L 8 SO 5/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 1 SO 36/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 5/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 22. November 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 sowie der Bescheide vom 26. September 2006 und vom 28. Februar 2007 werden geändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger monatliche Leistungen zur Grundsicherung vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von 528,04 EUR, vom 1. bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 544,42 EUR und vom 1. Februar bis zum 30. April 2007 in Höhe von 545,69 EUR abzüglich erbrachter Leistungen zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen bei dauerhafter Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Der am 1985 geborene Kläger leidet unter der ererbten Hauterkrankung Epidermolysis bullosa hereditaria simplex vom Typ Weber-Cockayne mit einer Blasenbildung vor allem an den Händen und Füßen. Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 und den Merkzeichen "B" "G" und "aG" anerkannt. Nach den Feststellungen der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist bei dem Kläger vor dem 1. Januar 2003 volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) eingetreten, wobei es als unwahrscheinlich angenommen wurde, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

Im streitigen Zeitraum überwies die Familienkasse monatlich Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR auf das Girokonto des Klägers; die Pflegekasse der AOK Brandenburg leistete ihm Pflegegeld bei erheblicher Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I).

Der Kläger bezog ab dem 1. Januar 2006 vom Landkreis H , in dessen Zuständigkeitsbereich er damals wohnte, Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Der Leistungsbewilligung in Höhe von 577,38 EUR mit Bescheid vom 16. Februar 2006 wurden der Regelbedarf (331,00 EUR), ein Mehrbedarf (56,27 EUR) sowie Kosten der Unterkunft und Heizung (256,14 EUR einschließlich Nebenkosten, Kabel und Heizungskosten) zugrunde gelegt. Von dem als Einkommen des Klägers berücksichtigten Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR wurden Beträge in Höhe von insgesamt 87,97 EUR für eine Hausrat-, Haftpflicht- und Kfz-Haftpflichtversicherung abgesetzt. Der Landkreis H hob die Leistungsbewilligung auf Grund des Umzugs des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 12. Mai 2006 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2006 auf, ohne eine Erstattung von dem Kläger zu fordern.

Der Kläger bezog am 1. Mai 2006 eine mit Fernwärme beheizte Wohnung. Dafür waren monatlich für Kaltmiete 186,80 EUR sowie als Vorauszahlungen für Betriebskosten 37,36 EUR, für Heizkosten 60,71 EUR und für Warmwasserversorgung 9,34 EUR zu zahlen.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag vom 4. April 2006 mit Bescheid vom 1. Juni 2006 Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung für den Zeitraum von Mai 2006 bis April 2007 in Höhe von monatlich 514,88 EUR. Für den Monat Mai 2006 wurde an den Landkreis H auf die von dort erbrachten (höheren) Leistungen nur dieser Betrag erstattet. Im Gegensatz zum vorausgegangenen Bewilligungsbescheid des Landkreises H wurden nun in der Bedarfsberechnung Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 281,61 EUR (Kaltmiete, Heizung, Warmwasser, Betriebskosten, abzüglich 12,60 EUR Warmwasseranteil) und das Kindergeld in voller Höhe berücksichtigt.

Mit seinem gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 eingelegten Widerspruch machte der Kläger höhere Leistungen geltend. Die Kosten für Warmwasser und Strom seien nicht den Regelsätzen zuzuordnen, sondern im Rahmen der Kosten für Unterkunft und Heizung als Betriebskosten in vollem Umfang zu übernehmen. Das Kindergeld sei nicht als Einkommen anzurechnen, da er volljährig sei und das Kindergeld auf Grund seiner Schwerbehinderung erhalte. Damit sei bei ihm ein vergleichbarer Härtefall gegeben, wie er dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 (- 2 BvR 167/02 -) zugrunde gelegen habe. Der Beklagte habe es versäumt, die Kosten seiner Versicherungen einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die Leistungen für Mai 2006 seien an ihn selbst auszuzahlen, da er rechtzeitig seinen Antrag bei dem Beklagten gestellt habe und dort eine verzögerte und unrichtige Sachbearbeitung vorgenommen worden sei. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) seien deshalb nicht erfüllt. Außerdem beantrage er Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 33 Abs. 8 Nr. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX). Er gehöre auf Grund seines Krankheitsbildes und der Tatsache, dass ihm die Merkzeichen "aG" und "B" zuerkannt worden seien, zu dem Personenkreis, dem Eingliederungshilfe zu gewähren sei. Damit seien ein höherer Mehrbedarf zu berücksichtigen und die Kosten der Haftpflichtversicherung für das Kfz, auf das er angewiesen sei, zu übernehmen. Schließlich mache er die Klärung der Höhe des Regelsatzes geltend; insoweit könne das Verfahren allerdings bis zur abschließenden Klärung der diesbezüglichen Rechtsfragen ruhen.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2006 als unbegründet zurück. Die als Bedarf berücksichtigte Heizkostenvorauszahlung sei um die vom Regelsatz abgedeckten Aufwendungen für die Warmwasseraufbereitung um 18 Prozent auf 57,45 EUR zu mindern gewesen. Das Kindergeld sei in analoger Anwendung der Ersten Verordnung zur Änderung der Alg II/Sozialgeld-verordnung mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 als Einkommen zu berücksichtigen, da es an den Kläger als nicht im Haushalt der Eltern lebendes Kind weitergeleitet werde. Die Höhe der dem Kläger monatlich zustehenden Leistungen der Grundsicherung ergebe sich nach Gegenüberstellung des ermittelten Bedarfs in Höhe von 668,88 EUR und des Einkommens in Höhe von 154,00 EUR. Die Leistungen für den Monat Mai 2006 seien zu Recht einbehalten und an den Landkreis H auf der Grundlage von § 103 SGB X erstattet worden. Dem Kläger habe der Widerspruch gegen den Bescheid des Landkreises H offen gestanden. Über den Antrag auf Eingliederungshilfe und Pflegegeld werde gesondert entschieden.

Der Kläger hat am 15. August 2006 Klage vor dem Sozialgericht Stendal erhoben.

Mit Bescheid vom 26. September 2006 hat der Beklagte die Leistungsbewilligung ab Juni 2006 unter Berücksichtigung von Absetzbeträgen für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung (insgesamt 9,90 EUR) vom Einkommen des Klägers mit sich daraus ergebenden Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 524,78 EUR abgeändert. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 2006 als unzulässig zurückgewiesen, da das Begehren bereits Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens sei. Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 hat der Beklagte die Bewilligung ab Januar 2007 unter Berücksichtigung des höheren Regelbedarfs von nun 345,00 EUR und des sich daraus ergebenden höheren Mehrbedarfs von nun 58,65 EUR - mit dem Ergebnis monatlicher Leistungen in Höhe von 541,16 EUR - angepasst.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, das Kindergeld sei nicht ihm, sondern seinen Eltern zuzuordnen. Zumindest sei eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR monatlich einkommensmindernd zu berücksichtigen. Mit seinem Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe sei der Mehrbedarf im Sinne des § 30 Abs. 4 SGB XII bei ihm zu berücksichtigen. Mit der gebotenen Angleichung an den "Regelsatz West" stehe ihm eine monatliche Grundsicherung ab Mai 2006 in Höhe von 668,88 EUR und ab Juli 2006 in Höhe von 682,08 EUR zu.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2007 abgewiesen. Der Kläger könne keine Erhöhung der Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 auf Grund der von ihm geltend gemachten Gesichtspunkte verlangen. Ein Mehrbedarf von mehr als 17 Prozent des Regelsatzes komme nicht in Betracht. § 30 Abs. 4 SGB XII finde keine Anwendung, da dem Kläger Eingliederungshilfe im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII im zu beurteilenden Zeitraum nicht geleistet worden sei und er auch keinen auf die ausdrücklich dort genannten Leistungen gerichteten Antrag gestellt habe. Für einen Anspruch auf weitere 30,00 EUR monatlich für Versicherungsbeiträge fehle eine rechtliche Grundlage. Der Gesamtbedarf von 668,89 EUR (vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2006) und 685,27 EUR (vom 1. Januar bis zum 30. April 2007) werde durch das Kindergeld als Einkommen gemindert. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sei nicht dahin gehend auszulegen, dass nur bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind zuzurechnen sei. Bei volljährigen Kindern sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass diese für ihren Unterhalt selbst zu sorgen haben und ihnen deshalb Einkommen zuzurechnen sei, wenn sie es tatsächlich erhielten. Im Ergebnis sei der Betrag in Höhe von 154,00 EUR bei dem Kläger als Unterhaltsleistung seiner Eltern anzusehen. Dieses Einkommen sei - wie von dem Beklagten zutreffend vorgenommen - nur um die vom Kläger nachgewiesenen Versicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 9,90 EUR zu reduzieren gewesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Januar 2008 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 4. Februar 2008 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung mit dem Ziel der Neuberechnung der ihm seit April 2006 bewilligten Leistungen der Grundsicherung wegen Erwerbsminderung eingelegt. Er halte den Regelsatz, der in die Berechnung des Gesamtbedarfs eingestellt worden sei, nicht für angemessen im Sinne des Grundgesetzes (GG). Er wiederholt sein Vorbringen, das an ihn gezahlte Kindergeld sei in die Bedarfsberechnung nicht einzubeziehen. Bereits aus der Bezeichnung als Kindergeld ergebe sich, dass es sich hierbei nicht um Unterhalt handele. Seine Auffassung werde durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Februar 2007 (B 9b SO 6/06 R - juris) gestützt. Er meint, in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abzweigung von Kindergeld (Urteil vom 19. November 2008 - III R 105/07 - und Urteil vom 9. Februar 2009 - III R 37/07 -) sei er wie bei einer Auszahlung des Kindergeldes an seine Eltern zu behandeln. Diese hätten Aufwendungen für ihn mindestens in Höhe des Kindergeldes. Der geltend gemachte höhere Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 4 SGB XII stehe ihm unter Berücksichtigung der noch zu bewilligenden Eingliederungshilfe zu. Außerdem habe er Anspruch auf vollständige Übernahme seiner Unterkunftskosten. Darüber hinaus verfolgt er die Bewilligung von Eingliederungshilfe in Form der Kosten für die Unterhaltung und Reparatur seines alten sowie Neubeschaffung eines anderen Kfz. Der Beklagte sei insoweit nachrangig als Leistungsträger verpflichtet. Die Eingliederungshilfe sei auf Grund seines Krankheitsbildes erforderlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 22. November 2007 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 1. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2006 sowie der Bescheide vom 26. September 2006 und vom 28. Februar 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 höhere Leistungen zur Grundsicherung, ohne Berücksichtigung des Kindergeldes in Höhe von monatlich 154,00 EUR als Einkommen und mit einer Erhöhung des Mehrbedarfs auf 35 Prozent des Regelsatzes zu bewilligen;

2. das Land Sachsen-Anhalt zu verurteilen, ihm rückwirkend Leistungen der Eingliederungshilfe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung, soweit sie nicht den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe betrifft, zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sowohl der Gesamtbedarf des Klägers als auch sein zu dessen Deckung einzusetzendes Einkommen in Form des an ihn ausgezahlten Kindergeldes unter Berücksichtigung hiervon abzusetzender Versicherungsbeiträge seien zutreffend berechnet worden. Über die Gewährung der vom Kläger beantragten Eingliederungshilfe sei im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Der Kläger hat der mehrfachen Aufforderung des Berichterstatters, Nachweise über die ihm seit dem 1. Mai 2006 entstandenen Kosten für Versicherungen und die entsprechenden Verträge vorzulegen, auch nach Belehrung gemäß § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Fristsetzung von drei Wochen spätestens ab dem 17. Dezember 2008 - dem vom Kläger angegebenen Zugang des Schreibens - nicht entsprochen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden können (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung ist im Wesentlichen zulässig.

Nicht zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne der §§ 53 ff. SGB XII. Grundsätzlich prüft das Landessozialgericht nach § 157 Satz 1 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Der Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahren bildet also keine absolute Grenze für den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 99 RdNr. 12).

Für die vom Kläger angestrebte objektive Klagehäufung fehlen aber die Voraussetzungen der Klageänderung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 SGG). Der Beklagte hat in die Klageänderung nicht im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG eingewilligt. Der Senat hält die Erweiterung des Streitgegenstandes auch nicht für sachdienlich, da es bereits an einer Passivlegitimation des Beklagten fehlt. Insoweit kann dahinstehen, welche rechtliche Bedeutung der Umzug des Klägers am 1. April 2008 nach Brandenburg für die sachliche Zuständigkeit hat. Denn selbst unter Berücksichtigung des Wohnorts zum Zeitpunkt des Antrags des Klägers auf Leistungen der Eingliederungshilfe im Land Sachsen-Anhalt wäre der Beklagte als örtlicher Träger für diese Leistungen nicht zuständig. Nach § 97 Abs. 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe der örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Im vorliegenden Fall sieht das Landesrecht - in Entsprechung zu der Regelzuständigkeit nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII - in § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 11. Januar 2005 (GVBl. S. 8) eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne von §§ 53 bis 60 SGB XII vor. Die Aufgaben des Landes Sachsen-Anhalt als überörtlicher Träger der Sozialhilfe nimmt damit nicht der Beklagte wahr. Bereits die mit der Einbeziehung eines weiteren Beteiligten verbundene Verzögerung des Gerichtsverfahrens spricht gegen eine Sachdienlichkeit der Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG. Auch ein Zusammenhang des materiellen Streitgegenstands des im Rahmen der Klageänderung verfolgten Begehrens mit dem bisherigen Streitgegen-stand des Rechtsstreits ist nicht gegeben. Insbesondere fehlt es an einer Vorgreiflichkeit der Entscheidung über die Eingliederungshilfe für die Frage der Höhe des Mehrbedarfs. Denn der Kläger erstrebt keine Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII, die Voraussetzung eines erhöhten Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 4 SGB XII sind.

Soweit die Berufung zulässig ist, ist diese nur teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage nur insoweit zu Unrecht abgewiesen, als die von dem Beklagten bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis zum 30. April 2007 in geringfügigem Umfang zu gering bemessenen sind. Nur insoweit sind die angefochtenen Bescheide des Beklagten teilweise rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Senat sieht sich durch die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, er nehme "im Übrigen" die Klage sowie gestellte Anträge zurück, nicht gehindert, die von dem Beklagten vorgenommene Bedarfsberechnung in vollem Umfang auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Kläger hat auf den Hinweis des Berichterstatters vom 27. Juni 2008, die bisher nicht angegriffenen Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht zutreffend vom Beklagten berücksichtigt worden, u.a. erklärt, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ihm auf Grund der Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Grundsätzlich sind bei der Prüfung eines Leistungsanspruchs alle Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 50/05 R - SozR 4-4300 § 37b Nr. 2 m.w.N.). Soweit die Rechtsprechung Ausnahmen hiervon zugelassen hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O.), hält der Senat diese auf den vorliegenden Sachverhalt nicht für übertragbar, da die teilweise Klagerücknahme insoweit nicht bestimmt genug ist.

Der Kläger gehört, das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig, zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, da er dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB VI ist.

Dem Kläger stehen Leistungen der Grundsicherung vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von 528,04 EUR, vom 1. bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von 544,42 EUR und vom 1. bis zum 30. April 2007 in Höhe von 545,69 EUR zu. Für den Monat Mai 2006 ist die Bewilligung in Höhe 514,88 EUR ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge für Versicherungen erfolgt. Der Kläger ist hierdurch aber nicht beschwert, da der Landkreis H eine Erstattung für die von ihm bereits erbrachten Leistungen für Mai 2006 in Höhe von 577,38 EUR gegenüber dem Kläger ausdrücklich nicht geltend gemacht und nur 514,88 EUR von dem Beklagten erstattet erhalten hat. Damit sind dem Kläger im Ergebnis höhere Leistungen verblieben als ihm unter zutreffender Berechnung zustünden. Der Kläger hat sein Vorbringen im Hinblick auf die im Widerspruchsverfahren gerügte Einbehaltung der Leistungen für Mai 2006 durch den Beklagten auch nicht weiterverfolgt. Vor dem Hintergrund der Erfüllungsfiktion in § 107 Abs. 1 SGB X ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte für einen weitergehenden Anspruch des Klägers.

In den Gesamtbedarf des Klägers war zunächst der Regelsatz im Sinne des § 28 SGB XII i.V.m. mit § 1 der Verordnung (VO) über die Festsetzung der Regelsätze des Landes Sachsen Anhalt in Höhe von 331,00 EUR für den Bewilligungszeitraum bis zum 31. Dezember 2006 und in Höhe von 345,00 EUR für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Januar 2007 einzustellen. Die landesrechtlichen Regelungen begegnen auch unter Berücksichtigung der zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) als Bundesrecht ergangenen Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvR 1/09, 3/09, 4/09 - BGBl. I 2010, S. 193) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die existenzsichernde Höhe der Regelsätze mit Blick auf den hier in der Vergangenheit liegenden Zeitraum.

Der Mehrbedarf des Klägers ist von dem Beklagten zutreffend auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII mit 17 v.H. des Regelsatzes berücksichtigt worden. Nach dieser Regelung wird für Personen, die unter 65 Jahren und voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind und insbesondere durch einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Der von dem Beklagten berücksichtigte Mehrbedarf in Höhe von 56,27 EUR bis zum 31. Dezember 2006 und in Höhe von 58,65 EUR ab dem 1. Januar 2007 entspricht 17 v.H. des jeweils maßgebenden Regelsatzes. Anhaltspunkte für einen im Einzelfall des Klägers abweichenden Bedarf bestehen nicht und sind auch nicht vorgetragen worden.

Die Voraussetzungen einer Berücksichtigung des pauschalen (höheren) Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 4 SGB XII, die der Kläger erstrebt, liegen hier nicht vor. Nach der vorgenannten Regelung wird für behinderte Menschen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben und denen Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII geleistet wird, ein Mehrbedarf von 35 v.H. anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Leistungen der Eingeliederungshilfe auf der vorgenannten gesetzlichen Grundlage müssen tatsächlich erbracht werden, um einen Anspruch auf den höheren Mehrbedarf zu begründen (vgl. z.B. Scheider in: Schellhorn, SGB XII - Sozialhilfe Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 30 RdNr. 23; zur vergleichbaren Vorschrift des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 59/09 R - juris (RdNr. 17)). Das ergibt sich auch aus der Reglung in § 30 Abs. 4 Satz 2 SGB XII, die besonders die Gewährung des Mehrbedarfs nach Beendigung der Leistungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII regelt. Es kann offen bleiben, ob die Regelung in § 30 Abs. 4 Satz 1 SGB XII auch Anwendung findet, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe für einen zurückliegenden Zeitraum beantragt und bewilligt werden. Als Leistungen der Eingliederungshilfe werden in der letztgenannten Vorschrift die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu (Nr. 1), zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule (Nr. 2) und zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit (Nr. 3) erfasst. Der dauerhaft erwerbsgeminderte Kläger befindet sich nicht in einer Ausbildung, sodass er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII gehört und die Kosten der Unterhaltung, Reparatur und Neuanschaffung eines Kfz nicht durch Leistungen im Sinne dieser Vorschrift abgedeckt werden können.

Die Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 29 SGB XII) hat der Beklagte zu Unrecht in Höhe von nur 281,61 EUR unter Berücksichtigung eines pauschalen Abzugs für die Warmwasserbereitung von 12,60 EUR berücksichtigt. Dem Kläger steht insoweit ein Betrag von 284,87 EUR zu. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Da der Mietvertrag monatliche Vorauszahlungen für die Versorgung mit Fernwärme (ohne Kosten der Warmwasserversorgung) in Höhe von 60,71 EUR ausweist, war dieser Betrag in voller Höhe als Bedarf des Klägers zu berücksichtigen. Der Abzug der Kosten der Warmwasserversorgung in Höhe von 9,34 EUR monatlich ist demgegenüber nicht zu beanstanden. Da der Kläger im Verfahren die Höhe der ihm insgesamt im Bewilligungszeitraum entstandenen Kosten der Haushaltsenergie, die anteilig im Regelsatz enthalten sind, nicht nachgewiesen hat, ist eine weitere Differenzierung des Senats insoweit nicht möglich (vgl. zur verbrauchsabhängigen Erfassung z.B. Scheider in: Schellhorn, a.a.O. § 29 RdNr. 70).

Der Beklagte hat von dem monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 672,14 EUR für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2006 und in Höhe von 688,52 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2007 im Ergebnis zutreffend für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Januar 2007 Einkommen des Klägers in Höhe von monatlich 144,10 EUR in Abzug gebracht. Bezüglich des Zeitraums vom 1. Februar bis zum 30. April 2007 ist dagegen ein monatliches Einkommen von nur 142,83 EUR abzusetzen. Es ist monatlich ein Drittel des Betrages in Höhe von 33,51 EUR, auf den der Beklagte in den Monaten Februar bis April 2007 insgesamt nur 29,70 EUR einkommensmindernd berücksichtigt hat, für nachgewiesene angemessene Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen.

Nach § 41 Abs. 2 Satz 1 SGB XII besteht ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dauerhafter Erwerbsminderung nur, soweit der Leistungsberechtigte im Sinne von Absatz 1 dieser Regelung seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII beschaffen kann. Zu dem im vorliegenden Fall insoweit zu prüfenden Einkommen gehören nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden am Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG.

Das von der Familienkasse an den Kläger durch Überweisung auf dessen Girokonto ausgezahlte Kindergeld ist nach den vorgenannten Regelungen nicht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen. Die besondere Regelung über das Kindergeld in § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII findet im Fall des Klägers keine Anwendung, da er nicht minderjährig im Sinne der Vorschrift ist. Auch bei einer systematischen Auslegung lässt die Regelung, nach der bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei diesem zur Deckung des Lebensunterhalts benötigt wird, nicht den Schluss zu, dass das Kindergeld bei Erwachsenen grundsätzlich den Eltern als Einkommen zuzurechnen ist. Vielmehr ist diese Regelung, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, vor dem Hintergrund zu sehen, dass Minderjährigen üblicherweise das Kindergeld von den Eltern nicht zur Verfügung gestellt, sondern dieses zur Deckung der Kosten des Lebensunterhalts in der Familie verwendet wird. Bei Volljährigen besteht eine solche Grundannahme nicht. Vielmehr wird hier davon ausgegangen, dass die Eltern eine Summe in Höhe des Kindergeldes dem unterhaltsberechtigten Kind zur freien Verfügung überlassen und sie einen Teil dieses Betrages durch das ihnen zufließende Kindergeld bestreiten können. Fließt das Kindergeld dem nicht im elterlichen Haushalt lebenden Kind selbst zu, ist dieses nach allgemeiner Meinung als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen (vgl. für das Bundessozialhilfegesetz Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. Oktober 2004 - 5 C 30/03 - BVerwGE 122, 128; für das Grundsicherungsgesetz BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 - B 9b SO 6/06 R - juris; für das SGB XII Hohm in: Schellhorn, a.a.O. § 82 RdNr. 33 f.). Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führt nicht zu einer anderen Bewertung der Rechtslage, da die Auszahlung des Kindergeldes an ihn selbst durch die Familienkasse nicht der Prüfung des Senats unterliegt.

Von dem als Einkommen des Klägers zu berücksichtigenden Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR sind die Beträge nach § 82 Abs. 2 und 3 SGB XII abzusetzen. Als insoweit berücksichtigungsfähige Beträge hat der Kläger seine Zahlungen für die Haftpflicht- und Hausratversicherung als Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen im Sinne des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII nachgewiesen. Maßgebend sind insoweit für die Zeit bis zum 31. Januar 2007 die sich aus den Kontoauszügen des Klägers vom 5. Februar 2006 für das Quartal ergebenden Zahlungen für die Hausratversicherung in Höhe von 12,39 EUR und für die Haftpflichtversicherung in Höhe von 17,32 EUR. Bei monatlicher Berücksichtigung von einem Drittel dieser Beträge ergeben sich die von dem Beklagten abgesetzten Beträge von 4,13 EUR und 5,77 EUR, d.h. insgesamt 9,90 EUR monatlich. Da sich aus der Verwaltungsakte erkennen lässt, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten im Rahmen seines am 26. April 2007 gestellten Antrags auf Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen ab dem 1. Mai 2007 höhere Quartalsbeiträge ab dem 1. Februar 2007 von nun 13,76 EUR für die Hausratversicherung und 19,75 EUR für die Haftpflichtversicherung nachgewiesen hat, berücksichtigt der Senat diese höheren Beiträge einkommensmindernd ab Februar 2007, d.h. insgesamt 11,17 EUR pro Monat. Im Hinblick auf die Beiträge für die Haftpflichtversicherung für sein Kfz hat der Kläger nur ein Angebot der M Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit vom 17. April 2007 vorgelegt, das keinen Beitragsnachweis darstellt. Der Kläger hat trotz mehrerer Aufforderungen des Senats keine Unterlagen vorgelegt, die die Zahlung und die Höhe von Beiträgen zur Kfz-Versicherung belegen könnten. Der Senat kann daher offen lassen, ob es sich dabei überhaupt um einen sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf gehandelt hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 11/06 - BSGE 100, 139 (142 f., RdNr. 19 f.)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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