Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 2553/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 27/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe - Erfolgsaussicht - Zustimmung zum Umzug
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein von ihnen betriebenes Verfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG). In diesem stritten die Beteiligten darüber, ob die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Anspruch auf eine Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach einem Wohnungswechsel hatten.
Die Antragstellerin zu 1. bezieht seit mindestens 1. Juli 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Antragsteller zu 2. und 3. sind die Kinder der Antragstellerin zu 1., geboren am ... 2004 bzw. 2007. Sie beziehen ebenfalls seit 2007 Leistungen von der Antragsgegnerin. Seit August 2006 bzw. seit seiner Geburt lebten die Antragsteller in einer 57,99 qm großen Wohnung in G. , die ihren Eltern bzw. Großeltern gehört. Die KdU betrugen hierfür monatlich 295,70 EUR. Darin enthalten waren 80,00 EUR Kosten für die Heizung, 9,97 EUR für Wasser/Abwasser sowie 24,76 EUR für sonstige Betriebskosten.
Am 9. Juli 2008 beantragten die Antragsteller die Zustimmung zu einem Wohnungswechsel. Zur Begründung führten sie aus, das Schlafzimmer und das 4,32 qm große Kinderzimmer seien vom Rest der Wohnung durch einen Hof getrennt, über welchen man etwa 7 Meter zum anderen Wohnbereich gehen müsse. In der Küche befinde sich die Warmwasseranlage der Zentralheizung des Hauses, die ein permanentes, störendes Geräusch von sich gebe. Sie hätten sich entschlossen, eine funktionalere Wohnung zu suchen, welche sich in der Nähe des Vaters der Antragsteller zu 2. und 3. in L. befinde. Weiterhin erhalte die Antragstellerin zu 1. so in Zukunft noch mehr Chancen in ihrem Beruf. Diesem Antrag beigefügt war ein Angebot über eine 3-Raum-Wohnung in der G. straße in L. mit drei Zimmern, Küche und Bad. Die Wohnfläche betrug 73 qm. Die Kaltmiete belief sich auf 291,80 EUR zuzüglich 100,00 EUR Betriebskosten sowie 69,35 EUR Heizkosten (Gesamtmiete 461,15 EUR).
Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für die KdU der Wohnung in L. ab, da keine Notwendigkeit für den Umzug erkennbar sei. Hiergegen legten die Antragsteller am 28. Juli 2008 Widerspruch ein. Die Wohnung sei seit der Geburt des Antragstellers zu 3. zu klein. Ständig müsse man über den Hof laufen. Das Kinderzimmer mit einer Größe von 4,32 qm biete nur Platz für das Bett der Antragstellerin zu 2. Die Fenster und Türen seien schlecht oder gar nicht isoliert. Es sei ein starker Schimmelbefall in der sogenannten Veranda vorhanden, welcher als Teil der Küche benutzt würde. Rings um die Erdgeschosswohnung befänden sich Volieren mit Vögeln, die einen unerträglichen Lärm machten. Durch den Umzug erhoffe sich die Antragstellerin zu 1. bessere berufliche Chancen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte aus, die bisherige Wohnung sei nicht unangemessen, so dass ein Umzug aus diesem Grunde nicht erforderlich sei. Eine Verbesserung der beruflichen Chancen sowie eine Nähe zum Vater der Kinder rechtfertigten noch keinen Umzug nach L ... Die genannten Probleme seien mit dem Vermieter im Rahmen einer Mängelbeseitigung zu klären. Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben (S 4/16 AS 2954/08).
Am 19. August 2008 haben die Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Zusicherung zur Übernahme der KdU der neuen Unterkunft zu erteilen; außerdem haben sie Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung haben sie die Argumentation aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Sie seien nunmehr mit den Vermietern (den Eltern der Antragstellerin zu 1.) zerstritten; diese seien nicht bereit, die Wohnumstände zu ändern. Die Antragsteller zu 2. und 3. seien mittlerweile in einem Alter, in dem der regelmäßige Kontakt zum Vater wichtig sei; dies könne in L. besser gewährleistet werden. Die Antragsteller könnten den Umzug nicht mit eigenen Kräften durchführen. Finanzielle Mittel seien nicht vorhanden. Da günstiger Wohnraum in L. schwierig zu finden sei, bestehe auch eine besondere Eilbedürftigkeit.
Mit Beschluss vom 19. September 2008 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, ein sofortiger Umzug sei nicht zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich. Schwere, nicht rückgängig zu machende Nachteile seien nicht ersichtlich. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren könne daher abgewartet werden. Mit identischer Begründung hat das SG in einem weiteren Beschluss vom gleichen Tage den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gegen den ihnen am 24. September 2008 zugestellten Beschluss über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe haben die Antragsteller am 23. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe eine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, denn hierfür genüge eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Prozesserfolges. Hierzu habe sie die Wohnverhältnisse noch einmal eingehend geschildert.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. September 2008 aufzuheben und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Am 30. September 2008 haben die Vermieter den Antragstellern gekündigt, da es zu Spannungen gekommen sei. Daraufhin haben die Antragsteller erneut eine Zusicherung zur Übernahme der KdU für eine neue Unterkunft unter Vorlage eines praktisch identischen Mietangebotes in L. beantragt.
Mit Bescheid vom 24. November 2008 hat die Antragsgegnerin dem Umzug zugestimmt und die KdU entsprechend dem neuen Angebot als angemessen anerkannt. Im Weiteren hat die Antragsgegnerin auch die Umzugskosten (Bescheid vom 8. Dezember 2008) und 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens übernommen (Kostenanerkenntnis vom 25. März 2009). Das Klageverfahren haben die Beteiligten für erledigt erklärt. Zum 1. Januar 2009 sind die Antragsteller nach L. umgezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Akten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau S 4 AS 2553/08 ER und S 4/16 AS 2954/08 Bezug genommen.
II.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seitdem ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Das gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. zur Begründung ausführlich den Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).
Demnach ist die Beschwerde zulässig. Bei einem streitigen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten beträgt die monatliche Differenz zwischen der von der Antragsgegnerin zugesagten Leistungen für die KdU von 278,95 EUR und der im Wege der einstweiligen Anordnung verlangten monatlichen Leistung (Gesamtmiete 461,15 EUR) 182,20 EUR/Monat, so dass sich hieraus für sechs Monate ein Wert von 1093,20 EUR ergibt. Dies ist der Betrag, mit dem die Antragsteller durch die Entscheidung des SG beschwert sind.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88 -, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Solche Erfolgsaussichten bestanden hier nicht.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b).
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und –durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage.
Eine solche existenzielle Notlage ist nicht ersichtlich, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Immerhin lebten die Antragsteller zu 1. und 2. zum Zeitpunkt des Umzugsbegehrens bereits seit rund 2 Jahren bzw. der Antragsteller zu 3. seit Geburt in dieser Wohnung. Es ist nicht erkennbar, warum dies plötzlich unzumutbar geworden sein könnte. Der Platzbedarf eines Säuglings ist minimal. Auffällig ist insoweit, dass der Antrag zunächst damit begründet wurde, sich eine funktionalere Wohnung suchen zu wollen, welche sich in der Nähe des Vaters der Antragsteller zu 2. und 3. in L. befinde. Von dem störenden Lärm aus den Volieren ist in diesem Zusammenhang noch nicht die Rede gewesen. Es ist auch nicht erkennbar oder vorgetragen, dass dieser plötzlich aufgetreten sei. Vorrangig wären dann auch miet- oder nachbarschaftsrechtliche Ansprüche auf Lärmminderung gewesen; zumindest wäre ein Versuch zu verlangen, solche Störungen abzustellen. Dies gilt insbesondere auch für den ebenfalls erst später genannten Schimmelbefall.
Auch die von den Antragstellern hervorgehobenen besseren Berufschancen in L. können kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Soweit die Antragstellerin zu 1. in einem anderen Ort als am Wohnort eine Arbeitsstelle gefunden hätte, wäre zu prüfen gewesen, ob die Antragsgegnerin ggf. die Kosten für den Umzug zu übernehmen hätte. Vor einer solchen konkreten Zusage einer Beschäftigung bestand jedoch kein Grund, an einen bestimmten Ort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen.
Der Hinweis auf das knappe Wohnungsangebot in L. vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, als die Zusicherung ursprünglich für eine Wohnung in der Giebner-Straße 15a in L. erbeten wurde, der Mietvertrag jedoch schließlich für eine andere Wohnung gleichen Zuschnitts und mit identischen Kosten in der selben Straße abgeschlossen wurde.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein von ihnen betriebenes Verfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG). In diesem stritten die Beteiligten darüber, ob die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Anspruch auf eine Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach einem Wohnungswechsel hatten.
Die Antragstellerin zu 1. bezieht seit mindestens 1. Juli 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Antragsteller zu 2. und 3. sind die Kinder der Antragstellerin zu 1., geboren am ... 2004 bzw. 2007. Sie beziehen ebenfalls seit 2007 Leistungen von der Antragsgegnerin. Seit August 2006 bzw. seit seiner Geburt lebten die Antragsteller in einer 57,99 qm großen Wohnung in G. , die ihren Eltern bzw. Großeltern gehört. Die KdU betrugen hierfür monatlich 295,70 EUR. Darin enthalten waren 80,00 EUR Kosten für die Heizung, 9,97 EUR für Wasser/Abwasser sowie 24,76 EUR für sonstige Betriebskosten.
Am 9. Juli 2008 beantragten die Antragsteller die Zustimmung zu einem Wohnungswechsel. Zur Begründung führten sie aus, das Schlafzimmer und das 4,32 qm große Kinderzimmer seien vom Rest der Wohnung durch einen Hof getrennt, über welchen man etwa 7 Meter zum anderen Wohnbereich gehen müsse. In der Küche befinde sich die Warmwasseranlage der Zentralheizung des Hauses, die ein permanentes, störendes Geräusch von sich gebe. Sie hätten sich entschlossen, eine funktionalere Wohnung zu suchen, welche sich in der Nähe des Vaters der Antragsteller zu 2. und 3. in L. befinde. Weiterhin erhalte die Antragstellerin zu 1. so in Zukunft noch mehr Chancen in ihrem Beruf. Diesem Antrag beigefügt war ein Angebot über eine 3-Raum-Wohnung in der G. straße in L. mit drei Zimmern, Küche und Bad. Die Wohnfläche betrug 73 qm. Die Kaltmiete belief sich auf 291,80 EUR zuzüglich 100,00 EUR Betriebskosten sowie 69,35 EUR Heizkosten (Gesamtmiete 461,15 EUR).
Mit Bescheid vom 21. Juli 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zusicherung für die KdU der Wohnung in L. ab, da keine Notwendigkeit für den Umzug erkennbar sei. Hiergegen legten die Antragsteller am 28. Juli 2008 Widerspruch ein. Die Wohnung sei seit der Geburt des Antragstellers zu 3. zu klein. Ständig müsse man über den Hof laufen. Das Kinderzimmer mit einer Größe von 4,32 qm biete nur Platz für das Bett der Antragstellerin zu 2. Die Fenster und Türen seien schlecht oder gar nicht isoliert. Es sei ein starker Schimmelbefall in der sogenannten Veranda vorhanden, welcher als Teil der Küche benutzt würde. Rings um die Erdgeschosswohnung befänden sich Volieren mit Vögeln, die einen unerträglichen Lärm machten. Durch den Umzug erhoffe sich die Antragstellerin zu 1. bessere berufliche Chancen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2008 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte aus, die bisherige Wohnung sei nicht unangemessen, so dass ein Umzug aus diesem Grunde nicht erforderlich sei. Eine Verbesserung der beruflichen Chancen sowie eine Nähe zum Vater der Kinder rechtfertigten noch keinen Umzug nach L ... Die genannten Probleme seien mit dem Vermieter im Rahmen einer Mängelbeseitigung zu klären. Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben (S 4/16 AS 2954/08).
Am 19. August 2008 haben die Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Zusicherung zur Übernahme der KdU der neuen Unterkunft zu erteilen; außerdem haben sie Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung haben sie die Argumentation aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Sie seien nunmehr mit den Vermietern (den Eltern der Antragstellerin zu 1.) zerstritten; diese seien nicht bereit, die Wohnumstände zu ändern. Die Antragsteller zu 2. und 3. seien mittlerweile in einem Alter, in dem der regelmäßige Kontakt zum Vater wichtig sei; dies könne in L. besser gewährleistet werden. Die Antragsteller könnten den Umzug nicht mit eigenen Kräften durchführen. Finanzielle Mittel seien nicht vorhanden. Da günstiger Wohnraum in L. schwierig zu finden sei, bestehe auch eine besondere Eilbedürftigkeit.
Mit Beschluss vom 19. September 2008 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, ein sofortiger Umzug sei nicht zur Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich. Schwere, nicht rückgängig zu machende Nachteile seien nicht ersichtlich. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren könne daher abgewartet werden. Mit identischer Begründung hat das SG in einem weiteren Beschluss vom gleichen Tage den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gegen den ihnen am 24. September 2008 zugestellten Beschluss über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe haben die Antragsteller am 23. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe eine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten, denn hierfür genüge eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Prozesserfolges. Hierzu habe sie die Wohnverhältnisse noch einmal eingehend geschildert.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. September 2008 aufzuheben und ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Am 30. September 2008 haben die Vermieter den Antragstellern gekündigt, da es zu Spannungen gekommen sei. Daraufhin haben die Antragsteller erneut eine Zusicherung zur Übernahme der KdU für eine neue Unterkunft unter Vorlage eines praktisch identischen Mietangebotes in L. beantragt.
Mit Bescheid vom 24. November 2008 hat die Antragsgegnerin dem Umzug zugestimmt und die KdU entsprechend dem neuen Angebot als angemessen anerkannt. Im Weiteren hat die Antragsgegnerin auch die Umzugskosten (Bescheid vom 8. Dezember 2008) und 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens übernommen (Kostenanerkenntnis vom 25. März 2009). Das Klageverfahren haben die Beteiligten für erledigt erklärt. Zum 1. Januar 2009 sind die Antragsteller nach L. umgezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Akten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau S 4 AS 2553/08 ER und S 4/16 AS 2954/08 Bezug genommen.
II.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden. Seitdem ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Das gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (vgl. zur Begründung ausführlich den Beschluss des erkennenden Senats vom 20. Februar 2009, L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS).
Demnach ist die Beschwerde zulässig. Bei einem streitigen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten beträgt die monatliche Differenz zwischen der von der Antragsgegnerin zugesagten Leistungen für die KdU von 278,95 EUR und der im Wege der einstweiligen Anordnung verlangten monatlichen Leistung (Gesamtmiete 461,15 EUR) 182,20 EUR/Monat, so dass sich hieraus für sechs Monate ein Wert von 1093,20 EUR ergibt. Dies ist der Betrag, mit dem die Antragsteller durch die Entscheidung des SG beschwert sind.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88 -, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Solche Erfolgsaussichten bestanden hier nicht.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 16b).
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und –durchsetzung darstellt, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage.
Eine solche existenzielle Notlage ist nicht ersichtlich, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Immerhin lebten die Antragsteller zu 1. und 2. zum Zeitpunkt des Umzugsbegehrens bereits seit rund 2 Jahren bzw. der Antragsteller zu 3. seit Geburt in dieser Wohnung. Es ist nicht erkennbar, warum dies plötzlich unzumutbar geworden sein könnte. Der Platzbedarf eines Säuglings ist minimal. Auffällig ist insoweit, dass der Antrag zunächst damit begründet wurde, sich eine funktionalere Wohnung suchen zu wollen, welche sich in der Nähe des Vaters der Antragsteller zu 2. und 3. in L. befinde. Von dem störenden Lärm aus den Volieren ist in diesem Zusammenhang noch nicht die Rede gewesen. Es ist auch nicht erkennbar oder vorgetragen, dass dieser plötzlich aufgetreten sei. Vorrangig wären dann auch miet- oder nachbarschaftsrechtliche Ansprüche auf Lärmminderung gewesen; zumindest wäre ein Versuch zu verlangen, solche Störungen abzustellen. Dies gilt insbesondere auch für den ebenfalls erst später genannten Schimmelbefall.
Auch die von den Antragstellern hervorgehobenen besseren Berufschancen in L. können kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Soweit die Antragstellerin zu 1. in einem anderen Ort als am Wohnort eine Arbeitsstelle gefunden hätte, wäre zu prüfen gewesen, ob die Antragsgegnerin ggf. die Kosten für den Umzug zu übernehmen hätte. Vor einer solchen konkreten Zusage einer Beschäftigung bestand jedoch kein Grund, an einen bestimmten Ort innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen.
Der Hinweis auf das knappe Wohnungsangebot in L. vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, als die Zusicherung ursprünglich für eine Wohnung in der Giebner-Straße 15a in L. erbeten wurde, der Mietvertrag jedoch schließlich für eine andere Wohnung gleichen Zuschnitts und mit identischen Kosten in der selben Straße abgeschlossen wurde.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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