L 1 RA 229/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13/2 RA 732/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 229/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und das in dieser Zeit erzielte Entgelt festzustellen hat.

Der Kläger ist geboren. Er absolvierte eine ... und arbeitete anschließend als solcher. Von bis studierte er an der Ingenieurschule und bestand am 30. Juli 1977 die Abschlussprüfung. Mit Urkunde vom gleichen Tag erhielt er das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab dem bis zum 31. Oktober 1990 war er bzw. in dem VEB Militärkartographischer Dienst Halle. Dieser Betrieb wurde aufgrund eines Antrages vom 2. Juli 1990 in die Mitteldeutsche Kartographie und Druck GmbH Halle umgewandelt (Bl. 114 Gerichtsakte). Eine schriftliche Einbeziehung des Klägers in ein Zusatzversorgungssystem erfolgte nicht. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung gehörte er nicht an.

Am 26. November 2001 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Mit Bescheid vom 17. März 2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung von Beschäftigungszeiten als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, da die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt seien. Der VEB Militärkartographischer Dienst sei kein volkseigener Produktionsbetrieb oder gleichgestellter Betrieb gewesen.

Hiergegen legte der Kläger am 27. März 2003 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, unter einem volkseigenen Produktionsbetrieb sei ein Betrieb zu verstehen, dem die materielle Produktion das Gepräge gegeben habe. Der VEB Militärkartographischer Dienst habe diverse Druckerzeugnisse produziert. Dazu hätten unter anderem Wanderkarten, Touristenkarten, Wanderatlanten, Wanderhefte, Stadtpläne, Stadtführeratlanten, Stadtführer sowie ein Autoatlas der DDR gehört. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und wiederholte und vertiefte ihre bisherigen Ausführungen.

Hiergegen hat der Kläger am 22. August 2003 Klage erhoben. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag vertieft und mit Kopien belegt, dass verschiedene Bücher und Atlanten vom VEB Militärkartographischer Dienst in Halle gedruckt worden waren (Bl. 47 ff. Gerichtsakte).

Das Sozialgericht hat Unterlagen des Bundesarchivs - Militärarchiv - beigezogen (Ordnung über die Leitung der volkseigenen Betriebe des Ministeriums für Nationale Verteidigung vom 17. Oktober 1973 und Ordnung - spezielle Betriebeordnung - vom 22. Juni 1983). Mit Urteil vom 17. August 2005 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der VEB Militärkartographischer Dienst sei kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487) gewesen. Der VEB Militärkartographischer Dienst sei als Betrieb mit spezieller Produktion nicht - wie es die Versorgungsordnung voraussetze - dem industriellen Produktionssektor zugeordnet gewesen, sondern dem staatlich-militärischen Bereich. Hierfür spräche die Zuordnung des Betriebes zum Ministerium für Nationale Verteidigung. Hieraus und den weiteren Regelungen zu den Aufgaben dieses Betriebes folge, dass der Zweck des Betriebes nicht die Industrieproduktion und die Hebung des Nationaleinkommens im Sinne des fordistischen Produktionsmodells gewesen sei, sondern die Sicherstellung der Landesverteidigung.

Gegen das ihm am 29. August 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. September 2005 Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag weiter vertieft. Der VEB Militärkartographischer Dienst habe produziert. Es sei unerheblich, für wen diese Produktion vorgesehen gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2003 aufzuheben

und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. Juni 1977 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anl. 1 Nr. 1 zum AAÜG und die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat verschiedene Unterlagen aus vorhergehenden Verfahren beigezogen (Antrag auf Eintragung des VEB Militärkartographischer Dienst in das Handelsregister vom 11. April 1962 nebst Anlagen; zwei Auskünfte des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt vom 2. August 2004 und 22. September 2004).

In einem Termin am 15. März 2007 haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der Beratung und Entscheidungsfindung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Das Gericht lässt offen, ob für die Klage bezüglich des gesamten zur Feststellung durch die Beklagte geltend gemachten Zeitraumes ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis besteht. Er folgt der Auffassung, wonach eine Klage dann auch als unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Prozessökonomie dies erfordert (BGH, Urt. v. 14.3.1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032 m.w.N.; Ulmer in: Hennig, SGG, vor § 51 Rn. 33). Diese Auffassung entspricht dem Zweck der Prüfung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, die Rechtsprechung von Entscheidungen zu entlasten, die für die Beteiligten unergiebig sind. Diesem Zweck wird die Abweisung als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht gerecht, wenn - wie hier - über die im Streit stehende sachliche Rechtsfrage ohnehin zu entscheiden ist. Unterschiedliche rechtliche Wirkungen für die Beteiligten ergeben sich dabei nicht; die ggf. zu Lasten des Klägers eintretende Rechtskraft des Urteils bezüglich der Abweisung als unbegründet hat keine anderen Folgen als die im Falle der Abweisung als unzulässig ebenso eintretende Bestandskraft des angefochtenen Bescheides.

Insoweit kann auch offen bleiben, ob der Kläger noch ein weiteres Verfahren gegen die Beklagte rechtshängig gemacht hat und ob insoweit das Rechtschutzbedürfnis fehlen könnte (vgl. BSG, 23.8.2007 - B 4 RS 7/06 R). Am Landessozialgericht ist kein weiteres Verfahren des Klägers anhängig. Der Senat hält es für prozessökonomischer, ein eventuell in erster Instanz anhängiges Verfahren nicht abzuwarten und schneller in der Sache selbst zu entscheiden. Dies gilt umso mehr als ein anderes Gericht über die hier anhängigen Fragen wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht sachlich entscheiden dürfte. Im Gegensatz dazu erzielt ein Urteil des Senats in der Sache auch für Verfahren in Bezug auf die Rentenhöhe Klarheit, da die Beteiligten nach Rechtskraft des Urteils des Senats an den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2003 gemäß § 77 SGG gebunden sind.

Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG keinen Anspruch auf die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu dem geltend gemachten Zusatzversorgungssystem, weil er im Sinne dieser Vorschrift in dem umstrittenen Zeitraum keine Anwartschaft in diesem Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Dem Kläger ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden.

Bei dem Kläger kann auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG unterstellt werden (vgl. zuerst Urt. v. 24.3.98 - B 4 RA 27/97 R, SozR 3-8570 § 5 Nr. 3). Der Kläger fällt nämlich für die streitigen Zeiträume nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.03 - B 4 RA 18/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 1), wonach sämtliche rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage bestanden haben müssen. Der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urt. v. 9.4.02 - B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems, denn der VEB Militärkartographischer Dienst Halle war kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB.

Dieser Rechtsprechung des BSG, wonach eine Anwartschaft gem. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 2. DB in Betracht kommt, schließt sich das Gericht an, wobei es offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht. Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach der im Ergebnis von der Rechtsprechung des BSG hier nicht abweichenden Auffassung des Gerichts bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (std. Rspr. des Senats, z.B. Urt. v. 25.5.2004 - L 1 RA 179/02, veröffentlicht bei Juris-Rechtsprechung).

Dies folgt aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des BSG zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür durch Verzögerung oder Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.98 - B 4 RA 27/97 R, SozR 3 - 8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung der Versorgungsvorschriften oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist. Entscheidend ist allein, ob sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Versorgungsvorschriften eine Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz ergibt.

Der VEB Militärkartographischer Dienst Halle war kein Produktionsbetrieb im Sinne der 2. DB. Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung bestimmter Betriebe in § 1 Abs. 2 2. DB gerade mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre. Die Bedeutung der damit verbundenen Begriffsbildung in der Wirtschaft der DDR hat das BSG unter Darstellung der Wirtschaftsgeschichte zur Zeit des Erlasses der maßgeblichen Versorgungsnormen herausgearbeitet (BSG, Urt. v. 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 46 f.). Ob zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, in der Wirtschaftslehre oder im Wirtschaftsleben der DDR davon abweichende, auch nicht industrielle Bereiche erfassende Begriffe wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, ist nicht maßgeblich. Denn die jetzt vorzunehmende Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten gebräuchlichen Begriff zu stützen, weil nur so die allein noch wesentliche Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Nur um deren Korrektur für die Zukunft geht es nämlich - wie dargelegt - bei der Prüfung einer bundesrechtlichen Einbeziehung im Wege der Unterstellung, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei einer Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von dem verbreitetsten Sprachgebrauch ausgegangen worden ist.

Aus diesen Regelungen und der zitierten Rspr. folgt weiter, dass der Zweck des Produktionsbetriebs im Sinne der 2. DB die Hebung des Nationaleinkommens durch eine Massenfertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells sein musste. Denn nach der AVItech sollte nur die technische Intelligenz in solchen Betrieben privilegiert werden, die durch wissenschaftliche Forschungsarbeit und die Erfüllung technischer Aufgaben in den produzierenden Betrieben einen "schnelleren, planmäßigen Aufbau der Friedenswirtschaft" der DDR ermöglichen sollte (vgl. Präambel zur VO-AVItech; wie hier BSG, Urt. v. 8.6.2004 - B 4 RA 57/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.). In Betracht kommen daher nur Betriebe, deren wirtschaftliches Ergebnis der Volkswirtschaft zugute kommt, nicht aber solche, die der Landesverteidigung dienten.

Der Produktionsschwerpunkt des Betriebes lag nach den Angaben des Klägers und der Auskunft des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt in der Herstellung topographischer Karten, die aufgrund von Verträgen für das Ministerium für Nationale Verteidigung im Rahmen der Landesverteidigung produziert worden sind. Der Kläger hat ausdrücklich bestätigt, dass diese Karten im Allgemeinen geheim waren, d. h. nicht von jedermann gekauft werden konnten. Im Schwerpunkt wurden damit keine Güter hergestellt, die der Hebung des Nationaleinkommens dienen konnten.

Der Senat bezweifelt nicht, dass in dem VEB Militärkartographischer Dienst teilweise auch eine Massenproduktion von Büchern, Karten und ähnlichem stattfand, wie es der Kläger beschreibt. Dies war jedoch tatsächlich nicht der Schwerpunkt des Betriebes. Eine solche zusätzliche Befassung mit Aufgaben aus dem nichtmilitärischen Bereich war in § 10 der speziellen Betriebeordnung ausdrücklich vorgesehen. Denn danach konnten bei zeitweiliger Nichtauslastung der Kapazitäten für die spezielle Produktion diese zur Erfüllung anderweitiger volkswirtschaftlicher Aufgaben eingesetzt werden. Dies war jedoch nicht ohne weiteres möglich; vielmehr musste eine solche Ausweitung der Produktion nach dem vorgenannten § 10 Abs. 1 eigens mit dem Minister für nationale Verteidigung abgestimmt werden. Ausdrücklich war zu gewährleisten, dass bei entsprechenden Erfordernissen die spezielle Produktion jederzeit wieder durchgeführt werden konnte. Daraus folgt, dass die militärischen Belange in dem Betrieb absoluten Vorrang hatten.

Diese spezielle Betriebeordnung galt für volkseigene Betriebe im Bereich des Ministeriums für nationale Verteidigung. Die Einstufung als ein solcher spezieller Betrieb bedurfte der Antragstellung und Entscheidung entsprechend §§ 6, 37 der Militärökonomischen Planungsordnung. Gemäß § 2 der speziellen Betriebeordnung waren spezielle Betriebe solche, "deren Reproduktionsprozess durch spezielle Produktions- und Leistungsaufgaben zur ökonomischen Sicherstellung der Landesverteidigung und der inneren Sicherheit und Ordnung (im Folgenden ökonomische Sicherstellung der Landesverteidigung genannt) geprägt waren". Damit gab diese Zielsetzung dem Betrieb das Gepräge.

Volkseigene Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB waren nur solche der Industrie und des Bauwesens, wie jedenfalls für die Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9.2.67 (GBl. DDR II 1967, 121) aus deren § 49 Abs. 1 zu folgern ist (BSG, Urt. v. 10.2.2004 - B 4 RA 10/02 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5). Die "volkseigenen Produktionsbetriebe" wurden den (allgemeinen) volkseigenen Betrieben sowie den Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) und den anderen wirtschaftsleitenden Organen in den anderen Bereichen der Volkswirtschaft (z.B. Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft etc.) wegen ihres Aufgabenschwerpunktes der industriellen Produktion oder der Erstellung von Bauwerken gegenübergestellt (zuletzt § 41 Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe v. 8.11.79, GBl. der DDR I S. 355; vgl. BSG, Urt. v. 9.4.02 - B 4 RA 42/01 R, zitiert nach Juris Rechtsprechung). Angesichts dieser Gegenüberstellung liegt es nahe, Betriebe, die der Landesverteidigung dienten, erst recht nicht als Produktionsbetriebe i.S. der 2. DB zu bewerten.

Für die Zuordnung des VEB Militärkartographischer Dienst zur Landesverteidigung spricht nicht nur der Name, sondern insbesondere auch die Unterstellung des Betriebes zum Ministerium für Nationale Verteidigung. Die Führung des Betriebes war auch militärisch geprägt. Ausdrücklich bestimmte Ziff. 2 Buchst. c der Ordnung für Betriebe vom 17. Oktober 1973, dass in den Betrieben des Ministeriums für Nationale Verteidigung die Kontrollfunktionen gemäß § 7 Abs. 3 der Verordnung ausschließlich durch die Organe des Ministeriums wahrzunehmen waren. Dass es sich bei dem VEB Militärkartographischer Dienst um einen Betrieb des Ministeriums für Nationale Verteidigung handelte, folgt aus der Anlage zu dieser Verordnung, in der der VEB Militärkartographischer Dienst in Halle ausdrücklich aufgeführt ist. Gemäß Ziff. 11 dieser Verordnung waren alle Einzelaufgaben wie unter anderem auch die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen grundsätzlich in den jeweiligen militärischen Bestimmungen für die Betriebe und deren Beschäftigte geregelt bzw. zu regeln. Zudem wurde der Betrieb in der bereits genannten Anlage ausdrücklich dem Stellvertreter des Ministers und Chef des Hauptstabes unterstellt. Auch auf der betrieblichen Ebene waren die Leitungspositionen tatsächlich mit Militärangehörigen besetzt. Für den VEB Militärkartographischer Dienst zeichnungsberechtigt mit Bankvollmacht waren ein Major sowie sein Stellvertreter - ein Hauptmann sowie der Hauptbuchhalter und sein Stellvertreter. Im Verkehr mit anderen Betrieben waren weiterhin zusätzlich ein weiterer Major und ein Oberstleutnant zeichnungsberechtigt. Außerdem war gemäß § 8 Buchst. b der speziellen Betriebeordnung das Zusammenwirken mit den bewaffneten Organen ständig zu gewährleisten.

Demgegenüber war die AVItech den Industrieministerien zugeordnet. Dies lässt sich § 5 der Verordnung über die Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl S. 844) entnehmen (vgl. dazu BSG, Urt. v. 9.4.2002 - B 4 RA 41/04 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47 f.). Denn nach dieser Vorschrift sollten die Durchführungsbestimmungen zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz vom Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie und dem Ministerium für Arbeit und Gesundheitswesen erlassen werden.

Die Sonderstellung des VEB Militärkartographisches Institut zeigt auch § 13 Abs. 2 der speziellen Betriebeordnung. Danach waren Grundlage für die Planung, Bilanzierung und Realisierung der Produktions- und Leistungsaufgaben unter anderem auch die speziellen Direktiven, spezielle Staatsaufgaben und Staatsauflagen der militärökonomischen Fünf-Jahrespläne, d. h. auch hier waren diese Betriebe nicht in die allgemeinen Jahrespläne integriert. Insbesondere ordnete § 14 Abs. 2 der speziellen Betriebeordnung an, dass für die zentralisierte Berichterstattung über die Erfüllung der speziellen Staatsauflagen und anderer ausgewählter Aufgaben zur ökonomischen Sicherstellung der Landesverteidigung (spezielle Berichterstattung) besondere Regelungen der staatlichen Zentralverwaltung für Statistik galten. Dies belegt, dass der Tätigkeitsbereich des VEB Militärkartographischer Dienst nicht als Teil der allgemeinen Volkswirtschaft angesehen wurde, sondern als Teil der Landesverteidigung, wenngleich er formal keine Untergliederung der NVA war. Dies zeigt auch die für den ganzen Betrieb geltende Geheimhaltung. Bereits die Anordnung des Ministers für nationale Verteidigung Nr. 12/62 vom 12. März 1962 zur Gründung des Deutschen Militärkartographischen Dienstes mit Sitz in Halle wurde als vertrauliche Verschlusssache eingestuft. Grundsätzlich galten gemäß § 21 der speziellen Betriebeordnung auch besondere Geheimhaltungsvorschriften.

Es gab auch keinen Anlass, die Mitarbeiter des VEB Militärkartographischer Dienst in den Kreis der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz einzubeziehen. Zum einen waren die Führungskader als Berufssoldaten ohnehin in der Sonderversorgung der NVA. Zum anderen war in § 19 der speziellen Betriebeordnung ein besonderer Steigerungsbetrag für die Berechnung der Alters- und Invalidenrente vorgesehen, so dass für eine weitere Privilegierung kein besonderer Bedarf bestand. Auf die ununterbrochene Beschäftigungsdauer wurde gemäß Anlage 5 zur speziellen Betriebeordnung auch der Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee und den Grenztruppen der DDR angerechnet. Auch dies legt nahe, den Betrieb insgesamt in den Bereich der Landesverteidigung und nicht in den Bereich der allgemeinen Wirtschaft einzuordnen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in der Gründungsanweisung für den VEB Militärkartographischer Dienst festgelegt wurde, dass dieser VEB im Sinne der Grundsätze der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. Februar 1967 auf der Grundlage der wirtschaftlichen Rechnungsführung zu arbeiten hatte. Denn gemäß § 49 Abs. 2 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes (v. 9.2.67, GBl. der DDR II S. 121) war diese Verordnung auf alle - auch die nichtproduzierenden - volkseigenen Betriebe anzuwenden, die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiteten. Die Art der Rechnungsführung besagt also nichts darüber, ob der volkseigene Betrieb ein Produktionsbetrieb im Sinne der 2. DB war.

Gleiches gilt für die Eintragung des VEB in das Register der volkseigenen Wirtschaft. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft (v. 16.10.68, GBl. der DDR II S. 968) wurde das bisherige Handelsregister C als "Register der volkseigenen Wirtschaft" durch das Staatliche Vertragsgericht beim Ministerrat der DDR geführt. Die Registerführung erfolgte bei den Bezirksvertragsgerichten. In das Register waren gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung einzutragen:

volkseigene Betriebe und Kombinate,

Vereinigungen Volkseigener Betriebe,

und andere Einrichtungen im Bereich der volkseigenen Wirtschaft, die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiteten und juristische Personen waren oder auf Grund gesetzlicher Bestimmungen eintragungspflichtig waren.

Diese Aufzählung verdeutlicht, dass nicht nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens einzutragen waren. Deshalb lässt sich aus der Tatsache der Eintragung der Schluss auf einen volkseigenen Produktionsbetrieb nicht ziehen.

Der Kläger war auch nicht in einem gemäß § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Der VEB Militärkartographischer Dienst Halle lässt sich keiner der dort aufgezählten Einrichtungen zuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des BSG geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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