L 2 AS 26/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 1966/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 26/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Voraussetzungen des Mehrbedarfs wegen Behinderung nach § 21 IV SGB II
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. Januar 2008 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Klägerin höhere Leistungen wegen eines Mehrbedarfs wegen Behinderung als Sicherung des Lebensunterhalts aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren sind.

Die am 1967 geborene Klägerin lebt mit ihrem Ehemann zusammen. Beide beziehen seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Zuvor erhielten beide Eheleute Arbeitslosenhilfe. Sie bewohnen ein Eigenheim mit einer Wohnfläche von 95 qm bei einer Gesamtfläche von 110 qm auf einem Grundstück von 1.100 qm. Den Verkehrswert gibt die Klägerin mit 43.000 Euro an. Bei Antragstellung im Jahr 2004 gab die Klägerin als weiteres Vermögen einen Pkw Ford Escort mit einem angenommenen Wert von 2.500 Euro und ein Girokontoguthaben von 3.872,57 Euro an. Für die Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges waren im Jahr 2005 262,90 Euro zu zahlen.

Im Fortzahlungsantrag vom 15. Februar 2006 teilte die Klägerin mit, dass ihr Ehemann bis zum 27. Mai 2006 in einer mit Entgelt geförderten Maßnahme beschäftigt sei (netto 774,74 Euro monatlich und gezahlt im Folgemonat) und gab Änderungen der Kosten der Unterkunft an: Müllgebühren fielen ab 2006 jährlich mit 133,08 Euro (Forderungen März, Mai, August, November mit 33,27 Euro) an. Die Immobilienversicherung war jährlich mit 161,33 Euro ab 2005 im März fällig. Für den Arbeitsweg legte der Ehemann 10 km einfache Strecke an 5 Tagen in der Woche zurück. Ansonsten gab die Klägerin keine Änderungen an.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann als Grundsicherung ab dem Monat April bis Juni 2006 monatlich 318 Euro und ab Juli 2006 bis zum September 2006 836,74 Euro monatlich. Hierin war ein Mehrbedarf der Klägerin für behinderte Hilfebedürftige in Höhe von 104 Euro monatlich eingerechnet.

Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (DRV) gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 2. März 2006 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Maßnahme "Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt" vom 28. Februar 2006 bis zum 25. August 2006 ohne ein Übergangsgeld.

Die Klägerin reichte später die Einkommensbescheinigung des Ehemanns für den Monat Mai 2006 (gezahlt netto 697,41 Euro zum 15. Juni 2006) nach und bat am 13. Juni 2006 um eine Berücksichtigung geänderter Kosten der Unterkunft wegen der Rechnung für Trinkwasser und eine höhere Erstattung von Heizkosten.

Mit änderndem Bescheid vom 13. Juni 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann ab dem April 2006 bis zum September 2006 Leistungen in wechselnder monatlicher Höhe (in Klammern die Beträge für die Klägerin): April und Mai 2006: 346,95 Euro (194,31 Euro) Juni 2006: 414,68 Euro (232,25 Euro) Juli 2006: 896,69 Euro (502,84 Euro) August 2006 878,52 Euro (484,67 Euro) September 2006 787,69 Euro (393,84 Euro). Als Grund für die Änderungen gab die Beklagte eine Änderung der Unterkunftskosten ab dem April 2006, die Berechnung von Einkommen im Juni 2006 und den Wegfall des Mehrbedarfs wegen Behinderung ab dem Ende der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben (26. August 2006) an.

Hiergegen erhob die Klägerin am 26. Juni 2006 Widerspruch wegen des Wegfalls des Mehrbedarfs wegen Behinderung und der Kosten der Unterkunft: Sie sei auch nach dem Ende der Maßnahme weiter auf Kompressionsstrümpfe und Massagen angewiesen und habe einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis gestellt. Sie sei weiter nicht einverstanden mit der erst ab April 2006 erhöhten Heizkostenpauschale und begehre die Erhöhung schon ab November 2005. Laut einem Schreiben des Rentenversicherungsträgers erhalte sie Leistungen zur Teilhabe bis zum November 2007. Hierzu bezog sie sich auf ein Schreiben vom 23. November 2007, nach dem die DRV erklärte: Sie stelle Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht. Grundsätzlich sei sie bereit, einen Eingliederungszuschuss an Arbeitgeber zu gewähren. Sollte ein abschließender Vermittlungsvorschlag bis zum 30. November 2007 nicht vorliegen, werde die Zusage durch Fristablauf unwirksam.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück: Der Klägerin seien ab dem Ende der Maßnahme keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht worden, so dass auch die Gewährung eines Mehrbedarfes ausscheide.

Am 25. August 2006 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. In einem Erörterungstermin vor dem SG haben die Beteiligten die Kosten der Unterkunft "unstreitig gestellt".

Mit Urteil vom 15. Januar 2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des ändernden Bescheides vom 13. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2008 für den Zeitraum vom 26. August 2006 bis zum 30. September 2006 den Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II zu zahlen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Klägerin sei als behindert anzusehen. Sie erhalte zwar keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, aber sonstige Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Sie habe die Zusage der DRV, gegebenenfalls einen Einarbeitungszuschuss zu gewähren und gegebenenfalls weitere Leistungen zu erbringen. Hierbei handele es sich um eine sonstige Hilfe. Das SG hat die Berufung zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe und eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht vorliege.

Am 3. März 2008 hat die Beklagte gegen das ihr am 7. Februar 2008 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Die DRV habe auf einen erneuten Antrag der Klägerin von 23. November 2005 eine weitere Teilhabeleistung in Aussicht gestellt, wenn bis zum 30. November 2007 ein abschließender Vermittlungsvorschlag vorliegen würde. Dazu sei es aber nicht gekommen, so dass tatsächlich außer dem Zeitraum vom 28. Februar 2006 bis zum 25. August 2006 keine Leistungen erbracht worden seien. Sie sehe keine Anhaltspunkte, die die vom SG vorgenommene weite Auslegung fordern würden. Die Bewilligung des Mehrbedarfs knüpfe an tatsächlich ausgereichte Leistungen der Teilhabe, nicht an theoretisch möglichen. Der vom SG zur Begründung herangezogene Gedanke, dass sich die Klägerin wegen der Erklärung der DRV um einen Arbeitsplatz bemühen sollte, entspreche nicht den Zielvorstellungen des Gesetzgebers. Dieser erwarte von allen Hilfebedürftigen, dass sie sich um die Eingliederung in den Arbeitsmarkt bemühen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Beklagte wolle an der falschen Stelle sparen. Ihr seien, wenn auch unter aufschiebender Bedingung, Leistungen bewilligt worden und damit auch tatsächlich erbracht worden. Sie hat zur Klarstellung erklärt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr Streitgegenstand sind.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist fristgerecht im Sinne des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Senat an die Zulassung der Berufung durch das SG gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG), so dass die Beschränkungen der Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG nicht zu beachten sind.

Die Berufung erweist sich als begründet.

Der Klägerin waren durch die Beklagte keine höheren Leistungen, insbesondere kein Mehrbedarf zu gewähren.

Streitgegenständlich ist der ändernde Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2006 und die Ansprüche der Klägerin – sie allein hat die Klage erhoben – im Leistungszeitraum vom April 2006 bis September 2006. Die Klägerin hat die Klage wirksam (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 22. März 2010, Az. B 4 AS 59/09 R – Juris) auf die in den Bescheiden geregelten Teile des Alg II beschränkt, die als Hilfe zum Lebensunterhalt dienen, da sie keine höheren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt. Letztere sind daher nicht Gegenstand der Klage und der Prüfung des Senats.

Der Bescheid ist in dem angefochtenen Umfang nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG in ihren Rechten.

Die Beklagte durfte die Änderung des Leistungsumfangs des Bescheides vom 27. Februar 2006 mit dem Bescheid vom 13. Juni 2006 auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) vornehmen. In den beim Erlass des Dauerverwaltungsaktes vom 27. Februar 2006 zugrunde gelegten Verhältnissen waren wesentliche Änderungen durch die wechselnde Höhe der Kosten der Unterkunft und des Einkommens des Ehemanns eingetreten.

Die Klägerin ist dem Grunde nach Leistungsberechtigte. Gemäß § 19 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II u. a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Klägerin gehört nach ihrem Alter grundsätzlich zu dem Kreis der Leistungsberechtigten und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Senat hat keinen Grund, anhand der vorliegenden Unterlagen an der Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Klagezeitraum zu zweifeln.

Leistungsberechtigt nach dem SGB II sind auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Abs. 2 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und nach Nr. 3 a) - auch in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung der Vorschrift (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I Seite 1706) - als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter anderem der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Nach den Antragsangaben lebte die Klägerin mit ihrem Ehemann zusammen.

Der Klägerin waren sodann Leistungen als Teil der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann zu bewilligen. Die Bewilligung ergab sich wie folgt:

Die Regelleistungen für die Klägerin und den Ehemann betragen nach § 20 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II bis Juni 2006 298 Euro und sodann 311 Euro (Änderung durch Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006, BGBl. I S. 558 zum 1. Juli 2006), da beide Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben und folglich nur 90 v.H. der Regelleistung beanspruchen können. Trotz der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Höhe der Regelleistungen sind die Bestimmungen bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung weiter anzuwenden (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Az. 1 BvL 1/09 – Juris).

Bei der Berechnung des Leistungsanspruchs der Klägerin ist neben der Regelleistung kein Mehrbedarf zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für den geltend gemachten Mehrbedarf "wegen Behinderung", § 21 Abs. 4 SGB II. Die Voraussetzungen für andere Mehrbedarfe im Sinne des § 21 SGB II – der einzigen in Betracht kommenden Regelung – liegen bei der Klägerin nicht vor. Einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II (in der Fassung durch Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I S. 1706) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) erbracht werden, in Höhe von 35 vom Hundert der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung. Nach der zuvor gültigen Fassung lautete die Bestimmung wie folgt: Erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit erbracht werden, erhalten einen Mehrbedarf von 35 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung.

Nach dem Wortlaut setzt die Gewährung eines Mehrbedarfs nicht nur eine Behinderung voraus, so dass es sich nicht um einen Mehrbedarf "wegen Behinderung" handelt. Vielmehr erfordert die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs neben der Behinderung die Erbringung weiterer Hilfen wie etwa den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach dem insgesamt klaren Wortlaut ("erbracht werden") genügt es nicht, dass gegebenenfalls ein Anspruch auf weitere Teilhabeleistungen besteht (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2008, Az. B 11b AS 19/07 R m.w.N. - Juris). Der zudem vom BSG herangezogene Gedanke, dass die Leistungen nach § 21 Abs. 4 SGB II gegenüber den Leistungen der Teilhabe nur nachrangig erbracht werden, überzeugt auch den Senat. Nur bei einer Teilnahme an einer Maßnahme kann typisiert vorausgesetzt werden, dass ein Mehraufwand eintritt, der durch Einstellung eines Mehrbedarfs in die Berechnung des Gesamtbedarfs auszugleichen ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 22. März 2010, Az. B 4 AS 59/09 R – Juris). Damit ist es auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift erkennbar, dass entgegen der Ansicht des SG eine Eigensuche, Abwarteposition bzw. nicht vollzogene Maßnahme für die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht genügt. Nur die tatsächliche Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme, die grundsätzlich geeignet ist, einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen, rechtfertigt einen Ausgleich. Daher genügen bloße kurze Kontaktaufnahmen bzw. Hilfen, die nicht über die allgemeine Beratung hinausgehen und keine organisatorische Verfestigung in einer strukturierten Maßnahme erfahren, nicht (BSG a.a.O.).

Zu einem davon abweichenden Verständnis der Norm kann es nicht führen, dass gegebenenfalls nicht ganz klar ist, was sich der Gesetzgeber unter einer "sonstigen Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes" vorgestellt haben könnte. Eine Auslegung des Gesetzes erfolgt nicht deshalb extensiv, weil sich der Gesetzgeber unklar ausgedrückt hat. Verwendet er nicht von ihm definierte Rechtsbegriffe, sind diese von der Rechtsanwendung, d.h. auch von den Gerichten, auszufüllen. Hier ist nach dem sonstigen Regelungsgehalt der Vorschrift nur zu entscheiden, in welchen Fallgestaltungen nicht schon benannte Hilfen erfolgen, die zur Erlangung eines Arbeitsplatzes geeignet sind. In Betracht zu ziehen wären damit Hilfen, die in irgendeiner "sonstigen" Weise die Vermittlungschancen verbessern oder einen bestehenden Arbeitsplatz erhalten (vgl. die Beispiele bei Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl., § 21 Rn. 45). Die Unbestimmtheit der Vorschrift beruht nach diesem Verständnis nicht aus einer nachlässigen Formulierung, sondern aus der nicht abschließend möglichen Nennung aller in Betracht kommenden Alternativen. Dies ändert aber nichts daran, dass auch die sonstigen Hilfen immer im oben dargestellten Sinne der Vorschrift "erbracht" werden müssen, d.h. potentiell geeignet sein müssen, einen Mehraufwand und damit Mehrbedarf auszulösen. Die hier von der DRV ausgesprochene grundsätzliche Bereitschaft, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, insbesondere Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber zu zahlen, ist keine sonstige Hilfe, die bereits erbracht wird, sondern nur eine, die erbracht werden könnte. Eine Bereitschaftserklärung zu einer Teilhabeleistung kann daher nicht einer tatsächlich erbrachten Teilhabeleistung gleichstehen, weil sie keine Mehraufwendungen zur Teilnahme in einem strukturierten Organisationsablauf begründet.

Aus der vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 9. Februar 2010, Az. 1 BvL 1/09 – Juris) angeordneten Regelung, wonach auch Ansprüche auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs geltend gemacht werden können, ergibt sich für die Klägerin ebenfalls kein zu berücksichtigender Sonderbedarf, weil die Klägerin etwa wegen ihrer in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen z.B. Stützstrümpfe benötigt. Die Wirkungen der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts treten erst ab der Verkündung der Anordnung am 9. Februar 2010, d.h. nicht für den hier strittigen Bewilligungsabschnitt ein (BVerfG, a.a.O.; nochmals hervorgehoben im Beschluss vom 24. März 2010, Az. 1 BvR 395/09 – Juris). Im Übrigen hat die Klägerin selbst dargelegt, dass sie diesen Bedarf in der Vergangenheit nicht aus eigenen Mitteln gedeckt hat.

Somit ist für die weitere Berechnung nur für den Zeitraum der tatsächlichen Maßnahme bis einschließlich 25. August 2006 von einem um den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 S. 1 SGB II erhöhten Bedarf der Klägerin auszugehen.

Die Berücksichtigung des Mehrbedarfs für eine Übergangszeit nach Beendigung der Maßnahme, § 21 Abs. 4 S. 2 SGB II hat die Beklagte ebenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt. In der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2006 hat die Beklagte niedergelegt, dass die Gewährung auch in einer Übergangszeit in Betracht zu ziehen sei; dabei sei aber der Sinn und Zweck des Mehrbedarfes zu berücksichtigen. Zum Beispiel käme die Weiterbewilligung in Betracht, wenn eine tatsächliche Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorliege und die bisherigen Aufwendungen weiter anfallen. Dies sei aber nicht der Fall, da keinerlei Anschlussbeschäftigung erfolgte. Die Beklagte hat damit nach Ansicht des Senats erkannt, dass eine weitere Berücksichtigung nicht schon tatbestandlich ausgeschlossen ist und ihr Ermessen ohne ersichtliche Fehler ausgeübt. Ermessensentscheidungen sind nach § 39 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Die Behörde hat sich demnach alle die für das Gesetz maßgeblichen Gesichtspunkte zu würdigen und darf keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung einfließen lassen. Die Beklagte hat ihre Abwägungsentscheidung entsprechend dem Zweck des Mehrbedarfs, höhere Aufwendungen auszugleichen, getroffen.

Zu dem sich aus den Regelleistungen ergebenden Bedarf sind zur Ermittlung des Gesamtbedarfs schließlich die erstattungsfähigen Kosten der Unterkunft im Sinne der §§ 4, 19 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hinzuzurechnen. Da die Klägerin keine höheren Leistungen begehrt, ist hierzu der Gesamtkostenanteil von 165,69 Euro in die Berechnung einzustellen.

Dem Bedarf sind die Einkommensverhältnisse innerhalb der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen. Als Einkommen gelten gem. § 11 Abs. 1 SGB II alle Einnahmen im Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, wie eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Hier hat der Ehemann der Antragstellerin Zahlungen in den Monaten bis Mai 2006 in Höhe von 774,74 Euro und im Monat Juni 2006 697,41 Euro erhalten.

Vom Einkommen sind nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach § 30 SGB II. Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge nach S. 1 Nr. 3 - 5 der Vorschrift ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen (Neuregelung durch Gesetz vom 14. August 2005, BGBl. I S. 2047, in Kraft ab 1. Oktober 2005). Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro, gilt dieser Satz nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3-5 der Vorschrift den Betrag von 100 Euro übersteigt.

Es ist der Grundfreibetrag von 100 Euro abzusetzen. Höhere Aufwendungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Darüber hinaus ist ein monatlicher Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gemäß § 30 SGB II aus dem Brutto von 960 Euro bis Mai 2006 und sodann im Juni von 864 Euro abzusetzen (140 Euro zuzüglich 16 Euro bzw. 6,40 Euro). Daraus ergibt sich ein bis Mai 2006 anzurechnendes Einkommen von 518,74 Euro und im Juni 2006 von 451,01 Euro.

Nach Monaten ergibt sich dann folgende Berechnung (Zahlenbeträge in Euro): Bedarf April 2006 Klägerin Ehemann Regelleistung 298,00 298,00 Kosten der Unterkunft (165,69 Euro/2) 82,84 82,84 Mehrbedarf 104,00 0 Bedarf 484,84 380,84

Bereinigtes Einkommen 0 518,74 Einkommensverteilung von 518,74 Euro nach Quotient Einzelbedarf / Gesamtbedarf 290,53 228,21 Zustehende Leistungen 194,31 152,63

Für den Monat Mai 2006 ergeben sich keine Änderungen.

Im Monat Juni 2006 ist ein geringeres Einkommen anzurechnen: Bedarf Klägerin Ehemann Regelleistung 298,00 298,00 Kosten der Unterkunft 82,84 82,84 Mehrbedarf 104,00 0 Bedarf 484,84 380,84

Bereinigtes Einkommen 0 451,01 Einkommensverteilung nach Quotient Einzelbedarf / Gesamtbedarf 252,59 198,42 Zustehende Leistungen 232,25 182,42

Sodann ist ab Juli 2006 das Einkommen weggefallen und die Regelleistungserhöhung zu beachten: Bedarf Klägerin Ehemann Regelleistung 311,00 311,00 Kosten der Unterkunft 82,84 82,84 Mehrbedarf 109,00 0 Bedarf 502,84 393,84

Zustehende Leistungen 502,84 393,84

Im Monat August dauerte die Teilnahme nur für 25 Tage an, während die Berechnungsvorschriften des Hilfeumfangs immer von 30 Tagen ausgehen, so dass der Mehrbedarf nur quotal zu berücksichtigen ist: Bedarf Klägerin Ehemann Regelleistung 311,00 311,00 Kosten der Unterkunft 82,84 82,84 Mehrbedarf 25/30 90,83 0 Bedarf 484,67 393,84

Zustehende Leistungen 484,67 393,84

Im September ist der Mehrbedarf gänzlich entfallen: Bedarf Klägerin Ehemann Regelleistung 311,00 311,00 Kosten der Unterkunft 82,84 82,84 Bedarf 393,84 393,84

Zustehende Leistungen 393,84 393,84

Mithin sind der Klägerin keine höheren Leistungen zuzusprechen, weil sie diese Zahlbeträge bereits mit den angefochtenen Bescheiden bewilligt und ausgezahlt erhalten hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine Gründe für die Zulassung im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.
Rechtskraft
Aus
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