Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 112/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 99/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalls vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Die 1957 geborene und als Arzthelferin tätige Klägerin hatte im Jahr 2006 ihren Wohnsitz in der T. Str. in M ...Vom 18. auf den 19. Januar 2006 übernachtete sie bei ihrem Lebensgefährten im Hegewiesenweg 4 in M ... Als sie von dort am 19. Januar 2006 um 6.30 Uhr ihre Arbeitsstätte in der Halberstädter Chaussee 123 b in M. aufsuchen wollte, rutschte sie vor dem Wohnhaus auf dem Weg zu ihrem Pkw aus, stürzte und fiel auf die rechte Hand. Die noch am gleichen Tag aufgesuchte Durchgangsärztin Dr. S. diagnostizierte eine dislozierte Radiusfraktur rechts und überwies die Klägerin zur weiteren Behandlung in das Städtische Klinikum M ... In dem Bericht des Klinikums. vom 2. Februar 2006 teilte der Chefarzt Dr. D. mit, er habe die Klägerin am Unfalltag bei erheblicher Schwellung und Fehlstellung des Handgelenks rechts mit einem Fixateur externe versorgt.
Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der zurückzulegende Weg zwischen "drittem Ort" und Arbeitsstelle mit ca. 9 km stünde zu dem üblicherweise zurückgelegten Weg von ca. 2 km Länge nicht in angemessenem Verhältnis. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 zurück. Dieser ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Eingangsstempel der Kanzlei am 24. August 2006 zugegangen.
Mit dem am 25. September 2006 bei dem Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Telefax, welches nicht unterzeichnet ist, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Klage erhoben und die Anerkennung des Unfalls vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall weiter verfolgt. Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, üblicherweise trete sie ihren Arbeitsweg von 1,7 km Länge von ihrem Wohnsitz aus an. Der am 19. Januar 2006 angetretene Weg von 8,2 km Länge stünde aber in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Weg.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juli 2007 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Länge des Weges sowie die Fahrzeit von dem Wohnsitz des Lebensgefährten der Klägerin zur Arbeitsstätte stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Länge und Fahrzeit des üblichen Weges zur Arbeitstätte. Diese Gefahrerhöhung durch die Verlängerung des Weges beruhe nicht wesentlich auf der betrieblichen, gegen Unfall versicherten Tätigkeit.
Gegen den am 23. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. August 2007 Berufung eingelegt. Sie meint, das Risiko beim Zurücklegen des angetretenen Weges sei gegenüber dem Risiko beim Zurücklegen des üblichen Arbeitswegs verhältnismäßig. Denn dieser Weg sei gegenüber dem üblichen Weg lediglich 6,5 km länger. Im Übrigen habe der Aufenthalt bei ihrem Lebensgefährten am "dritten Ort" auch der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit gedient und sei damit betriebsdienlich gewesen. Ihr Lebensgefährte habe seinerzeit zwei Monate Jahresurlaub gehabt. Sie habe sich in dieser Zeit täglich in dessen Wohnung aufgehalten. Dies habe der Regeneration ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in positiver Weise gedient und die für die versicherte Tätigkeit benötigte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verbessert, weil die Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen unmittelbar hierzu diene.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 aufzuheben und
festzustellen, dass der Unfall vom 19. Januar 2006 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, der Weg vom "dritten Ort" habe knapp das Fünffache des üblichen Weges betragen und sei als unverhältnismäßig anzusehen. Auch sei der Aufenthalt der Klägerin am "dritten Ort" nicht betriebsdienlich gewesen. Durch das Aufsuchen der eigenen Wohnung hätte die Klägerin die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zeitiger erreicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat hat bei der Beratung und Entscheidungsfindung die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 12-45-JA 021349 vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte sowie auch form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung des Ereignisses vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall.
Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG wirksam gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 vor dem Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wegen einer möglicherweise fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid an diese Frist gebunden war. Der Widerspruchsbescheid ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Eingangsstempel der Kanzlei am 24. August 2006 zugegangen. Die Monatsfrist zur Klageerhebung lief gemäß § 64 SGG am 25. September 2006 ab, weil der 24. September 2006 ein Sonntag war. Diese Frist ist durch das am 25. September 2006 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Sozialgericht übermittelten Telefax gewahrt. Dieses Telefax enthält die nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG für eine wirksame Klageerhebung erforderlichen Angaben: die Bezeichnung der Beteiligten und des Gegenstandes des Klagebegehrens. Dass weder sie noch ihre Prozessbevollmächtigten das übermittelte Telefax unterzeichnet haben, ist unschädlich, weil es sich bei der hierauf gerichteten Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 2 SGG lediglich um eine Sollvorschrift handelt.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Gemäß § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Da diese Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen mit den früheren Regelungen des § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 550 Abs. 1 und 3 RVO übereinstimmen, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, soweit nicht die wenigen Änderungen des materiellen Rechts entgegenstehen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 13).
Die Klägerin war am 19. Januar 2006 als Arzthelferin zwar grundsätzlich gegen Unfälle versichert. Jedoch ereignete sich der Unfall am 19. Januar 2006 nicht auf einem versicherten Weg. Die Klägerin stand, als sich der Unfall ereignete, weder nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII noch nach Nr. 4 dieser Vorschrift unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Ständige Familienwohnung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ist eine Wohnung, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Versicherten bildet (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - a.a.O.). Maßgebend für die Bestimmung der "ständigen Familienwohnung" ist allein die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt, bei deren Prüfung insbesondere auch soziologische und psychologische Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Dabei sind unabhängig vom Familienstand des Versicherten auch psychologische Faktoren jenseits familiärer bzw. verwandtschaftlicher Bindungen für die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensverhältnisse einzubeziehen. Dabei ist auf objektive Kriterien abzustellen, in denen die subjektiven Verhältnisse unter Umständen ihre Bestätigung finden. Dem Umstand, wie häufig die betreffende Wohnung aufgesucht wird, kommt indizielle Bedeutung zu. Ferner ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die jeweiligen Wohnverhältnisse auf eine längere bzw. "nicht unerhebliche" Zeit angelegt sind. Diese bedeutsame Dauerhaftigkeit ergibt sich grundsätzlich durch einen vom Unfallzeitpunkt aus in die Zukunft gerichteten Blick (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - B 2 U 16/02 R - SozR 3-2200 § 550 Nr. 22).
Unter diesen Voraussetzungen war Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges nicht die ständige Familienwohnung der Klägerin. Die Klägerin hat sich nach eigenen Angaben üblicherweise in ihrer Wohnung aufgehalten und ihren Lebensgefährten nur an den Wochenenden in dessen Wohnung besucht. Ihr Aufenthalt in der Wohnung des Lebensgefährten war damit nicht auf Dauer angelegt. Auch wenn sie im Zeitpunkt des Unfalls aufgrund des zweimonatigen Urlaubs ihres Lebensgefährten häufiger in dessen Wohnung übernachtet hat, hat sie damit ihren Lebensmittelpunkt nicht auf Dauer in dessen Wohnung verlagert. So hat sie beabsichtigt, nach dem Urlaubsende wieder den üblichen Arbeitsweg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen.
Die Klägerin stand im Unfallzeitpunkt auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift steht nicht nur der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz. Verlangt wird nur, dass Ziel und Ausgangspunkt des Weges die Arbeitsstätte ist. Allerdings ist es erforderlich, dass der Weg mit der versicherten Tätigkeit rechtlich zusammenhängt; das Zurücklegen des Weges muss mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang stehen. Für diesen inneren Zusammenhang ist die Handlungstendenz der Versicherten maßgebend, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R -, a.a.O.). Dabei ist zu berücksichtigen, das ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit stehen muss. Der Frage, ob am "dritten Ort" Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie z. B. ein dringender Arztbesuch oder die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die betreffende Verrichtung muss sich unmittelbar auf die körperliche und/oder geistige Leistungsfähigkeit, die für die Ausübung der versicherten Tätigkeit benötigt wird, positiv auswirken und auf diese Weise mittelbar dem Betrieb nutzen. Mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung ist es jedoch nicht mehr zu vereinbaren, solche Verrichtungen am "dritten Ort" einzubeziehen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, auch wenn diese Verrichtungen mittelbar das körperliche bzw. geistige Wohlbefinden heben und die Leistungsfähigkeit verbessern (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - a.a.O.).
Unter diesen Voraussetzungen bestand für die Klägerin beim Antritt des Weges von ihrem Lebensgefährten zur Arbeitsstätte kein Versicherungsschutz. Die zu beurteilenden Entfernungen von üblicherweise 1,7 km zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte und von 8,2 km zwischen "drittem Ort" und Arbeitsstätte stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Der am Unfalltag zurückzulegende Weg hätte das 4,8 fache des üblichen Weges betragen und wäre damit nicht mehr angemessen. Zudem war der Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung ihres Lebensgefährten nicht hinreichend betriebsbezogen, sondern überwiegend eigenwirtschaftlich geprägt. Die Klägerin hat die Wohnung ihres Lebenspartners zur Pflege der zwischenmenschlichen Beziehung aufgesucht. Dieser Umstand dient in aller Regel eigenwirtschaftlichen Interessen. Er reicht ohne weitere hinzutretende betriebsdienliche Umstände nicht aus, um einen inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit herzustellen, weil es sich bei der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen um alltägliche Handlungen handelt, die nicht primär auf die Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit gerichtet sind und damit nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung in schützenswertem Maße dem Betrieb zu Gute kommen. Dass sich das körperliche und geistige Wohlbefinden der Klägerin möglicherweise durch diesen Besuch gehoben und damit die Leistungsfähigkeit verbessert hat, ist nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht entscheidend.
Andere Umstände, die sich primär zu Gunsten des Betriebs hätten auswirken können, hat die Klägerin für den Aufenthalt in der Wohnung ihres Lebensgefährten nicht dargelegt, noch sind solche sonst ersichtlich, so dass ihr bereits aus diesen Gründen der Versicherungsschutz versagt bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalls vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Die 1957 geborene und als Arzthelferin tätige Klägerin hatte im Jahr 2006 ihren Wohnsitz in der T. Str. in M ...Vom 18. auf den 19. Januar 2006 übernachtete sie bei ihrem Lebensgefährten im Hegewiesenweg 4 in M ... Als sie von dort am 19. Januar 2006 um 6.30 Uhr ihre Arbeitsstätte in der Halberstädter Chaussee 123 b in M. aufsuchen wollte, rutschte sie vor dem Wohnhaus auf dem Weg zu ihrem Pkw aus, stürzte und fiel auf die rechte Hand. Die noch am gleichen Tag aufgesuchte Durchgangsärztin Dr. S. diagnostizierte eine dislozierte Radiusfraktur rechts und überwies die Klägerin zur weiteren Behandlung in das Städtische Klinikum M ... In dem Bericht des Klinikums. vom 2. Februar 2006 teilte der Chefarzt Dr. D. mit, er habe die Klägerin am Unfalltag bei erheblicher Schwellung und Fehlstellung des Handgelenks rechts mit einem Fixateur externe versorgt.
Mit Bescheid vom 20. März 2006 lehnte es die Beklagte ab, den Unfall vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der zurückzulegende Weg zwischen "drittem Ort" und Arbeitsstelle mit ca. 9 km stünde zu dem üblicherweise zurückgelegten Weg von ca. 2 km Länge nicht in angemessenem Verhältnis. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2006 zurück. Dieser ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Eingangsstempel der Kanzlei am 24. August 2006 zugegangen.
Mit dem am 25. September 2006 bei dem Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Telefax, welches nicht unterzeichnet ist, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Klage erhoben und die Anerkennung des Unfalls vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall weiter verfolgt. Die Klägerin hat unter anderem vorgetragen, üblicherweise trete sie ihren Arbeitsweg von 1,7 km Länge von ihrem Wohnsitz aus an. Der am 19. Januar 2006 angetretene Weg von 8,2 km Länge stünde aber in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Weg.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juli 2007 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Länge des Weges sowie die Fahrzeit von dem Wohnsitz des Lebensgefährten der Klägerin zur Arbeitsstätte stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Länge und Fahrzeit des üblichen Weges zur Arbeitstätte. Diese Gefahrerhöhung durch die Verlängerung des Weges beruhe nicht wesentlich auf der betrieblichen, gegen Unfall versicherten Tätigkeit.
Gegen den am 23. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. August 2007 Berufung eingelegt. Sie meint, das Risiko beim Zurücklegen des angetretenen Weges sei gegenüber dem Risiko beim Zurücklegen des üblichen Arbeitswegs verhältnismäßig. Denn dieser Weg sei gegenüber dem üblichen Weg lediglich 6,5 km länger. Im Übrigen habe der Aufenthalt bei ihrem Lebensgefährten am "dritten Ort" auch der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit gedient und sei damit betriebsdienlich gewesen. Ihr Lebensgefährte habe seinerzeit zwei Monate Jahresurlaub gehabt. Sie habe sich in dieser Zeit täglich in dessen Wohnung aufgehalten. Dies habe der Regeneration ihrer körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit in positiver Weise gedient und die für die versicherte Tätigkeit benötigte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verbessert, weil die Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen unmittelbar hierzu diene.
Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 aufzuheben und
festzustellen, dass der Unfall vom 19. Januar 2006 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, der Weg vom "dritten Ort" habe knapp das Fünffache des üblichen Weges betragen und sei als unverhältnismäßig anzusehen. Auch sei der Aufenthalt der Klägerin am "dritten Ort" nicht betriebsdienlich gewesen. Durch das Aufsuchen der eigenen Wohnung hätte die Klägerin die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit zeitiger erreicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat hat bei der Beratung und Entscheidungsfindung die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen 12-45-JA 021349 vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die nach § 143 SGG statthafte sowie auch form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung des Ereignisses vom 19. Januar 2006 als Arbeitsunfall.
Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG wirksam gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 vor dem Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin wegen einer möglicherweise fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid an diese Frist gebunden war. Der Widerspruchsbescheid ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Eingangsstempel der Kanzlei am 24. August 2006 zugegangen. Die Monatsfrist zur Klageerhebung lief gemäß § 64 SGG am 25. September 2006 ab, weil der 24. September 2006 ein Sonntag war. Diese Frist ist durch das am 25. September 2006 von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin dem Sozialgericht übermittelten Telefax gewahrt. Dieses Telefax enthält die nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG für eine wirksame Klageerhebung erforderlichen Angaben: die Bezeichnung der Beteiligten und des Gegenstandes des Klagebegehrens. Dass weder sie noch ihre Prozessbevollmächtigten das übermittelte Telefax unterzeichnet haben, ist unschädlich, weil es sich bei der hierauf gerichteten Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 2 SGG lediglich um eine Sollvorschrift handelt.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2006 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Gemäß § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Da diese Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen mit den früheren Regelungen des § 548 Abs. 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 550 Abs. 1 und 3 RVO übereinstimmen, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, soweit nicht die wenigen Änderungen des materiellen Rechts entgegenstehen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 13).
Die Klägerin war am 19. Januar 2006 als Arzthelferin zwar grundsätzlich gegen Unfälle versichert. Jedoch ereignete sich der Unfall am 19. Januar 2006 nicht auf einem versicherten Weg. Die Klägerin stand, als sich der Unfall ereignete, weder nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII noch nach Nr. 4 dieser Vorschrift unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Ständige Familienwohnung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ist eine Wohnung, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse der Versicherten bildet (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - a.a.O.). Maßgebend für die Bestimmung der "ständigen Familienwohnung" ist allein die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse zum Unfallzeitpunkt, bei deren Prüfung insbesondere auch soziologische und psychologische Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Dabei sind unabhängig vom Familienstand des Versicherten auch psychologische Faktoren jenseits familiärer bzw. verwandtschaftlicher Bindungen für die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensverhältnisse einzubeziehen. Dabei ist auf objektive Kriterien abzustellen, in denen die subjektiven Verhältnisse unter Umständen ihre Bestätigung finden. Dem Umstand, wie häufig die betreffende Wohnung aufgesucht wird, kommt indizielle Bedeutung zu. Ferner ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die jeweiligen Wohnverhältnisse auf eine längere bzw. "nicht unerhebliche" Zeit angelegt sind. Diese bedeutsame Dauerhaftigkeit ergibt sich grundsätzlich durch einen vom Unfallzeitpunkt aus in die Zukunft gerichteten Blick (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - B 2 U 16/02 R - SozR 3-2200 § 550 Nr. 22).
Unter diesen Voraussetzungen war Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges nicht die ständige Familienwohnung der Klägerin. Die Klägerin hat sich nach eigenen Angaben üblicherweise in ihrer Wohnung aufgehalten und ihren Lebensgefährten nur an den Wochenenden in dessen Wohnung besucht. Ihr Aufenthalt in der Wohnung des Lebensgefährten war damit nicht auf Dauer angelegt. Auch wenn sie im Zeitpunkt des Unfalls aufgrund des zweimonatigen Urlaubs ihres Lebensgefährten häufiger in dessen Wohnung übernachtet hat, hat sie damit ihren Lebensmittelpunkt nicht auf Dauer in dessen Wohnung verlagert. So hat sie beabsichtigt, nach dem Urlaubsende wieder den üblichen Arbeitsweg von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen.
Die Klägerin stand im Unfallzeitpunkt auch nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz. Nach dieser Vorschrift steht nicht nur der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz. Verlangt wird nur, dass Ziel und Ausgangspunkt des Weges die Arbeitsstätte ist. Allerdings ist es erforderlich, dass der Weg mit der versicherten Tätigkeit rechtlich zusammenhängt; das Zurücklegen des Weges muss mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang stehen. Für diesen inneren Zusammenhang ist die Handlungstendenz der Versicherten maßgebend, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R -, a.a.O.). Dabei ist zu berücksichtigen, das ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit stehen muss. Der Frage, ob am "dritten Ort" Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie z. B. ein dringender Arztbesuch oder die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die betreffende Verrichtung muss sich unmittelbar auf die körperliche und/oder geistige Leistungsfähigkeit, die für die Ausübung der versicherten Tätigkeit benötigt wird, positiv auswirken und auf diese Weise mittelbar dem Betrieb nutzen. Mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung ist es jedoch nicht mehr zu vereinbaren, solche Verrichtungen am "dritten Ort" einzubeziehen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, auch wenn diese Verrichtungen mittelbar das körperliche bzw. geistige Wohlbefinden heben und die Leistungsfähigkeit verbessern (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 18/02 R - a.a.O.).
Unter diesen Voraussetzungen bestand für die Klägerin beim Antritt des Weges von ihrem Lebensgefährten zur Arbeitsstätte kein Versicherungsschutz. Die zu beurteilenden Entfernungen von üblicherweise 1,7 km zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte und von 8,2 km zwischen "drittem Ort" und Arbeitsstätte stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Der am Unfalltag zurückzulegende Weg hätte das 4,8 fache des üblichen Weges betragen und wäre damit nicht mehr angemessen. Zudem war der Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung ihres Lebensgefährten nicht hinreichend betriebsbezogen, sondern überwiegend eigenwirtschaftlich geprägt. Die Klägerin hat die Wohnung ihres Lebenspartners zur Pflege der zwischenmenschlichen Beziehung aufgesucht. Dieser Umstand dient in aller Regel eigenwirtschaftlichen Interessen. Er reicht ohne weitere hinzutretende betriebsdienliche Umstände nicht aus, um einen inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit herzustellen, weil es sich bei der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen um alltägliche Handlungen handelt, die nicht primär auf die Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit gerichtet sind und damit nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung in schützenswertem Maße dem Betrieb zu Gute kommen. Dass sich das körperliche und geistige Wohlbefinden der Klägerin möglicherweise durch diesen Besuch gehoben und damit die Leistungsfähigkeit verbessert hat, ist nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht entscheidend.
Andere Umstände, die sich primär zu Gunsten des Betriebs hätten auswirken können, hat die Klägerin für den Aufenthalt in der Wohnung ihres Lebensgefährten nicht dargelegt, noch sind solche sonst ersichtlich, so dass ihr bereits aus diesen Gründen der Versicherungsschutz versagt bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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