L 10 KR 21/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 KR 73/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 21/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lorenzos Öl
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. März 2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Behandlung mit den Ölen Glycerol-Trioleat (GTO) und Glycerol-Trierucat (GTE; als Gemisch beider Öle im Weiteren "Lorenzos Öl") zu Lasten der beklagten Krankenversicherung.

Der 1956 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet seit ca. 1986 an einer Adrenomyeloneuropathie (AMN), einer vererbbaren Erkrankung, die zu einer Störung im Stoffwechsel der langkettigen Fettsäuren und zu deren Anhäufung im Blut und verschiedenen Organen führt. Die AMN ist eine Verlaufsform der x-chromosomalen Adrenoleukodystrophie im Erwachsenenalter. Diese führt zu Lähmungserscheinungen, Blasen-, Potenz- und Gefühlsstörungen sowie zu einer Unterfunktion der Nebennierenrinde. Unmittelbare Lebensgefahr besteht für den Kläger nicht. Langzeitstudien zeigen, dass etwa 20 % der Patienten mit AMN im Verlauf von etwa zehn Jahren nach Beginn der Erkrankung entzündliche Entmarkungsherde im Gehirn entwickeln, die zu schweren neurologischen Ausfällen oder Tod führen.

Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 5. September 2000 lag bei dem Kläger u. a. eine spastische Spinalparalyse beider Beine mit einer beginnenden Lähmung des rechten Armes vor. Mit Hilfsmitteln und Begleitung sei der Kläger im Wohnbereich eingeschränkt mobil. Weiterhin bestehe eine Stuhlinkontinenz.

Mit Schreiben vom 11. November 2001 beantragte Herr K. - Chefarzt der Neurologischen Klinik des S. Krankenhauses H. - für den Kläger die Übernahme der Kosten für eine spezielle diätische Therapie. Hierbei würden in der vom Kläger zu erlernenden Basisdiät quasi medikamentenähnlich bestimmte Spezialöle (GTO/GTE) in bestimmter Dosierung zugeführt und dadurch die Ansammlung der krankmachenden sehr langkettigen Fettsäuren verhindert. Unter dieser Therapie komme es - so Herr K. - im Verlauf weniger Monate zur Normalisierung der krankhaft erhöhten Blutwerte. Dies werde daher mittlerweile als Basistherapie angesehen. Ins-besondere bei erwachsenen Patienten zeige sich eine Stabilisierung der klinischen Symptomatik und im Einzelfall Besserung. Auch das Auftreten der Erkrankung bei noch symptomlosen Trägern könne verzögert oder auch ganz verhindert werden. Die Kosten beliefen sich zurzeit auf 1.000,00 bis 1.500,00 DM/Monat.

Auf Bitten der Beklagten erstattete der MDK unter dem 27. Dezember 2001 ein Gutachten zu der Frage, ob eine medizinische Notwendigkeit für eine Therapie mit "Lorenzos Öl" bestehe. Danach variieren die Verlaufsformen der AMN erheblich von asymptomatischen Formen bis zu schweren Fällen mit erheblichen neurologischen oder endokrinologischen Ausfällen. Eine Vorhersage sei äußerst schwierig. Bei dem zur Therapie eingesetzten Öl handele es sich um kein Arzneimittel, so dass eine Übernahme durch die Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Es fehle auch ein wissenschaftlicher Nachweis eines Behandlungserfolges im Sinne einer statistischen Relevanz.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das Ergebnis des Gutachtens des MDK ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf die Aussage von Herrn K. , wonach die Einnahme dieses Spezialöls erfolgversprechend sei. Der MDK führte in einem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 24. Juni 2002 aus, bei Erwachsenen sei der Verlauf der Erkrankung unbehandelt nur langsam fortschreitend und könnte daher als prognostisch günstig eingeschätzt werden. Es handele sich bei den Spezialölen nicht um Arzneimittel, weshalb eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht bestehe. Als Nahrungsmittel komme eine Kostenübernahme für "Lorenzos Öl" nicht in Betracht. Mit Bescheid vom 5. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und stützte sich im Wesentlichen auf das Gutachten des MDK.

Hiergegen hat der Kläger noch im gleichen Monat Klage erhoben und vorgetragen, es handele sich bei dem Spezialöl keinesfalls um eine Mehraufwendung, die eine Diät- oder Krankenkost anstelle sonstiger haushaltsüblicher Lebensmittel ersetze. Unerheblich sei, dass "Lorenzos Öl" derzeit als diätetisches Lebensmittel vertrieben würde. Die Wirkstoffkombination der Fettsäuren GTO und GTE hätte eine derart gravierende Wirkung, dass eine arzneimittelähnliche Wirkung offensichtlich sei. Gravierende Nebenwirkungen seien nicht bekannt. Weiterhin hat der Kläger auf eine Stellungnahme sowie ein Gutachten von Herrn K. hingewiesen. Angesichts der geringen Patientenzahlen sei aus wirtschaftlichen Gründen offensichtlich kein pharmazeutisches Unternehmen an der Heilung der Krankheit interessiert. Eine andere Therapie sei nicht ersichtlich. Der Kläger hat außerdem ein Schreiben von Herrn K. vom 5. November 2002 beigefügt.

In einem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht vom 29. April 2003 hat Dr. K. - Fachärztin für Allgemeinmedizin - über eine seit zehn Jahren sich ständig verschlechternde Gangstörung berichtet. Das Grundleiden habe sich kontinuierlich deutlich ver-schlechtert. Die ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten seien ausge-schöpft. Auf Anfrage des Sozialgerichts hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter dem 4. August 2003 mitgeteilt, "Lorenzos Öl" sei weder zugelassen noch sei ein Antrag auf Zulassung anhängig.

Im Auftrag des Sozialgerichts hat Dr. K. - Neurologin - nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers im November 2003 ein Gutachten erstattet. Sie hat die bisherigen Diagnosen bestätigt. Eine cerebrale Beteiligung liege bei dem Kläger nicht vor. Das Erkrankungsbild sei in den Unterformen und Verlaufstypen extrem variabel. Die Wirksamkeit einer Therapie sei daher sehr schwer zu belegen, zumal angewandte laborchemische Surrogatmarker nicht zwingend mit dem Erkrankungsverlauf korrelierten. Eine gesicherte Datengrundlage sei nicht vorhanden. Therapieversuche mit einer Diät mit verminderter Zufuhr langkettiger Fettsäuren seien gescheitert, da auch die körpereigene Produktion dieser Fettsäuren an der Regulation beteiligt sei. Diese Reduktion der Fettsäuren könne durch die zusätzliche Zufuhr von ungesättigten Fettsäuren definierter Länge und Dosis wie GTO und GTE erreicht werden. Dadurch komme es zu einem messbaren Rückgang der überlangkettigen Fettsäuren. Damit trage "Lorenzos Öl" nicht den Charakter eines Nahrungsergänzungsmittels, sondern den eines Medikamentes. Daher würde derzeit bei vielen Patienten eine Kombinationstherapie aus Diäten und "Lorenzos Öl" angewendet. Entsprechende Vergleichskollektive zur Beurteilung der Therapie existierten nicht. Retrospektive Untersuchungen genügten den Anforderungen ohnehin nicht und Placebokollektive ließen sich auch aus ethischen Gründen nicht finden. Unter der Therapie von "Lorenzos Öl" zeige sich bei einem großen Prozentsatz der Patienten eine Verringerung der langkettigen Fettsäuren bis hin zur Normalisierung der Blutwerte. Dies korreliere jedoch nicht streng mit einer Stagnation oder gar Verbesserung der körperlichen Symptome, auch wenn davon in einem Teil der Literatur berichtet werde. Eine sichere Prävention für eine Krankheitsmanifestation könne durch einen präsymptomatischen Therapiebeginn allerdings auch nicht erreicht werden. In einer Studie bei 22 Patienten seien mit Therapie vier unverändert geblieben, einer habe sich verbessert und 13 hätten sich weiter verschlechtert. Aus dieser Studie ergebe sich zudem, dass auch Patienten mit normalisierten Blutwerten klinisch eine Symptomzunahme gezeigt hätten. Andere Behandlungsansätze gebe es zurzeit nicht. Insgesamt erscheine ein Therapieversuch gerechtfertigt.

In einer Stellungnahme von Februar 2004 stimmte der MDK dem neurologischen Gutachten weitgehend zu. Allerdings verstoße das In-Verkehr-Bringen eines zulassungspflichtigen Arzneimittels vor der Erteilung der Zulassung gegen § 21 Arzneimittelgesetz (AMG). Zudem nenne das Gutachten nicht diejenige Studie, die über einen enttäu-schenden Mangel an klinischer Besserung bei der AMN berichtet hätte. Ein Wirksamkeitsnachweis sei aber auch nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht erbracht. Bei einer Einordnung als diätetisches Lebensmittel sei eine Verordnung zu Lasten der GKV unter Berücksichtigung der Arzneimittelrichtlinien nicht möglich.

Weiter hat das Sozialgericht ein Gutachten von Herrn K. von Februar 2005 beigezogen. Zusammenfassend heißt es darin, dass sich die erhöhten überlangkettigen Fettsäuren im Serum der Patienten durch eine Therapie mit "Lorenzos Öl" normalisierten. Bei den Patienten mit AMN sei dies entscheidend. Die klinische Beurteilung der Wirksamkeit einer solchen Therapie sei naturgemäß schwierig, da es sich um einen sehr langsam fortschreitenden Prozess handele. Voraussetzung sei eine sehr lange Beobachtungsdauer und eine exakte Definition der in Frage kommenden Patienten. Beide Kriterien seien bislang in den veröffentlichten Therapiestudien nicht erfüllt, so dass diese nicht geeignet seien, Aussagen über die Wirksamkeit dieser Therapie zuzu-lassen. Dieses Problem habe er in seiner eigenen Patientengruppe zu vermeiden versucht.

Das Sozialgericht hat weitere Gutachten und Stellungnahmen des MDK beigezogen (Stellungnahme zu dem Gutachten von Herrn K. von Februar 2005; Gutachten des MDK vom 28. April 2005; Stellungnahme vom 17. November 2005 und Stellungnahme des MDK Westfalen-Lippe). Mit Urteil vom 24. März 2006 hat das Sozialgericht Dessau den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und sie verurteilt, den Kläger mit "Lorenzos Öl" als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu versorgen. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) gestützt und ausgeführt, nach dem Gutachten von Dr. K. sei die Kammer von einer nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung bzw einer spürbaren positivem Einwirkung auf den Krankheitsverlauf überzeugt.

Gegen das ihr am 7. April 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. Mai 2006 Berufung eingelegt und ihren bisherigen Vortrag weiter vertieft. Weiterhin hat sie weitere Gutachten des MDK vorgelegt (vom 7. August 2007, Bl 488 ff. GA; vom 22. November 2007 Bl 501 ff. GA).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, es handele sich um ein verordnungsfähiges diätisches Lebensmittel. Es existierten mittlerweile auch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die den Erfolg dieser Therapie bejahten.

Nach den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Fachkrankenhaus H. im Oktober 2008 hat sich das Gehvermögen im Vergleich zu dem letzten Aufenthalt deutlich vermindert (nach 16 Monaten Versorgung mit "Lorenzos Öl"). Die aktuelle Laufstrecke betrage nunmehr 6 m; ansonsten wäre er auf den Rollstuhl angewiesen. Nach Ansicht der Ärzte hat die elektrophysiologische Diagnostik eine nur dezente Verschlechterung der Befunde im Vergleich zum letzten stationären Aufenthalt gezeigt.

Der Senat hat den Träger der Sozialhilfe beigeladen und weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. Z. - Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums H ... Dieser hat nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit einer zerebralen und dann rasch fortschreitenden Erkrankung mit Beeinträchtigung der Lebenserwartung sei beim Kläger als äußerst gering einzustufen. Die AMN weise ein breites phänotypisches Spektrum auf, so dass die Aussage über den Effekt medikamentöser Therapien hinsichtlich der Krankheitsprogression deutlich limitiert sei. Eine placebo-kontrollierte Studie fehle bezüglich "Lorenzos Öl". Die bisher publizierten unkontrollierten Studien seien methodisch unzureichend und nicht geeignet, eine Verbesserung oder Verzögerung der Krankheitsprogression nachzuweisen. Eine Normalisierung eines Laborwertes (hier: Konzentration überlangkettiger Fettsäuren) müsse nicht notwendigerweise auch zu einer klinischen Verbesserung führen. Auch ohne Therapie mit "Lorenzos Öl" sei bei dem Kläger nicht von einer wesentlichen Verschlimmerung der Symptome auszugehen. Das Eintreten einer Armlähmung sei sehr unwahrscheinlich. Die bereits hochgradige Beinlähmung könne prinzipiell zunehmen, sei möglicherweise aber auch schon als Endstadium der Erkrankungsform anzusehen. Eine Niereninsuffizienz manifestiere sich bei der AMN ausschließlich vor Beginn der neurologischen Symptomatik. Bei beste-hender Nebenniereninsuffizienz gelte die Hormonersatztherapie als effektive Therapie. Die meisten Therapiestudien bei Einsatz von "Lorenzos Öl" verfolgten als Studienziel das Ausbleiben der zerebralen Manifestation, so dass weitere Rückschlüsse zusätzlich schwierig seien. Auch eine nicht ganz fern liegende, spürbar positive Wirkung von "Lorenzos Öl" könne nach der derzeitigen Datenlage nicht festgestellt werden. Zusammenfassend finde sich im vorliegenden Fall keinerlei Aussicht auf eine noch so geringe Verbesserung. Wirksame Standardtherapien existierten allerdings nicht.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Recht hat die Beklagte die Leistung von "Lorenzos Öl" in dem angefochtenen Bescheid abgelehnt, das erstinstanzliche Urteil war deshalb aufzuheben. Der Kläger kann keine Versorgung mit "Lorenzos Öl" verlangen.

Der Kläger kann zwar nach § 27 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Behandlung seiner AMN verlangen, soweit diese notwendig ist, um die Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V).

Bei "Lorenzos Öl" handelt es sich entweder um ein Arznei- oder um ein Lebensmittel; dies lässt der Senat offen (dazu eingehend BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 9; BSG, 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R, juris). In beiden denkbaren Fällen besteht nämlich nach der Rechtsprechung des BSG keine Leistungspflicht der Be-klagten (BSG, 28.2.2008 - B 1 KR 16/07 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 9; BSG, 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R, juris); dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

Als Arzneimittel ist das Öl mangels Arzneimittelzulassung nicht verordnungsfähig (dazu A.). Als Lebensmittel gehört es nicht zu den Produkten, auf die sich ausnahmsweise die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstreckt (dazu B. 1.); es muss nach der derzeitigen Sachlage auch nicht als kostenaufwändige Ernährung von dem beigeladenen Träger der Sozialhilfe geleistet werden (dazu B. 2.). Es ist kein Heil- oder Hilfsmittel (dazu C.).

A. Wenn "Lorenzos Öl" als Arzneimittel zu qualifizieren ist, unterfällt es nicht der Leistungspflicht der GKV. Dies hat das BSG bereits in zwei vergleichbaren Fällen mit Urteilen vom 28.2.2008 (B 1 KR 16/07 R, aaO) und 16.12.2008 (B 1 KN 3/07 KR R, aaO) entschieden. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten und Studien an.

Es fehlt zunächst die erforderliche Zulassung von "Lorenzos Öl" als Medikament. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Anforderungen des SGB V an Pharmakotherapien mit Medikamenten, die nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedürfen, nur erfüllt, wenn sie eine solche Zulassung besitzen. Ohne die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt es - auch in Würdigung des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfG - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) - an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Arzneimitteltherapie (vgl § 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V; stRspr, vgl BSG aaO mwN). Die erforderliche (§ 21 Abs 1 AMG) arzneimittelrechtliche deutsche oder europäische Zulassung ist für das Öl nicht erteilt worden (vgl Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Januar 2006, Bl 375 f. GA). Dies hat der Hersteller dieses Produktes mit Schreiben von Februar 2009 noch einmal bestätigt; ein solches Verfahren zur Zulassung ist auch danach nicht eingeleitet worden; dies alles wird auch nicht behauptet.

Eine Fallgestaltung, in der ausnahmsweise eine Leistungspflicht von Medikamenten ohne Zulassung besteht, liegt nicht vor. Die Erkrankung des Klägers stellt weder einen Seltenheitsfall dar, der sich der systematischen wissenschaftlichen Erforschung durch nationale und internationale Studien entzieht (dazu sogleich unter 1.), noch eine besonders schwerwiegende Erkrankung, die bei einer grundrechtsorientierten Auslegung eine Leistung verlangt (dazu sogleich unter 2.).

1. Es handelt sich bei AMN nicht um eine Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann und bei der deshalb eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht zu ziehen wäre (vgl BSG aaO mwN). Allein bei dem K. Institut sind 6000 Patienten mit dieser Erkrankung diagnostiziert worden (Gutachten K. Februar 2005, S. 12; vgl auch Gutachten MDK von Mai 2000 S. 7; Gutachten Prof. Dr. Z. ).

2. Ausnahmsweise kommt mit Rücksicht auf eine verfassungskonforme Auslegung der Anspruchsnormen eine Leistungspflicht der GKV trotz fehlender arzneimittelrechtlicher Zulassung in Betracht, wenn eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt, bezüglich der eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (BVerfG 6.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; siehe auch BSG aaO mwN). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlä-gigen gesetzlichen Regelungen entgegen ihrer sonst üblichen Auslegung nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den kon-kreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG aaO). Ähnliches kann für den ggf gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten (vgl BSG aaO mwN). Zwar führt die Einnahme von "Lorenzos Öl" zu einer Verbesserung des krankhaften Stoffwechsels; die überlangkettigen Fettsäuren sind nicht mehr mit den typischen erhöhten Werten im Blut nachweisbar. Dies ist allerdings zunächst ein reiner Laborbefund. Entscheidend ist die Möglichkeit der positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufs im Sinne der Besserung (dazu sogleich a) oder im Sinne des Aufhaltens einer weiteren deutlichen Verschlechterung (dazu sogleich b).

a) Bei bereits so schwerwiegend geschädigten AMN-Patienten wie dem Kläger spricht die Gutachtenlage - insbesondere das Gutachten von Prof. Dr. Z. - dafür, dass praktisch keine und damit nicht einmal eine ganz weit entfernte Hoffnung auf Besserung durch die Gabe von "Lorenzos Öl" besteht. Bei dem Kläger ist zweifellos bereits eine sehr schwere Erkrankung eingetreten (spastische Querschnittslähmung mit Lähmungserscheinungen in den Beinen und Rollstuhlpflichtigkeit sowie Blasenfunktionsstörungen; vgl die Fallgestaltung bei BSG, B 1 KR 16/07 R, aaO, RdNr 33). Eine einge-tretene neurologische Behinderung und endokrinologische Störung können auch nach Ansicht von Herrn K. durch die Therapie nicht rückgängig gemacht werden (vgl Bl 415 GA). Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. bestätigt, der ausdrücklich da-von ausgeht, die Therapie mit Lorenzos Öl habe keinerlei Aussicht auf eine noch so geringe Verbesserung.

b) Die Versorgung mit "Lorenzos Öl" ist nicht erforderlich, um einen tödlichen Verlauf aufzuhalten oder zu verzögern. Ein naher oder auch nur vorzeitiger Tod ist bei der Erkrankungsform, an der der Kläger leidet, nicht wahrscheinlich. Der Kläger leidet an einer AMN ohne schwerwiegende cerebrale Betroffenheit. Prof. Dr. Z. hat ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit einer zerebralen und dann rasch fortschreitenden Erkrankung mit Beeinträchtigung der Lebenserwartung sei beim Kläger als äußerst gering einzustu-fen. In dem vorliegenden Stadium ist die AMN (wie vorliegend auch Herr K. ausgeführt hat) keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Die Lebenserwartung der Patienten mit reiner AMN ist nicht verkürzt. Viele AMN-Patienten erreichen die 7. und 8. Lebensdekade.

Außerdem hat Herr K. ausgeführt, die mit "Lorenzos Öl" behandelten Erwachsenenpatienten mit cerebralen Verlaufsformen profitierten nicht von der Behandlung (Bl 418 GA; Bl 3 unten seines Gutachtens von Februar 2005). Auch dies hat Prof. Dr. Z. bestätigt. Daher bestehen keine Gründe, weshalb die Versorgung mit "Lorenzos Öl" notwendig wäre, um den Kläger vor einem tödlichen Verlauf der Erkrankung zu schützen.

Dem Kläger droht auch nicht in absehbarer Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit der zusätzliche, nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion. Eine Armlähmung ist nach dem Gutachten von Prof. Dr. Z. sehr unwahrscheinlich. Die bereits hochgradige Beinlähmung kann prinzipiell zunehmen, ist möglicherweise aber auch schon als Endstadium der Erkrankungsform anzusehen.

Hinzu kommt, dass nur eine ganz entfernt liegende Aussicht besteht, dass "Lorenzos Öl" überhaupt den Krankheitsverlauf aufhalten kann. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat ausgeführt, es könne nach der derzeitigen Datenlage keine nicht ganz fern liegende, spürbar positive Wirkung von "Lorenzos Öl" festgestellt werden. Dies bestätigt auch eine Auswertung der vorliegenden Studien und Gutachten, nach denen "Lorenzos Öl" regelmäßig ohne nachweisbaren Erfolg verabreicht wurde. Die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. Z. sind unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhaltes schlüssig und überzeugend.

Die verbesserten Blutwerte sind kein Indiz für eine therapeutische Wirksamkeit. Ausdrücklich haben die Sachverständigen Prof. Dr. Z. und Dr. K. ausgeführt, dass auch Patienten mit normalisierten Blutwerten klinisch eine Symptomzunahme gezeigt hätten. Daher ist es unrichtig, von den verbesserten Blutwerten auf eine positive Beein-flussung der Krankheit selbst zu schließen.

Selbst Herr K. räumt in seinem Gutachten vom Februar 2005 ein, dass mehrere Studien von 1993, 1994, aber auch von 2001 zu dem Ergebnis kämen, die klinischen Erfolge dieser Behandlung seien noch nicht ausreichend belegt. Auch die von Herrn K. in diesem Gutachten auf den Seiten 25 - 46 einzeln wiedergegebenen Studien zu der therapeutischen Wirkung von "Lorenzos Öl" gehen ausnahmslos davon aus, dass eine Wirkung von "Lorenzos Öl" nicht belegt sei. Neun der Studien verneinen eine Wirksamkeit generell; vier verweisen auf die Notwendigkeit weiterer Studien u.ä.

Die Untersuchung von Herrn K. ist nicht überzeugend. Herr K. hat sie bereits nicht mit Methodikbeschreibung und Ergebnisdarstellungen in einer medizinisch-wissenschaftlichen, anerkannten Fachzeitschrift publiziert, obgleich er selbst dies als üblichen Kommunikationsstandard für Studien bezeichnet. Um die in dem wissenschaftlichen Diskurs gehörende Anerkennung zu finden, erachtet der Senat eine solche Veröffentlichung, die erst eine fundierte Diskussion und Bewertung innerhalb der ent-sprechenden Fachkreise zulässt, als unverzichtbar. Zu Recht hat der MDK in seinem Gutachten vom 5. Mai 2005 darauf hingewiesen, dass vor der Publikation solcher Studien in der Regel bereits eine Vorabprüfung hinsichtlich ihrer Qualität vorgenommen wird. Dies hat der MDK unter wörtlicher Wiedergabe der Stellungsnahme des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information deutlich und überzeu-gend dargelegt. Auch Prof. Dr. Z. rügt nachvollziehbar das Fehlen von überzeugenden Studien. Schon angesichts der Nebenwirkungen ist es nicht möglich, einen Therapieanspruch auf Studien zu stützen, die nicht wissenschaftlich korrekt publiziert werden, obgleich dies grundsätzlich möglich wäre.

Zudem ist auch - wie in vorhergehenden Studien - die Fallzahl bei der nicht veröffentlichten Studie von Herrn K. mit 45 bzw. ursprünglich 47 Patienten verhältnismäßig gering.

Angesichts der sehr schwankenden und im jeweiligen Erkrankungsfall sehr verschiedenen Krankheitsverläufe genügt es für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht, dass knapp die Hälfte der Patienten neurologisch stabil blieb, weitere 17 sich geringfügig und sechs Patienten sogar signifikant verschlechter-ten. Ohne eine Vergleichgruppe lässt sich aus diesen Zahlen nichts ableiten; insoweit schließt sich der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. Z. an. Auch die für das Sozialgericht tätige Sachverständige Dr. K. hat ausgeführt, eine gesicherte Datengrundlage gebe es nicht; die Wirksamkeit der Therapie sei sehr schwer zu belegen. In Über-einstimmung mit der Auffassung des Senats hat sie ausgeführt, retrospektive Untersuchungen würden den Anforderungen nicht genügen. Zumindest in diesem Fall hält der Senat jedoch Vergleichsstudien für zwingend, die auch nach Ansicht dieser Sachver-ständigen nicht vorliegen. Für Therapieversuche (Forschung) ist die Krankenkasse nicht zuständig, zumal solche Therapien ohne wissenschaftliche Begleitung die weitere Erforschung dieser Erkrankung nur noch weiter verzögern.

Entscheidend tritt hinzu, dass bei den Studien eine Vergleichsgruppe fehlt. Der Senat vermag sich in Fällen wie dem vorliegendem nicht den ua von Herrn K. geäußerten Bedenken gegen solche Studien mit einer Vergleichsgruppe mit Placebos anzuschließen. Wie nicht zuletzt der vorliegende Rechtsstreit zeigt, sind viele Betroffene finanziell nicht in der Lage, die umstrittene Therapie selbst zu zahlen. Umso eher müsste es ethisch akzeptabel sein, solche Patienten, die ansonsten keine Therapie erhalten könnten, in solche Studien aufzunehmen und ihnen damit eine 50% Chance auf eine Therapie zu eröffnen.

Auch Herr K. hat in seinem Gutachten von Februar 2005 betont, die klinische Beurteilung der Wirksamkeit einer solchen Therapie sei naturgemäß schwierig, da es sich um einen sehr langsam fortschreitenden Prozess handele. Voraussetzung sei eine sehr lange Beobachtungsdauer und eine exakte Definition der in Frage kommenden Patienten. Diesen Kriterien wird seine eigene Studie nicht gerecht.

Daher kann auch die Studie auf der Homepage des Bundesvereins Leukodystrophie eV (BVLV) nicht überzeugen. Danach wurden ungefähr 30 Patienten über einen Zeitraum von einem bis 10,1 Jahren behandelt. Der MRT-Score als auch der klinische Score habe sich nur unwesentlich verschlechtert. Klinisch hätten sich mehr als fünf Jahre nach Behandlungsbeginn 16 Patienten unverändert oder sogar leicht gebessert gezeigt; bei elf Patienten sei es zu einer leichten, klinisch kaum merkbaren Verschlechterung gekommen, drei hätten sich deutlich verschlechtert. Falls es sich hier nicht im Kern um die gleiche Studie handelt, die Herr K. erstellt hat, so würden die gleichen Einwände auch hinsichtlich dieser Studie gelten. Es entwertet zudem jede Studie, die Patienten nach Belieben unterschiedlich lange zu beobachten.

Das Hinzutreten einer Nebenniereninsuffiienz ist nach dem Gutachten von Prof. Dr. Z. unwahrscheinlich; es handelt sich bei dieser Erkrankung auch nicht um eine schwerwiegende Erkrankung. Zudem lässt sie sich durch die Gabe entsprechender Hormone gut behandeln, so dass keine notstandsähnliche Situation vorliegt. Hinzu kommt, dass eine Wirksamkeit von "Lorenzos Öl" bei einer Nebenniereninsuffiienz in den vorliegenden Studien nicht einmal diskutiert wird.

Unerheblich ist für das vorliegende Verfahren, ob es (schwache) Hinweise dafür gibt, dass "Lorenzos Öl" den Krankheitsbeginn (also erste Symptome) verzögern oder gar abwenden kann. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht; zu der Frage eines cerebralen Verlaufs bzw. zu einem theoretisch denkbaren Wechsel zur Adrenoleukodystrophie wurde bereits oben Stellung genommen.

Scheinbar hilft "Lorenzos Öl" dem Kläger trotz Verbesserung der Blutfettwerte auch nicht. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Oktober 2008 gegenüber dem Fachkrankenhaus H. (vgl Bl 365 GA) hat sich das Gehvermögen im Vergleich zu dem letzten Aufenthalt deutlich vermindert (nach 16 Monaten Versorgung mit "Loren-zos Öl").

Insgesamt ist es daher gerechtfertigt, weiter abzuwarten, ob die im Zeitablauf typischerweise voranschreitenden medizinischen und pharmakologischen Erkenntnisse in Zukunft Therapiemöglichkeiten eröffnen und (positive wie negative) Ergebnisse zu Tage fördern können, welche aktuell noch nicht verfügbar sind. Dann aber ist es auch verfassungsrechtlich hinnehmbar, den von einer schweren Krankheit betroffenen Patienten bei fehlender Akut-Problematik trotz der damit verbundenen Belastungen und Unzuträglichkeiten in der Regel abzuverlangen, vor der Inanspruchnahme der GKV für unkonventionelle Therapien zunächst das Vorliegen von Forschungsergebnissen abzuwarten (vgl BSG, 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - RdNr 22, USK 2007-25 mit Beispielen aus der vorangegangenen Rechtsprechung). Das BVerfG hat diese Rechtspre-chung des BSG unbeanstandet gelassen. Mit Beschluss vom 30.6.2008 (1 BvR 1665/07, NJW 2008, 3556-3557) hat die 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG vom 27.3.2007 (aaO) nicht zur Entscheidung angenommen und ausgeführt, dass Anknüpfungspunkt für eine grund-rechtsorientierte Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts "das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage" ist. Das BVerfG hat dabei darauf abgestellt, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, darüber hinaus besondere Verfahren vorzusehen, die der Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, dem Interesse der Gleichbehandlung der Versicherten und dem Zweck der Ausrichtung der Leistungserbringung am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit dienen und gewährleisten, dass die Anwendung neuer Methoden auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage gestellt wird.

B. Wenn man "Lorenzos Öl" nicht als Arzneimittel, sondern als Lebensmittel qualifiziert, besteht ebenfalls kein Anspruch des Klägers.

1. Zu den Ausnahmefällen nach § 31 SGB V, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln in den Leistungskatalog der GKV fällt, gehört "Lorenzos Öl" nicht.

Dies gilt besonders deutlich für die jüngste Fassung des § 31 SGB V (idF des Art. 1 Nr. 1a Buchst. c des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung v. 15.12.2008 BGBl I 2426 mWv 1.1.2009). Nach dessen Abs 5 können bilanzierte Diäten nur noch "zur enteralen Ernährung" (Ernährung über den Magen-Darm-Trakt mittels Sonde) von der gesetzlichen Krankenversicherung geleistet werden. Um eine solche Ernährung geht es hier jedoch nicht.

Auch nach den vorherigen im Laufe des Verfahrens anwendbaren Fassungen des § 31 SGB V bestand kein Anspruch des Klägers (vgl dazu ausführlich BSG, 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R, juris).

Die Versorgung mit Lebensmitteln gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der GKV, selbst wenn therapeutische Nebeneffekte damit verbunden sind (stRspr, vgl BSG aaO mwN). Ausnahmen hiervon regelte § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 5 Buchst a GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG - vom 19.12.1998, BGBl I 3853, geändert durch Art 1 Nr 18 Buchst a DBuchst bb Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190 mit Wirkung vom 1.1.2004; außer Kraft seit 30.04.2006; ähnlich aber die nachfolgenden Fassungen bis zum 31.12.2008). Die Vorschrift bestimmte, dass in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen war, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondennahrung ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden konnten. "Lorenzos Öl" unterfiel nicht den vom Gesetzgeber selbst bestimmten Produktgruppen des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V. Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V vermochten hieran nichts zu ändern; sie sind nicht geeignet, die gesetzliche Leistungspflicht auszuweiten (dazu jeweils ausführlich BSG, 16.12.2008 - B 1 KN 3/07 KR R, juris).

Zu den Ausnahmefällen nach § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V, in denen die Versorgung mit Lebensmitteln in den Leistungskatalog der GKV fällt, gehört "Lorenzos Öl" nicht. Es ist weder Aminosäuremischung noch Eiweißhydrolysat (zur Auslegung dieser Begriffe vgl BSG, 4.7.2005 - B 1 KR 101/04 B, Juris), sondern eine Mischung aus Fettsäuren. Es dient nicht als Sondennahrung.

Es ist auch keine Elementardiät. Elementardiäten iS von § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V sind Gemische von Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und Spurenelementen. Dazu gehört "Lorenzos ÖL" als Gemisch von Ölen nicht. Den Begriff "Elementardiät" entnahm der Gesetzgeber den Arzneimittelrichtlinien, die bei Einfügung des Abs 1 Satz 2 in § 31 SGB V galten. Die zuletzt vor Inkrafttreten des GKV-SolG am 1.1.1999 geltende Fassung der Arzneimittelrichtlinien regelte nach ihrem Wortlaut unter F.17.1 Arzneimittelrichtlinien (idF vom 31.8.1993, BAnz 1993, Nr 246 S 11155, zuletzt - anderweitig - ge-ändert am 3.8.1998, BAnz Nr 182 vom 29.9.1998): "Folgende Mittel dürfen - von den genannten Ausnahmen abgesehen - nicht verordnet werden: [ ] i) Würz- und Süßstoffe, Obstsäfte, Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, Krankenkost- und Diätpräparate. Als Ausnahmen sind nur zulässig Aminosäuremischungen und Eiweißhydrolysate bei angeborenen Enzymmangelkrankheiten, Elementardiäten (Gemische von Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und Spurenelementen) bei Morbus Crohn, Kurzdarmsyndrom, stark Untergewichtigen mit Mukoviszidose, bei Patienten mit chronisch terminaler Nierenin-suffizienz unter eiweißarmer Ernährung und bei Patienten mit konsumierenden Erkrankungen sowie medizinisch indizierter Sondennahrung." Dass der Gesetzgeber bei der Einfügung von Abs 1 Satz 2 in § 31 SGB V die Definitionen der bisher geltenden Arzneimittelrichtlinien zugrunde legte, belegen die Geset-zesmaterialien. Danach sollte "durch die neue Vorschrift eine Rechtsgrundlage für die Aufrechterhaltung der bisherigen Ausnahmeregelungen in den Arzneimittelrichtlinien geschaffen" werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - 14. Ausschuss - zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 14/24 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-SolG, BT-Drucks 14/157 S 33, zu Artikel 1 Nr 5 - § 31 - zu Absatz 1). Die vom Bundesausschuss beschlossenen Ausnahmefälle sollten durch formelles Gesetz in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen und dadurch Unsicherheiten über deren Einbeziehung in den GKV-Leistungskatalog aufgrund der BSG-Rechtsprechung (vgl BSG, 9.12.1997 - 1 RK 23/95, BSGE 81, 240 ff = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 - Diätnahrungsmittel) beseitigt werden (vgl BT-Drucks 14/157 S 33, zu Artikel 1 Nr 5 - § 31 - zu Absatz 1).

2. Angesichts der Wirkungslosigkeit von "Lorenzos Öl" zumindest im Falle des Klägers war auch nicht weiter zu prüfen, ob es von einem Träger der Sozialhilfe nach § 30 Abs 5 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - als kostenaufwändige Ernährung zu leisten war.

C. "Lorenzos Öl" ist auch kein Heilmittel iS von § 32 SGB V. Dies sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (stRspr, vgl BSG - B 1 KR 16/07 R und B 1 KN 3/07 KR R, aaO mwN). "Lorenzos Öl" wird nicht als Dienstleistung verordnet, sondern als Arznei- oder Lebensmittel verabreicht.

"Lorenzos Öl" ist ebenso wenig Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 SGB V. Hilfsmittel sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandhaltung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (stRspr, vgl BSG aaO mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da sich der Senat der Rspr des BSG anschließt, besteht kein Grund für die Zulassung der Revision.
Rechtskraft
Aus
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