L 1 R 343/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 164/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 343/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
SGB 6, Rente wegen Erwerbsminderung, versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 29. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die im Februar 1955 geborene Klägerin erlernte von September 1971 bis Ende August 1974 den Beruf eines Facharbeiters für Datenverarbeitung. Nach der Ausbildung war sie bis September 1976 als Sachbearbeiterin Statistik beim Rat des Kreises Tangerhütte, Abteilung Gesundheitswesen, beschäftigt. Ab Oktober 1976 arbeitete sie im VEB Gebäudewirtschaft Tangerhütte als Sachbearbeiterin und war ab Januar 1983 Hausfrau. Den letzten Pflichtbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zahlte sie im Dezember 1982. Zu diesem Zeitpunkt bis über Dezember 1991 hinaus lebte die Klägerin in C., DDR, heute Land Sachsen-Anhalt. Nach Dezember 1982 zahlte sie weder freiwillige noch sonstige Erhaltungsbeiträge zur Sicherung einer Rentenanwartschaft.

Am 30. Mai 2002 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, seit Januar 1992 erwerbsgemindert zu sein. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ohne Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 6. November 2002 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es komme darauf an, ob sich bis 1992 ein Leistungsfall nachweisen lasse. Die eingeholten Befundberichte ließen eine solche Annahme jedoch nicht zu.

Am 11. August 2003 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Stendal erhoben. Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt (von Dr. R., Assistenzarzt an der Klinik für Dermatologie und Venerologie der medizinischen Fakultät der Universität M., 26. September 2003; Dipl.-Med. Sch., Fachärztin für Allgemeinmedizin, 13. November 2003; Dipl.-Med. A., Internistin-Rheumatologin, 17. November 2003; Frau S., Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, 1. Mai 2004) und Priv.-Doz. Dr. D, Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, H., mit der Erstellung eines Gutachtens auf seinem Fachgebiet beauftragt. In seinem Gutachten vom 17. Juli 2004 hat der Gutachter folgende Diagnosen mitgeteilt: - Lupus erythematodes / autoimmune Krankheit, - Sklerodermie / systemische Verfestigung von Haut bzw. von Magen-Darmkanal, - psychovegetativer Symptomenkomplex mit Stimulierung, - Struma nodosa / Knotenstruma bei unauffälliger Schilddrüsenfunktion und - Übergewichtigkeit / Adipositas 2. Grades nach WHO. Aus arbeitsmedizinischer Sicht könne die Klägerin lediglich noch leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich verrichten. Während auftretender Krankheitsschübe sei allerdings davon auszugehen, dass die tägliche Arbeitszeit auf maximal vier bis sechs Stunden zu veranschlagen sei. Man müsse davon ausgehen, dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass sich durch die über viele Jahre bestehende Schmerzsymptomatik zusätzlich eine starke psychische Komponente ausgebildet habe, die die Leistung der Klägerin weiter negativ beeinflusse. Mit Sicherheit habe bereits am Tag der Rentenantragstellung am 30. Mai 2002 das dargestellte Leistungsbild bestanden. Bei dem chronischen Verlauf der Autoimmunerkrankung sei davon auszugehen, dass die Leistungseinschränkung auch mehr als sechs Monate vorher vorhanden gewesen sei. Dem Charakter der Krankheit entsprechend müsse auch bereits 1992 eine leichte Leistungseinschränkung vorhanden gewesen sei, die sich im Laufe der Jahre durch immer neue Krankheitsschübe verschlechtert habe. Eine weitere Terminisierung sei anhand der vorliegenden Unterlagen und der Aussagen der Klägerin nicht möglich.

Das Gericht hat außerdem Dr. Sch., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, B., mit der Erstellung eines Gutachtens auf seinem Fachgebiet beauftragt. In seinem Gutachten vom 14. Februar 2005 hat der Gutachter folgende Diagnosen mitgeteilt: - mäßig ausgeprägte Somatisierungsstörung mit begleitender subdepressiver Verstimmtheit, - kein Anhalt für eine peripher-neurologische Erkrankung im Sinne einer Polyneuropathie oder eines peripheren Nervenkompressionssyndroms und - Adipositas per magna mit einem Body-Maß-Index (BMI) von 32,8. Die bei der Klägerin nachweisbaren geringfügigen psychischen Auffälligkeiten seien nicht organischer Natur. Sie seien überwiegend als Reaktion auf die jahrelange, zeitweise nicht richtig diagnostizierte Grunderkrankung zu beziehen. Sie hätten durchaus einen gewissen Krankheitswert, könnten allerdings noch mit durchaus einzufordernder zumutbarer Willensanstrengung weitgehend zurückgedrängt werden. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin leichte körperliche Arbeiten, mit gelegentlichem Bücken, Heben und Tragen leichter Lasten in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Akkorddruck und Fließbandarbeit, im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, in gehobener Verantwortung und unter Vermeidung von Zwangshaltungen verrichten. Dies sei vier- bis sechsstündig am Tag möglich. Auch als Sachbearbeiterin könne die Klägerin noch sechs Stunden täglich tätig werden. Das Leistungsbild liege so seit Antragstellung vor.

Das Gericht hat außerdem einen Befundbericht des Fachkrankenhauses V.-G. eingeholt (Bericht vom 10. März 2005).

Das Gericht hat sodann Prof. Dr. G., Direktor der Klinik für Dermatologie und Venerologie der Universität M. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beauftragt. In seinem Gutachten vom 16. Januar 2006 hat der Gutachter folgende Diagnosen gestellt: - Mixed Connective Tissue Disease (Autoimmun-Overlap-Syndrom eines systemischen Lupus erythematodes und einer Sklerodermie) mit Arthralgien, Myalgie, Ösophagusbeteiligung, verkürztem Zungenbändchen, Belastungsdyspnoe, Raynaud-Syndrom, Sklerodaktylie, Sicca-Symptomatik, diffuser Alopezie, Nagelfalzteleangiektasien, Lichtempfindlichkeit, Gesichtserythem, sensorischer Polyneuropathie, Verdacht auf Zustand nach Pleuritis sowie laborchemischem Nachweis von erhöhten ANA mit getüpfeltem Fluoreszenzmuster, ENA-Antikörpern, Nukleosomen-IfG-Antikörpern, RNP70-IgG-Antikörpern und U1-snRNP-IgG-Antikörpern und erhöhten Entzündungsparametern (BSG und C-reaktives Protein); Erstdiagnose 1992 mit retrospektiv diesbezüglichen ersten Beschwerden 1985, - Typ IV-Sensibilisierungen gegenüber Neomycinsulfat, Duftstoff-Mix, Zinn(II)- und Kobald(II)-chlorid, Nickel(II)sulfat, - Eisenmangelanämie, - Refluxösophagitis, - Antrumgastritis, - Belastungsindiziertes Asthma bronchiale, - Adipositas, - Arterielle Hypertonie, Stadium II, - Aortensklerose (Höhe 4. und 5. LWK), - Hypercholesterinämie, - Struma nodosa bds. I. Grades mit kalten Knoten, euthyreot, - Osteopenie und - Depression. Die Klägerin könne keine berufliche Tätigkeit ausüben. Das Leistungsbild bestünde seit mindestens April 2003. Die Diagnose einer Autoimmunkrankheit im Sinne eines Lupus erythematodes sei aber bereits 1992 durch Dr. W. gestellt worden. Bereits seit 1985 bestünden bei der Klägerin rheumatische Gelenkbeschwerden. Insgesamt habe sich bisher unter immunsuppressiver Medikation ein chronischer, schubhafter und progredienter Krankheitsverlauf gezeigt.

Mit Urteil vom 29. Mai 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, wegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen müsse die Erwerbsminderung spätestens am 31. Januar 1992 eingetreten sein. Dies habe sich jedoch nicht feststellen lassen. Die behandelnde Hautärztin und die Gutachter seien von einem Leistungsfall im Jahr 2002 ausgegangen. 1992 habe nach Einschätzung des Gutachters Dr. D. eine leichte Leistungseinschränkung vorgelegen. Nach Beweislastgrundsätzen sei die Sache zu Ungunsten der Klägerin zu entscheiden gewesen.

Gegen das ihr am 6. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. August 2006 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt.

Im Zeitraum vom 13. April 2006 bis zum 20. Oktober 2006 sind für die Klägerin Pflichtbeiträge als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson gezahlt worden.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, bereits 1985 seien bei ihr Gelenkschmerzen aufgetreten. Ab 1987 seien die Symptome eines Lupus erythematodes deutlich ausgeprägt gewesen. Sie sei daher seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. 1988, 1989 sei es noch mal zu einer rapiden Verschlechterung gekommen. Bereits ab 1988 habe ihr Ehemann die Arbeit im Garten alleine machen müssen. Die Hausarbeit habe sie nur in Etappen erledigen können. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, dass die Ärzte in den achtziger und Anfang der neunziger Jahre nicht in der Lage gewesen seien, die Krankheit zu diagnostizieren, sondern nur die Symptome zu behandeln.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 29. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2003 zu verpflichten, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil für zutreffend.

Die Klägerin hat ihre von ihrer Hausärztin Dipl.-Med. Sch. stammenden Krankenunterlagen im Berufungsverfahren eingereicht. In einem Erörterungstermin hat sie geschildert, bei welchen Ärzten sie seit den 1980ziger Jahren in Behandlung war. Der Senat hat die Ärzte und Gesundheitsämter angeschrieben, weitere Krankenunterlagen beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme von Dr. D. angefordert (Vorlage mit Schreiben vom 29. Juni 2007) und Prof. Dr. M., Facharzt für innere Medizin und Immunologie, Allergologie, Umweltmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem Gutachten vom 30. Dezember 2009 hat der Gutachter folgende Diagnosen gestellt: - Mischkollagenose (Mixed connective tissue disease, MCTD) in der Frühphase mit typischem Symptommuster (Ödem, Synovitis, Myositis, Raynaud-Phänomen, Lichtempfindlichkeit, Haarausfall) ohne nachweisbare Beteiligung innerer Organe wie z. B. der Niere, der Lungen und des ZNS sowie einem hochtitrigen ANA mit gesprenkeltem Muster bzw. einem positiven Antikörper gegen U1RNP, - Adipositas, - Schmerzsyndrome mit Gelenk- und Muskelschmerzen im Bereich von Wirbelsäule und Extremitäten im Rahmen der MCTD und degenerativen Veränderungen bzw. neuropathischen Schmerzen und - depressive Stimmungslage. Der Gutachter schätzt ein, dass die bis zum 31. Januar 1992 erhobenen Befunde leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen und wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich zuließen. Eine regelmäßige medikamentöse Behandlung unter Ausschöpfung physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Maßnahmen sowie der Einsatz schmerztherapeutischer Behandlungsprinzipien hätten die Grunderkrankung und die subjektiv vordergründige Schmerzsymptomatik günstig beeinflussen können. Das Fortschreiten der Erkrankung wäre durch eine berufliche Tätigkeit nicht negativ beeinflusst worden. Die im Sozialversicherungsausweis der DDR dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiten hätten sich als untauglich für eine Prognose zum Krankheitsverlauf ergeben. Nachdem die Klägerin zum 1. Januar 1983 ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben habe, seien keine weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten mehr dokumentiert worden. Das Arbeitsunfähigkeits-Geschehen während des dokumentierten Zeitraumes von zehn Jahren liege auf dem Niveau gesunder Personen. Die spätere Hauptdiagnose sei hinter den dokumentierten Diagnoseziffern keineswegs zu vermuten. Die Beendigung der beruflichen Tätigkeit zum Januar 1983 könne nicht mit der späteren Autoimmunerkrankung in Beziehung gebracht werden. Auch die Gehfähigkeit sei zum 31. Januar 1992 nicht eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei in der Lage gewesen, die üblicherweise geforderten viermal 500 Meter täglich jeweils innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Im Gutachten von Prof. Dr. G. werde zwar eine deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit mitgeteilt, allerdings lägen zwischen der Gutachtenerstellung von Prof. Dr. G. und dem Januar 1992 14 Jahre. Für die aktuelle Einschränkung der Mobilität komme die ausgeprägte Adipositas als mitverantwortlicher Faktor hinzu. Mit der Diagnosestellung 1992 und der Diagnosesicherung durch den Krankheitsverlauf sei mit einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit gegenüber einer gesunden Person zu rechnen. Diese habe sich zunächst lediglich auf die Gestaltung der Arbeitsplatzbedingungen und des Arbeitsregimes bezogen. Im weiteren Verlauf der Krankheit sei eine Verschlimmerung zu erwarten gewesen, die dann offenbar in den Jahren 2000 bis 2005 auch eingetreten sei. Die Klägerin habe dann einen Antrag zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) gestellt (August 2000). Sie sei zu weiteren Fachärzten überwiesen worden und habe sich stationär in einer Fachklinik und in der Universitätsklinik Magdeburg aufgehalten. Die Gutachten und die fachärztlichen Befundberichte aus der Zeit von 2000 bis 2007 zeigten die zunehmende Einschränkung der Leistungsfähigkeit, die in einer Begrenzung der täglich zu leistenden Arbeitszeit auf unter sechs bis über drei Stunden und letztlich zu einer unter drei Stunden täglichen Arbeitszeit geführt hätten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei kein positives Leistungsbild festzustellen. Selbst Maßnahmen zur Rehabilitation würden das Leistungsbild nicht verbessern. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht geklärt. Es sei verwunderlich, dass sich der Krankheitsverlauf relativ lückenlos zurückverfolgen lasse. Besonders hervorzuheben sei die Krankenblattdokumentation durch die Hausärztin Dipl.-Med Sch. über den Zeitraum von Oktober 1983 bis Mai 1996, welche über die relevante Zeit des Beginns der Erkrankung bis zur Sicherung der Diagnose Auskunft gebe. Dabei handele es sich meist um subjektive Beschwerdeangaben. Aufgrund der Unterlagen der Hausärztin sei es möglich gewesen, dass im vorliegenden Gutachten der subjektive Krankheitsverlauf mit den späteren objektiven Befunden rekonstruiert und anhand von Literaturdaten habe gewichtet werden können. Nach Auswertung dieser vorhandenen Unterlagen könne davon ausgegangen werden, dass zum 31. Januar 1992 weder eine Berufs- noch eine Erwerbsunfähigkeit bestanden habe.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Dabei kommt hier nur ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht in Betracht (Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827), auch wenn hier auf einen Leistungsfall vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgestellt werden müsste. Nach § 300 Abs. 1 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sind Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Das Bundessozialgericht hat zwar in Hinsicht auf die Regelung des § 302b Abs. 1 Satz 1 SGB VI, wonach der Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit weiter besteht, solange die Voraussetzungen vorliegen, wenn am 31. Dezember 2000 ein solcher Anspruch bestand, entschieden, dass, wenn die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen noch unter Geltung alten Rechts erfüllt waren, die Rente wegen der Fälligkeitsbestimmung des § 101 SGB VI aber erst nach der Gesetzesänderung zu leisten ist, eine Rente weiter nach dem bis 31. Dezember 2000 geltenden Recht zu gewähren ist (BSG, Urteil vom 8. September 2005, Az: B 13 RJ 10/04 R). Die Rente der Klägerin könnte jedoch hier unter Berücksichtigung der Rentenantragstellung am 30. Mai 2002 frühestens am 1. März 2002 beginnen (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Damit kommt nur eine Rente nach dem ab 1. Januar 2001 geltenden Recht in Betracht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Nach § 43 Abs. 4 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind: 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, 4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

Für die Klägerin sind zwar gem. § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI für den Zeitraum vom 13. April 2006 bis zum 20. Oktober 2006 Pflichtbeiträge als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson gezahlt worden. Der Fünfjahreszeitraum kann jedoch ausgehend von einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 21. Oktober 2006 nicht soweit verlängert werden, dass die erforderlichen drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten erreicht werden. Rückwirkend vom 12. April 2006 ausgehend liegen nämlich keine Zeiten nach § 43 Abs. 4 SGB VI vor. Dies gilt auch bei einem möglichen Leistungsfall vor dem 21. Oktober 2006. Nur wenn die Klägerin am 1. Januar 1985 voll erwerbsgemindert gewesen wäre, läge die versicherungsrechtliche Voraussetzung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI (Dreifünftelbelegung) vor.

Nach § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind jedoch für Versicherte Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit 1. Beitragszeiten, 2. beitragsfreien Zeiten, 3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nummer 4, 5 oder 6 liegt, 4. Berücksichtigungszeiten, 5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder 6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist.

Die Klägerin hatte vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt (§§ 50 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 1, 55 Abs. 1, 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Die Vorschrift des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist daher auf sie anwendbar. Die dort unter Ziff. 1. bis 5. genannten Zeiten liegen bei der Klägerin ab 1. Januar 1984 nicht vor. Sie hielt sich jedoch bis zum 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet auf (Nr. 6). Wegen der Voraussetzung "bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung" müsste die Klägerin danach spätestens am 31. Januar 1992 erwerbsunfähig gewesen sein, um unter Verzicht auf die Dreifünftelbelegung einen Rentenanspruch zu haben.

Die Klägerin war aber Ende Januar 1992 nicht voll erwerbsgemindert. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin konnte Ende Januar 1992 zumindest noch leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen, in Tagschicht, in wechselnden Körperhaltungen, ohne Zwangshaltungen, mit Heben und Tragen bis maximal 5 kg, ohne Temperaturschwankungen, ohne Nässe und Zugluft, ohne Arbeiten im Freien unter weitestgehender Vermeidung von Staub, Gasen, Dämpfen und Rauch, nicht an laufenden Maschinen, auf Gerüsten und Leitern, ohne Zeitdruck, ohne Akkord- und Fließbandarbeit sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Wegen eines Raynaud-Phänomens war die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände eingeschränkt, jedoch waren z. B. leichte Sortierarbeiten und Büroarbeiten möglich.

Diese Leistungseinschätzung des Gutachters Prof. Dr. M. ist für den Senat nachvollziehbar und schlüssig. Die bei der Klägerin 1992 bestehende Mischkollagenose befand sich in der Frühphase. Die daraus resultierenden Symptome führten sicher zu einer Einschränkung der qualitativen Leistungsfähigkeit, eine quantitative Einschränkung lässt sich mit den beschriebenen Symptomen aber nicht ohne weiteres begründen. Der Gutachter konnte sich aufgrund der eingeholten Unterlagen auch ein abschließendes Bild über den Gesundheitszustand der Klägerin machen. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass er den Sachverhalt für geklärt hält und stellt dabei auf die lückenlose Dokumentation durch die Hausärztin der Klägerin ab.

Die Klägerin hat wegen des mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI. Auch hier käme, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen denen einer Rente bei voller Erwerbsminderung entsprechen, eine Rentengewährung nur in Frage, wenn der Leistungsfall bis zum 31. Januar 1992 eingetreten wäre.

Auch ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1 SGB VI besteht nicht. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Wegen gleichlautender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen müsste auch hier der Leistungsfall spätestens am 31. Januar 1992 eingetreten sein. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Da die Klägerin noch Büroarbeiten ausüben konnte, wie der Gutachter Prof. Dr. M. eingeschätzt hat, zweifelt der Senat nicht daran, dass die Klägerin auch noch ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Sachbearbeiterin ausüben konnte. Bei der Tätigkeit einer Sachbearbeiterin handelt es sich regelmäßig um eine Tätigkeit, die in Büroräumen ausgeübt wird (siehe z. B. Arbeitsbedingungen einer Devisensachbearbeiterin, EDV-Sachbearbeiterin, Personalsachbearbeiterin in www.berufenet.de). Die Einschätzung des Gutachters, dass die Klägerin noch Büroarbeiten verrichten kann, ist im Übrigen in Hinsicht auf das durch den Gutachter mitgeteilte positive Leistungsbild der Klägerin nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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