L 1 R 525/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 90/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 525/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
SGB VI, Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 25. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Die 1963 geborene Klägerin schloss ausweislich der Urkunde der Betriebsberufsschule des VEB Chemiekombinat Bitterfeld vom Juli 1982 die Ausbildung zum Facharbeiter für chemische Produktion erfolgreich ab. Nach einem anschließenden Studium in der Fachrichtung Lebensmitteltechnik bis 1986 erwarb sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu führen (Zeugnis der Ingenieurhochschule Köthen vom 29. August 1986). Von Oktober 1986 bis Februar 1989 arbeitete sie als Technologin der Rationalisierung bzw. als Abteilungsleiterin. Wegen der Geburt des zweiten Kindes im Februar 1989 folgte ein einjähriger Erziehungsurlaub mit anschließender Arbeitslosigkeit. Danach war sie zunächst kurzzeitig vom 18. März 1991 bis zum 22. Juni 1991 bei der H. S. GmbH (Ladenbau) im Bereich Ladenplanung/Projektierung, Angebotserarbeitung und Kundenberatung tätig. Seit dem 1. Juli 1991 war sie als Sachbearbeiterin beim ehemaligen Landkreis A.-Z. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis besteht auch jetzt noch.

Vom 22. Januar bis 28. Januar 2003 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Neurologischen Klinik des Städtischen Klinikums D ... Ausweislich des Berichts über diese Behandlung vom 18. Februar 2003 bestanden seit Oktober 2002 Sensibilitätsstörungen im vorderen Zungenabschnitt und im Mundbereich sowie teilweise ein Kältegefühl. In der Klinik konnte anhand einer Liquoranalyse eine Neuroborreliose ausgeschlossen werden. Am 31. März 2003 untersuchte der Internist Dr. K. die Klägerin. In seinem Arztbericht vom 9. April 2003 führte er aus, aufgrund der durchgeführten Kontrolluntersuchungen habe sich kein serologischer Hinweis auf eine chronische Borreliose gefunden. Allerdings habe das serologische Bild der Co-Bakterien (Yersinien) einen Hinweis auf eine chronische Infektion mit reaktiver Arthritis gezeigt. Er empfahl eine dreiwöchige Antibiose mit Cotrimoxazol. Schließlich sprachen sich die Hausärzte Dr. M./Dipl.-Med. St. in ihrem Befundbericht vom 4. Juni 2003 für eine schnellstmögliche psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme aus.

Am 3. Juni 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation. Sie gab u. a. an, unter allgemeiner Müdigkeit, Schwäche und Depressionen zu leiden. Die Beklagte bewilligte ihr daraufhin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der psychosomatischen Abteilung der H.-Kliniken B. C ... In dem Entlassungsbericht vom 1. Oktober 2003 über die Maßnahme vom 13. August bis zum 24. September 2003 sind folgende Diagnosen gestellt:

– Psychische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten Erkrankungen. – Zustand nach Yersinieninfektion. – Colon irritable (Reizdarm). – Seronegative rheumatoide Arthritis. – Cervicobrachial-Syndrom bei Spinalkanalstenose C4/5 und C5/6.

Langfristig erscheine die Klägerin für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Angestellte im öffentlichen Dienst sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Es sollten keine Tätigkeiten mit häufiger Überkopfarbeit, Zwangshaltungen des Rumpfes, in gebückter Haltung und mit schwerem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg durchgeführt werden. Auch auf Tätigkeiten in Nässe, Zugluft und unter extrem schwankenden Temperaturen sowie mit erhöhter Unfallgefahr sollte verzichtet werden. Aus psychosomatischer Sicht bestünden keine zusätzlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit.

Am 13. September 2004 untersuchte Dipl.-Med. M. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung die Klägerin. Er bezeichnete in seinem Gutachten vom 4. Oktober 2004 eine somatoforme Störung als Hauptdiagnose, daneben diagnostizierte er Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen im rechten Kniegelenk, ein Zervikalsyndrom sowie eine chronische Sinusitis. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten auszuführen. Es werde eine sofortige stufenweise Wiedereingliederung, beginnend mit mindestens drei Stunden, empfohlen. Es sollte eine zügige Steigerung der Arbeitszeit erfolgen mit dem Ziel, die Klägerin spätestens in vier Wochen vollschichtig in ihrer Tätigkeit einzusetzen. Die Klägerin sei mit dem Begutachtungsergebnis nicht einverstanden gewesen.

Ebenfalls am 13. September 2004 beantragte die Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab sie Kopfschmerzen im Stirnhöhlenbereich und Hinterkopf, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Nackensteifigkeit, allgemeine Schwäche und Müdigkeit, Lichtempfindlichkeit, nasale Sprache, Missempfindungen im Bereich der Zunge und Lippen, Blockaden im HWS- und BWS-Bereich und Gelenkentzündungen nach Yersinieninfektion an. Die Beklagte veranlasste daraufhin Gutachten des HNO-Facharztes Prof. Dr. S. und der Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. K ... Prof. Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 3. November 2004 nach Untersuchung der Klägerin am 18. Oktober 2004 einen Zustand nach Sinusitis ethmoidalis und frontalis (Nasennebenhöhlenentzündung) sowie eine Hyposmie (vermindertes Geruchsvermögen) beidseits. Bei der Klägerin sei ein deutlicher Wille zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erkennbar gewesen. Sie sollte durch langsame Steigerung der Tagesarbeit von vier auf sechs Stunden in die tägliche Arbeit als Sachbearbeiterin zurückgeführt werden. Durch Änderung der Sitzhaltung und vorübergehende Entspannungsübung sei eine Vollzeittätigkeit möglich. Seitens des HNO-Fachgebietes lägen keine Erkrankungen vor, die erwerbsmindernd seien oder die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess behindern würden. Auch eine Tätigkeit mit Publikumsverkehr sei wieder zumutbar. Dr. K. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 16. November 2004 nach Untersuchung der Klägerin am 1. November 2004 den Verdacht auf Somatisierungsstörung, eine seronegative rheumatoide Arthritis sowie einen Zustand nach Yersinieninfektion. Bei der Klägerin könne von einer psychogenen Überlagerung ausgegangen werden. Sofern aus internistischer Sicht nichts dagegen spreche, könne sie aus nervenärztlicher Sicht stufenweise nach dem Hamburger Modell arbeitsmäßig belastet werden, insbesondere auch um eine Chronifizierung zu vermeiden. Nach der Eingliederung am vorhandenen Arbeitsplatz könne sie die Tätigkeit als Sachbearbeiterin sechs Stunden und mehr verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 den Rentenantrag mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden.

Am 18. Februar 2005 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2005 ab, weil bei der erneuten Antragstellung kein neuer medizinischer Sachverhalt mitgeteilt worden sei. Dagegen legte die Klägerin am 31. Mai 2005 Widerspruch ein. Aus der Vielzahl ihrer Erkrankungen habe sich als eigenständiges Krankheitsbild ein chronischer Schmerz abgezeichnet. Dem Widerspruch fügte sie einen Bericht der Psychosomatischen Abteilung der Ch. (Dr. D., Dr. R.) vom 6. Juli 2005 über die stationäre Behandlung vom 30. Juni bis zum 5. Juli 2005 bei. Dort wurde sie mit den Diagnosen Somatisierungsstörung, Anpassungsstörung und Kopfschmerzen entlassen. Es sei zu empfehlen, zunächst den Ausgang des Rentenverfahrens abzuwarten, bevor sich die Klägerin bei anhaltenden Beschwerden einer psychosomatisch fundierten Behandlung unterziehe. Möglicherweise führe aber auch eine zeitlich begrenzte Berentung zur Stabilisierung und zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit. Die Beklagte holte zunächst einen Befundbericht des Ärztlichen Leiters des Schmerzzentrums B. Dr. J. vom 30. August 2005 ein und veranlasste sodann ein Gutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. A ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 17. November 2005 nach Untersuchung der Klägerin am 14. November 2005 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Die klinische und röntgenologische Untersuchung habe weder das Vorliegen einer Erkrankung an Rheuma noch eine anderweitige Erkrankung von Wertigkeit im Bereich der Gelenke erbracht. Auch eine Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates im weitesten Sinne sei nicht nachweisbar. Die geringfügigen Veränderungen am dorsolumbalen Übergang seien ohne Krankheitswert und für die berufliche Belastbarkeit ohne Bedeutung. Die Klägerin könne bis zu mittelschwere Arbeiten zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2006 zurück und führte aus, die im Widerspruchsverfahren durchgeführten Ermittlungen hätten keine Befunde ergeben, die eine Änderung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung begründen könnten.

Dagegen hat die Klägerin am 23. Februar 2006 Klage beim Sozialgericht Dessau (SG) erhoben und zur Begründung auf ihren Widerspruch verwiesen. Das SG hat zunächst einen Befundbericht von Dipl.-Med. S. vom 5. Juli 2006 eingeholt, dem weitere Arztbriefe beigefügt waren. Darunter befand sich unter anderem ein Bericht des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. H. vom 16. Dezember 2004 mit dem Befund einer rechtsbetonten Struma II. Grades sowie ein Bericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. vom 10. März 2005 mit den Diagnosen Monarthritis rechtes Kniegelenk (Differentialdiagnose: Reaktive Arthritis nach Yersiniose), Verdacht auf Chondropathia patellae rechts, relative Spinalkanalstenose der HWS mit Bandscheibenprotrusionen (-vorwölbungen) im Bereich von C4 bis C6 sowie Zustand nach chronischer Sinusitis der Nasennebenhöhlen. Der Arzt für Innere Krankheiten Prof. Dr. von B. hat in einem Vermerk vom 14. April 2005 ein Herpes Zoster Rezidiv (jetzt weitgehend abgeheilt) am linken Schulterblatt mit postzostrischer Neuralgie erwähnt. In dem vorläufigen Arztbrief der Neurologischen Klinik und Poliklinik der C. vom 16. Juni 2005 über eine stationäre Behandlung vom 8. Juni bis zum 16. Juni 2005 sind die Diagnosen Verdacht auf Somatisierungsstörung, chronischer Spannungskopfschmerz, phobischer Schwankschwindel, latentes Karpaltunnelsyndrom rechts und chronische Sinusitis maxillaris aufgeführt. Die Vorstellung in der psychosomatischen Abteilung wurde empfohlen, worauf die bereits erwähnte stationäre Behandlung vom 30. Juni bis zum 5. Juli 2005 stattgefunden hat. Vom 31. August bis 4. November 2005 hat die Klägerin an einer teilstationären Behandlung im St. J.-Krankenhaus D., Fachkrankenhaus für Psychiatrie teilgenommen. In der Kurzepikrise vom 4. November 2005 ist eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Es handele sich um einen chronifizierten Krankheitsverlauf. Im Rahmen der psychotherapeutischen Gruppenarbeit habe sich herausgestellt, dass die Klägerin letztlich nicht motiviert sei, an der Psychogenese zu arbeiten. Medikamentöse Entlastungsversuche seien ohne wesentliche Besserungen geblieben. Die Entlassung sei bei relativem Wohlbefinden ohne Psychopharmaka erfolgt. Eine Untersuchung in der Klinik für Innere Medizin des Städtischen Klinikums D. am 20. Januar 2006 hat keine Stenosen (Verengungen) oder Verschlüsse der cervikalen, hirnversorgenden Arterien ergeben. In einem Arztbrief des Instituts für Transfusionsmedizin der C. vom 19. Februar 2006 ist ausgeführt, dass sich keine sicheren Hinweise für eine Systemerkrankung im Sinne einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung bzw. im Sinne eines erhöhten thrombembolischen Risikos identifizieren ließen. Daneben sind ein Restless-legs-Syndrom und Nasennebenhöhlenentzündungen diagnostiziert worden.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne in ihrem Beruf als Sachbearbeiterin mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Dies folge aus den von der Beklagten eingeholten Gutachten.

Gegen das am 9. November 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. November 2006 Berufung eingelegt. Sie sei nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Tätigkeit von mehr als drei Stunden täglich auszuüben. Dafür spreche, dass sie seit ca. April 2003 durchgängig arbeitsunfähig sei. Die Krankschreibung sei lediglich durch zwei fehlgeschlagene Wiedereingliederungen unterbrochen worden. Im Mittelpunkt stünden die psychischen Folgeerscheinungen ihres Hauptleidens, den ständigen starken Schmerzzuständen im Rücken- und Kopfbereich. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass im Rahmen eines Feststellungsverfahrens zur Schwerbehinderung mit Bescheid vom 21. Januar 2005 folgende Funktionsstörungen mit einem Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden seien: Arthritische Beschwerden der Gelenke nach Zeckenbiss mit psychischer Gesundheitsstörung, chronische Nasennebenhöhlenentzündung und Funktionsminderung der Wirbelsäule. Darüber hinaus hat die Klägerin einen Bericht der behandelnden Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Prof. Dr. G. vom 9. Januar 2007, unterschrieben in Vertretung durch Dr. S., übersandt. Darin ist ausgeführt, dass kein Restleistungsvermögen bestehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 25. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. März 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 25. Oktober 2006 zurückzuweisen.

Das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Es habe den festgestellten Sachverhalt zutreffend gewürdigt und seine Entscheidung überzeugend begründet.

Der Senat hat zunächst aktuelle Befundberichte eingeholt: Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. P. vom 5. März 2007, Prof. Dr. G. vom 8. März 2007, Prof. Dr. von B. vom 15. März 2007, Dr. M./Dipl.-Med. S. vom 4. April 2007 und Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. vom 20. Juli 2007. Darüber hinaus hat der Senat den ausführlichen Bericht vom 13. August 2007 über die teilstationäre Behandlung im St. J.-Krankenhaus D., Fachkrankenhaus für Psychiatrie, vom 31. August bis 4. November 2005 sowie den vorläufigen Entlassungsbericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. vom 7. Januar 2008 über die tagesklinische Behandlung in der Tagesklinik für kognitive Neurologie des Universitätsklinikums L. vom 10. Dezember bis 20. Dezember 2007 beigezogen. In einem vom Senat eingeholten ergänzenden Befundbericht von Dr. Sch. vom 19. Februar 2008 hat dieser ausgeführt, das erhobene Leistungsbild spreche gegen eine Fähigkeit der Klägerin, leichte Tätigkeiten, etwa als Bürohilfskraft, sechs Stunden je Arbeitstag ausüben zu können. Eine eindeutige Klärung sei jedoch über eine Begutachtung erforderlich. Dem Befundbericht hat er den (endgültigen) Entlassungsbericht vom 1. Februar 2008 beigefügt. Des Weiteren hat der Senat einen Befundbericht von Dipl.-Psych. F. vom 19. Februar 2008 über die seit dem 29. Juni 2007 durchgeführte Psychotherapie (erster Patientenkontakt am 10. April 2007) eingeholt.

Schließlich hat der Senat ein fachpsychiatrisches Gutachten durch den Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. L. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2008 nach Untersuchung der Klägerin am 9. Dezember 2008 ausgeführt, in Anbetracht der Konstitution der Klägerin und unter Berücksichtigung des radiologisch nachgewiesenen engen Spinalkanals ab C4 seien nur leichte Arbeiten möglich. Aus psychiatrischer Sicht sei ein Wechsel der Arbeitshaltungen notwendig, wobei durchaus eine überwiegend sitzende Tätigkeit möglich sei. Dies ergebe sich aus der Zunahme der Restless-legs-Symptome in Ruhe. Einseitige körperliche Belastungen, insbesondere Überkopfarbeiten und Dehnungsbeanspruchungen, müssten wegen des engen zervikalen Spinalkanals vermieden werden. Einschränkungen der Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände bestünden nicht. Wegen der Vorgeschichte mit Gelenkentzündungen müsse eine Kälteexposition vermieden werden. Hinsichtlich Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Ausdauer könnten nur einfache Anforderungen zugemutet werden. Schichtarbeit sowie Akkord- und Fließbandarbeit könne die Klägerin nicht verrichten. Im Hinblick auf Publikumsverkehr ergäben sich keine Einschränkungen. Bis Juni 2004 sei die Klägerin durch verschiedene Infektionserkrankungen nicht in der Lage, auch nur drei Stunden täglich zu arbeiten. Für den Zeitraum zwischen Juni 2004 und Juni 2007 sei eine eindeutige und stichhaltig begründete Einschätzung nicht möglich, denn die subjektiven Angaben der Klägerin erschienen einerseits medizinisch nachvollziehbar, es fehle ihnen andererseits aber an Objektivierung. Seit Beginn der Therapie mit Pramipexol (Sifrol) sei aber von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen. Die Frage nach einem achtstündigen Leistungsvermögen könne bei der seit Jahren von beruflicher Tätigkeit entwöhnten Klägerin nicht von vornherein positiv beantwortet werden. Prinzipiell seien aber keine Gründe erkennbar, die einen achtstündigen Arbeitstag a priori (grundsätzlich) unmöglich erscheinen ließen. Gegebenenfalls sei die zeitliche Belastung stufenweise zu steigern. Für den Zeitraum bis Juni 2007 sei die Erforderlichkeit zusätzlicher Pausen aus der Erfahrung wohl eher zu bejahen, eine eindeutige Antwort könne aber nicht gegeben werden. Nach Juni 2007 seien zusätzliche Pausen oder besondere Erfordernisse der Arbeitsorganisation nicht notwendig. Allerdings benötige die Klägerin auch bei einer sechsstündigen Arbeitszeit eine Pause, was sich aus den Einschränkungen der Ausdauer ergebe. Einschränkungen der Gehfähigkeit bestünden nicht; die Klägerin könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Aufgrund einer Blendempfindlichkeit sei das Führen eines Kraftfahrzeuges bei Dunkelheit nicht mehr möglich.

Schließlich hat die behandelnde Dipl.-Psych. F. (unaufgefordert) eine Stellungnahme vom 15. Juli 2010 an das Gericht gesandt. Darin ist ausgeführt, die ungeklärte rechtliche Situation bezüglich der Rente wirke negativ verstärkend. Die Klägerin sei auf die Unterstützung durch den Ehemann angewiesen. Eine Berentung würde für die Klägerin eine seelische Entlastung darstellen, zu der sie dringend rate.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2006 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung hat.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19. Februar 2002, BGBl. I S. 754) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres (Fassung ab 1. Januar 2008: bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (siehe Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung, RV – Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I S. 554)) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie u. a. teilweise erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert ist gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist jedoch nach § 43 Abs. 3, 1. Halbsatz SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Bei der Klägerin liegt weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Für den Senat steht aufgrund des Rehabilitationsentlassungsberichts vom 1. Oktober 2003 und der Gutachten von Dipl.-Med. M., Prof. Dr. S., Dr. K., Dr. A. und Dr. L. fest, dass die Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in geschlossenen Räumen sechs Stunden und mehr täglich verrichten kann. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten, Dehnungsbeanspruchungen, Zwangshaltungen des Rumpfes, in gebückter Haltung, schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, mit erhöhter Unfallgefahr, Nässe, Zugluft, Kälte, extrem schwankende Temperaturen, mit erhöhten Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit und Ausdauer sowie Schicht-, Akkord- und Fließbandarbeit.

Seitens des HNO-Fachgebietes liegen keine Erkrankungen vor, die erwerbsmindernd sind oder die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess behindern, wie Prof. Dr. S. überzeugend herausgearbeitet hat. Auch aus rein orthopädischer Sicht bestehen keine so ausgeprägten Gesundheitsstörungen, dass eine leichte körperliche Tätigkeit sechs Stunden und mehr täglich nicht mehr möglich wäre. Die klinische und röntgenologische Untersuchung durch Dr. A. hat weder das Vorliegen einer Erkrankung an Rheuma noch eine anderweitige Erkrankung von Wertigkeit im Bereich der Gelenke erbracht. Es konnte auch keine Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates im weitesten Sinne nachgewiesen werden. Die geringfügigen Veränderungen am dorsolumbalen Übergang sind ohne Krankheitswert und für die berufliche Belastbarkeit ohne Bedeutung.

Aber auch aus psychiatrischer Sicht – hier liegt sicher das Schwergewicht der Gesundheitsstörungen der Klägerin – ist eine leichte Tätigkeit sechs Stunden und mehr täglich möglich. Bei der seit Jahren von beruflicher Tätigkeit entwöhnten Klägerin ist die zeitliche Belastung zunächst stufenweise zu steigern, bis die Belastbarkeit und Ausdauer wieder ein Normalmaß erreicht hat. Hier ist nicht zuletzt auch der Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – gefordert, denn nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Langer und in der mündlichen Verhandlung besteht ihr Beschäftigungsverhältnis beim jetzigen Landkreis Anhalt-Bitterfeld noch.

Dipl.-Med. M., Prof. Dr. S., Dr. K. und Dr. L. haben zu Recht auf eine stufenweise Eingliederung hingewiesen. Eine solche bedingt aber keine überdauernde, mehr als sechs Monate währende Herabsetzung des beruflichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden täglich. Dass die Klägerin – nach entsprechender Eingliederung – noch mindestens sechs Stunden täglich eine leichte körperliche Arbeit verrichten kann, zeigt nicht zuletzt der von Dr. Langer geschilderte Tagesablauf. Dieser ist nicht durch eine weitgehende Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse oder Aufmerksamkeit gekennzeichnet. Zwar hat die Klägerin gegenüber Dr. Langer bekundet, es gehe alles langsamer, "wie in Zeitlupe". Nach der Körperpflege esse sie Frühstück. Vor dem Frühstück mache sie das eine Bett, nach dem Frühstück das andere. Außerdem lüfte sie das Haus. Sie mache den Haushalt, so gut sie könne. Dabei setze sie sich konkrete Ziele, zum Beispiel ein Fenster zu putzen. Sie versuche, wenigstens die Wäsche allein hinzukriegen. Ihr Ehemann habe einen niedrigeren Wäscheständer beschafft. Bügeln könne sie, aber nur langsam. Ihr Ehemann sei häufiger nicht da, da könne sie nicht viel erwarten. Dieser kümmere sich aber um den Garten, mähe z. B. den Rasen. Beim Essen sei sie "sehr unkompliziert". Sie koche am Abend und dann äßen sie und ihr Mann zwei Tage davon. Im Bereich Selbstversorgung sind also keine wesentlichen Einschränkungen erkennbar; sie versorgt sogar ihren Ehemann mit, der als Betriebsleiter im Stahlbau offenbar beruflich stark eingebunden ist. Die Pflege ihrer Zimmerpflanzen hat sie als ihr Hobby bezeichnet, was gegen einen weitgehenden Interesseverlust spricht. Die Klägerin hat vier Geschwister, zu denen sie nach eigenem Bekunden ein sehr gutes Verhältnis habe. Kommunikationsfähigkeit und soziale Kontakte sind somit offenbar nicht wesentlich beeinträchtigt. Sie hat zwar "ganz massive" Konzentrationsprobleme angegeben, bemühe sich aber, die Tageszeitung zu lesen oder fernzusehen. Ein Buch könne sie allerdings nicht mehr lesen. Im Rahmen der Exploration durch Dr. Langer sind aber keine Störungen von Merkfähigkeit und Gedächtnis feststellbar gewesen. Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration sind unbeeinträchtigt gewesen. Der formale Gedankengang ist geordnet gewesen, teils auf die Beschwerdeschilderung eingeengt. In der Gesamtschau sprechen die Beobachtungen von Dr. Langer dafür, dass die Klägerin eine leichte körperliche Arbeit noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Denn die Klägerin schafft es, einen Tagesablauf zu strukturieren und in diesem Tagesablauf Aufgaben zu bewältigen. Etwas anderes verlangt auch eine sechsstündige Beschäftigung nicht.

Nicht für überzeugend hält der Senat dagegen die Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. Sch. und Prof. Dr. G., die von einem unter sechsstündigen (Dr. Sch.) bzw. von einem aufgehobenen Leistungsvermögen (Prof. Dr. G.) ausgehen, sowie die Meinung von Dr. D. und Dr. R. (Psychosomatische Abteilung der C.) sowie der behandelnden Dipl.-Psych. F., die eine Berentung für angezeigt halten. Die Auffassung von Prof. Dr. G. begegnet nicht zuletzt deshalb Bedenken, weil sie in ihrem Bericht vom 9. Januar 2007 sowie in ihrem auf Anforderung des Senats erstellten Befundbericht vom 8. März 2007 Ausfälle im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms beschrieben hat (Gedächtnisstörungen, Amnesien, Konzentrationsstörungen, Störungen von Auffassung und intellektuellen Funktionen, formale Denkstörungen, Affektveränderungen, psychomotorische Störungen und Störungen im vegetativ-motorischen Bereich), die offenbar nicht auf entsprechende Testungen gestützt waren, sondern lediglich auf die subjektiven Angaben der Klägerin. Denn erst aufgrund der Nachfrage des Senats, auf welche Art und Weise (Tests usw.) dieser Befund erhoben worden sei, hat Prof. Dr. G. die Klägerin zu einer neuropsychologischen Testung in die Tagesklinik für kognitive Neurologie im Universitätsklinikum L. (Dr. Sch.) überwiesen. Daher ist zu vermuten, dass der Befund in den Berichten vom 9. Januar 2007 und vom 8. März 2007 im Wesentlichen auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruht. Überdies hat Prof. Dr. G. den Verdacht auf eine cerebrale Durchblutungsstörung geäußert, obwohl eine Untersuchung in der Klinik für Innere Medizin des Städtischen Klinikums D. bereits am 20. Januar 2006 keine Stenosen (Verengungen) oder Verschlüsse der cervikalen, hirnversorgenden Arterien ergeben hatte.

Die von Prof. Dr. G. veranlasste tagesklinische Behandlung in L. dauerte vom 10. Dezember bis 12. Dezember 2007. Im Entlassungsbericht hierzu vom 1. Februar 2008 hat Dr. Sch. als erstes eine Neurasthenie mit den Unterdiagnosen chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp und leichte kognitive Störung sowie als zweites ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert. Dr. Sch. hat die Diagnose Neurasthenie angesichts der Differenz der neuropsychologischen Defizite zu den unauffälligen organischen Untersuchungsbefunden gestellt. Bei einer Neurasthenie besteht aber eine Minderung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht in aller Regel nicht (Leitlinien für sozialmedizinische Beurteilung von Menschen mit psychischen Störungen, hrsg. v. der Deutschen Rentenversicherung Bund, Dezember 2006, S. 47; im Folgenden: Leitlinien). In Anbetracht der von der Klägerin geäußerten multiplen somatischen Beschwerden hat er weiterhin den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung geäußert. Diese Diagnose werde von der mehrfachen Vorstellung zur stationären Diagnostik, trotz unauffälliger Untersuchungsbefunde, unterstützt. Seine Einschätzung, das erhobene Leistungsbild spreche gegen eine Fähigkeit der Klägerin, leichte Tätigkeiten, etwa als Bürohilfskraft, sechs Stunden je Arbeitstag ausüben zu können, hat er letztlich durch seine einschränkende Bemerkung relativiert, eine eindeutige Klärung sei über eine Begutachtung erforderlich. Die Leistungseinschätzung durch Dr. Sch. steht im Übrigen in Widerspruch zu dem gegenüber Dr. L. geschilderten Tagesablauf.

Auch die Meinungen von Dr. D. und Dr. R. (Psychosomatische Abteilung der C.) sowie der behandelnden Dipl.-Psych. F., die eine Berentung für angezeigt halten, überzeugen den Senat nicht. Dr. D. und Dr. R. haben sich ohnehin sehr zurückhaltend geäußert. Sie haben zunächst darauf hingewiesen, dass erst der Ausgang des Rentenverfahrens abgewartet werden sollte, bevor sich die Klägerin bei anhaltenden Beschwerden einer psychosomatisch fundierten Behandlung unterzieht. Möglicherweise führe aber auch eine zeitlich begrenzte Berentung zur Stabilisierung und zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit, so die beiden Ärzte. Gerade bei somatoformen Störungen – Dr. D. und Dr. R. haben eine hierzu zählende Somatisierungsstörung diagnostiziert – lässt sich jedoch nicht vorhersehen, wie eine Berentung die vorhandene Symptomatik beeinflusst. Grundsätzlich ist nicht zu erwarten, dass die Berentung die vorhandene Symptomatik mindert oder zum Verschwinden bringt (Leitlinien, S. 46). Dieser Einwand gilt auch für Dipl.-Psych. F., die ebenfalls eine nicht näher bezeichnete somatoforme Störung diagnostiziert hat und zuletzt in ihrer Stellungnahme vom 15. Juli 2010 die Auffassung vertreten hat, eine Berentung würde für die Klägerin eine seelische Entlastung darstellen, zu der sie dringend rate.

Der Senat kann offen lassen, ob die Klägerin bis Juni 2004 durch verschiedene Infektionserkrankungen nicht in der Lage war, auch nur drei Stunden täglich zu arbeiten, wie Dr. L. gemeint hat. Denn umstritten ist ein Rentenanspruch für die Zeit ab März 2005. Soweit Dr. L. für den Zeitraum zwischen Juni 2004 und Juni 2007 die Auffassung vertreten hat, eine eindeutige und stichhaltig begründete Einschätzung sei nicht möglich, weil die subjektiven Angaben der Klägerin einerseits medizinisch nachvollziehbar erschienen, es ihnen andererseits aber an Objektivierung fehle, bezieht sich der Senat auf die in diesem Zeitraum getroffenen Einschätzungen von Dipl.-Med. M. (Untersuchung am 13. September 2004), Prof. Dr. S. (Untersuchung am 18. Oktober 2004), Dr. K. (Untersuchung am 1. November 2004) und Dr. A. (Untersuchung am 14. November 2005). Diese Gutachter haben eingeschätzt, dass die Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen in geschlossenen Räumen sechs Stunden und mehr verrichten kann. Es existiert in diesem Zeitraum keine gutachterliche Einschätzung, die von einem unter sechsstündigen Leistungsvermögen ausgeht. Dipl.-Med. M., Prof. Dr. S. und Dr. K. haben lediglich – zu Recht – auf eine stufenweise Eingliederung hingewiesen. Eine solche bedingt aber keine überdauernde, mehr als sechs Monate währende Herabsetzung des beruflichen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden täglich.

Dr. L. hat die Zäsur ab Juni 2007 mit der erfolgreichen Umstellung der Behandlung des Restless-legs-Syndroms auf das Medikament Sifrol begründet. Dies hat nach Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Sch. zu einer deutlichen Besserung geführt. Die Kritik von Dr. L. an Dipl.-Med. M. und Dr. K., das Restless-legs-Syndrom in ihren Gutachten nicht erwähnt zu haben, erscheint zumindest zweifelhaft. Denn es kommt nicht auf die eigentliche Diagnose an, sondern auf die tatsächlichen Auswirkungen im täglichen Leben und die bestehenden Funktionseinschränkungen. Offenbar war die Symptomatik im Herbst 2004, als die Untersuchungen durch Dipl.-Med. M. und Dr. K. stattfanden, noch nicht so ausgeprägt, dass wesentliche, das quantitative Leistungsvermögen limitierende Funktionseinschränkungen vorlagen. Erst ein Jahr später hat Dr. A. unter der Überschrift "Subjektiv" ausgeführt, "außerdem habe sie ein Restless-Syndrom". In seine Leistungsbeurteilung ist dies aus der Sicht seines Fachgebietes – Orthopädie, Rheumatologie – nicht eingeflossen. Im Ergebnis hat auch Dr. L. eingeräumt, dass es hinsichtlich des Zeitraumes zwischen Juni 2004 und Juni 2007 an Objektivierung fehlt, was nach den allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Klägerin geht. Ein Rentenanspruch in diesem Zeitraum wäre also auch mit Dr. Langer nicht begründbar.

Bei der Klägerin liegt auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für körperlich leichte Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. aus (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, Rdnr. 34, zit. nach Juris).

Der Klägerin ist auch nicht deshalb der Arbeitsmarkt verschlossen, weil sie nur unter nicht betriebsüblichen Bedingungen arbeiten könnte. Der Arbeitsmarkt gilt trotz an sich mindestens sechsstündiger bis vollschichtiger Erwerbsfähigkeit als verschlossen, wenn nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen gearbeitet werden kann. Benötigt ein Arbeitnehmer zusätzliche Arbeitspausen, die im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehen sind, ist zu prüfen, ob er unter solchen Bedingungen eingestellt würde (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 43, Rdnr. 40). Soweit Dr. Langer gemeint hat, für den Zeitraum bis Juni 2007 sei die Erforderlichkeit zusätzlicher Pausen aus der Erfahrung wohl eher zu bejahen und nach Juni 2007 benötige die Klägerin bei einer sechsstündigen Arbeitszeit eine Pause, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn Dr. L. hat eingeräumt, für den Zeitraum bis Juni 2007 eine eindeutige Antwort nicht geben zu können. Was den Zeitraum ab Juni 2007 anbelangt, hat er die Notwendigkeit einer – im Übrigen nicht näher definierten – Pause mit Einschränkungen der Ausdauer begründet. Diese fehlende Ausdauer beruht aber nicht zuletzt darauf, dass die Klägerin seit Jahren von beruflicher Tätigkeit entwöhnt ist. Im Rahmen einer stufenweisen Eingliederung wird auch die Ausdauer wieder so gesteigert werden können, dass die Klägerin nach Abschluss der Eingliederung eine leichte körperliche Tätigkeit sechs Stunden ohne Pause verrichten kann. Aber selbst wenn eine Pause erforderlich wäre, entfiele die Prüfung, ob die Klägerin unter dieser Bedingung eingestellt würde. Denn ihr Beschäftigungsverhältnis beim jetzigen Landkreis Anhalt-Bitterfeld besteht noch.

Die Klägerin ist auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Es ist nicht zweifelhaft, dass sie täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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