L 1 R 13/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 RA 400/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 13/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Dezember 2007 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Dem 1948 geborenen Kläger wurde mit Urkunde der Technischen Hochschule O. von G. M. vom ... 1971 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur-Pädagoge" verliehen. Nach einem Zeugnis des Zentralinstituts für Schweißtechnik der Deutschen Demokratischen Republik H. (S.) vom 29. Juni 1973 bestand der Kläger "nach einem ordnungsgemäßen Besuch eines 16wöchigen Lehrganges" die Prüfung als Schweißingenieur. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) arbeitete er im Oktober 1971 als Technologe im VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen, Betrieb XII P. W., danach ab 1. Januar 1973 ebenfalls als Technologe im VEB P. W., Betrieb XII des VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen, dann ab ... 1973 als Schweißingenieur im VEB Bezirksbaumechanik H. und ab 1. Januar 1981 als Hauptschweißingenieur im VEB Baurationalisierung H ... Diese Tätigkeit übte er auch noch im Juni 1990 aus. Der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat der Kläger nicht bei. Eine Zusatzversorgungszusage erhielt er nicht.

Am 27. November 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften auf Grund der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Mit Bescheid vom 27. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Versorgungsanwartschaft i. S. v. § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Die Qualifikation als Dipl.-Ingenieur-Pädagoge/Schweißingenieur entspreche nicht dem Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der Versorgungsordnung. Das AAÜG sei daher nicht anwendbar. Am 19. Mai 2004 erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung u. a. aus, die Qualifikation als Diplom-Ingenieur-Pädagoge entspreche dem Titel eines Ingenieurs der Versorgungsordnung, da er dazu eine ingenieurtechnische Ausbildung mit Hochschulabschluss durchlaufen habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zu einem Ingenieurpädagogen sei nicht einschlägig, da dieser eine Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht gewesen sei, ein Diplom-Ingenieur-Pädagoge hingegen nicht. Im Vordergrund seines Studiums hätten immer die ingenieurtechnischen Inhalte gestanden. Als Diplom-Ingenieur-Pädagoge habe man die Möglichkeit gehabt, als anerkannter Diplom-Ingenieur in die Industrie zu gehen oder als Fachschullehrer zu unterrichten. Bei der Qualifikation als Schweißingenieur habe es sich um eine ordnungsgemäße ingenieurtechnische Fachschulausbildung mit Ingenieurabschluss gehandelt. Voraussetzung für dieses Studium sei ein abgelegter Fach- oder Hochschulabschluss der metallverarbeitenden Industrie gewesen. Auch sei er in produktionsgeprägten Betrieben beschäftigt gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 26. August 2004 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Er habe einen Abschluss als Diplomingenieur und eine abgeschlossene Fachschulausbildung als Ingenieur. Bei seinem Studium an der Technischen Hochschule M. hätten ingenieurtechnische Studieninhalte im Vordergrund gestanden. Den Abschluss als Schweißfachingenieur habe er nach einem postgradualen Studium erworben. Dafür sei ein Fach- oder Hochschulabschluss in einer ingenieurtechnischen Fachrichtung Voraussetzung gewesen. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die postgraduale Ausbildung zum Schweißingenieur habe lediglich die bisherige Ausbildung ergänzt. Der zusätzliche Abschluss sei kein eigenständiger Titel.

Das SG hat Unterlagen zum VEB Baurationalisierung H. beigezogen. Die Beklagte hat erklärt, dass die betrieblichen Voraussetzungen bei dem VEB Baurationalisierung H. wegen der Einordnung innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige erfüllt seien.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2007 hat das SG die Beklagte unter Abänderung entgegenstehender Bescheide verurteilt, die Zeiträume vom 1. Oktober 1971 bis 15. Juli 1973 und vom 1. Januar 1981 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den während dieser Zeiträume erzielten Arbeitsentgelten festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger sei berechtigt gewesen, nach § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom ... 1962 (GBl. II S. 278, Ing-VO) den Titel eines Ingenieurs zu führen, da ihm vom Rat der Sektion für Technologie der metallverarbeitenden Industrie der Technischen Hochschule M. der akademische Grad Diplom-Ingenieur-Pädagoge verliehen worden sei. Dies ergebe sich zusätzlich aus § 6 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" vom 10. Mai 1963 (GBl. II S. 365, 2. DB-Ing-VO). Daraus folge, dass die Bezeichnung Schweißingenieur nur an denjenigen vergeben werden durfte, der Ingenieur im Sinne von § 1 der Verordnung vom 12. April 1962 gewesen sei. Der entgegenstehenden Ansicht des Senats, wonach nur Diplom-Ingenieur-Ökonomen und Ingenieur-Ökonomen berechtigt gewesen sein sollen, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, nicht aber Diplom-Ingenieur-Pädagogen (L 1 RA 122/05), folge das SG nicht.

Gegen das ihr am 11. Januar 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Januar 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Der Kläger hat gegen das ihm am 15. Januar 2008 zugestellte Urteil am 6. Februar 2008 Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Ansicht, auch bei seiner Beschäftigung im VEB Bezirksbaumechanik H. vom 16. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1980 hätte die betriebliche Voraussetzung vorgelegen, weshalb auch dieser Zeitraum anerkannt werden müsse.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Halle vom 10. Dezember 2007 und weiterer Abänderung des Bescheides vom 27. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 zu verpflichten, die Beschäftigungszeit vom 16. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1980 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Dezember 2007 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass der Kläger nur das Recht habe, die Berufsbezeichnung Ingenieur-Pädagoge zu führen, womit die persönliche Voraussetzung für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht erfüllt sei. Aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass auch die Berufsbezeichnung Schweißingenieur nicht genüge, die persönliche Voraussetzung zu erfüllen.

Das Gericht hat Unterlagen zu dem VEB Bezirksbaumechanik/VEB Baumechanisierung beigezogen und an die Beteiligten übersandt. Außerdem hat es sich an die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt H. Bitte Eintrag suchen und anpassen., den Rechtnachfolger des Zentralinstituts für Schweißtechnik der Deutschen Demokratischen Republik H. (S.), gewandt und Unterlagen zur Berechtigung, den Titel Schweißingenieur zu verleihen, angefordert.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2004 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte. Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Dezember 2007 ist daher abzuändern, die Klage insgesamt ab- und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).

I.

Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das Bundessozialgericht wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) veranlassen müssen. Denn die vom Bundessozialgericht vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, Az: B 10 EG 1/08 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 19).

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az: B 4 RA 31/01 R, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005, Az: 1 BvR 1921/04 u. a., dokumentiert in juris, Rdnr. 36).

Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007, Az: 1 BvF 1/05, dokumentiert in juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009). Sie hat darauf hingewiesen, dass Verdienste oberhalb von 600 Mark für Beschäftigungszeiten ab März 1971 ohne Versorgungszusage wie bei allen übrigen Versicherten, die keinem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört haben, nur bei entsprechenden Beitragszahlungen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung rentenrechtlich hätten berücksichtigt werden können. Dieser Hinweis der Bundesregierung auf die Freiwillige Zusatzrentenversicherung ähnelt der soeben dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.

II.

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gem. § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, da die persönliche Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Der Kläger war nicht berechtigt, den Titel eines Ingenieurs bzw. Technikers zu führen. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach Diplom-Ingenieur-Pädagogen und Ingenieurpädagogen – im Gegensatz zu Diplom-Ingenieur-Ökonomen und Ingenieur-Ökonomen – nach § 1 Abs. 2 Ing-VO nicht berechtigt sind, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. August 2007, Az: L 1 RA 122/05). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 der 2. DB-Ing-VO. Danach haben Bildungseinrichtungen und Institutionen, die Qualifizierungsmaßnahmen für Ingenieure durchführen, die mit einer speziellen Berufsbezeichnung (zum Beispiel Schweißfachingenieur, Patentingenieur) abschließen und darüber ein Zeugnis beziehungsweise eine Urkunde ausstellen, hierfür die Zustimmung des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen einzuholen (§ 6 Abs. 1 der 2. DB-Ing-VO). Zeugnisse beziehungsweise Urkunden mit einer speziellen Berufsbezeichnung für Ingenieure dürfen nur an Personen ausgegeben werden, die zu dem unter §§ 1 und 2 der Ing-VO genannten Personenkreis gehören (§ 6 Abs. 1 der 2. DB-Ing-VO). Die Vorschrift regelt nur, wann die genannten Bildungseinrichtungen die Urkunden bzw. Zeugnisse mit der Wortverbindung "Ingenieur" verleihen durften. Zu der Frage, ob ein Diplom-Ingenieur-Pädagoge berechtigt war, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, sagt die Vorschrift nichts. Der Schluss, der Kläger habe zu dem Personenkreis des § 1 Ing-VO gehört, da er eine Urkunde bzw. ein Zeugnis nach § 6 der 2. DB-Ing-VO bekommen habe, lässt sich nicht ziehen, da die Verleihung auch regelwidrig erfolgt sein könnte.

Auch mit der Führung der Berufsbezeichnung "Schweißingenieur" erfüllt der Kläger die persönliche Voraussetzung nicht. Das BSG hat dazu ausgeführt (Urteil vom 18. Oktober 2007, Az: B 4 RS 17/07 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 39, 40): "Die in postgradualen Studiengängen erworbenen beruflichen Bezeichnungen ersetzen auch nach dem Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 nicht ein Hoch- oder Fachschulstudium. Es handelte sich vielmehr um Studiengänge zur Weiterbildung, die auf den in einem Hochschulstudium und durch Berufstätigkeit erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten aufbauten; über die erworbene Qualifikation wurde den Teilnehmern ein Fachabschluss erteilt. Weder der IngVO-DDR noch der Anordnung über die postgradualen Studien vom 4.3.1988 ist eine Verlautbarung zu entnehmen, die darauf schließen lässt, dass nach dem Verständnis der DDR ein wenige Monate dauerndes postgraduales Studium im Bereich der Zusatzversorgung einem technischen Fach- oder Hochschulstudium gleichgesetzt werden sollte. Die bei einem postgradualen Studium erworbenen "Fachabschlüsse" sind demnach Zusatzqualifikationen, die bei Weiterbildungsmaßnahmen erworben wurden. Sie vermitteln den Absolventen aber keinen Ingenieurstitel i. S. des § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB.". Dass es sich bei der Qualifikation des Klägers um eine postgraduale Ausbildung gehandelt hat, hat der Kläger selber dargelegt und kann in Hinsicht auf die 16wöchige Dauer auch nicht bezweifelt werden.

In Bezug auf die Beschäftigung des Klägers im VEB Bezirksbaumechanik H. vom 16. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1980 liegt außerdem die betriebliche Voraussetzung nicht vor. Der VEB Bezirksbaumechanik (ab 1. Januar 1981 in VEB Baumechanisierung H. umbenannt) ist für Instandsetzungsaufgaben zuständig gewesen. Nach dem Statut des VEB Bezirksbaumechanik war Aufgabe des Betriebes, Baumaschinen und Geräte zu reparieren, Ersatzteile und Verschleißmaterialen zu lagern und eventuell herzustellen und den Maschineneinsatz und die Geräteausnutzung zu überwachen und zu lenken. Nach der Broschüre "40 Jahre VEB Baumechanisierung H." war der VEB Baumechanisierung zu 90% mit Instandsetzungsproduktion betraut (S. 21). Nach dem BSG ist eine betriebliche Tätigkeit, die auf die Fertigung von Gütern aus Gebrauchtteilen gerichtet ist, keine Produktion im Sinne der VO-AVItech (BSG, Urteil vom 24. April 2008, Az: B 4 RS 31/07 R, dokumentiert in juris, Rdnr. 17; zu den betrieblichen Voraussetzungen des VEB Baumechanisierung H. am 30. Juni 1990 siehe Urteil des Senats vom 25. Februar 2010, Az: L 1 R 12/07).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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