Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 13 KR 805/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die stationäre Durchführung der Liposuktion der Oberschenkel zu übernehmen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für die stationäre Durchführung einer Liposuktion streitig.
Die am ... geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einem Lipödem der Arme und Beine. Die Beklagte übernahm in der Vergangenheit auf Antrag der P.- K. am S. mehrere Liposuktionen, zuletzt auf Antrag vom 14. Juli 2010 im Januar 2011 im Rahmen einer stationären Behandlung. Auf diesen seinerzeitigen Antrag erhielten sowohl die durchführende Klinik als auch die Klägerin eine Kostenübernahmeerklärung. In dem damaligen Schreiben hieß es ausdrücklich "Ihr Arzt, Herr Dr. med. H., hat eine letztmalige Verlängerung für Ihre Behandlung der Beine beantragt".
Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 beantragte die Klinik für die Klägerin erneut die Kostenübernahme für eine wasserstrahlassistierte Lipokürettage entlang der Lymphbahnen bei wieder zunehmendem Lipödem der Oberschenkel. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu einer lipödembedingten Größen- und Umfangszunahme von sechs bis sieben Zentimetern seit 2010 gekommen. Zudem bestünden glaubhaft geschilderte Beschwerden wie z. B. Druckgefühl und Schmerzhaftigkeit. Trotz einer erfolgten Gewichtsreduktion von sechs Kilogramm sei eine Liposuktion indiziert, so dass die eine stationäre Kostenübernahmeerklärung begehrt werde.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 ausschließlich an die Klinik teilte die Beklagte mit, dass die Klägerin Anspruch auf medizinisch notwendige Leistungen habe, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich seien. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, habe der Krankenhausarzt zu entscheiden. Eine vorherige Kostenübernahmebeantragung sei nicht vorgesehen, jedoch sei eine nachträgliche Prüfung der Abrechnung möglich. Die Klinik möge die Klägerin gemäß der medizinischen Notwendigkeit und den gesetzlichen Bestimmungen behandeln.
Am 12. Juli 2013 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und führte aus, dass ihr bekannt sei, dass Anträge auf stationäre Liposuktionen geprüft und beschieden werden würden. Das Schreiben an die Klinik könne lediglich als Information jedoch nicht als Bescheid angesehen werden. Nunmehr sei die gesetzliche Bearbeitungsfrist von drei Wochen abgelaufen, womit die beantragte Liposuktion als genehmigt gelte. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 reagierte die Beklagte hierauf. Nach ihrem Dafürhalten habe die Klinik die Durchführung der Leistung beantragt und die Beklagte habe der Klinik mitgeteilt, dass diese die Klägerin nach den gesetzlichen Bestimmungen behandeln solle. Das in § 13 Absatz 3 a Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verankerte Patientenrecht erfasse genehmigungspflichtige Leistungen, die vom Versicherten beantragt werden müssten. Hierunter falle ein Schriftwechsel zwischen Krankenhaus und Krankenkasse nicht. Gleichwohl habe man nunmehr den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet. Der MDK gab in seinem Gutachten vom 30. Juli 2013 an, dass ausreichende und wissenschaftliche Belege des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsmethode fehlen würden, obwohl aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung Studien grundsätzlich durchführbar seien. Laut der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zum Lipödem der Beine sei zurzeit keine gesicherte kausale Behandlung vorhanden, da die Ursache des Lipödems unbekannt sei. Durch körperliche Aktivität und Sport könnte zwar das Übergewicht reduziert werden, nicht jedoch die umschriebene Fettvermehrung. Ziel der Therapie seien eine Ödemreduzierung mittels Bewegungstherapie, Kompressionstherapie, intermittierende pneumatische Kompressionen und manuelle Lymphdrainage sowie eine Reduktion des Fettgewebes durch operative Therapie mittels Fettabsaugung (Liposuktion). Dabei handele es sich jedoch nicht um eine evidenzbasierte Leitlinie. Im Rahmen der vertraglichen Behandlungsmaßnahmen stünden eine manuelle Lymphdrainagentherapie als kontinuierliche Dauerbehandlungsmaßnahme sowie das regelmäßige Tragen einer maßangefertigten Kompressionsbestrumpfung (Klasse III) zur Verfügung. Zusätzlich könne ein lymphologischer Kompressionsverband zur Anwendung kommen. Es handele sich jedenfalls nicht um ein rein kosmetisches Anliegen. Im ambulanten Bereich dürfe die Liposuktion wegen der fehlenden positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht durchgeführt werden. Für den stationären Bereich fehle es an einem hinreichenden Nutzenbeleg, so dass auch hier die Liposuktion nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürfe. Unter Verweis auf die Ausführungen des MDK lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2013 die Kostenübernahme ab. Die Klägerin trat dem entgegen und führte aus, dass es sich nicht um eine nach § 137c SGB V ausgeschlossene Methode handele, so dass der Erlaubnisvorbehalt im stationären Bereich gelte. Dies sehe auch die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen so. Des Weiteren verwies sie auf ein MDK-Gutachten aus dem Jahr 2007, in dem es hieß, dass es sich bei der Liposuktion um eine sinnvolle und dauerhaft erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit handele und andere Therapiealternativen nicht zur Verfügung stünden. Sie fügte eine aktuelle Bescheinigung der Klinik bei, wonach bei dem bestehenden Lipödem im Rahmen der Liposuktion von einer Absaugmenge von über zwei Litern auszugehen sei.
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK. In dessem Gutachten vom 11. September 2013 heißt es, dass weitere als die bereits angewandten Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Diese müssten kontinuierlich und zwar lebenslang fortgesetzt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger unter Verweis auf die MDK-Gutachten sowie vielfach ergangene ablehnende Urteile zurück.
Mit ihrer am 27. Dezember 2013 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt umfassend zu der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Problematik vor und wiederholt ihre Auffassung zu § 13 Absatz 3a SGB V sowie den aus ihrer Sicht erfüllten Voraussetzungen der Kostenübernahme für die Durchführung einer stationären Liposuktion. Die Klägerin bemängelte zudem, dass keine erneute körperliche Untersuchung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführt, sondern lediglich nach Aktenlage und unter Verwendung von Textbausteinen entschieden worden sei. Sie verwies des Weiteren auf die Internetseite der Beklagten, auf welcher diese zur Behandlung des Lipödems die Liposuktion verstellt, ohne jedoch darauf zu verweisen, dass die Kosten hierfür von der Beklagten nicht übernommen werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die beantragte stationäre Liposuktion der Oberschenkel zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Eine Auseinandersetzung mit § 13 Absatz 3a SGB V erfolgte nicht.
Das Gericht hat im Verlauf bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss zum Stand der Methodenbewertung der Liposuktion bei Lipödem nachgefragt. Dieser hat hierzu mitgeteilt, dass ein Abschluss nicht vor 2017 zu erwarten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenübernahme der begehrten stationären Durchführung der Liposuktion bei unstreitig bestehendem Lipödem der Oberschenkel.
Der Anspruch der Klägerin hierauf ergibt sich bereits aus § 13 Absatz 3a SGB V. Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Hinblick auf die Überschreitung der Drei-Wochenfrist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung hat, erfüllt. Der Antrag auf stationäre Durchführung der Liposuktion bei bestehendem Lipödem der Oberschenkel erfolgte mit Schreiben der P.- K. am S. vom 17. Juni 2013. Ein Eingangsdatum ist auf diesem Schreiben in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht vermerkt. Unter Anwendung der Drei-Tages-Zugangsfiktion ist nach Auffassung des Gerichts der Antrag damit spätestens am 20. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangen. Eine Entscheidung hätte demnach bis zum 11. Juli 2013 erfolgen müssen. Gegenüber der Klägerin jedoch reagierte die Beklagte erst am 18. Juli 2013. Hierin teilte sie mit, dass man den MDK beauftragt habe. Erst nach Vorlage des MDK-Gutachtens entschied die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2013 über das Leistungsbegehren der Klägerin. Damit waren seit Antragseingang 64 Tage, mithin über 9 Wochen vergangen, womit auch die Fünf-Wochenfrist nach § 13 Absatz 3a SGB V bei weitem überschritten ist. Eine vorherige Entscheidung der Beklagten kann auch nicht in der Mitteilung dieser an die P.- K. vom 2. Juli 2013 gesehen werden, da sie erstens nicht an die Klägerin gerichtet ist und auch keinen Verfügungssatz zur beantragten stationären Liposuktion enthält. Schließlich hat die Beklagte dies gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 18. Juli 2018 deutlich gemacht, in dem sie ausführte, dass das Patientenrecht des § 13 Absatz 3a SGB V nur Leistungen erfasse, die vom Versicherten beantragt werden, jedoch nicht den Schriftverkehr zwischen Krankenkasse und Krankenhaus. In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte allerdings nicht darauf berufen, es läge in dem Schreiben der P.- K. vom 17. Juni 2013 gar kein eigener Antrag der Klägerin. Die Klägerin konnte zum einen die Klinik wirksam zur Antragstellung bevollmächtigen und zum anderem hat die Beklagte nach eigenen Ausführungen das Schreiben als einen solchen Antrag selbst angesehen. So führte sie nämlich in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 18. Juli 2013 wörtlich aus: "Die P.- K. hat mit Schreiben vom 17. Juni 2013 eine Kostenzusage für eine stationäre Krankenhausbehandlung für Sie beantragt."
Die Beklagte hat die Klägerin im Vorfeld nicht schriftlich unter Angabe von Gründen darüber informiert, dass sie die Frist nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten konnte. Die bloße Mitteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenbeteiligung nur in Zusammenarbeit mit dem MDK beurteilt werden können, der Antrag an den MDK weitergeleitet wurde und die Klägerin Geduld haben solle, erfüllt die Voraussetzungen des § 13 Absatz 3a Satz 5 SGB V nicht. Zunächst fordert die Norm eine schriftliche Information der Versicherten. Darüber hinaus muss die Benachrichtigung sich unter Darlegung von Gründen auf das Unvermögen beziehen, die Frist nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V einzuhalten. Ein derartiger Inhalt ist den Schreiben der Beklagten nicht zu entnehmen.
Nach dem klaren Wortlaut von § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V folgt hieraus die Genehmigung der Leistung, die die Klägerin auch beantragt hat (stationäre Liposuktionen der Oberschenkel).
§ 13 Absatz 3a SGB V beschränkt den Anspruch nicht auf eine Kostenerstattung, sondern umfasst auch entsprechend beantragte Sachleistungen (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2014 - L 5 KR 222/14 B ER).
Die beantragten Leistungen gelten damit als genehmigt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsakts regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschluss aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr.4, Rz. 23); die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, aaO). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen (wie z. B. der Frage, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt und hier der Frage, ob es sich bei den begehrten stationären Straffungsoperationen der Oberschenkel um im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderliche Leistungen handelt) ausgeschlossen. Die Prüfung medizinischer Notwendigkeit ist weder Voraussetzung des Sachleistungsanspruchs nach Satz 6 noch des Erstattungsanspruchs nach Satz 7. Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (vgl. hierzu auch vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, aaO, vgl. auch Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2015 - S 9 KR 903/14; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Februar 2015 - S 17 KR 524/14 sowie Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 17. Februar 2015 - S 16 KR 96/14).
Nach alledem war, wie erkannt, zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für die stationäre Durchführung der Liposuktion der Oberschenkel zu übernehmen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für die stationäre Durchführung einer Liposuktion streitig.
Die am ... geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an einem Lipödem der Arme und Beine. Die Beklagte übernahm in der Vergangenheit auf Antrag der P.- K. am S. mehrere Liposuktionen, zuletzt auf Antrag vom 14. Juli 2010 im Januar 2011 im Rahmen einer stationären Behandlung. Auf diesen seinerzeitigen Antrag erhielten sowohl die durchführende Klinik als auch die Klägerin eine Kostenübernahmeerklärung. In dem damaligen Schreiben hieß es ausdrücklich "Ihr Arzt, Herr Dr. med. H., hat eine letztmalige Verlängerung für Ihre Behandlung der Beine beantragt".
Mit Schreiben vom 17. Juni 2013 beantragte die Klinik für die Klägerin erneut die Kostenübernahme für eine wasserstrahlassistierte Lipokürettage entlang der Lymphbahnen bei wieder zunehmendem Lipödem der Oberschenkel. Zur Begründung führte sie aus, es sei zu einer lipödembedingten Größen- und Umfangszunahme von sechs bis sieben Zentimetern seit 2010 gekommen. Zudem bestünden glaubhaft geschilderte Beschwerden wie z. B. Druckgefühl und Schmerzhaftigkeit. Trotz einer erfolgten Gewichtsreduktion von sechs Kilogramm sei eine Liposuktion indiziert, so dass die eine stationäre Kostenübernahmeerklärung begehrt werde.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 ausschließlich an die Klinik teilte die Beklagte mit, dass die Klägerin Anspruch auf medizinisch notwendige Leistungen habe, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich seien. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, habe der Krankenhausarzt zu entscheiden. Eine vorherige Kostenübernahmebeantragung sei nicht vorgesehen, jedoch sei eine nachträgliche Prüfung der Abrechnung möglich. Die Klinik möge die Klägerin gemäß der medizinischen Notwendigkeit und den gesetzlichen Bestimmungen behandeln.
Am 12. Juli 2013 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und führte aus, dass ihr bekannt sei, dass Anträge auf stationäre Liposuktionen geprüft und beschieden werden würden. Das Schreiben an die Klinik könne lediglich als Information jedoch nicht als Bescheid angesehen werden. Nunmehr sei die gesetzliche Bearbeitungsfrist von drei Wochen abgelaufen, womit die beantragte Liposuktion als genehmigt gelte. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 reagierte die Beklagte hierauf. Nach ihrem Dafürhalten habe die Klinik die Durchführung der Leistung beantragt und die Beklagte habe der Klinik mitgeteilt, dass diese die Klägerin nach den gesetzlichen Bestimmungen behandeln solle. Das in § 13 Absatz 3 a Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) verankerte Patientenrecht erfasse genehmigungspflichtige Leistungen, die vom Versicherten beantragt werden müssten. Hierunter falle ein Schriftwechsel zwischen Krankenhaus und Krankenkasse nicht. Gleichwohl habe man nunmehr den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet. Der MDK gab in seinem Gutachten vom 30. Juli 2013 an, dass ausreichende und wissenschaftliche Belege des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsmethode fehlen würden, obwohl aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung Studien grundsätzlich durchführbar seien. Laut der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zum Lipödem der Beine sei zurzeit keine gesicherte kausale Behandlung vorhanden, da die Ursache des Lipödems unbekannt sei. Durch körperliche Aktivität und Sport könnte zwar das Übergewicht reduziert werden, nicht jedoch die umschriebene Fettvermehrung. Ziel der Therapie seien eine Ödemreduzierung mittels Bewegungstherapie, Kompressionstherapie, intermittierende pneumatische Kompressionen und manuelle Lymphdrainage sowie eine Reduktion des Fettgewebes durch operative Therapie mittels Fettabsaugung (Liposuktion). Dabei handele es sich jedoch nicht um eine evidenzbasierte Leitlinie. Im Rahmen der vertraglichen Behandlungsmaßnahmen stünden eine manuelle Lymphdrainagentherapie als kontinuierliche Dauerbehandlungsmaßnahme sowie das regelmäßige Tragen einer maßangefertigten Kompressionsbestrumpfung (Klasse III) zur Verfügung. Zusätzlich könne ein lymphologischer Kompressionsverband zur Anwendung kommen. Es handele sich jedenfalls nicht um ein rein kosmetisches Anliegen. Im ambulanten Bereich dürfe die Liposuktion wegen der fehlenden positiven Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) nicht durchgeführt werden. Für den stationären Bereich fehle es an einem hinreichenden Nutzenbeleg, so dass auch hier die Liposuktion nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürfe. Unter Verweis auf die Ausführungen des MDK lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2013 die Kostenübernahme ab. Die Klägerin trat dem entgegen und führte aus, dass es sich nicht um eine nach § 137c SGB V ausgeschlossene Methode handele, so dass der Erlaubnisvorbehalt im stationären Bereich gelte. Dies sehe auch die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen so. Des Weiteren verwies sie auf ein MDK-Gutachten aus dem Jahr 2007, in dem es hieß, dass es sich bei der Liposuktion um eine sinnvolle und dauerhaft erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit handele und andere Therapiealternativen nicht zur Verfügung stünden. Sie fügte eine aktuelle Bescheinigung der Klinik bei, wonach bei dem bestehenden Lipödem im Rahmen der Liposuktion von einer Absaugmenge von über zwei Litern auszugehen sei.
Die Beklagte beauftragte erneut den MDK. In dessem Gutachten vom 11. September 2013 heißt es, dass weitere als die bereits angewandten Maßnahmen nicht zur Verfügung stünden. Diese müssten kontinuierlich und zwar lebenslang fortgesetzt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger unter Verweis auf die MDK-Gutachten sowie vielfach ergangene ablehnende Urteile zurück.
Mit ihrer am 27. Dezember 2013 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt umfassend zu der bei ihr vorliegenden gesundheitlichen Problematik vor und wiederholt ihre Auffassung zu § 13 Absatz 3a SGB V sowie den aus ihrer Sicht erfüllten Voraussetzungen der Kostenübernahme für die Durchführung einer stationären Liposuktion. Die Klägerin bemängelte zudem, dass keine erneute körperliche Untersuchung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführt, sondern lediglich nach Aktenlage und unter Verwendung von Textbausteinen entschieden worden sei. Sie verwies des Weiteren auf die Internetseite der Beklagten, auf welcher diese zur Behandlung des Lipödems die Liposuktion verstellt, ohne jedoch darauf zu verweisen, dass die Kosten hierfür von der Beklagten nicht übernommen werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die beantragte stationäre Liposuktion der Oberschenkel zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Eine Auseinandersetzung mit § 13 Absatz 3a SGB V erfolgte nicht.
Das Gericht hat im Verlauf bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss zum Stand der Methodenbewertung der Liposuktion bei Lipödem nachgefragt. Dieser hat hierzu mitgeteilt, dass ein Abschluss nicht vor 2017 zu erwarten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenübernahme der begehrten stationären Durchführung der Liposuktion bei unstreitig bestehendem Lipödem der Oberschenkel.
Der Anspruch der Klägerin hierauf ergibt sich bereits aus § 13 Absatz 3a SGB V. Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7).
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind im Hinblick auf die Überschreitung der Drei-Wochenfrist, die die Beklagte zwischen Antragseingang und Entscheidung hat, erfüllt. Der Antrag auf stationäre Durchführung der Liposuktion bei bestehendem Lipödem der Oberschenkel erfolgte mit Schreiben der P.- K. am S. vom 17. Juni 2013. Ein Eingangsdatum ist auf diesem Schreiben in der Verwaltungsakte der Beklagten nicht vermerkt. Unter Anwendung der Drei-Tages-Zugangsfiktion ist nach Auffassung des Gerichts der Antrag damit spätestens am 20. Juni 2013 bei der Beklagten eingegangen. Eine Entscheidung hätte demnach bis zum 11. Juli 2013 erfolgen müssen. Gegenüber der Klägerin jedoch reagierte die Beklagte erst am 18. Juli 2013. Hierin teilte sie mit, dass man den MDK beauftragt habe. Erst nach Vorlage des MDK-Gutachtens entschied die Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2013 über das Leistungsbegehren der Klägerin. Damit waren seit Antragseingang 64 Tage, mithin über 9 Wochen vergangen, womit auch die Fünf-Wochenfrist nach § 13 Absatz 3a SGB V bei weitem überschritten ist. Eine vorherige Entscheidung der Beklagten kann auch nicht in der Mitteilung dieser an die P.- K. vom 2. Juli 2013 gesehen werden, da sie erstens nicht an die Klägerin gerichtet ist und auch keinen Verfügungssatz zur beantragten stationären Liposuktion enthält. Schließlich hat die Beklagte dies gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 18. Juli 2018 deutlich gemacht, in dem sie ausführte, dass das Patientenrecht des § 13 Absatz 3a SGB V nur Leistungen erfasse, die vom Versicherten beantragt werden, jedoch nicht den Schriftverkehr zwischen Krankenkasse und Krankenhaus. In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte allerdings nicht darauf berufen, es läge in dem Schreiben der P.- K. vom 17. Juni 2013 gar kein eigener Antrag der Klägerin. Die Klägerin konnte zum einen die Klinik wirksam zur Antragstellung bevollmächtigen und zum anderem hat die Beklagte nach eigenen Ausführungen das Schreiben als einen solchen Antrag selbst angesehen. So führte sie nämlich in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 18. Juli 2013 wörtlich aus: "Die P.- K. hat mit Schreiben vom 17. Juni 2013 eine Kostenzusage für eine stationäre Krankenhausbehandlung für Sie beantragt."
Die Beklagte hat die Klägerin im Vorfeld nicht schriftlich unter Angabe von Gründen darüber informiert, dass sie die Frist nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V nicht einhalten konnte. Die bloße Mitteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Kostenbeteiligung nur in Zusammenarbeit mit dem MDK beurteilt werden können, der Antrag an den MDK weitergeleitet wurde und die Klägerin Geduld haben solle, erfüllt die Voraussetzungen des § 13 Absatz 3a Satz 5 SGB V nicht. Zunächst fordert die Norm eine schriftliche Information der Versicherten. Darüber hinaus muss die Benachrichtigung sich unter Darlegung von Gründen auf das Unvermögen beziehen, die Frist nach § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V einzuhalten. Ein derartiger Inhalt ist den Schreiben der Beklagten nicht zu entnehmen.
Nach dem klaren Wortlaut von § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V folgt hieraus die Genehmigung der Leistung, die die Klägerin auch beantragt hat (stationäre Liposuktionen der Oberschenkel).
§ 13 Absatz 3a SGB V beschränkt den Anspruch nicht auf eine Kostenerstattung, sondern umfasst auch entsprechend beantragte Sachleistungen (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2014 - L 5 KR 222/14 B ER).
Die beantragten Leistungen gelten damit als genehmigt. Der Verfügungssatz eines genehmigenden begünstigenden Verwaltungsakts regelt, dass der Antragsteller die beantragte Leistung in Anspruch nehmen darf und sich die Kasse unter Ausschluss aller Einwendungen zur Leistung verpflichtet (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr.4, Rz. 23); die Regelung wird mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gemäß § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenüber dem Adressaten wirksam. Durch die Genehmigungsfiktion des § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V gilt die Genehmigung der beantragten Leistung durch einen fingierten Verwaltungsakt als erlassen. Fingierte Verwaltungsakte haben die gleichen Rechtswirkungen wie tatsächlich erlassene Verwaltungsakte (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, aaO). Durch die Fiktion der Genehmigung ist die Leistungsberechtigung der Klägerin wirksam verfügt und die Beklagte mit allen Einwendungen (wie z. B. der Frage, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt und hier der Frage, ob es sich bei den begehrten stationären Straffungsoperationen der Oberschenkel um im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderliche Leistungen handelt) ausgeschlossen. Die Prüfung medizinischer Notwendigkeit ist weder Voraussetzung des Sachleistungsanspruchs nach Satz 6 noch des Erstattungsanspruchs nach Satz 7. Nur auf diese Weise kann der Wunsch des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahrens zu verbessern, umgesetzt werden. Dieses Ziel würde ins Leere laufen, könnte die Genehmigungsfiktion durch eine (außerhalb der Frist erfolgende) nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder erlöschen (vgl. hierzu auch vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, aaO, vgl. auch Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2015 - S 9 KR 903/14; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 5. Februar 2015 - S 17 KR 524/14 sowie Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 17. Februar 2015 - S 16 KR 96/14).
Nach alledem war, wie erkannt, zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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