Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6/8 U 1/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 154/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 werden aufgehoben. Es wird gegenüber der Beigeladenen festgestellt, dass die Schwerhörigkeit des Klägers ab 14. September 1993 eine Lärmschwerhörigkeit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist. Die Beigeladene hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen und das Vorverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Hörverlustes als Berufskrankheit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1942 geborene Kläger erlernte in der Zeit vom 1. September 1957 bis 31. August 1960 den Beruf des Klempners und Installateurs bei der Firma S. in S. und war dort anschließend bis zum 9. Oktober 1960 beschäftigt. Vom 10. Oktober 1960 bis 28. Juni 1961 war er in der Kupfer- und Kesselschmiede des VEB Z. S mit Reparaturarbeiten an der Maschinenanlage beschäftigt. Anschließend übte er Tätigkeiten in der Rohrverlegung sowie mit Presslufthämmern beim VEB E. M bis zum 17. April 1963 aus. Nach einer Inhaftierung aus politischen Gründen nahm er am 1. November 1963 seine Tätigkeiten beim VEB E. M wieder auf. Vom 1. Mai 1967 bis 10. November 1968 leistete er seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ab und setzte anschließend bis zum 28. Februar 1969 seine Tätigkeiten beim VEB E. M fort. Vom 1. März 1969 bis 18. Mai 1972 war er bei der Firma B. als Schlosser tätig. Diese Tätigkeit setzte er bei dem Rechtsnachfolger, dem VEB Elektroofenbau, in der Zeit vom 19. Mai 1972 bis 3. August 1975 fort. Vom 4. August 1975 bis 31. Dezember 1984 und vom 1. April 1985 bis 30. November 1987 war er mit der Wartung und Instandhaltung von Gaskesselanlagen bei dem VEB Gebäudewirtschaft S. beschäftigt. Anschließend verlegte er seinen Wohnsitz nach Nordrhein-Westfalen. Dort war er vom 3. Dezember 1987 bis 30. April 1988 zunächst arbeitslos und nahm am 1. Mai 1988 eine Tätigkeit als Produktionsschlosser bei der Firma K. GmbH in H auf. Es folgten Tätigkeiten als Reparaturschlosser bei der Firma W. jr. in H vom 26. Januar 1989 bis 31. Mai 1991 und der Firma E ... und C. in H vom 1. Juni 1991 bis 16. April 1993. Nachdem er bis zum 14. September 1993 arbeitslos war, übte er vom 15. September bis 31. Dezember 1993 eine Tätigkeit als Betriebsarbeiter (Bedienen eines Aschekrans) bei der Stadt Hagen im Entsorgungsbetrieb aus. Anschließend war er wiederum arbeitslos. Im Jahr 1997 verlegte er seinen Wohnsitz nach S ... Vom 1. Dezember 1997 bis zum 30. November 1998 war er als Reparaturschlosser bei der Firma J. Landschaftssanierung GmbH in S. tätig. Diese Tätigkeit stellte er infolge eines Arbeitsunfalls am 15. Januar 1998 ein. Seit dem 15. Juli 1999 bezog er eine Berufsunfähigkeitrente.
Am 11. Oktober 1999 zeigten die HNO-Ärzte und Allergologen Dres. S. der Beigeladenen eine Lärmschwerhörigkeit des Klägers als Berufskrankheit an. Als Diagnose gaben sie eine Schallempfindungsstörung beidseits an. Sie fügten ein Tonaudiogramm vom 26. April 1999 und ein Sprachaudiogramm vom 8. Juli 1999 bei.
Die Beigeladene holte Unterlagen zur Tätigkeit und Lärmexposition am Arbeitsplatz des Klägers ein. Unter dem 3. Februar 2000 teilte die Stadt H (H GmbH) mit, am Arbeitsplatz des Klägers habe der RW TÜV E Lärmmessungen durchgeführt, die zu keinen Beanstandungen geführt hätten.
Mit Datum vom 11. Mai 2000 teilte die Präventionsabteilung Fachstelle "Lärm" der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschaft mit, die Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz des Klägers in den Betrieben der Firma K. GmbH und W jr. GmbH habe bei 80 dB (A) bzw. 81 dB (A) gelegen. Die Lärmeinwirkung bei der Firma E. + C GmbH, deren Betrieb eingestellt worden sei, habe sie nach Aktenlage mit 78 dB(A) ermittelt. Die angegebenen Beurteilungspegel lägen in einem Schwankungsbereich von +-3 dB (A). Unter dem 19. Juni 2000 teilte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Unfallkasse Sachsen-Anhalt der Beigeladenen mit, der Kläger sei während seiner Beschäftigung bei der Firma J. L GmbH in S. nicht lärmexponiert gewesen. Unter dem 27. Juni 2000 erhielt die Beigeladene die Mitteilung des Gemeindeunfallversicherungsverbandes Westfalen Lippe, der Tagesbeurteilungspegel für Lärm während der Beschäftigung des Klägers in den Hagener Entsorgungsbetrieben habe deutlich unter 85 dB(A) gelegen. Mit Datum vom 8. November 2000 teilte der TAD der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft mit, der Kläger sei während seiner Beschäftigungszeit von Juli 1961 bis April 1963 und von November 1963 bis April 1967 einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 90 bis 95 dB(A) und von November 1968 bis Februar 1969 von 87 bis 92 dB (A) ausgesetzt gewesen. Unter dem 24. August 2000 ergänzte er, der Lärmbeurteilungspegel für die Beschäftigung von August 1975 bis Dezember 1984 und von April 1985 bis November 1987 liege unter 84 dB(A). Mit Datum vom 11. April 2001 teilte der Rechtsvorgänger der Beklagten, die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (einheitlich Beklagte genannt) der Beigeladenen mit, der Kläger sei beim VEB Energieversorgung M. sowie beim VEB Elektroofenbau S. in der Zeit vom 1. Juli 1961 bis 28. Februar 1969 und vom 1. März 1969 bis 3. August 1975 einer Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit der Nr. 2301 ausgesetzt gewesen. Mit Datum vom 30. April 2001 übernahm sie die weitere Bearbeitung des Falles und zog weitere Befundberichte behandelnder Ärzte bei. Sie erhielt den Bescheid der Unfallkasse Sachsen-Anhalt vom 20. November 2000, wonach diese dem Kläger aus dem Arbeitsunfall vom 15. Januar 1998 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. bewilligt hatte.
Mit Bescheid vom 21. September 2001 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil eine Berufskrankheit nicht vorliege. Der Kläger sei zwar bis zum 3. August 1975 beruflich gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen. Zwischen der bestehenden Hörstörung und der Lärmexposition bestehe jedoch kein ursächlicher Zusammenhang. Auch liege keine Lärmschwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung im Sinne der Nr. 50 BKVO-DDR vor. Hiergegen erhob der Kläger am 26. September 2001 Widerspruch und begründete diesen damit, dass das der Entscheidung zugrunde gelegte Berufsbild seinen Tätigkeiten vom 4. August 1975 bis 30. November 1987 nicht entspreche. Die Lärmeinwirkungen an den Arbeitsplätzen der Firmen K, W jr. und E + C GmbH hätten über dem Erlaubten gelegen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2001 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Kläger habe eine gehörschädigende Lärmeinwirkung für Tätigkeiten nach dem 3. August 1975 nicht nachgewiesen.
Mit der am 2. Januar 2002 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung seiner Hörstörung als Berufskrankheit weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, die Lärmbelästigung in dem Zeitraum von 1975 bis 1987 sei erheblich größer gewesen als zuvor. Sein Büro habe sich unmittelbar im Heizhaus neben der Heizanlage, den Pumpen und den Kesseln befunden.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der Dres. S. vom 2. April 2002 eingeholt. Darin haben diese eine Schallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus des Klägers beidseits sowie eine Septumdeviation diagnostiziert. Beigefügt waren Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999, 26. April 1999 und vom 11. Januar 2002 sowie Sprachaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 8. Juli 1999.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat Dr. S. einen Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 6. August 2002 unter Beifügung eines Ton- sowie Sprachaudiogramms vom 25. Februar 1999 erstattet. Danach habe sich nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser (1980) auf beiden Ohren kein prozentualer Hörverlust ergeben. Der Kläger hat dem Sozialgericht das Schreiben der RW TÜV-A GmbH vom 16. September 1993 vorgelegt, wonach die arbeitsmedizinische Untersuchung vom 14. September 1993 eine Hochtonhörminderung beidseits ergeben habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Auskunft des TAD stehe fest, dass der Kläger während seiner Beschäftigung im Zeitraum von Juli 1961 bis August 1975 einem Schallpegel über 85 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger erfülle jedoch nicht die Voraussetzung eine Schwerhörigkeit von sozialer Bedeutung im Sinne der Nr. 50 BKVO-DDR. Der Hörverlust erreiche nicht den Wert von 20 vom Hundert (v. H.). Die Ermittlungen der TADe zur Höhe des Beurteilungspegels seien nicht zu beanstanden. Soweit die Unternehmen nicht mehr existierten, könne auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.
Gegen den am 25. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. September 2004 vor dem Sozialgericht "Widerspruch" eingelegt. Das Sozialgericht hat diesen Widerspruch dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zugeleitet.
Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, er sei während seiner Tätigkeit in der Gebäudewirtschaft einem viel höheren Lärmpegel ausgesetzt gewesen, als es in den vorherigen Betrieben der Fall gewesen sei. Die Werkstatt habe direkt neben dem Heizhaus, wo große Gaskessel, Kompressoren und Pumpen betrieben worden seien, gestanden. Die Ermittlungen des TAD seien oberflächlich und vom Schreibtisch aus gefertigt, ohne einen Betrieb aufzusuchen und ohne ihn zu befragen. Die angegebenen dB(A) seien frei erfunden. Bei den Firmen Kl und W jr. sowie der Firma E. + C habe er überwiegend Richtarbeiten mit dem großen Vorschlaghammer getätigt (Blechteile). Dies sei völlig außer Acht gelassen worden. Man könne hier wohl keinen Erfahrungswert heranziehen, denn die Firmen hätten zu niedrige Decken und einen verhältnismäßig lauten Maschinenpark gehabt.
Er leide an einer hochgradigen Lärmschwerhörigkeit beidseits. An Tinnitus leide er bereits seit Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten. Das Verhalten von Dr. S. sei widersprüchlich, wenn er ihm einerseits ein Hörgerät verschreibe und andererseits die Schwerhörigkeit mit Null Prozent angebe. Sein Vorwurf der Aggravation sei eine Frechheit. Dr. S. habe eine Nachkalibrierung seines Audiogramms nach dem Eichgesetz nicht nachgewiesen. Der Kläger hat ferner vorgetragen, die im Berufungsverfahren als Sachverständige gehörte Dr. R. habe mehrfach gegen das Königsteiner Merkblatt verstoßen. So habe sie telefonisch eine Korrektur des Tonaudiogramms bei Dr. S. abgefragt und das Ergebnis nachgetragen, obgleich dies gegen das Königsteiner Merkblatt verstoße. Auch habe sie den Tinnitus nicht bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit hinzugerechnet, obgleich das Merkblatt dies vorsehe. Ferner sei der sprachaudiometrische Befund in der Regel die wichtigste Grundlage für die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dem sei nicht gefolgt worden. Ein altersentsprechendes Fortschreiten der Schwerhörigkeit sei auch nach dem Ende der Lärmexposition möglich. Schließlich sei der Befundbericht von Dr. P. nicht ausreichend gewürdigt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 aufzuheben und festzustellen, dass seine Schwerhörigkeit mit Wirkung vom 14. September 1993 eine Lärmschwerhörigkeit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klage gegen die Beklagte gerichtet ist.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, nachdem die Präventionsabteilung der Beigeladenen eine Lärmexposition bis zum 16. April 1993 festgestellt habe, sei ihre Zuständigkeit nicht mehr gegeben.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie geht davon aus, die zuständige Berufsgenossenschaft zu sein. Es käme allenfalls eine Anerkennung der Berufskrankheit dem Grunde nach Betracht.
Das LSG hat Befundberichte von Dres. S. beigezogen. Unter dem 2. Februar 2005 berichteten diese, im Tonaudiogramm aus Februar 1999 seien die Kurven für Luft- und Knochenleitung beider Ohren parallel verlaufen und ohne Abstand zueinander. Die Kurven seien beiderseits bei 10 dB verlaufen und seien rechts bei 3000 Hz auf 50 dB und links bei 2000 Hz auf 60 dB abgesunken. Das Sprachaudiogramm habe ein Wortverstehen von 50 Prozent für mehrsilbige Zahlwörter bei 35 dB beidseits ergeben. Beim Einsilbertest sei es bei 60 dB rechts zu einer Verständlichkeit von 75 % und links zu 60 % gekommen. Bei 80 dB habe der Kläger links 90 %, und rechts 100 % verstanden. Bei 100 dB habe der Wert jeweils bei 100 % gelegen. Der Hörverlust liege nach Röser bei null %. Demgegenüber habe der prozentuale Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm vom selben Tag beidseits 40 % betragen. Dieser hohe Prozentsatz beim Zahlwortverstehen passe nicht zu dem Tonaudiogramm. Dieser Befund sei untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Ursache könne eine zentrale Hörstörung sein oder in der Aggravation des Klägers liegen.
Die Beklagte hat dem Landessozialgericht die Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit vom Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. P. vom 19. Juli 2004 sowie das Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 vorgelegt.
Der Senat hat ferner die Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der M-L-Universität H.-W und Fachärztin für HNO-Heilkunde, Phoniatrie/Pädaudiologie Dr. R. mit der Erstattung des Gutachtens vom 15. September 2006 beauftragt. Dr. R. ist nach Auswertung des Tonaudiogramms vom 25. Februar 1999 unter Berücksichtigung der telefonischen Ergänzungen der Dres. S. zu einem Hörverlust des Klägers beidseits von null Prozent gelangt. Das Tonaudiogramm vom 26. April 1999 zeige einen Hörverlust zwischen 10 und 15 Prozent. Bis zum 11. Januar 2002 sei das Hörvermögen gering abgefallen. Der weit höhere Hörverlust aus den Sprachaudiogrammen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lärmbedingt. Hier seien lärmunabhängige Komponenten, wie sie sich aus dem psychiatrisch-neurologischen Befund ergäben, zu vermuten. Auch nach dem Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 bestehe nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 ein Hörverlust rechts von 25 Prozent und links von 30 Prozent mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 15 v. H ...
Die Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 26. April 1999 zeigten zwar ein typisches Schadensbild einer Lärmschwerhörigkeit. Dies sei aber den Sprachaudiogrammen nicht zu entnehmen. Insbesondere sei das schlechte Zahlenverstehen, dass den tief frequenten Bereich repräsentiere, für eine Lärmschwerhörigkeit untypisch. Aus dem Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 und vom 26. April 1999 ergäbe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 0 v. H ...
Auf Nachfrage des Landessozialgerichtes hat die Präventionsabteilung der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft unter dem 16. Oktober 2008 mitgeteilt, die Ermittlung bei der Firma S. E + C habe nicht vor Ort erfolgen können, da die Firma zum Zeitpunkt der Ermittlung nicht mehr existiert habe bzw. aus dem Mitgliedsverzeichnis gelöscht worden sei. In derartigen Fällen griffen die Mitarbeiter auf die Auskünfte des Versicherten und Erfahrungen aufgrund früherer Ermittlungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zurück. Des Weiteren lägen Lärmkataster vergleichbarer Arbeitsplätze vor. Da bei der Firma K. vor Ort ermittelt worden sei, seien Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung nicht berechtigt. Auch seien den Mitarbeitern die räumlichen Verhältnisse bekannt gewesen.
Der Senat hat ferner die Präventionsabteilung der Beigeladenen zur Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 veranlasst, wonach der Kläger bei der Firma K. GmbH, der Firma W. GmbH und der Service E & C GmbH in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 einer Lärmexposition von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2010 hat das Landessozialgericht die Beigeladene notwendig am Verfahren beteiligt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten mit der Nummer hat in der Verhandlung vorgelegen und war Gegenstand der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der beim Sozialgericht erhobene Widerspruch gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 ist als Einlegung der Berufung anzusehen. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.
Der Anspruch richtet sich nunmehr noch gegen die Beklagte als Rechtsnachfolger der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik sowie die Beigeladene.
Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte als unzuständige Berufsgenossenschaft den Anspruch des Klägers auf Anerkennung der Berufskrankheit abgelehnt hat.
Gemäß § 134 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist im Falle einer Berufskrankheit bei der Ausübung einer gefährdenden Tätigkeit für mehrere Unternehmen diejenige Berufsgenossenschaft zuständig, in deren Versicherungsbereich die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde. Der Kläger war nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen bis zur Beendigung der Tätigkeit bei der Firma E ... und C. GmbH am 16. April 1993 einer Lärmexposition ausgesetzt. Dieses Unternehmen gehört unfallversicherungsrechtlich zur Zuständigkeit der Beigeladenen. Aus der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten vom 1. April 1994 in der Fassung vom 1. Januar 1997, Stand 12/2008 (abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, F 1, S. 1 ff.) ergibt sich keine hiervon abweichende Zuständigkeit.
Da die Beklagte für eine Entscheidung über die Anerkennung einer Berufskrankheit unzuständig ist, greift der Bescheid vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 in unzulässiger Weise in die Rechte des Klägers ein.
Der Kläger hat gegenüber der Beigeladenen als der nach § 134 Satz 1 SGB VII zuständigen Berufsgenossenschaft einen Anspruch auf Anerkennung seiner ab dem 14. September 1993 bestehenden Schwerhörigkeit als Lärmschwerhörigkeit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV.
Anzuwenden sind hier noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Denn der dem Begehren des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall einer Berufskrankheit ist noch vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff.; §§ 212 ff. SGB VII). Die RWTÜV Anlagentechnik GmbH hat am 14. September 1993 bei der arbeitsmedizinischen Einstellungsuntersuchung des Klägers eine Hochtonhörminderung beidseits festgestellt.
Nach § 551 Abs 1 Satz 2 RVO sind Berufskrankheiten die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540 bis 545 RVO) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs 1 Satz 3 RVO. In Betracht kommt hier die Berufskrankheit der Nr. 2301 - Lärmschwerhörigkeit. Die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 setzt voraus, dass der Versicherte während der Ausübung versicherter Tätigkeit Lärm ausgesetzt war und diese Einwirkung eine Schwerhörigkeit verursacht hat. Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes müssen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein. Dies bedeutet, dass das erkennende Gericht zu der vollen Überzeugung hinsichtlich dieser behaupteten ansprucherheblichen Tatsachen gelangen muss. Erforderlich ist, dass der Senat die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also in einem so hohen Grade für wahrscheinlich hält, dass keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr 2).
In diesem Sinne ist zunächst eine Schwerhörigkeit des Klägers vollbeweislich gesichert. Die RW TÜV-A GmbH hat am 14. September 1993 bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung des Klägers eine Hörminderung im Hochtonbereich festgestellt. Einzelheiten zu dem Tonaudiogramm liegen jedoch nicht vor. Die Sachverständige Dr. R. bestätigt diesen Befund nach Auswertung der Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 26. April 1999. Nach ihren Ausführungen zeigt das Tonaudiogramm vom 11. Januar 2002 eine geringgradige Schwerhörigkeit. Danach lag der Hörverlust des Klägers beidseits für Knochenleitung bei 15 % sowie für Luftleitung rechts bei 25 % und links bei 20 %. Nach dem Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 liegt bei dem Kläger ein Hörverlust von rechts 25 % und links 30 % vor.
Der Kläger war während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeiten einer für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2301 erforderlichen Lärmexposition ausgesetzt. Dabei gelten die in der ehemaligen DDR erbrachten Tätigkeiten vom 1. September 1957 bis 30. November 1987, mit Ausnahme der Zeit der Inhaftierung vom 18. April 1963 bis 17. Oktober 1963 sowie die Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 18. Oktober 1963 bis 31. Oktober 1963, 1. Januar 1985 bis 31. März 1985, als versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO. In der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. Dezember 1993 war der Kläger Beschäftigter im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO und in der Zeit vom 1. Dezember 1997 bis 30. November 1998 Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Eine ausreichende Lärmexposition liegt bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB (A) und lang andauernder Einwirkung vor. Bei dieser Exposition besteht für die Beschäftigten die Gefahr einer Gehörschädigung. Gehörschäden werden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 dB (A) erreicht oder überschreitet. Bei sehr hohen Lautstärken sind bleibende Gehörschäden auch schon nach wenigen Tagen oder Wochen möglich. Geräusche, bei denen Frequenzen über 1000 Hz vorherrschen, und schlagartige Geräusche hoher Intensität sind für das Gehör besonders gefährlich. Wirken Schallereignisse auf das Ohr oberhalb eines Lärmexpositionspegels von 137 dB (A) ein, ist innerhalb von wenigen Millisekunden eine mechanische Zerstörung der Haarzellen des Innenohres möglich (Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Berufskrankheit der Nr. 2301, Bekanntmachung vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798, veröffentlicht in Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 1 f.). Demgegenüber schwankt die Lärmempfindlichkeit individuell und führt bei einer Lärmexposition unterhalb von 85 dB (A) nicht zu einem Gehörschaden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, Nr. 7.3.3.2.2, S. 328). Lärm führt zunächst im Innenohr zu einer Ermüdung der Sinneszellen der unteren Schneckenwindung mit der Folge einer Vertäubung, die aber durch ausreichende Lärmpausen reversibel ist. Ist die Erholungsmöglichkeit nicht mehr gegeben, kommt es zu einem Dauerschaden durch Stoffwechselerschöpfung und nachfolgendem Tod der Haarzellen. Das Ausmaß des Lärmschadens nimmt mit der Dauer der Lärmexposition und mit der Lärmintensität zu (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 4).
Nach den Ermittlungen des TAD der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft ist der Kläger vom 1. Juli 1961 bis 3. August 1975, unterbrochen durch eine Inhaftierung und dem Ableisten des Grundwehrdienstes bei der NVA, gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen. Der Kläger war in der Zeit vom 1. Juli 1961 bis 30. April 1967 zwischen 90 dB (A) und 95 dB (A) und in der Zeit vom 11. November 1968 bis 28. Februar 1969 einem Tages-Lärmexpositionspegel (früher als Beurteilungspegel bezeichnet) am Arbeitsplatz zwischen 87 dB (A) und 92 dB (A) ausgesetzt. Dies stimmt im Ergebnis auch mit den Ermittlungen des TAD der Beklagten überein, der für die Tätigkeiten des Klägers beim VEB EVM einen Beurteilungspegel über 85 dB (A) ermittelt hat. Für die Tätigkeiten bei der Firma B. bzw. deren Rechtsnachfolger, dem VEB Elektroofenbau, vom 1. März 1969 bis 3. August 1975 hat er einen Lärmexpositionspegel von mehr als 85 dB (A) ermittelt und ist von einer Lärmgefährdung ausgegangen.
Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen vom 10. Dezember 2009 war der Kläger schließlich während der Beschäftigungen bei den Firmen K GmbH, W GmbH und S E & C GmbH in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 einer Lärmexposition von 90 dB (A) ausgesetzt. Damit hat in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 eine ausreichende Lärmexposition im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 vorgelegen.
Demgegenüber hat der TAD der Beklagten für die Tätigkeiten des Klägers beim VEB Gebäudewirtschaft in der Zeit vom 4. August 1975 bis 31. Dezember 1984 und vom 1. April 1985 bis 30. November 1987 einen Tages-Lärmexpositionspegel unter 84 dB(A) ermittelt. Anhaltspunkte für einen darüber hinaus anzunehmenden Tages-Lärmexpositionspegel bestehen nicht.
Auch für Zeiten nach dem 16. April 1993 ist keine Lärmexposition nachgewiesen. Die Firma H. GmbH, bei der der Kläger in der Zeit vom 15. September 1993 bis 31. Dezember 1993 beschäftigt war, hat unter dem 3. Februar 2000 der Beklagten mitgeteilt, dass der RWTÜV Essen 1994 und 1995 Messungen am Arbeitsplatz durchgeführt hat, die "in Ordnung" gewesen seien. Nach den Ermittlungen des Dr.-Ing ... N des Gemeindeunfallversicherungsverbandes im Betrieb am 25. Mai 2000 bestanden die Tätigkeiten des Klägers aus dem Kranführen bei der Schlackeverladung mit 4 Stunden pro Tag, der Bedienung des Verladerüssels für Filterstaub mit 1,5 Stunden pro Tag und der manuellen Bodenreinigung der Verladestelle und des Kellers mit 1 Stunde pro Tag. Aus den Arbeitsplatzanalysen der Müllverbrennungsanlage waren laut Dr.-Ing ... N die Tagesbeurteilungspegel des Arbeitsplatzes des Klägers bekannt, die unterhalb von 85 dB (A) gelegen haben.
Auch der TAD der Unfallkasse Sachsen-Anhalt hat für die Beschäftigungszeit bei der Firma J. L GmbH vom 1. Dezember 1997 bis 15. Januar 1998 keine Lärmexposition im Sinne der GUV 9.20 (heute GUV-V B3) festgestellt. Nach § 2 Abs. 2 der GUV 9.20 (veröffentlicht unter https://www.presys.de/content/external/ ubmedia/guv920/guv920.2) wurde ein Beurteilungspegel ab 85 dB (A) bei achtstündigem konstantem Geräusch als gehörschädigend angesehen. Damit hat auch der TAD der Unfallkasse eine Lärmexposition von 85 dB (A) und mehr am Arbeitsplatz des Klägers bei der Jutze Landschaftssanierung ausgeschlossen.
Die seit dem 14. September 1993 bestehende Schwerhörigkeit ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Lärmexposition während der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten bis 16. April 1993 ursächlich zurückzuführen.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht.
Unter Anwendung dieser Grundsätze spricht mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang.
Die Schwerhörigkeit des Klägers zeigt zunächst das typische Schadensbild einer Lärmschwerhörigkeit. Die Lärmschwerhörigkeit ist eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit, hingegen keine Schalleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung des höheren, später erst die der mittleren und evtl. der tieferen Töne beeinträchtigt. Im Tonaudiogramm stimmen die Hörschwellenkurven für Luft- und Knochenleitung in den messtechnisch bedingten Grenzen überein. Die chronische Schwerhörigkeit tritt immer doppelseitig auf, jedoch nicht unbedingt symmetrisch. Die beginnende Gehörschädigung durch Lärm zeichnet sich im Tonaudiogramm durch typischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4.000 Hz (sog. c5-Senke) aus. Die Hochtonstörung kann über einen längeren Zeitraum überwiegen. Der Hauptsprachbereich wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Rekruitment) spricht für eine Schädigung durch Lärm. Differentialdiagnostisch ist eine Schallleitungs-Schwerhörigkeit auszuschließen, die durch eine Differenz von mehr als 10 dB zwischen Luft- und Knochenleitung in mehreren Frequenzen gekennzeichnet ist (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 4 f.).
Dr. R. hat in diesem Sinne eine typische Lärmschwerhörigkeit des Klägers beschrieben. Der Kläger leidet an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Eine Schallleitungsstörung lässt sich anhand der Luft- und Knochenleitung im Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 ausschließen. Die Differenz zwischen Luft- und Knochenleitung beträgt dort weniger als 10 dB. Das Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 weist auch die typische Form einer Tonschwellenkurve mit einem Hochtonabfall bei 60 dB ab 4.000 Hz beidseits annähernd symmetrisch auf. Dr. R. hat zudem ein positives Rekruitment festgestellt. Die im ersten Tonschwellenaudiogrammen vom 25. Februar 1999 ausgewiesene Hörstörung ist daher mit der Annahme einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar.
Der Kläger war auch über einen längeren Zeitraum beruflich gehörgefährdendem Lärm ausgesetzt. Für mindestens 17 Jahre seiner Beschäftigungszeit ist eine Lärmexposition über 85 dB (A), überwiegend sogar oberhalb von 90 dB (A), vollbeweislich gesichert. Mit der Dauer und der Stärke der Lärmexposition nimmt die Gefahr eines Hörschadens zu.
Für einen Ursachenzusammenhang spricht schließlich die in zeitlichem Zusammenhang zur Lärmexposition aufgetretene Hörstörung. So hat der RW TÜV bereits am 14. September 1993, kurz nach dem Ausscheiden des Klägers aus der letzten lärmexponierten Tätigkeit, eine Hochtonhörminderung beidseits festgestellt. Zwar liegt kein Tonaudiogramm für diesen Zeitpunkt vor. Bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung am 14. September 1993 im Arbeitsmedizinischen Zentrum Hagen ging es aber um eine "Einstellungsuntersuchung" zur Beschäftigung als Kesselwärter. Es kann unterstellt werden, dass die Beschäftigten des Arbeitsmedizinischen Zentrums die einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Mess-Verfahren zur Feststellung einer Hochtonhörschädigung kennen. Der Senat hat daher keine Veranlassung, an dem Ergebnis zu zweifeln. Andere Ursachen für diese Hochtonminderung sind nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen von Dr. R. hat der Hörverlust im April 1999 noch zwischen 10 % und 15 % für Knochen- und Luftleitung gelegen. Bis zum Jahr 2002 war er nur gering abgefallen. Die Hochtonhörminderung ist deshalb nicht ursächlich auf eine fortschreitende altersbedingte Schwerhörigkeit zurück zu führen.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der am 25. Februar 1999 durch das erste verfügbare Tonaudiogramm festgestellte Hörschaden ursächlich noch auf die Lärmexposition bis 1993 zurückzuführen ist. Dr. R. hat neben einer Hochtonhörminderung keinen erheblichen Hörverlust auf beiden Ohren ausgemacht. Nach dem Tonaudiogramm ist die Hörstörung noch als Normalhörigkeit einzustufen. Ob sich der Zustand beider Ohren seit dem 14. September 1993 verschlechtert hat, kann ohne vergleichende Tonaudiogramme nicht festgestellt werden. Die aber weitgehend unveränderte Hörstörung am 25. Februar 1999 lässt sich daher noch der Lärmexposition ursächlich zurechnen.
Ob die in den Tonaudiogrammen vom 11. Januar 2002 und 9. Juli 2004 erkennbare fortgeschrittene Schwerhörigkeit ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen ist, kann dahingestellt bleiben. Für die Feststellung eines Gesundheitserstschadens zur Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2301 ist der zeitliche Verlauf nach Februar 1999 irrelevant. Folgeschäden sind lediglich bei der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen.
Der Senat teilt die im Übrigen erhobenen Einwände des Klägers gegen das Gutachten von Dr. R. nicht, soweit diese dem Streitgegenstand nach von Belang sind. Auf die Sprachaudiogramme kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Mit der nachgewiesenen Exposition bis April 1993 geht es in der Hauptsache nicht mehr um die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit nach der Nr. 50 BKVO-DDR, die einen Körperschaden von 20 % voraussetzt. Daher kommt es für die Anerkennung der Berufskrankheit auch nicht mehr auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit an.
Schließlich ist die Beigeladene die für die Anerkennung der Berufskrankheit der Nr. 2301 zuständige Berufsgenossenschaft, weil die letzte Lärmexposition am 16. April 1993 in einem Unternehmen welches zur Zuständigkeit der Beigeladenen gehört, erfolgt ist. Die Verurteilung der Beigeladenen konnte nach § 75 Abs. 5 SGG erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beigeladene hat durch die im Verwaltungsverfahren fehlerhafte Ermittlung der Expositionszeiten bei den zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörenden Unternehmen zur Klageerhebung gegen die Beklagte beigetragen. Es ist daher gerechtfertigt, dass sie die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen und des Vorverfahrens trägt
Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Hörverlustes als Berufskrankheit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1942 geborene Kläger erlernte in der Zeit vom 1. September 1957 bis 31. August 1960 den Beruf des Klempners und Installateurs bei der Firma S. in S. und war dort anschließend bis zum 9. Oktober 1960 beschäftigt. Vom 10. Oktober 1960 bis 28. Juni 1961 war er in der Kupfer- und Kesselschmiede des VEB Z. S mit Reparaturarbeiten an der Maschinenanlage beschäftigt. Anschließend übte er Tätigkeiten in der Rohrverlegung sowie mit Presslufthämmern beim VEB E. M bis zum 17. April 1963 aus. Nach einer Inhaftierung aus politischen Gründen nahm er am 1. November 1963 seine Tätigkeiten beim VEB E. M wieder auf. Vom 1. Mai 1967 bis 10. November 1968 leistete er seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ab und setzte anschließend bis zum 28. Februar 1969 seine Tätigkeiten beim VEB E. M fort. Vom 1. März 1969 bis 18. Mai 1972 war er bei der Firma B. als Schlosser tätig. Diese Tätigkeit setzte er bei dem Rechtsnachfolger, dem VEB Elektroofenbau, in der Zeit vom 19. Mai 1972 bis 3. August 1975 fort. Vom 4. August 1975 bis 31. Dezember 1984 und vom 1. April 1985 bis 30. November 1987 war er mit der Wartung und Instandhaltung von Gaskesselanlagen bei dem VEB Gebäudewirtschaft S. beschäftigt. Anschließend verlegte er seinen Wohnsitz nach Nordrhein-Westfalen. Dort war er vom 3. Dezember 1987 bis 30. April 1988 zunächst arbeitslos und nahm am 1. Mai 1988 eine Tätigkeit als Produktionsschlosser bei der Firma K. GmbH in H auf. Es folgten Tätigkeiten als Reparaturschlosser bei der Firma W. jr. in H vom 26. Januar 1989 bis 31. Mai 1991 und der Firma E ... und C. in H vom 1. Juni 1991 bis 16. April 1993. Nachdem er bis zum 14. September 1993 arbeitslos war, übte er vom 15. September bis 31. Dezember 1993 eine Tätigkeit als Betriebsarbeiter (Bedienen eines Aschekrans) bei der Stadt Hagen im Entsorgungsbetrieb aus. Anschließend war er wiederum arbeitslos. Im Jahr 1997 verlegte er seinen Wohnsitz nach S ... Vom 1. Dezember 1997 bis zum 30. November 1998 war er als Reparaturschlosser bei der Firma J. Landschaftssanierung GmbH in S. tätig. Diese Tätigkeit stellte er infolge eines Arbeitsunfalls am 15. Januar 1998 ein. Seit dem 15. Juli 1999 bezog er eine Berufsunfähigkeitrente.
Am 11. Oktober 1999 zeigten die HNO-Ärzte und Allergologen Dres. S. der Beigeladenen eine Lärmschwerhörigkeit des Klägers als Berufskrankheit an. Als Diagnose gaben sie eine Schallempfindungsstörung beidseits an. Sie fügten ein Tonaudiogramm vom 26. April 1999 und ein Sprachaudiogramm vom 8. Juli 1999 bei.
Die Beigeladene holte Unterlagen zur Tätigkeit und Lärmexposition am Arbeitsplatz des Klägers ein. Unter dem 3. Februar 2000 teilte die Stadt H (H GmbH) mit, am Arbeitsplatz des Klägers habe der RW TÜV E Lärmmessungen durchgeführt, die zu keinen Beanstandungen geführt hätten.
Mit Datum vom 11. Mai 2000 teilte die Präventionsabteilung Fachstelle "Lärm" der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschaft mit, die Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz des Klägers in den Betrieben der Firma K. GmbH und W jr. GmbH habe bei 80 dB (A) bzw. 81 dB (A) gelegen. Die Lärmeinwirkung bei der Firma E. + C GmbH, deren Betrieb eingestellt worden sei, habe sie nach Aktenlage mit 78 dB(A) ermittelt. Die angegebenen Beurteilungspegel lägen in einem Schwankungsbereich von +-3 dB (A). Unter dem 19. Juni 2000 teilte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Unfallkasse Sachsen-Anhalt der Beigeladenen mit, der Kläger sei während seiner Beschäftigung bei der Firma J. L GmbH in S. nicht lärmexponiert gewesen. Unter dem 27. Juni 2000 erhielt die Beigeladene die Mitteilung des Gemeindeunfallversicherungsverbandes Westfalen Lippe, der Tagesbeurteilungspegel für Lärm während der Beschäftigung des Klägers in den Hagener Entsorgungsbetrieben habe deutlich unter 85 dB(A) gelegen. Mit Datum vom 8. November 2000 teilte der TAD der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft mit, der Kläger sei während seiner Beschäftigungszeit von Juli 1961 bis April 1963 und von November 1963 bis April 1967 einem personenbezogenen Beurteilungspegel von 90 bis 95 dB(A) und von November 1968 bis Februar 1969 von 87 bis 92 dB (A) ausgesetzt gewesen. Unter dem 24. August 2000 ergänzte er, der Lärmbeurteilungspegel für die Beschäftigung von August 1975 bis Dezember 1984 und von April 1985 bis November 1987 liege unter 84 dB(A). Mit Datum vom 11. April 2001 teilte der Rechtsvorgänger der Beklagten, die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (einheitlich Beklagte genannt) der Beigeladenen mit, der Kläger sei beim VEB Energieversorgung M. sowie beim VEB Elektroofenbau S. in der Zeit vom 1. Juli 1961 bis 28. Februar 1969 und vom 1. März 1969 bis 3. August 1975 einer Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit der Nr. 2301 ausgesetzt gewesen. Mit Datum vom 30. April 2001 übernahm sie die weitere Bearbeitung des Falles und zog weitere Befundberichte behandelnder Ärzte bei. Sie erhielt den Bescheid der Unfallkasse Sachsen-Anhalt vom 20. November 2000, wonach diese dem Kläger aus dem Arbeitsunfall vom 15. Januar 1998 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v.H. bewilligt hatte.
Mit Bescheid vom 21. September 2001 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil eine Berufskrankheit nicht vorliege. Der Kläger sei zwar bis zum 3. August 1975 beruflich gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen. Zwischen der bestehenden Hörstörung und der Lärmexposition bestehe jedoch kein ursächlicher Zusammenhang. Auch liege keine Lärmschwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung im Sinne der Nr. 50 BKVO-DDR vor. Hiergegen erhob der Kläger am 26. September 2001 Widerspruch und begründete diesen damit, dass das der Entscheidung zugrunde gelegte Berufsbild seinen Tätigkeiten vom 4. August 1975 bis 30. November 1987 nicht entspreche. Die Lärmeinwirkungen an den Arbeitsplätzen der Firmen K, W jr. und E + C GmbH hätten über dem Erlaubten gelegen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2001 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Kläger habe eine gehörschädigende Lärmeinwirkung für Tätigkeiten nach dem 3. August 1975 nicht nachgewiesen.
Mit der am 2. Januar 2002 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung seiner Hörstörung als Berufskrankheit weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, die Lärmbelästigung in dem Zeitraum von 1975 bis 1987 sei erheblich größer gewesen als zuvor. Sein Büro habe sich unmittelbar im Heizhaus neben der Heizanlage, den Pumpen und den Kesseln befunden.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der Dres. S. vom 2. April 2002 eingeholt. Darin haben diese eine Schallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus des Klägers beidseits sowie eine Septumdeviation diagnostiziert. Beigefügt waren Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999, 26. April 1999 und vom 11. Januar 2002 sowie Sprachaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 8. Juli 1999.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat Dr. S. einen Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 6. August 2002 unter Beifügung eines Ton- sowie Sprachaudiogramms vom 25. Februar 1999 erstattet. Danach habe sich nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser (1980) auf beiden Ohren kein prozentualer Hörverlust ergeben. Der Kläger hat dem Sozialgericht das Schreiben der RW TÜV-A GmbH vom 16. September 1993 vorgelegt, wonach die arbeitsmedizinische Untersuchung vom 14. September 1993 eine Hochtonhörminderung beidseits ergeben habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Auskunft des TAD stehe fest, dass der Kläger während seiner Beschäftigung im Zeitraum von Juli 1961 bis August 1975 einem Schallpegel über 85 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger erfülle jedoch nicht die Voraussetzung eine Schwerhörigkeit von sozialer Bedeutung im Sinne der Nr. 50 BKVO-DDR. Der Hörverlust erreiche nicht den Wert von 20 vom Hundert (v. H.). Die Ermittlungen der TADe zur Höhe des Beurteilungspegels seien nicht zu beanstanden. Soweit die Unternehmen nicht mehr existierten, könne auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden.
Gegen den am 25. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. September 2004 vor dem Sozialgericht "Widerspruch" eingelegt. Das Sozialgericht hat diesen Widerspruch dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zugeleitet.
Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, er sei während seiner Tätigkeit in der Gebäudewirtschaft einem viel höheren Lärmpegel ausgesetzt gewesen, als es in den vorherigen Betrieben der Fall gewesen sei. Die Werkstatt habe direkt neben dem Heizhaus, wo große Gaskessel, Kompressoren und Pumpen betrieben worden seien, gestanden. Die Ermittlungen des TAD seien oberflächlich und vom Schreibtisch aus gefertigt, ohne einen Betrieb aufzusuchen und ohne ihn zu befragen. Die angegebenen dB(A) seien frei erfunden. Bei den Firmen Kl und W jr. sowie der Firma E. + C habe er überwiegend Richtarbeiten mit dem großen Vorschlaghammer getätigt (Blechteile). Dies sei völlig außer Acht gelassen worden. Man könne hier wohl keinen Erfahrungswert heranziehen, denn die Firmen hätten zu niedrige Decken und einen verhältnismäßig lauten Maschinenpark gehabt.
Er leide an einer hochgradigen Lärmschwerhörigkeit beidseits. An Tinnitus leide er bereits seit Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten. Das Verhalten von Dr. S. sei widersprüchlich, wenn er ihm einerseits ein Hörgerät verschreibe und andererseits die Schwerhörigkeit mit Null Prozent angebe. Sein Vorwurf der Aggravation sei eine Frechheit. Dr. S. habe eine Nachkalibrierung seines Audiogramms nach dem Eichgesetz nicht nachgewiesen. Der Kläger hat ferner vorgetragen, die im Berufungsverfahren als Sachverständige gehörte Dr. R. habe mehrfach gegen das Königsteiner Merkblatt verstoßen. So habe sie telefonisch eine Korrektur des Tonaudiogramms bei Dr. S. abgefragt und das Ergebnis nachgetragen, obgleich dies gegen das Königsteiner Merkblatt verstoße. Auch habe sie den Tinnitus nicht bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit hinzugerechnet, obgleich das Merkblatt dies vorsehe. Ferner sei der sprachaudiometrische Befund in der Regel die wichtigste Grundlage für die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dem sei nicht gefolgt worden. Ein altersentsprechendes Fortschreiten der Schwerhörigkeit sei auch nach dem Ende der Lärmexposition möglich. Schließlich sei der Befundbericht von Dr. P. nicht ausreichend gewürdigt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 aufzuheben und festzustellen, dass seine Schwerhörigkeit mit Wirkung vom 14. September 1993 eine Lärmschwerhörigkeit der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klage gegen die Beklagte gerichtet ist.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, nachdem die Präventionsabteilung der Beigeladenen eine Lärmexposition bis zum 16. April 1993 festgestellt habe, sei ihre Zuständigkeit nicht mehr gegeben.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie geht davon aus, die zuständige Berufsgenossenschaft zu sein. Es käme allenfalls eine Anerkennung der Berufskrankheit dem Grunde nach Betracht.
Das LSG hat Befundberichte von Dres. S. beigezogen. Unter dem 2. Februar 2005 berichteten diese, im Tonaudiogramm aus Februar 1999 seien die Kurven für Luft- und Knochenleitung beider Ohren parallel verlaufen und ohne Abstand zueinander. Die Kurven seien beiderseits bei 10 dB verlaufen und seien rechts bei 3000 Hz auf 50 dB und links bei 2000 Hz auf 60 dB abgesunken. Das Sprachaudiogramm habe ein Wortverstehen von 50 Prozent für mehrsilbige Zahlwörter bei 35 dB beidseits ergeben. Beim Einsilbertest sei es bei 60 dB rechts zu einer Verständlichkeit von 75 % und links zu 60 % gekommen. Bei 80 dB habe der Kläger links 90 %, und rechts 100 % verstanden. Bei 100 dB habe der Wert jeweils bei 100 % gelegen. Der Hörverlust liege nach Röser bei null %. Demgegenüber habe der prozentuale Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm vom selben Tag beidseits 40 % betragen. Dieser hohe Prozentsatz beim Zahlwortverstehen passe nicht zu dem Tonaudiogramm. Dieser Befund sei untypisch für eine Lärmschwerhörigkeit. Ursache könne eine zentrale Hörstörung sein oder in der Aggravation des Klägers liegen.
Die Beklagte hat dem Landessozialgericht die Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit vom Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. P. vom 19. Juli 2004 sowie das Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 vorgelegt.
Der Senat hat ferner die Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der M-L-Universität H.-W und Fachärztin für HNO-Heilkunde, Phoniatrie/Pädaudiologie Dr. R. mit der Erstattung des Gutachtens vom 15. September 2006 beauftragt. Dr. R. ist nach Auswertung des Tonaudiogramms vom 25. Februar 1999 unter Berücksichtigung der telefonischen Ergänzungen der Dres. S. zu einem Hörverlust des Klägers beidseits von null Prozent gelangt. Das Tonaudiogramm vom 26. April 1999 zeige einen Hörverlust zwischen 10 und 15 Prozent. Bis zum 11. Januar 2002 sei das Hörvermögen gering abgefallen. Der weit höhere Hörverlust aus den Sprachaudiogrammen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lärmbedingt. Hier seien lärmunabhängige Komponenten, wie sie sich aus dem psychiatrisch-neurologischen Befund ergäben, zu vermuten. Auch nach dem Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 bestehe nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 ein Hörverlust rechts von 25 Prozent und links von 30 Prozent mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 15 v. H ...
Die Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 26. April 1999 zeigten zwar ein typisches Schadensbild einer Lärmschwerhörigkeit. Dies sei aber den Sprachaudiogrammen nicht zu entnehmen. Insbesondere sei das schlechte Zahlenverstehen, dass den tief frequenten Bereich repräsentiere, für eine Lärmschwerhörigkeit untypisch. Aus dem Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 und vom 26. April 1999 ergäbe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 0 v. H ...
Auf Nachfrage des Landessozialgerichtes hat die Präventionsabteilung der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft unter dem 16. Oktober 2008 mitgeteilt, die Ermittlung bei der Firma S. E + C habe nicht vor Ort erfolgen können, da die Firma zum Zeitpunkt der Ermittlung nicht mehr existiert habe bzw. aus dem Mitgliedsverzeichnis gelöscht worden sei. In derartigen Fällen griffen die Mitarbeiter auf die Auskünfte des Versicherten und Erfahrungen aufgrund früherer Ermittlungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen zurück. Des Weiteren lägen Lärmkataster vergleichbarer Arbeitsplätze vor. Da bei der Firma K. vor Ort ermittelt worden sei, seien Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung nicht berechtigt. Auch seien den Mitarbeitern die räumlichen Verhältnisse bekannt gewesen.
Der Senat hat ferner die Präventionsabteilung der Beigeladenen zur Stellungnahme vom 10. Dezember 2009 veranlasst, wonach der Kläger bei der Firma K. GmbH, der Firma W. GmbH und der Service E & C GmbH in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 einer Lärmexposition von 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2010 hat das Landessozialgericht die Beigeladene notwendig am Verfahren beteiligt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten mit der Nummer hat in der Verhandlung vorgelegen und war Gegenstand der Beratung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der beim Sozialgericht erhobene Widerspruch gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 17. August 2004 ist als Einlegung der Berufung anzusehen. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.
Der Anspruch richtet sich nunmehr noch gegen die Beklagte als Rechtsnachfolger der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik sowie die Beigeladene.
Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte als unzuständige Berufsgenossenschaft den Anspruch des Klägers auf Anerkennung der Berufskrankheit abgelehnt hat.
Gemäß § 134 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist im Falle einer Berufskrankheit bei der Ausübung einer gefährdenden Tätigkeit für mehrere Unternehmen diejenige Berufsgenossenschaft zuständig, in deren Versicherungsbereich die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde. Der Kläger war nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen bis zur Beendigung der Tätigkeit bei der Firma E ... und C. GmbH am 16. April 1993 einer Lärmexposition ausgesetzt. Dieses Unternehmen gehört unfallversicherungsrechtlich zur Zuständigkeit der Beigeladenen. Aus der Vereinbarung über die Zuständigkeit bei Berufskrankheiten vom 1. April 1994 in der Fassung vom 1. Januar 1997, Stand 12/2008 (abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, F 1, S. 1 ff.) ergibt sich keine hiervon abweichende Zuständigkeit.
Da die Beklagte für eine Entscheidung über die Anerkennung einer Berufskrankheit unzuständig ist, greift der Bescheid vom 21. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 in unzulässiger Weise in die Rechte des Klägers ein.
Der Kläger hat gegenüber der Beigeladenen als der nach § 134 Satz 1 SGB VII zuständigen Berufsgenossenschaft einen Anspruch auf Anerkennung seiner ab dem 14. September 1993 bestehenden Schwerhörigkeit als Lärmschwerhörigkeit nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV.
Anzuwenden sind hier noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Denn der dem Begehren des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall einer Berufskrankheit ist noch vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff.; §§ 212 ff. SGB VII). Die RWTÜV Anlagentechnik GmbH hat am 14. September 1993 bei der arbeitsmedizinischen Einstellungsuntersuchung des Klägers eine Hochtonhörminderung beidseits festgestellt.
Nach § 551 Abs 1 Satz 2 RVO sind Berufskrankheiten die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 539, 540 bis 545 RVO) erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 551 Abs 1 Satz 3 RVO. In Betracht kommt hier die Berufskrankheit der Nr. 2301 - Lärmschwerhörigkeit. Die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 setzt voraus, dass der Versicherte während der Ausübung versicherter Tätigkeit Lärm ausgesetzt war und diese Einwirkung eine Schwerhörigkeit verursacht hat. Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes müssen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein. Dies bedeutet, dass das erkennende Gericht zu der vollen Überzeugung hinsichtlich dieser behaupteten ansprucherheblichen Tatsachen gelangen muss. Erforderlich ist, dass der Senat die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, also in einem so hohen Grade für wahrscheinlich hält, dass keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr 2).
In diesem Sinne ist zunächst eine Schwerhörigkeit des Klägers vollbeweislich gesichert. Die RW TÜV-A GmbH hat am 14. September 1993 bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung des Klägers eine Hörminderung im Hochtonbereich festgestellt. Einzelheiten zu dem Tonaudiogramm liegen jedoch nicht vor. Die Sachverständige Dr. R. bestätigt diesen Befund nach Auswertung der Tonaudiogramme vom 25. Februar 1999 und 26. April 1999. Nach ihren Ausführungen zeigt das Tonaudiogramm vom 11. Januar 2002 eine geringgradige Schwerhörigkeit. Danach lag der Hörverlust des Klägers beidseits für Knochenleitung bei 15 % sowie für Luftleitung rechts bei 25 % und links bei 20 %. Nach dem Tonaudiogramm vom 9. Juli 2004 liegt bei dem Kläger ein Hörverlust von rechts 25 % und links 30 % vor.
Der Kläger war während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeiten einer für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2301 erforderlichen Lärmexposition ausgesetzt. Dabei gelten die in der ehemaligen DDR erbrachten Tätigkeiten vom 1. September 1957 bis 30. November 1987, mit Ausnahme der Zeit der Inhaftierung vom 18. April 1963 bis 17. Oktober 1963 sowie die Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 18. Oktober 1963 bis 31. Oktober 1963, 1. Januar 1985 bis 31. März 1985, als versicherte Tätigkeiten im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO. In der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. Dezember 1993 war der Kläger Beschäftigter im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO und in der Zeit vom 1. Dezember 1997 bis 30. November 1998 Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
Eine ausreichende Lärmexposition liegt bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB (A) und lang andauernder Einwirkung vor. Bei dieser Exposition besteht für die Beschäftigten die Gefahr einer Gehörschädigung. Gehörschäden werden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 dB (A) erreicht oder überschreitet. Bei sehr hohen Lautstärken sind bleibende Gehörschäden auch schon nach wenigen Tagen oder Wochen möglich. Geräusche, bei denen Frequenzen über 1000 Hz vorherrschen, und schlagartige Geräusche hoher Intensität sind für das Gehör besonders gefährlich. Wirken Schallereignisse auf das Ohr oberhalb eines Lärmexpositionspegels von 137 dB (A) ein, ist innerhalb von wenigen Millisekunden eine mechanische Zerstörung der Haarzellen des Innenohres möglich (Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Berufskrankheit der Nr. 2301, Bekanntmachung vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798, veröffentlicht in Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 1 f.). Demgegenüber schwankt die Lärmempfindlichkeit individuell und führt bei einer Lärmexposition unterhalb von 85 dB (A) nicht zu einem Gehörschaden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, Nr. 7.3.3.2.2, S. 328). Lärm führt zunächst im Innenohr zu einer Ermüdung der Sinneszellen der unteren Schneckenwindung mit der Folge einer Vertäubung, die aber durch ausreichende Lärmpausen reversibel ist. Ist die Erholungsmöglichkeit nicht mehr gegeben, kommt es zu einem Dauerschaden durch Stoffwechselerschöpfung und nachfolgendem Tod der Haarzellen. Das Ausmaß des Lärmschadens nimmt mit der Dauer der Lärmexposition und mit der Lärmintensität zu (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 4).
Nach den Ermittlungen des TAD der Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft ist der Kläger vom 1. Juli 1961 bis 3. August 1975, unterbrochen durch eine Inhaftierung und dem Ableisten des Grundwehrdienstes bei der NVA, gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen. Der Kläger war in der Zeit vom 1. Juli 1961 bis 30. April 1967 zwischen 90 dB (A) und 95 dB (A) und in der Zeit vom 11. November 1968 bis 28. Februar 1969 einem Tages-Lärmexpositionspegel (früher als Beurteilungspegel bezeichnet) am Arbeitsplatz zwischen 87 dB (A) und 92 dB (A) ausgesetzt. Dies stimmt im Ergebnis auch mit den Ermittlungen des TAD der Beklagten überein, der für die Tätigkeiten des Klägers beim VEB EVM einen Beurteilungspegel über 85 dB (A) ermittelt hat. Für die Tätigkeiten bei der Firma B. bzw. deren Rechtsnachfolger, dem VEB Elektroofenbau, vom 1. März 1969 bis 3. August 1975 hat er einen Lärmexpositionspegel von mehr als 85 dB (A) ermittelt und ist von einer Lärmgefährdung ausgegangen.
Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen vom 10. Dezember 2009 war der Kläger schließlich während der Beschäftigungen bei den Firmen K GmbH, W GmbH und S E & C GmbH in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 einer Lärmexposition von 90 dB (A) ausgesetzt. Damit hat in der Zeit vom 1. Mai 1988 bis 16. April 1993 eine ausreichende Lärmexposition im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 vorgelegen.
Demgegenüber hat der TAD der Beklagten für die Tätigkeiten des Klägers beim VEB Gebäudewirtschaft in der Zeit vom 4. August 1975 bis 31. Dezember 1984 und vom 1. April 1985 bis 30. November 1987 einen Tages-Lärmexpositionspegel unter 84 dB(A) ermittelt. Anhaltspunkte für einen darüber hinaus anzunehmenden Tages-Lärmexpositionspegel bestehen nicht.
Auch für Zeiten nach dem 16. April 1993 ist keine Lärmexposition nachgewiesen. Die Firma H. GmbH, bei der der Kläger in der Zeit vom 15. September 1993 bis 31. Dezember 1993 beschäftigt war, hat unter dem 3. Februar 2000 der Beklagten mitgeteilt, dass der RWTÜV Essen 1994 und 1995 Messungen am Arbeitsplatz durchgeführt hat, die "in Ordnung" gewesen seien. Nach den Ermittlungen des Dr.-Ing ... N des Gemeindeunfallversicherungsverbandes im Betrieb am 25. Mai 2000 bestanden die Tätigkeiten des Klägers aus dem Kranführen bei der Schlackeverladung mit 4 Stunden pro Tag, der Bedienung des Verladerüssels für Filterstaub mit 1,5 Stunden pro Tag und der manuellen Bodenreinigung der Verladestelle und des Kellers mit 1 Stunde pro Tag. Aus den Arbeitsplatzanalysen der Müllverbrennungsanlage waren laut Dr.-Ing ... N die Tagesbeurteilungspegel des Arbeitsplatzes des Klägers bekannt, die unterhalb von 85 dB (A) gelegen haben.
Auch der TAD der Unfallkasse Sachsen-Anhalt hat für die Beschäftigungszeit bei der Firma J. L GmbH vom 1. Dezember 1997 bis 15. Januar 1998 keine Lärmexposition im Sinne der GUV 9.20 (heute GUV-V B3) festgestellt. Nach § 2 Abs. 2 der GUV 9.20 (veröffentlicht unter https://www.presys.de/content/external/ ubmedia/guv920/guv920.2) wurde ein Beurteilungspegel ab 85 dB (A) bei achtstündigem konstantem Geräusch als gehörschädigend angesehen. Damit hat auch der TAD der Unfallkasse eine Lärmexposition von 85 dB (A) und mehr am Arbeitsplatz des Klägers bei der Jutze Landschaftssanierung ausgeschlossen.
Die seit dem 14. September 1993 bestehende Schwerhörigkeit ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Lärmexposition während der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten bis 16. April 1993 ursächlich zurückzuführen.
Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der beruflichen Exposition und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt nicht.
Unter Anwendung dieser Grundsätze spricht mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang.
Die Schwerhörigkeit des Klägers zeigt zunächst das typische Schadensbild einer Lärmschwerhörigkeit. Die Lärmschwerhörigkeit ist eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, d.h. eine Innenohrschwerhörigkeit, hingegen keine Schalleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung des höheren, später erst die der mittleren und evtl. der tieferen Töne beeinträchtigt. Im Tonaudiogramm stimmen die Hörschwellenkurven für Luft- und Knochenleitung in den messtechnisch bedingten Grenzen überein. Die chronische Schwerhörigkeit tritt immer doppelseitig auf, jedoch nicht unbedingt symmetrisch. Die beginnende Gehörschädigung durch Lärm zeichnet sich im Tonaudiogramm durch typischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4.000 Hz (sog. c5-Senke) aus. Die Hochtonstörung kann über einen längeren Zeitraum überwiegen. Der Hauptsprachbereich wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Rekruitment) spricht für eine Schädigung durch Lärm. Differentialdiagnostisch ist eine Schallleitungs-Schwerhörigkeit auszuschließen, die durch eine Differenz von mehr als 10 dB zwischen Luft- und Knochenleitung in mehreren Frequenzen gekennzeichnet ist (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, S. 4 f.).
Dr. R. hat in diesem Sinne eine typische Lärmschwerhörigkeit des Klägers beschrieben. Der Kläger leidet an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Eine Schallleitungsstörung lässt sich anhand der Luft- und Knochenleitung im Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 ausschließen. Die Differenz zwischen Luft- und Knochenleitung beträgt dort weniger als 10 dB. Das Tonaudiogramm vom 25. Februar 1999 weist auch die typische Form einer Tonschwellenkurve mit einem Hochtonabfall bei 60 dB ab 4.000 Hz beidseits annähernd symmetrisch auf. Dr. R. hat zudem ein positives Rekruitment festgestellt. Die im ersten Tonschwellenaudiogrammen vom 25. Februar 1999 ausgewiesene Hörstörung ist daher mit der Annahme einer Lärmschwerhörigkeit vereinbar.
Der Kläger war auch über einen längeren Zeitraum beruflich gehörgefährdendem Lärm ausgesetzt. Für mindestens 17 Jahre seiner Beschäftigungszeit ist eine Lärmexposition über 85 dB (A), überwiegend sogar oberhalb von 90 dB (A), vollbeweislich gesichert. Mit der Dauer und der Stärke der Lärmexposition nimmt die Gefahr eines Hörschadens zu.
Für einen Ursachenzusammenhang spricht schließlich die in zeitlichem Zusammenhang zur Lärmexposition aufgetretene Hörstörung. So hat der RW TÜV bereits am 14. September 1993, kurz nach dem Ausscheiden des Klägers aus der letzten lärmexponierten Tätigkeit, eine Hochtonhörminderung beidseits festgestellt. Zwar liegt kein Tonaudiogramm für diesen Zeitpunkt vor. Bei der arbeitsmedizinischen Untersuchung am 14. September 1993 im Arbeitsmedizinischen Zentrum Hagen ging es aber um eine "Einstellungsuntersuchung" zur Beschäftigung als Kesselwärter. Es kann unterstellt werden, dass die Beschäftigten des Arbeitsmedizinischen Zentrums die einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Mess-Verfahren zur Feststellung einer Hochtonhörschädigung kennen. Der Senat hat daher keine Veranlassung, an dem Ergebnis zu zweifeln. Andere Ursachen für diese Hochtonminderung sind nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen von Dr. R. hat der Hörverlust im April 1999 noch zwischen 10 % und 15 % für Knochen- und Luftleitung gelegen. Bis zum Jahr 2002 war er nur gering abgefallen. Die Hochtonhörminderung ist deshalb nicht ursächlich auf eine fortschreitende altersbedingte Schwerhörigkeit zurück zu führen.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der am 25. Februar 1999 durch das erste verfügbare Tonaudiogramm festgestellte Hörschaden ursächlich noch auf die Lärmexposition bis 1993 zurückzuführen ist. Dr. R. hat neben einer Hochtonhörminderung keinen erheblichen Hörverlust auf beiden Ohren ausgemacht. Nach dem Tonaudiogramm ist die Hörstörung noch als Normalhörigkeit einzustufen. Ob sich der Zustand beider Ohren seit dem 14. September 1993 verschlechtert hat, kann ohne vergleichende Tonaudiogramme nicht festgestellt werden. Die aber weitgehend unveränderte Hörstörung am 25. Februar 1999 lässt sich daher noch der Lärmexposition ursächlich zurechnen.
Ob die in den Tonaudiogrammen vom 11. Januar 2002 und 9. Juli 2004 erkennbare fortgeschrittene Schwerhörigkeit ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen ist, kann dahingestellt bleiben. Für die Feststellung eines Gesundheitserstschadens zur Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2301 ist der zeitliche Verlauf nach Februar 1999 irrelevant. Folgeschäden sind lediglich bei der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen.
Der Senat teilt die im Übrigen erhobenen Einwände des Klägers gegen das Gutachten von Dr. R. nicht, soweit diese dem Streitgegenstand nach von Belang sind. Auf die Sprachaudiogramme kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Mit der nachgewiesenen Exposition bis April 1993 geht es in der Hauptsache nicht mehr um die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit nach der Nr. 50 BKVO-DDR, die einen Körperschaden von 20 % voraussetzt. Daher kommt es für die Anerkennung der Berufskrankheit auch nicht mehr auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit an.
Schließlich ist die Beigeladene die für die Anerkennung der Berufskrankheit der Nr. 2301 zuständige Berufsgenossenschaft, weil die letzte Lärmexposition am 16. April 1993 in einem Unternehmen welches zur Zuständigkeit der Beigeladenen gehört, erfolgt ist. Die Verurteilung der Beigeladenen konnte nach § 75 Abs. 5 SGG erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beigeladene hat durch die im Verwaltungsverfahren fehlerhafte Ermittlung der Expositionszeiten bei den zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörenden Unternehmen zur Klageerhebung gegen die Beklagte beigetragen. Es ist daher gerechtfertigt, dass sie die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen und des Vorverfahrens trägt
Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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