrages und der Auszahlung der ihm zustehenden Rente sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Schließlich habe er über kein eigenes Einkommen verfügt. Ferner habe die nahezu fünfmonatige Bearbeitung seines Weiterbewilligungsantrages vom 18. März 2009 die Befürchtung aufkommen lassen, auch hinsichtlich der Berechnung der Nachzahlung werde nicht mit der gebotenen Eile entschieden. Soweit die Antragsgegnerin eine Bearbeitungsfrist zugestanden haben möchte, müsse sie sich fragen lasse, warum sie die Nachberechnung nicht innerhalb kürzester Zeit habe prüfen und im angegriffenen Bescheid habe mitregeln können.

Mit Beschluss vom 24. September 2009 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Zum Zeitpunkt der Beantragung einer einstweiligen Anordnung mit der Verpflichtung der Auszahlung der Nachzahlung in Höhe von 818,28 EUR habe die Beklagte noch keine ablehnende Entscheidung über die Auszahlung der Nachzahlung getroffen. Aufgrund der kurzen Zeitspanne von lediglich sechs Tagen habe ebenfalls eine Untätigkeit hinsichtlich der Prüfung von Ansprüchen anderer Stellen und der Auszahlung des Nachzahlungsbetrages an den Antragsteller nicht vorliegen können. Demnach habe keine Notwendigkeit bestanden, ein einstweiliges Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht Halle bereits zu diesem frühen Zeitpunkt anhängig zu machen.

Gegen den ihm am 6. Oktober 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. November 2009 Beschwerde beim Sozialgericht Halle eingelegt, welches die Beschwerde dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

Der Antragsteller hat darauf verwiesen, zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides vom 7. August 2009 hätten sämtliche Voraussetzungen vorgelegen, den Mindestbetrag gemäß § 51 Abs. 2 SGB I, nämlich die Hälfte des Nachzahlungsbetrages, festzusetzen und zur Zahlung anzuweisen. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei keineswegs übereilt erfolgt, zumal sich der Eindruck verfestigt habe, die Antragsgegnerin sei lediglich durch diesen Antrag zu einer beschleunigten Bearbeitung gedrängt worden. Ferner müsse nicht allein die Frist zwischen dem streitgegenständlichen Rentenbescheid und dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung Beachtung finden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. September 2009 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Halle unter Beiordnung von Rechtsanwalt T., H., zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfolgt lediglich eine vorläufige Prüfung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Rahmens des Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl. 2005, § 73a RdNr. 7 f. m.w.N.). Aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, S. 1936). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1989 – B 13 RJ 83/97 R –; BSG, Urteil vom 17. Februar 1989 – B 13 RJ 83/97 R –, SozR 1500, § 72 Nr. 19).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bot zu keiner Zeit Aussicht auf Erfolg.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiellen Anspruch, und einen Anordnungsgrund voraus, d.h. es muss eine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen.

Es besteht bereits kein Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin war berechtigt und verpflichtet, den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1636,55 EUR – unabhängig von einer in Betracht kommenden Verrechnung der Forderung der KKH gegen die Nachforderung – wegen etwaiger Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger, wie z.B. der Träger der Sozialhilfe, einzubehalten. Nach § 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) gilt der Anspruch eines Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträgers als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch eines anderen Leistungsträgers besteht. Die Antragsgegnerin hatte vor der Entscheidung über die Höhe des an den Antragsteller auszuzahlenden Nachzahlungsbetrages zunächst zu prüfen, ob Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger gegeben waren. Denn bei Bestehen solcher Erstattungsansprüche hätte die Antragsgegnerin andernfalls wegen der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X ohne Rechtsgrund an den Antragsteller geleistet. Dann hätte die Antragsgegnerin vom Antragsteller die ausgezahlten Beträge wieder zurückzufordern und das Risiko der Beitreibung dieser Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft tragen müssen.

Darüber hinaus bestand kein Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht nicht konkret dargelegt, aus welchen Gründen ihm ein Abwarten der Entscheidung der Antragsgegnerin, ob und in welcher Höhe der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.636,55 EUR an ihn ausgezahlt werde, nicht zumutbar gewesen wäre und ihm durch ein Abwarten wesentliche Nachteile entstanden wären. Eine Verrechnung war entgegen dem Vorbringen des Antragstellers noch nicht erfolgt. Abgesehen davon, dass aus der Dauer eines Weiterbewilligungsverfahrens von Rente wegen voller Erwerbsminderung mit medizinischen Ermittlungen keine Rückschlüsse auf Bearbeitungszeiten anderer Verwaltungsverfahren zu ziehen sind, ist nicht ersichtlich, inwieweit sich der Antragsteller durch eine längere Verfahrensdauer hinsichtlich der Entscheidung über die Nachzahlung überhaupt in einer Notlage befunden hat. Schließlich war seine Existenzgrundlage durch die ab dem 1. September 2009 laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung abgesichert. Insoweit sind keine Gründe ersichtlich, die die Stellung des Antrages im einstweiligen Rechtsschutz auf Auszahlung der Nachzahlung bereits sechs Tage nach dem Erlass des Rentenbescheides vom 7. August 2009 rechtfertigen. Zudem bezog sich – ausgehend vom Antrag im einstweiligen Rechtsschutz am 13. August 2009 – die begehrte Nachzahlung für Juni bis August 2009 überwiegend auf Zeiträume in der Vergangenheit. Für Geldleistungen die Vergangenheit betreffend besteht in der Regel ohnehin kein Anordnungsgrund (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, 2008, § 86b Rdnr. 29a m.w.N.).

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

gez. Klamann gez. Müller-Rivinius gez. Frank
Rechtskraft
Aus
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