Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 P 26/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 32/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Pflegestufe III vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005.
Der Kläger ist Rechtsnachfolger der bei der Beklagten versichert gewesenen und am 22. Juni 2009 verstorbenen D. J. (im Folgenden: die Versicherte).
Die 1926 geborene Versicherte beantragte erstmals im Juli 2002 Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Form einer Geldleistung bei häuslicher Pflege. Am 30. Juni 2002 hatte sie einen Schlaganfall (Apoplexie) erlitten. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) schätzte mit Gutachten vom 25. September 2002 die Pflegebedürftigkeit der Versicherten in allen Bereichen der Grundpflege und der Hauswirtschaft mit insgesamt 91 Minuten pro Tag (davon 46 Minuten für die Grundpflege) ein und schlug die Anerkennung der Pflegestufe I vor. Dem folgend bewilligte die Beklagte der Versicherten mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 205 EUR ab Juli 2002. Am 23. Dezember 2002 beantragte die Versicherte unter Hinweis auf den vom Amt für Versorgung und Soziales H. am 11. Dezember 2002 festgesetzten Grad der Behinderung (GdB) von 60 nebst Merkzeichen G die Höherstufung der bewilligten Pflegestufe. Dem Bescheid des Versorgungsamtes hatten folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegen: Funktionsminderungen der Wirbelsäule und der Gelenke infolge degenerativer Veränderungen, Hirndurchblutungsstörung, Herzleistungsminderung infolge einer chronischen Durchblutungsstörung des Herzens mit niedrigem Blutdruck mit Schwindel, nervale Krampfaderleiden mit Geschwürsbildung, Funktionsstörungen nach Ellenbogenbruch rechts und Karpaltunnelsyndrom. Mit weiterem Gutachten vom 12. Mai 2003 schätzte der MDK den gestiegenen Pflegebedarf mit 106 Minuten pro Tag in der Grundpflege ein. Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung der Pflegestufe II mit Bescheid vom 22. Mai 2003 ab. Nachdem die Versicherte hiergegen Widerspruch eingelegt und der MDK sie am 1. September 2003 erneut mit dem Ergebnis einer Empfehlung der Anerkennung der Pflegestufe II begutachtet hatte (Grundpflegebedarf von 121 Minuten), half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und bewilligte mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 Leistungen gemäß der Pflegestufe II ab Mai 2003.
Am 12. Juli 2004 stellte die Versicherte einen weiteren Höherstufungsantrag. Daraufhin erstellte der MDK das Folgegutachten vom 15. September 2004 nach Hausbesuch vom 7. September 2004 und bezifferte den Zeitaufwand in der Grundpflege auf 122 Minuten und den in der Hauswirtschaft auf 60 Minuten pro Tag (Pflegefachkraft S.). Als pflegebegründende Diagnosen waren senile Demenz, Zustand nach Oberschenkelhalsbruch rechts im Januar 2003, Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz angegeben. Die Versicherte müsse beaufsichtigt werden, gehe nicht allein zu Bett, stehe auch nicht allein auf und habe keine zeitliche Orientierung. Nach unkontrolliertem Harnabgang sei ein zusätzlicher Wäschewechsel notwendig. Das An- und Ausziehen müsse komplett übernommen werden. Der Toiletteneimer werde einmal nachts geleert. Die Mahlzeiten müssten mundgerecht vorbereitet werden, die Versicherte könne aber selbst essen und trinken. Beim Hausbesuch sei die etwa 1,60 m große und 50 kg schwere Versicherte angezogen auf der Couch liegend angetroffen worden. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK den Höherstufungsantrag ab, da die Voraussetzungen der Pflegestufe III derzeit nicht gegeben seien. Hiergegen ließ die Versicherte durch ihren als Betreuer eingesetzten Sohn H. J., den Kläger, am 12. November 2004 Widerspruch einlegen und gab an, es sei übersehen worden, dass die Versicherte verwirrt sei und wie ein Kleinkind ständig beaufsichtigt werden müsse. Es interessiere auch nicht, ob ein Mensch dreimal oder im Alter zwanzigmal am Tag zur Toilette müsse. Einigen Mitarbeitern seien auch die Nebenwirkungen von Medikamenten nicht geläufig. Im Haushalt müssten in nächster Zeit alle gefährlichen Küchengeräte und sonstigen Installationen so umgebaut werden, dass sie von der Versicherten nicht mehr bedient werden könnten. Dies betreffe insbesondere Wasserhähne, Gas- und Elektroherd, Boiler und Öfen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Untersuchung durch den MDK mit Hausbesuch am 4. Januar 2005 (Pflegefachkraft I. B.). Im Gutachten vom 7. Januar 2005 ermittelte die Sachverständige einen Zeitaufwand in der Grundpflege von 171 Minuten und in der Hauswirtschaft von 60 Minuten pro Tag und führte aus, es habe sich der allgemeine Zustand der Versicherten gegenüber dem Vorgutachten verschlechtert, der zeitliche Rahmen der Pflegestufe III werde aber noch nicht erreicht. Pflegeperson sei der nicht berufstätige Sohn der Versicherten, mit dem sie in einem Zweifamilienhaus zusammenlebe. Die Versicherte bewohne die untere, der Sohn die obere Etage. Es bestünden wegen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Altersaufbrauch und des Zustandes nach Hüft-TEP (Totalendoprothese) Unsicherheiten beim Gehen und Stehen. In der Wohnung könne sie aber noch alleine laufen. Die Greiffunktion der Hände sowie die grobe Kraft beidseits seien gut erhalten. Mit den täglichen Verrichtungen komme sie allein nicht mehr zurecht, könne Aufforderungen schlecht folgen und neige zu Fehlhandlungen. Sie laufe oftmals unruhig in der Wohnung umher und räume die Schränke aus, weshalb eine ständige Beaufsichtigung notwendig sei. Allerdings finde sie sich in der Wohnung zurecht, erkenne Angehörige und sei nicht aggressiv. Nachts bestünden Durchschlafstörungen. Bei der Körperpflege sei der Zeitbedarf mit 97 Minuten einzuschätzen, bei der Ernährung mit 40 und bei der Mobilität mit 34 Minuten. Auf dem Weg zur Toilette müsse sie begleitet werden, dies gelte auch nachts. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für die Einstufung in die Pflegestufe III noch nicht gegeben seien. Mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 171 Minuten pro Tag werde die Grenze von 240 Minuten nicht erreicht. Zusätzlicher Hilfebedarf bei der Medikamentengabe sei nicht im Bereich der Grundpflege, sondern bei der Behandlungspflege zu berücksichtigen. Dies gelte auch für Maßnahmen zur Schmerzlinderung oder Durchblutungsförderung wie beispielsweise gymnastischen Übungen, Gedächtnistraining usw. Die wegen der Hirnleistungsschwäche erforderliche allgemeine Beaufsichtigung sei nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht bei der Grundpflege zu berücksichtigen.
Dagegen hat sich die nunmehr anwaltlich vertretene Versicherte mit der am 30. Mai 2005 beim Sozialgericht Dessau erhobenen Klage gewendet und die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III seit 12. Juli 2004 begehrt. Zur Begründung hat sie vortragen lassen, der Pflegebedarf betrage in der Grundpflege tatsächlich bereits 267 Minuten pro Tag, da für die Unterstützung beim Gehen nicht lediglich 11, sondern 30 Minuten zu berücksichtigen seien und für die Aufnahme der Nahrung bei Hauptmahlzeiten 54 Minuten sowie bei den Zwischenmahlzeiten 16 Minuten. Ein über das MDK-Gutachten hinausgehender Grundpflegebedarf bestehe auch bei der Ganzkörperwäsche und der Darm- und Blasenentleerung. Das Sozialgericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und vom Facharzt für Allgemeinmedizin W. den Befundbericht vom 11. August 2005 nebst weiteren medizinischen Unterlagen eingeholt. Darin hat der Arzt angegeben, die Versicherte leide unter einem Zustand nach Apoplexie vom 30. Juni 2002 mit Parese der rechten Hand, seniler Demenz und Inkontinenz der Blase. Die Befunde verschlechterten sich laufend. Sodann hat das Gericht mit Beweisanordnung vom 16. Juli 2005 von der Pflegefachkraft U. das Pflegegutachten vom 21. August 2005 eingeholt. Diese schätzte den Grundpflegebedarf mit 212 Minuten ein und verneinte das Bestehen eines nächtlichen Pflegebedarfes. Die Versicherte sei durch die psychischen Defekte erheblich eingeschränkt, was bei allen Verrichtungen der Grundpflege festzustellen sei. Bei der Nahrungsaufnahme sei ständige Anleitung und Motivation notwendig, da sie sonst das Essen vergesse. Mit Hilfe einer Gehbank könne sie noch selbständig laufen, finde aber ohne Hilfe oft den Weg zur Toilette nicht. In der Nacht benutze sie nach den Angaben des Sohnes bei Bedarf den Toilettenstuhl. Beim Hausbesuch sei sie schlafend auf der Couch angetroffen worden. Nach 15 Minuten sei sie aufgewacht und habe gelacht. Wegen der Demenz sei an ihrer Stelle der Sohn befragt worden. Insgesamt werde die Pflegestufe III noch nicht erreicht, es bestehe auch nachts kein kontinuierlicher Pflegebedarf.
Gegen das Gutachten hat die Versicherte einwenden lassen, es gebe bislang unberücksichtigt gebliebene pflegeerschwerende Umstände. Sie öffne Verpackungen, Dosen, Lebensmittel, entferne von den Inkontinenzeinlagen die Klebestreifen und sei nicht mehr in der Lage, Toilettenpapier bestimmungsgemäß zu benutzen. Ihr Sohn müsse deshalb vor jedem Toilettengang das Papier portionsgerecht bereit legen. Daneben werde sie alle 14 Tage zum Friseur gefahren sowie regelmäßig zum Arzt. Bei der Nahrungsaufnahme sei ein größerer Zeitaufwand zu berücksichtigen, da die Aufnahme des Essens länger dauere als von der Sachverständigen angenommen.
Am 11. Juli 2005 hat die Versicherte einen weiteren als "Höherstufungsantrag" bezeichneten Antrag auf Leistungen nach der Pflegestufe III stellen lassen. Im Gutachten vom 22. September 2005 kam der beauftragte MDK (Pflegefachkraft S. K.) zu der Einschätzung eines Zeitbedarfs in der Grundpflege von 141 Minuten (Körperpflege 75, Ernährung 38, Mobilität 28 Minuten). Ein nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe nicht. Daraufhin lehnte die Beklagte den Höherstufungsantrag mit Bescheid vom 28. September 2005 ab, gegen den die auch dabei anwaltlich vertretene Versicherte am 27. Oktober Widerspruch einlegte (Zum weiteren Verlauf siehe Urteil im Verfahren L 4 P 10/07 vom 21. 12. 2010).
Das Sozialgericht hat die auf Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe III ab Juli 2004 gerichtete Klage mit Urteil vom 15. November 2005 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Die bei der Versicherten vorliegenden funktionellen Ausfälle bedingten derzeit noch nicht die Pflegestufe III. Der tägliche Pflegebedarf sei im Bereich der Grundpflege mit 214 Minuten einzuschätzen, womit die Grenze von 240 Minuten für die Pflegestufe III nicht erreicht sei. Im Bereich der Körperpflege betrage der Hilfebedarf täglich 126 Minuten, bei der Ernährung 52 Minuten und bei der Mobilität 36 Minuten. Der Pflegeaufwand beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nicht zu berücksichtigen, da keine wöchentlichen Arztbesuche erfolgten. Die Nahrungsaufnahme könne die Versicherte noch selbstständig bewältigen, so dass 12 Minuten für das mundgerechte Zubereiten der Nahrung und 40 Minuten für die Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme ausreichend seien. Ausführungen zum Höherstufungsantrag vom 11. Juli 2005 oder dem Bescheid vom 28. September 2005 finden sich im Urteil oder den Anträgen der Beteiligten nicht.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30. November 2005 zugestellte Urteil hat die Versicherte rechtzeitig am 27. Dezember 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung einlegen und mit der Berufungsbegründung vom 28. Februar 2006 vortragen lassen, ihr Zustand habe sich erheblich verschlechtert, da sie seit November 2005 gefüttert werden müsse. Daher sei der Zeitaufwand bei der Nahrungsaufnahme erheblich angestiegen. Auch in den Bereichen der Körperpflege und der Mobilität werde für die Pflege jetzt mehr Zeit benötigt, ebenso bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der tägliche Pflegebedarf gehe jetzt über 214 Minuten hinaus und reiche für die Pflegestufe III aus. Seit 18. Februar 2005 seien der GdB mit 100 festgestellt und die Merkzeichen G, aG, B, H und RF zuerkannt. Der Kläger hat das Verfahren nach dem Tode der Versicherten am ... 2009 unter Hinweis auf die bis dahin von ihm erbrachten Pflegeleistungen fortgeführt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 15. November 2005 sowie den Bescheid vom 12. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm als Rechtsnachfolger der Versicherten Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III antragsgemäß für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von Herrn W. den Befundbericht vom 25. September 2007 eingeholt, in dem der Arzt angegeben hat, die Versicherte an diesem Tag wegen eines grippalen Infekts letztmals untersucht zu haben. Im Vergleich zum Bericht vom 11. August 2005 seien die Diagnosen unverändert und die Befunde gleich geblieben. Mit Hilfe der Gehbank könne die Versicherte noch stehen und ca. 10 m gehen. Ferner hat der Senat den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 25. September 2007 über den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 10. bis 17. Oktober 2007 beigezogen. In diesem an Herrn W. gerichteten Bericht wird ausgeführt, dass die Einweisung der Patientin über den Hausarzt aufgrund einer seit vier Wochen auffälligen Verschlechterung des Allgemeinzustandes und insbesondere wegen kognitiver Defizite erfolgt sei. Seit einem vor vier Wochen erlittenen fieberhaften Infekt sei sie zunehmend apathisch, reagiere nicht richtig auf Ansprache und esse weniger. Sie sei urin- und stuhlinkontinent, habe im Rollstuhl mobilisiert und in stabilem Zustand entlassen werden können. Des weiteren hat der Senat von der P. G. Stiftung L. W., Akademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität H.-W., den Befundbericht vom 7. Juli 2008 angefordert, worin zu der Frage nach nächtlichen Pflegemaßnahmen ausgeführt wird, es seien während des stationären Aufenthaltes der Versicherten vom 12. bis 19. Februar 2008 nächtliche Pflegemaßnahmen notwendig gewesen und auch in jeder Nacht durchgeführt worden.
Mit Bescheid vom 20. August 2008 hat die Beklagte der Versicherten Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab Oktober 2007 in Höhe von 665 EUR bzw. 675 EUR ab 1. Juli 2008 bewilligt.
Der Berichterstatter hat den Beteiligten mit Schreiben vom 24. November 2008 vorgeschlagen, die Rechtsstreite L 4 P 32/05 und L 4 P 10/07 einvernehmlich zu erledigen. Die Beklagte solle Pflegegeld nach der Pflegestufe III bereits ab Mai 2007 zahlen und die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens L 4 P 10/07 erstatten. Die Einigung kam nicht zustande, nachdem die Prozessbevollmächtigen des Klägers einen früheren Beginn der Zahlung ab August 2006 gefordert haben und die Beklagte sich nicht bereit erklärt hat, außergerichtliche Kosten zu übernehmen. Im Erörterungstermin vom 1. Juli 2009 ist bekannt geworden, dass die Versicherte am ...2009 verstorben war (Sterbeurkunde liegt vor).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Der Kläger ist als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) berechtigt, die fälligen Ansprüche der verstorbenen Versicherten auf Pflegegeld als laufende Geldleistungen im eigenen Namen geltend zu machen, da er im streitigen Zeitraum mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Bei der noch von der Versicherten erhobenen Klage handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG. Allerdings ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er keinen Anspruch als Rechtsnachfolger auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 hat.
Streitbefangen ist im vorliegenden Verfahren nur der angegebene Zeitraum vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005, wie sich aus dem Vorbringen der Beteiligten in beiden gerichtlichen sowie in den vorgerichtlichen Verfahren ergibt. Die Versicherte stellte am 11. Juli 2005 einen Höherstufungsantrag, obwohl über den Antrag vom 12. Juli 2004 und die darauf ergangenen angefochtenen Bescheide vom 12. Oktober 2004/27. April 2005 noch nicht rechtskräftig entschieden war. Der noch vor Abschluss des vorliegenden Verfahrens mit Urteil vom 15. November 2005 ergangene Bescheid vom 28. September 2005 ist aufgrund der Beschränkung der Klage auf den Zeitraum bis 10. Juli 2005 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden, sodass über ihn in beiden Rechtszügen des vorliegenden Verfahrens nicht zu entscheiden war. Das gesamte prozessuale wie auch das vorgerichtliche Verhalten und Vorbringen der anwaltlich vertretenen Versicherten und des Klägers als ihr Rechtsnachfolger lässt bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung nur den Schluss zu, dass über den Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe III für unterschiedliche Zeiträume vom 12. Juli 2004 bis 10 Juli 2005 und ab 11. Juli 2005 in zwei gerichtlichen Verfahren entschieden werden sollte.
Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in Verbindung mit §§ 14, 15 SGB XI. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 Abs. 1 SGB XI für die Gewährung von Leistungen einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind danach Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Dabei muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Für diese Pflegestufe muss der oben beschriebene für die Pflege benötigte Zeitaufwand mindestens fünf Stunden (300 Minuten) betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens vier Stunden (240 Minuten) entfallen müssen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI).
Die Voraussetzungen der Pflegestufe III sind im streitigen Zeitraum nicht erfüllt. Zunächst steht fest, dass der erforderliche Zeitaufwand in der Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag die Grenze von 240 Minuten deutlich verfehlte. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen der Sozialgerichts zu Eigen und verzichtet auf eine weitergehende Urteilsbegründung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Darüber hinaus scheitert der Anspruch aber auch am fehlenden nächtlichen Pflegebedarf. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal eines Hilfebedarfs "täglich rund um die Uhr, auch nachts" (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI) ist daher nicht erfüllt, sodass die Pflegestufe III schon aus diesem Grund von der Beklagten nicht zu bewilligen war. Eine Hilfeleistung findet im Sinne dieser Vorschrift nachts statt, wenn sie zwischen 22:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens objektiv erforderlich ist (BSG, Urt. vom 18. 3. 1999, B 3 P 3/98 R, SozR 3-3300 § 15 SGB XI Nr. 5 Leitsatz; vgl. auch zum nächtlichen Pflegebedarf bei Personen, die wegen Harndrangs nachts auf den Toilettenstuhl gesetzt werden müssen und dabei nicht auf das Tragen von Windeln oder einem Blasenkatheder verwiesen werden dürfen, BSG, Urt. vom 21. 8. 2000, B 3 P 14/99 R, zitiert nach juris).). Nächtliche Hilfeleistungen waren im streitigen Zeitraum objektiv nicht erforderlich, wie die Pflegesachverständige U. im Gutachten vom 21. August 2005 ausgeführt hat. Denn nach den Angaben des Klägers, zugleich auch Pflegeperson, war die Versicherte zu dieser Zeit noch in der Lage, bei Bedarf den bereit stehenden Toilettenstuhl selbständig zu nutzen. Die Richtigkeit dieser gutachterlichen Feststellung wurde vom anwaltlich beratenen Kläger nie angezweifelt oder bestritten, was dafür spricht, dass seine damaligen Angaben auch in diesem Punkt wahrheitsgemäß und zutreffend waren.
Aus den vorgenannten Gründen sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 schon wegen des fehlenden nächtlichen Pflegebedarfs nicht erfüllt, ohne dass es auf die vom Kläger stets problematisierte genaue Minutenzahl im Bereich der Grundpflege noch entscheidend ankäme
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Pflegestufe III vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005.
Der Kläger ist Rechtsnachfolger der bei der Beklagten versichert gewesenen und am 22. Juni 2009 verstorbenen D. J. (im Folgenden: die Versicherte).
Die 1926 geborene Versicherte beantragte erstmals im Juli 2002 Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Form einer Geldleistung bei häuslicher Pflege. Am 30. Juni 2002 hatte sie einen Schlaganfall (Apoplexie) erlitten. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) schätzte mit Gutachten vom 25. September 2002 die Pflegebedürftigkeit der Versicherten in allen Bereichen der Grundpflege und der Hauswirtschaft mit insgesamt 91 Minuten pro Tag (davon 46 Minuten für die Grundpflege) ein und schlug die Anerkennung der Pflegestufe I vor. Dem folgend bewilligte die Beklagte der Versicherten mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 205 EUR ab Juli 2002. Am 23. Dezember 2002 beantragte die Versicherte unter Hinweis auf den vom Amt für Versorgung und Soziales H. am 11. Dezember 2002 festgesetzten Grad der Behinderung (GdB) von 60 nebst Merkzeichen G die Höherstufung der bewilligten Pflegestufe. Dem Bescheid des Versorgungsamtes hatten folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde gelegen: Funktionsminderungen der Wirbelsäule und der Gelenke infolge degenerativer Veränderungen, Hirndurchblutungsstörung, Herzleistungsminderung infolge einer chronischen Durchblutungsstörung des Herzens mit niedrigem Blutdruck mit Schwindel, nervale Krampfaderleiden mit Geschwürsbildung, Funktionsstörungen nach Ellenbogenbruch rechts und Karpaltunnelsyndrom. Mit weiterem Gutachten vom 12. Mai 2003 schätzte der MDK den gestiegenen Pflegebedarf mit 106 Minuten pro Tag in der Grundpflege ein. Daraufhin lehnte die Beklagte die Anerkennung der Pflegestufe II mit Bescheid vom 22. Mai 2003 ab. Nachdem die Versicherte hiergegen Widerspruch eingelegt und der MDK sie am 1. September 2003 erneut mit dem Ergebnis einer Empfehlung der Anerkennung der Pflegestufe II begutachtet hatte (Grundpflegebedarf von 121 Minuten), half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und bewilligte mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 Leistungen gemäß der Pflegestufe II ab Mai 2003.
Am 12. Juli 2004 stellte die Versicherte einen weiteren Höherstufungsantrag. Daraufhin erstellte der MDK das Folgegutachten vom 15. September 2004 nach Hausbesuch vom 7. September 2004 und bezifferte den Zeitaufwand in der Grundpflege auf 122 Minuten und den in der Hauswirtschaft auf 60 Minuten pro Tag (Pflegefachkraft S.). Als pflegebegründende Diagnosen waren senile Demenz, Zustand nach Oberschenkelhalsbruch rechts im Januar 2003, Harninkontinenz und Stuhlinkontinenz angegeben. Die Versicherte müsse beaufsichtigt werden, gehe nicht allein zu Bett, stehe auch nicht allein auf und habe keine zeitliche Orientierung. Nach unkontrolliertem Harnabgang sei ein zusätzlicher Wäschewechsel notwendig. Das An- und Ausziehen müsse komplett übernommen werden. Der Toiletteneimer werde einmal nachts geleert. Die Mahlzeiten müssten mundgerecht vorbereitet werden, die Versicherte könne aber selbst essen und trinken. Beim Hausbesuch sei die etwa 1,60 m große und 50 kg schwere Versicherte angezogen auf der Couch liegend angetroffen worden. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK den Höherstufungsantrag ab, da die Voraussetzungen der Pflegestufe III derzeit nicht gegeben seien. Hiergegen ließ die Versicherte durch ihren als Betreuer eingesetzten Sohn H. J., den Kläger, am 12. November 2004 Widerspruch einlegen und gab an, es sei übersehen worden, dass die Versicherte verwirrt sei und wie ein Kleinkind ständig beaufsichtigt werden müsse. Es interessiere auch nicht, ob ein Mensch dreimal oder im Alter zwanzigmal am Tag zur Toilette müsse. Einigen Mitarbeitern seien auch die Nebenwirkungen von Medikamenten nicht geläufig. Im Haushalt müssten in nächster Zeit alle gefährlichen Küchengeräte und sonstigen Installationen so umgebaut werden, dass sie von der Versicherten nicht mehr bedient werden könnten. Dies betreffe insbesondere Wasserhähne, Gas- und Elektroherd, Boiler und Öfen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Untersuchung durch den MDK mit Hausbesuch am 4. Januar 2005 (Pflegefachkraft I. B.). Im Gutachten vom 7. Januar 2005 ermittelte die Sachverständige einen Zeitaufwand in der Grundpflege von 171 Minuten und in der Hauswirtschaft von 60 Minuten pro Tag und führte aus, es habe sich der allgemeine Zustand der Versicherten gegenüber dem Vorgutachten verschlechtert, der zeitliche Rahmen der Pflegestufe III werde aber noch nicht erreicht. Pflegeperson sei der nicht berufstätige Sohn der Versicherten, mit dem sie in einem Zweifamilienhaus zusammenlebe. Die Versicherte bewohne die untere, der Sohn die obere Etage. Es bestünden wegen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Altersaufbrauch und des Zustandes nach Hüft-TEP (Totalendoprothese) Unsicherheiten beim Gehen und Stehen. In der Wohnung könne sie aber noch alleine laufen. Die Greiffunktion der Hände sowie die grobe Kraft beidseits seien gut erhalten. Mit den täglichen Verrichtungen komme sie allein nicht mehr zurecht, könne Aufforderungen schlecht folgen und neige zu Fehlhandlungen. Sie laufe oftmals unruhig in der Wohnung umher und räume die Schränke aus, weshalb eine ständige Beaufsichtigung notwendig sei. Allerdings finde sie sich in der Wohnung zurecht, erkenne Angehörige und sei nicht aggressiv. Nachts bestünden Durchschlafstörungen. Bei der Körperpflege sei der Zeitbedarf mit 97 Minuten einzuschätzen, bei der Ernährung mit 40 und bei der Mobilität mit 34 Minuten. Auf dem Weg zur Toilette müsse sie begleitet werden, dies gelte auch nachts. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für die Einstufung in die Pflegestufe III noch nicht gegeben seien. Mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 171 Minuten pro Tag werde die Grenze von 240 Minuten nicht erreicht. Zusätzlicher Hilfebedarf bei der Medikamentengabe sei nicht im Bereich der Grundpflege, sondern bei der Behandlungspflege zu berücksichtigen. Dies gelte auch für Maßnahmen zur Schmerzlinderung oder Durchblutungsförderung wie beispielsweise gymnastischen Übungen, Gedächtnistraining usw. Die wegen der Hirnleistungsschwäche erforderliche allgemeine Beaufsichtigung sei nach der Rechtsprechung ebenfalls nicht bei der Grundpflege zu berücksichtigen.
Dagegen hat sich die nunmehr anwaltlich vertretene Versicherte mit der am 30. Mai 2005 beim Sozialgericht Dessau erhobenen Klage gewendet und die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III seit 12. Juli 2004 begehrt. Zur Begründung hat sie vortragen lassen, der Pflegebedarf betrage in der Grundpflege tatsächlich bereits 267 Minuten pro Tag, da für die Unterstützung beim Gehen nicht lediglich 11, sondern 30 Minuten zu berücksichtigen seien und für die Aufnahme der Nahrung bei Hauptmahlzeiten 54 Minuten sowie bei den Zwischenmahlzeiten 16 Minuten. Ein über das MDK-Gutachten hinausgehender Grundpflegebedarf bestehe auch bei der Ganzkörperwäsche und der Darm- und Blasenentleerung. Das Sozialgericht hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und vom Facharzt für Allgemeinmedizin W. den Befundbericht vom 11. August 2005 nebst weiteren medizinischen Unterlagen eingeholt. Darin hat der Arzt angegeben, die Versicherte leide unter einem Zustand nach Apoplexie vom 30. Juni 2002 mit Parese der rechten Hand, seniler Demenz und Inkontinenz der Blase. Die Befunde verschlechterten sich laufend. Sodann hat das Gericht mit Beweisanordnung vom 16. Juli 2005 von der Pflegefachkraft U. das Pflegegutachten vom 21. August 2005 eingeholt. Diese schätzte den Grundpflegebedarf mit 212 Minuten ein und verneinte das Bestehen eines nächtlichen Pflegebedarfes. Die Versicherte sei durch die psychischen Defekte erheblich eingeschränkt, was bei allen Verrichtungen der Grundpflege festzustellen sei. Bei der Nahrungsaufnahme sei ständige Anleitung und Motivation notwendig, da sie sonst das Essen vergesse. Mit Hilfe einer Gehbank könne sie noch selbständig laufen, finde aber ohne Hilfe oft den Weg zur Toilette nicht. In der Nacht benutze sie nach den Angaben des Sohnes bei Bedarf den Toilettenstuhl. Beim Hausbesuch sei sie schlafend auf der Couch angetroffen worden. Nach 15 Minuten sei sie aufgewacht und habe gelacht. Wegen der Demenz sei an ihrer Stelle der Sohn befragt worden. Insgesamt werde die Pflegestufe III noch nicht erreicht, es bestehe auch nachts kein kontinuierlicher Pflegebedarf.
Gegen das Gutachten hat die Versicherte einwenden lassen, es gebe bislang unberücksichtigt gebliebene pflegeerschwerende Umstände. Sie öffne Verpackungen, Dosen, Lebensmittel, entferne von den Inkontinenzeinlagen die Klebestreifen und sei nicht mehr in der Lage, Toilettenpapier bestimmungsgemäß zu benutzen. Ihr Sohn müsse deshalb vor jedem Toilettengang das Papier portionsgerecht bereit legen. Daneben werde sie alle 14 Tage zum Friseur gefahren sowie regelmäßig zum Arzt. Bei der Nahrungsaufnahme sei ein größerer Zeitaufwand zu berücksichtigen, da die Aufnahme des Essens länger dauere als von der Sachverständigen angenommen.
Am 11. Juli 2005 hat die Versicherte einen weiteren als "Höherstufungsantrag" bezeichneten Antrag auf Leistungen nach der Pflegestufe III stellen lassen. Im Gutachten vom 22. September 2005 kam der beauftragte MDK (Pflegefachkraft S. K.) zu der Einschätzung eines Zeitbedarfs in der Grundpflege von 141 Minuten (Körperpflege 75, Ernährung 38, Mobilität 28 Minuten). Ein nächtlicher Grundpflegebedarf bestehe nicht. Daraufhin lehnte die Beklagte den Höherstufungsantrag mit Bescheid vom 28. September 2005 ab, gegen den die auch dabei anwaltlich vertretene Versicherte am 27. Oktober Widerspruch einlegte (Zum weiteren Verlauf siehe Urteil im Verfahren L 4 P 10/07 vom 21. 12. 2010).
Das Sozialgericht hat die auf Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe III ab Juli 2004 gerichtete Klage mit Urteil vom 15. November 2005 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Die bei der Versicherten vorliegenden funktionellen Ausfälle bedingten derzeit noch nicht die Pflegestufe III. Der tägliche Pflegebedarf sei im Bereich der Grundpflege mit 214 Minuten einzuschätzen, womit die Grenze von 240 Minuten für die Pflegestufe III nicht erreicht sei. Im Bereich der Körperpflege betrage der Hilfebedarf täglich 126 Minuten, bei der Ernährung 52 Minuten und bei der Mobilität 36 Minuten. Der Pflegeaufwand beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei nicht zu berücksichtigen, da keine wöchentlichen Arztbesuche erfolgten. Die Nahrungsaufnahme könne die Versicherte noch selbstständig bewältigen, so dass 12 Minuten für das mundgerechte Zubereiten der Nahrung und 40 Minuten für die Beaufsichtigung bei der Nahrungsaufnahme ausreichend seien. Ausführungen zum Höherstufungsantrag vom 11. Juli 2005 oder dem Bescheid vom 28. September 2005 finden sich im Urteil oder den Anträgen der Beteiligten nicht.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30. November 2005 zugestellte Urteil hat die Versicherte rechtzeitig am 27. Dezember 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung einlegen und mit der Berufungsbegründung vom 28. Februar 2006 vortragen lassen, ihr Zustand habe sich erheblich verschlechtert, da sie seit November 2005 gefüttert werden müsse. Daher sei der Zeitaufwand bei der Nahrungsaufnahme erheblich angestiegen. Auch in den Bereichen der Körperpflege und der Mobilität werde für die Pflege jetzt mehr Zeit benötigt, ebenso bei der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der tägliche Pflegebedarf gehe jetzt über 214 Minuten hinaus und reiche für die Pflegestufe III aus. Seit 18. Februar 2005 seien der GdB mit 100 festgestellt und die Merkzeichen G, aG, B, H und RF zuerkannt. Der Kläger hat das Verfahren nach dem Tode der Versicherten am ... 2009 unter Hinweis auf die bis dahin von ihm erbrachten Pflegeleistungen fortgeführt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 15. November 2005 sowie den Bescheid vom 12. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm als Rechtsnachfolger der Versicherten Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III antragsgemäß für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von Herrn W. den Befundbericht vom 25. September 2007 eingeholt, in dem der Arzt angegeben hat, die Versicherte an diesem Tag wegen eines grippalen Infekts letztmals untersucht zu haben. Im Vergleich zum Bericht vom 11. August 2005 seien die Diagnosen unverändert und die Befunde gleich geblieben. Mit Hilfe der Gehbank könne die Versicherte noch stehen und ca. 10 m gehen. Ferner hat der Senat den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 25. September 2007 über den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 10. bis 17. Oktober 2007 beigezogen. In diesem an Herrn W. gerichteten Bericht wird ausgeführt, dass die Einweisung der Patientin über den Hausarzt aufgrund einer seit vier Wochen auffälligen Verschlechterung des Allgemeinzustandes und insbesondere wegen kognitiver Defizite erfolgt sei. Seit einem vor vier Wochen erlittenen fieberhaften Infekt sei sie zunehmend apathisch, reagiere nicht richtig auf Ansprache und esse weniger. Sie sei urin- und stuhlinkontinent, habe im Rollstuhl mobilisiert und in stabilem Zustand entlassen werden können. Des weiteren hat der Senat von der P. G. Stiftung L. W., Akademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität H.-W., den Befundbericht vom 7. Juli 2008 angefordert, worin zu der Frage nach nächtlichen Pflegemaßnahmen ausgeführt wird, es seien während des stationären Aufenthaltes der Versicherten vom 12. bis 19. Februar 2008 nächtliche Pflegemaßnahmen notwendig gewesen und auch in jeder Nacht durchgeführt worden.
Mit Bescheid vom 20. August 2008 hat die Beklagte der Versicherten Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab Oktober 2007 in Höhe von 665 EUR bzw. 675 EUR ab 1. Juli 2008 bewilligt.
Der Berichterstatter hat den Beteiligten mit Schreiben vom 24. November 2008 vorgeschlagen, die Rechtsstreite L 4 P 32/05 und L 4 P 10/07 einvernehmlich zu erledigen. Die Beklagte solle Pflegegeld nach der Pflegestufe III bereits ab Mai 2007 zahlen und die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens L 4 P 10/07 erstatten. Die Einigung kam nicht zustande, nachdem die Prozessbevollmächtigen des Klägers einen früheren Beginn der Zahlung ab August 2006 gefordert haben und die Beklagte sich nicht bereit erklärt hat, außergerichtliche Kosten zu übernehmen. Im Erörterungstermin vom 1. Juli 2009 ist bekannt geworden, dass die Versicherte am ...2009 verstorben war (Sterbeurkunde liegt vor).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
Der Kläger ist als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) berechtigt, die fälligen Ansprüche der verstorbenen Versicherten auf Pflegegeld als laufende Geldleistungen im eigenen Namen geltend zu machen, da er im streitigen Zeitraum mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Bei der noch von der Versicherten erhobenen Klage handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG. Allerdings ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er keinen Anspruch als Rechtsnachfolger auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 hat.
Streitbefangen ist im vorliegenden Verfahren nur der angegebene Zeitraum vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005, wie sich aus dem Vorbringen der Beteiligten in beiden gerichtlichen sowie in den vorgerichtlichen Verfahren ergibt. Die Versicherte stellte am 11. Juli 2005 einen Höherstufungsantrag, obwohl über den Antrag vom 12. Juli 2004 und die darauf ergangenen angefochtenen Bescheide vom 12. Oktober 2004/27. April 2005 noch nicht rechtskräftig entschieden war. Der noch vor Abschluss des vorliegenden Verfahrens mit Urteil vom 15. November 2005 ergangene Bescheid vom 28. September 2005 ist aufgrund der Beschränkung der Klage auf den Zeitraum bis 10. Juli 2005 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand dieses Verfahrens geworden, sodass über ihn in beiden Rechtszügen des vorliegenden Verfahrens nicht zu entscheiden war. Das gesamte prozessuale wie auch das vorgerichtliche Verhalten und Vorbringen der anwaltlich vertretenen Versicherten und des Klägers als ihr Rechtsnachfolger lässt bei vernünftiger und lebensnaher Betrachtung nur den Schluss zu, dass über den Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe III für unterschiedliche Zeiträume vom 12. Juli 2004 bis 10 Juli 2005 und ab 11. Juli 2005 in zwei gerichtlichen Verfahren entschieden werden sollte.
Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in Verbindung mit §§ 14, 15 SGB XI. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 Abs. 1 SGB XI für die Gewährung von Leistungen einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind danach Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Dabei muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Für diese Pflegestufe muss der oben beschriebene für die Pflege benötigte Zeitaufwand mindestens fünf Stunden (300 Minuten) betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens vier Stunden (240 Minuten) entfallen müssen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI).
Die Voraussetzungen der Pflegestufe III sind im streitigen Zeitraum nicht erfüllt. Zunächst steht fest, dass der erforderliche Zeitaufwand in der Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag die Grenze von 240 Minuten deutlich verfehlte. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen der Sozialgerichts zu Eigen und verzichtet auf eine weitergehende Urteilsbegründung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Darüber hinaus scheitert der Anspruch aber auch am fehlenden nächtlichen Pflegebedarf. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal eines Hilfebedarfs "täglich rund um die Uhr, auch nachts" (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI) ist daher nicht erfüllt, sodass die Pflegestufe III schon aus diesem Grund von der Beklagten nicht zu bewilligen war. Eine Hilfeleistung findet im Sinne dieser Vorschrift nachts statt, wenn sie zwischen 22:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens objektiv erforderlich ist (BSG, Urt. vom 18. 3. 1999, B 3 P 3/98 R, SozR 3-3300 § 15 SGB XI Nr. 5 Leitsatz; vgl. auch zum nächtlichen Pflegebedarf bei Personen, die wegen Harndrangs nachts auf den Toilettenstuhl gesetzt werden müssen und dabei nicht auf das Tragen von Windeln oder einem Blasenkatheder verwiesen werden dürfen, BSG, Urt. vom 21. 8. 2000, B 3 P 14/99 R, zitiert nach juris).). Nächtliche Hilfeleistungen waren im streitigen Zeitraum objektiv nicht erforderlich, wie die Pflegesachverständige U. im Gutachten vom 21. August 2005 ausgeführt hat. Denn nach den Angaben des Klägers, zugleich auch Pflegeperson, war die Versicherte zu dieser Zeit noch in der Lage, bei Bedarf den bereit stehenden Toilettenstuhl selbständig zu nutzen. Die Richtigkeit dieser gutachterlichen Feststellung wurde vom anwaltlich beratenen Kläger nie angezweifelt oder bestritten, was dafür spricht, dass seine damaligen Angaben auch in diesem Punkt wahrheitsgemäß und zutreffend waren.
Aus den vorgenannten Gründen sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI für die Zeit vom 12. Juli 2004 bis 10. Juli 2005 schon wegen des fehlenden nächtlichen Pflegebedarfs nicht erfüllt, ohne dass es auf die vom Kläger stets problematisierte genaue Minutenzahl im Bereich der Grundpflege noch entscheidend ankäme
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
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