L 2 AS 187/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 9 AS 51/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 187/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. August 2007 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. September 2006.

Der am. 1951 geborene Kläger bezog von der Bundesagentur für Arbeit bis zum 19. September 2004 Arbeitslosengeld, danach bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Der Kläger war zuvor als Viehpfleger und Steinsetzer tätig. Er bezog seit dem 1. Januar 2005 von der Beklagten Arbeitslosengeld II (Alg II). In dem Formular für den Erstantrag gab der Kläger an, dass mit ihm Frau M P ... in einer Wohngemeinschaft lebe ("nur WG"). Daneben legte er ein als Vertrag über eine Wohngemeinschaft bezeichnetes handschriftliches Schreiben von August 1996 vor, welches von ihm und Frau P ... unterzeichnet ist. In diesem Schreiben heißt es: "Hiermit gehen oben genannte Personen einen Vertrag über Wohngemeinschaft ein. Bedingungen sind: Teilung der Miete, Teilung der Elektrik (je 50%), Teilung von Reinigung (Hauswoche, Hof kehren, Toilettenwoche sowie Treppenreinigung). Jeder hat ein Zimmer für sich. Frau P ... Schlafzimmer und Herr R ... ehemaliges Kinderzimmer. Gemeinsam genutzt werden die übrigen Räume. Hauptmieterin bleibt weiterhin Frau P. Herr R ... kann jederzeit die WG kündigen."

Auf Rückfrage beim Kläger hat der zuständige Sachbearbeiter weitere Angaben und die persönlichen Daten von Frau P ... eingetragen, die Richtigkeit der eingetragenen Angaben hat der Kläger unterschriftlich bestätigt. Frau P ... sei am 25. April 1944 geboren, verwitwet und beziehe eine Altersrente. Es bestehe eine Wohngemeinschaft, keine eheähnliche Gemeinschaft. Der Kläger hat seinen Familienstand mit ledig angegeben und keine Angaben zu den persönlichen Verhältnissen "des Partners/der Partnerin, des Partners in eheähnlicher Gemeinschaft und des nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners" gemacht. Bei den Kosten der Unterkunft gab der Kläger an, dass es sich um eine Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 68,30 m² handele mit einer Küche und einem Bad. Die Miete betrage 199,86 EUR (inklusive der Nebenkosten von 42,60 EUR). Die Heizkosten für die separat abgerechneten Stromkosten für die Nachtspeicherheizung gab der Kläger ursprünglich mit 50,00 EUR monatlich an, später stieg die Vorauszahlung auf 60,00 EUR monatlich. Hierin waren keine Anteile für die Wassererwärmungskosten enthalten. Als Mietvertrag legte der Kläger eine Kopie eines Mietvertrages des Rates der Gemeinde K ... mit den Eheleuten M. und G. ,,, P ... aus dem Jahr 1972 vor.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. Dezember 2005 Leistungen für Januar bis März 2005 in Höhe von 565,92 EUR monatlich und von April bis Juni 2005 in Höhe von jeweils 560,43 EUR monatlich. Mit Bewilligungsbescheid vom 27. Juli 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. Dezember 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger monatliche Leistungen für Juli und August 2005 in Höhe von jeweils 560,43 EUR, für September 2005 in Höhe von 541,43 EUR und von Oktober bis Dezember 2005 in Höhe von 508,43 EUR. Für den Folgezeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 27. Dezember 2005 Leistungen in Höhe von 508,43 EUR monatlich und für Juli und August 2006 monatliche Leistungen in Höhe von jeweils 522,43 EUR sowie für September 2006 in Höhe von 503,00 EUR (Bewilligungsbescheid vom 22. Juni 2006). Am 30. Mai 2006 leitete die Beklagte die Prüfung durch den Außendienst ein, ob es sich bei dem Kläger und Frau P ...um eine eheähnliche Gemeinschaft oder tatsächlich um eine Wohngemeinschaft handelt. Dieser Prüfbesuch fand am 31. August 2006 statt. Nach den Feststellungen der Mitarbeiter der Beklagten stand in dem nach seiner Darstellung von dem Kläger bewohnten Zimmer eine zusammengeklappte Klappliege. In dem Zimmer hätten sich des Weiteren jede Menge Regale, Einkäufe, ein Staubsauger, der Trockner und ein Kleiderschrank mit ein Paar Hemden auf Bügeln befunden. Das betreffende Zimmer habe nach Ansicht der Mitarbeiter der Beklagten den Charakter der Abstellkammer der Wohnung gehabt. Zu dem nach der angegebenen Aufteilung allein von Frau P genutzten Schlafzimmer sei ihnen der Zutritt verwehrt worden mit der Begründung, dort befinde sich krankheitsbedingt für Frau P. ein Toilettenstuhl, weshalb ihr das peinlich wäre. In einem Aktenvermerk über ein Telefonat am 21. Dezember 2006 mit einem der betreffenden Außendienstmitarbeiter der Beklagten hat der Sachbearbeiter der Beklagten folgenden Gesprächsinhalt notiert: Die Zimmergröße des betreffenden, angeblich von dem Kläger genutzten Zimmers würde für die Nutzung als Zimmer zum Wohnen geeignet sein. Da sich im Zimmer aber zahlreiche Schränke, Regale, Einkäufe etc. befunden hätten, sei eine Nutzung als Schlafstätte ausgeschlossen. Der Teil des Bodens, der nicht durch Möbel zugestellt gewesen sei, sei durch anderweitige Gegenstände zugestellt gewesen.

Am 31. August 2006 füllte der Kläger auch noch eine "Anlage zur Beurteilung des Lebens in einer eheähnlichen Gemeinschaft" aus. Danach gab er an, dass der gemeinsame Einkauf der täglichen Bedarfsgüter, die Zubereitung und die Einnahme von gemeinsamen Mahlzeiten nicht stattfinde. Es sorge auch jeder für die Reinigung der Wäsche selber, und die Reinhaltung der Wohnung werde aufgeteilt.

Mit Schreiben vom 14. September 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Leistungen vorläufig eingestellt würden und forderte ihn auf, weitere Nachweise insbesondere zu den Einkünften von Frau P. zu erbringen. Frau P ... teilte in einem Schreiben vom 26. September 2006 mit, dass sie nicht in einer eheähnlichen Beziehung mit dem Kläger lebe. Sie sei 62 Jahre alt und es komme täglich der Pflegedienst zu ihr. Sie habe schon die Eltern des Klägers gekannt und ihm deshalb eine Wohngemeinschaft angeboten. Ihre finanzielle Lage gehe weder den Kläger noch die Beklagte etwas an. Der Kläger hat auf dem betreffenden Formblatt die Einkommensverhältnisse von Frau P wie folgt angegeben: Sie beziehe monatlich eine Altersrente in Höhe von 584,54 EUR und eine Witwenrente in Höhe von 624,45 EUR und wende vierteljährlich 66,33 EUR für die Kfz-Versicherung auf. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass beabsichtigt sei, die Leistungen vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2006 aufzuheben und die zu Unrecht gezahlten 10.792,19 EUR von ihm zurückzufordern. Auf die Anhörung teilte der Kläger mit, dass er mit Frau P in einer Wohngemeinschaft wohne und Frau P ... nicht für seinen Unterhalt aufkomme.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Oktober 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg II für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. September 2006 ganz auf. In der betreffenden Zeit seien dem Kläger Regelleistungen in Höhe von 6.750,27 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 2.545,62 EUR sowie ein befristeter Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 1.496,30 EUR zu Unrecht gezahlt worden, weshalb sich eine Erstattungssumme von 10.792,19 EUR ergebe. Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid legte der Kläger am 14. November 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus: Die Bewilligung des Alg II habe nur mit Wirkung für die Zukunft und unter Ausübung von Ermessen zurückgenommen werden dürfen, da der Beklagten bekannt gewesen sei, dass möglicherweise eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegen könne. Sein Verhalten könne nicht als bösgläubig aufgefasst werden. Er habe die Tatsache des langjährigen Zusammenlebens mit Frau P ... nicht verschwiegen. Er sei nach wie vor der Auffassung, keine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit Frau P zu führen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus: Aufgrund des langjährigen Zusammenlebens des Klägers mit Frau P ...lägen die Tatsachen für eine Vermutung des Bestehens einer Verantwortungs- bzw. Einstehensgemeinschaft zwischen den Partnern vor. So lebe der Kläger seit nahezu zehn Jahren mit Frau P zusammen. Nach den Erkenntnissen der Mitarbeiter der Außenprüfung sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger den Raum, welchen er nach seinen Angaben für sich habe, nicht regelmäßig als Schlafzimmer nutze. Der rechtswidrige Verwaltungsakt beruhe auf den Angaben des Klägers, welche er in vorsätzlicher bzw. in grob fahrlässiger Weise unrichtig getätigt habe. So habe er seit der ersten Antragstellung im November 2004 Frau P stets als bloße Mitbewohnerin bezeichnet und eine handschriftliche Notiz eingereicht über die Vereinbarung einer Wohngemeinschaft. Er habe über die Art und Weise des Zusammenlebens keine ausreichenden Angaben gemacht.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 4. Januar 2007 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Der Kläger hat seine bisherige Begründung vertieft: Ihm als juristischen Laien fehle grundsätzlich das Verständnis des Begriffes der Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft. Von einer Bösgläubigkeit könne nicht ausgegangen werden. Er stelle sich unter einer Wohngemeinschaft vor, dass jeder sein eigenes Zimmer bewohne und Gemeinschaftsräume wie Bad, Küche und Wohnzimmer gemeinsam genutzt würden. Zudem teile man sich bei einer Wohngemeinschaft die Miete. Frau P ...regele eigentlich alle persönlichen Dinge für ihn, sie habe auch den Erstantrag vom 2. November 2004 für ihn ausgefüllt, genauso wie frühere Anträge auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Frau P kümmere sich eigentlich schon seit 1996 um seine Angelegenheiten, weil er selber in diesen Dingen etwas unbeholfen sei. Darüber hinaus sei der errechnete Rückforderungsbetrag nicht korrekt, da die Beklagte § 40 Abs. 2 SGB II nicht beachtet habe. Da kein Fall des fehlenden Vertrauensschutzes vorliege, hätte die Beklagte zudem Ermessen ausüben müssen.

Parallel zu diesem Verfahren hat sich der Kläger auch noch vor dem SG gegen die Versagung der SGB II Leistungen ab dem 1. Januar 2007 gewandt. Am 31. August 2007 hat das SG in diesem Verfahren und in dem Verfahren über die Ablehnung von Leistungen ab dem 1. Januar 2007 mit dem Aktenzeichen S 9 AS 431/07 einen Verhandlungstermin durchgeführt. Im Verfahren S 9 AS 431/07 hat es den Zeugen M ... G ... vernommen, welcher als Pflegefachkraft beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt tätig gewesen ist. Der Zeuge hat ausgesagt: Er habe am 19. August 2006 Frau P ... bezüglich der Frage einer Pflegebedürftigkeit begutachtet. Der Kläger, der bei der Begutachtung dabei gewesen sei, habe sich ihm als Pflegeperson von Frau P ... vorgestellt. Er sei als ihr Lebensgefährte vorgestellt worden, wobei er nicht mehr zuordnen könne, ob Frau P ihn oder er sich selbst als Lebensgefährte bezeichnet habe. Der Kläger habe angegeben, dass er die Pflege von Frau P ... durchführe und zwar nicht nur im hauswirtschaftlichen Bereich, sondern auch in der kompletten Grundpflege. Der Pflegedienst sei nur zur Durchführung der Behandlungspflege hinzugezogen worden. Es sei angegeben worden, dass die komplette Hauswirtschaft, das Kochen, Einkaufen, Reinigen der Wohnung etc. durch die Pflegeperson, den Kläger, durchgeführt werde. Die Pflege selbst erfolge viermal täglich.

Das SG hat in dem Verfahren S 9 AS 431/707 mit Urteil vom 31. August 2007 die Klage abgewiesen und wie folgt begründet: Die Kammer gehe nach dem Beweisergebnis davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Mittel von Frau P sichern könne. Frau P ... lebe in einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft mit dem Kläger. Gegen dieses Urteil ist der Kläger nicht vorgegangen.

Mit Urteil ebenfalls vom 31. August 2007 hat das SG der vorliegenden Klage stattgegeben und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Tatbestandsvoraussetzung für die Aufhebung von Leistungen für die Vergangenheit nach § 45 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) lägen nicht vor. Die Kammer sei nicht zur Überzeugung gelangt, dass die genannten Leistungsbescheide auf Angaben beruhten, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der Kläger habe wahrheitsgemäß im Antragsformular vom 2. November 2004 angegeben, dass er ledig sei und mit Frau P ... in einem Haushalt zusammenlebe. Der Kläger habe nach der Überzeugung der Kammer keine ausreichende Kenntnis davon gehabt, was unter einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu verstehen sei. So habe die Kammer in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass der Kläger trotz umfassender Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht in der Lage gewesen sei, den Unterschied zwischen einer Wohngemeinschaft und einer eheähnlichen Gemeinschaft rechtlich zu erfassen. Seine Angabe, es handele sich um eine Wohngemeinschaft, könne eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angabe daher nicht belegen. Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes liege nicht vor.

Gegen dieses ihr am 9. November 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. November 2007 Berufung eingelegt. Diese hat sie wie folgt begründet: Die Argumentation des SG überzeuge nicht. Selbst wenn der Kläger aufgrund seiner subjektiven Einsichtsfähigkeit nicht erkannt haben sollte, dass die Angaben im Antrag fehlerhaft erfolgt seien, so müsse er die unwahren Angaben bzw. das Verschweigen wesentlicher Umstände auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sein Vertreter bösgläubig ist. Frau P habe als Bevollmächtigte des Klägers gehandelt, sodass er sich ihre Bösgläubigkeit zurechnen lassen müsse. Feststellungen zur Einsichtsfähigkeit von Frau P ... fehlten gänzlich. Es müsse auch bedacht werden, dass der Kläger am 6. Oktober 2000 in einem Antrag auf Gewährung von Mobilitätshilfen bei der Bundesagentur für Arbeit nach einem Telefonvermerk angegeben habe, dass er täglich durch seine Lebensgefährtin zur Arbeit gefahren und von dieser auch abgeholt werde. Es sei weiter zu berücksichtigen, dass Frau P. einen Antrag auf Bewilligung einer Ausrüstungsbeihilfe am 1. August 2001 für den Kläger habe stellen wollen. Der Kläger habe durch die Vorlage einer handschriftlich aufgesetzten Untermietvereinbarung die Beklagte von dem Bestehen einer bloßen Wohngemeinschaft überzeugen wollen, obwohl er andererseits Frau P.des Öfteren als Partnerin bzw. Lebensgefährtin bezeichnet habe (z. B. im Rahmen der medizinischen Begutachtung). Insofern müsse das Verhalten jedenfalls von Frau P als bösgläubig beurteilt werden und dem Kläger zugerechnet werden. Zudem könne auch dem Kläger als Fehlverhalten vorgehalten werden, dass er im Formular "blind" unterschrieben habe, ohne sich um den Inhalt zu kümmern.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG vom 31. August 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, es treffe nicht zu, dass er sich bei dem Ausfüllen der Anträge von Frau P ... rechtsgeschäftlich habe vertreten lassen. Er habe sich nur helfen lassen. Keiner der hier in Rede stehenden Anträge sei je von Frau P als Vertreterin des Klägers abgegeben bzw. von ihr unterzeichnet worden. Er könne jetzt nicht mehr beurteilen, wie es am 16. Oktober 2000 zu dem Aktenvermerk bei der Beklagten gekommen sei, nach dem er von einer Lebensgefährtin gesprochen haben solle. Er habe zu keiner Zeit bewusst angegeben, in einer Lebensgemeinschaft mit Frau P ... zu leben. Er fühle sich Frau P ... freundschaftlich verbunden und nach seinem Laienverständnis handele es sich nur um eine Wohngemeinschaft. Dafür, dass es sich auch nach dem Laienverständnis von Frau P nur um eine Wohngemeinschaft handele, spreche die Tatsache, dass sie nicht gewillt sei, ihm Unterhalt zu leisten und ihm nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils aus der Wohnung herausgekündigt habe; nunmehr lebt der Kläger in der Dr. W ...-Str ... und Frau P in der Dr. W -Str ... in B. Frau P sei es auch im Jahr 2005 gesundheitlich schon schlecht gegangen. Sie habe auch damals das schwere Sauerstoffgerät gehabt und habe sich praktisch nur in der Wohnung bewegen können. Durch ihre schon damals bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen der Beine habe sie sich mit einem Rollator fortbewegt. Die Toilette habe sich im Außenbereicht befunden und sei nur über zwei Treppenstufen erreichbar gewesen. Es sei ein Geländer dagewesen, an dem sie sich habe festhalten können. Soweit er sich erinnere sei eine Nachbarin praktisch jeden Tag gekommen. Er selbst habe die Pflege, wie Waschen oder Hilfestellung beim Toilettengang, nicht durchgeführt. Von der Pflegekasse habe er kein Geld bekommen. Frau P ... habe auf Knien Staub gewischt. Den von Frau P ... vorbereiteten Leistungsantrag nebst den beigefügten Unterlagen habe er durchgelesen bevor er ihn unterschrieben und abgegeben habe.

Das Gericht hat die Verfahrensakte S 9 AS 431/07 beigezogen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Gerichtsakte S 9 AS 431/07 verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie betrifft einen Wert des Beschwerdegegenstandes, der 500 EUR (Fassung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG bis zum 31. März 2008) übersteigt. Die Berufung ist im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2006 ist rechtmäßig. Der Kläger ist verpflichtet, der Beklagten die zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von 10.792,19 EUR zurückzuzahlen.

Rechtsgrundlage des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides sind die §§ 45 und 50 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn einer der Fälle des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt. Danach kann sich der Begünstigte u. a. auf Vertrauen nicht berufen wenn 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. der die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ist in diesem Fall der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Behörde muss die Rücknahmeentscheidung innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen treffen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Die Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 war von Anfang an rechtswidrig.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II erwerbsfähige Hilfebedürftige. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Dabei sind nach Abs. 2 der Vorschrift bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II i. d. Fassung bis 31. Juli 2006 als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.

Die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft ist gerechtfertigt, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist daher im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft auszulegen. Das BVerfG (BVerfG Urteil v. vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87BverfGE 87, 234, 264 f.) erkennt die Unterschiede zwischen Ehegatten und nicht ehelichen Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau darin, dass sich Ehegatten gegenseitig zum Unterhalts verpflichtet sind und vermutet werden kann, dass die Unterhaltspflicht auch tatsächlich erfüllt wird, soweit sie nicht dauernd getrennt sind. Für die Partner einer rechtlich nicht geregelten Gemeinschaft bestehen solche gegenseitige Unterhaltspflichten nicht, sie können ihre Einkünfte und Vermögen grundsätzlich frei verwenden. Da aber Ehegatten nicht schlechter gestellt werden dürfen als ihnen vergleichbare eheähnliche Gemeinschaften (vgl. BVerfG v. 10. Juli 1984, BVerfGE 67, 186), darf der Gesetzgeber für solche Gemeinschaften gleich wirkende Regelungen treffen, wenn die Bindungen der Partner in einer Lebensgemeinschaft so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992, a. a. O.).

Folglich führt nicht jede Wohn- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zur Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft, sondern es kommt auf den subjektiven Willen zur Bildung einer solchen zwar nicht rechtlich, aber sittlich als verbindlich empfundenen Gemeinschaft an. Das Gesetz knüpft die Rechtsfolge damit an das Vorliegen eines subjektiven Tatbestandes, der mit Hilfe von (mittelbaren) Hinweistatsachen ermittelt werden kann. Die Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft kann nur das Ergebnis einer Würdigung der Lebensumstände des Zusammenlebens sein.

Eine Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts ist nur dann eheähnlich, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Kriterien für eine eheähnliche Gemeinschaft sind nach der Rechtsprechung u.a. die Dauerhaftigkeit und Kontinuität der Gemeinschaft, eine gemeinsame Wohnung, eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft und die gemeinsame Versorgung von Angehörigen, aber nicht die Feststellung geschlechtlicher Beziehungen. Des Weiteren kann der Wille, die gemeinsame Wohnung bei der Arbeitsuche nicht aufzugeben, auf eine eheähnliche Gemeinschaft hindeuten (vgl. BSG v. 28. April 1999 - SozR 3-4100 § 119 Nr. 15 - Juris Rn. 30). Eine Entscheidung ist nur anhand von solchen Hinweistatsachen möglich, wobei die Dauer des Zusammenlebens das gewichtigste Indiz für eine eheähnlichen Gemeinschaft ist (BSG, Urteil v. 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R - BSGE 90, 90). Gegebenenfalls können auch – im Rahmen einer Gesamtwürdigung – der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die nach außen erkennbare Intensität der gelebten Gemeinschaft herangezogen werden (vgl. den Verweis des BSG auf die Rechtsprechung des BVerwG, z.B. BVerwG v. 24.06.1999, Az. 5 B 114/98 – Juris Rn. 4).

In einer Gesamtwürdigung der Indizien kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Lebensumstände einen Rückschluss auf eine eheähnliche Gemeinschaft im streitgegenständlichen Zeitraum zulassen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger und Frau P partnerschaftlich miteinander lebten und den Willen hatten, für einander einzustehen.

Entgegen der Darstellung des Klägers handelt es sich nach der Überzeugung des Senates um das Zusammenleben in einer Partnerschaft und nicht in einer Zweck- oder Wohngemeinschaft. So hat der Kläger Frau P bzw. Frau P. den Kläger mehrfach als Lebensgefährten bezeichnet. Dies geschah insbesondere in einem offiziellen Zusammenhang bei der Benennung des Klägers als Pflegeperson von Frau P. Nach der Zeugenaussage des Zeugen G ... aus der beigezogenen Akte des SG - S 9 AS 4531/07 - erinnerte sich dieser noch genau daran, dass ihm der Kläger bei dem offiziellen Begutachtungsgespräch der Pflegebedürftigkeit von Frau P als Lebensgefährte vorgestellt wurde. Es ist nachvollziehbar, dass der Gutachter hierauf geachtet hat, da es für ihn von Bedeutung ist, in welcher Beziehung die Pflegeperson zu der zu pflegenden Person steht. Es spricht für den Versuch des Zeugen, sich genau zu erinnern und tatsächliche Erinnerung und Mutmaßungen zu trennen, dass er sich nicht festlegen wollte, ob Frau P. so über den Kläger gesprochen hat oder ob der Kläger sich selbst als Lebensgefährten von Frau P bezeichnet hat. Diese Angaben korrespondieren mit den Angaben, die der Kläger nach einem Aktenvermerk einer Mitarbeiterin der Beklagten im Jahr 2000 getätigt haben soll, wonach er von seiner Lebensgefährtin täglich zur Arbeit gefahren werde, und den Angaben, die der Kläger bei der Sozialanamnese im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik G ... Anfang 2006 gemacht haben soll, wonach der Status seiner Lebensgefährtin Rentnerin sei. Dezidiert entgegenstehende Angaben (nur Untermieter mit gemeinsamer Küche/Bad Benutzung) hat der Kläger bei einer weiteren ärztlichen Untersuchung bei Dr. F ... angegeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Anhörung zur Rückforderung der Leistungen durch die Beklagte bereits durchgeführt, weshalb die Angaben anspruchsbezogen erscheinen.

Auch wenn die Bezeichnung als Lebenspartner noch nicht den Rückschluss zulässt, dass es sich um eine eheähnliche Partnerschaft mit Einstandswillen handelt, kann hierdurch jedoch von einer Wohngemeinschaft abgegrenzt werden. Mitglieder einer Wohngemeinschaft würden einander, auch wenn sie den Begriff nur unjuristisch aus der Laienssphäre verwenden, nicht als Lebenspartner oder Lebensgefährten bezeichnen. Eine Partnerschaft stellt eine hohe innere Verbundenheit dar, die von Zweckwohnverhältnissen abzugrenzen ist und auch im laienhaften Sprachgebrauch allgemein abgegrenzt wird.

Die Partnerschaft weist nach der Überzeugung des Senates auch eine so enge Verbundenheit auf, dass die Partner füreinander einstehen. Der Kläger erbringt nach der Überzeugung des Senates Pflegeleistungen und betreut Frau P ..., wie dies – außerhalb einer professionellen Pflege – in aller Regel nur allernächste Angehörige eines Erwachsenen, zumeist nur als Ehepartner/Lebenspartner erbringen (vgl. OLG Köln 6.3.2002 – 27 UF 122/01). Dies steht für den Senat unter Würdigung der Zeugenaussage des Zeugen M ... G ... und unter Beachtung der tatsächlichen Umstände fest. Der Kläger hat bestätigt, dass der Gesundheitszustand wie er im Jahr 2006 von dem Pflegegutachter festgestellt worden ist, im Wesentlichen auch schon im Jahr 2005 bestanden hatte. Frau P bedurfte nach der fachkundigen Aussage von dem Pflegegutachter G ... einer Pflegeperson bei den täglichen Verrichtungen und dem Haushalt. Zur Verrichtung von Hausarbeiten war Frau P , die an eine schwere Lungenmaschine angeschlossen war (mindestens 14 Stunden) und die sich zudem nur eingeschränkt fortbewegen konnte, nicht in der Lage. Der Gutachter hat dezidiert angegeben, dass ihm von Frau P. und dem Kläger dargelegt wurde, dass der Kläger die Pflegeperson von Frau P. ist und den gesamten Haushalt (Einkaufen, Saubermachen usw.) übernimmt. Dies hatte der Kläger im Anschluss an die damalige Zeugenbefragung des Sachverständigen auch im Wesentlichen eingeräumt (er übernehme die Einkäufe und sauge die Wohnung, Frau P wische nur auf dem Boden hockend in ihrem Zimmer Staub). Der Kläger hat im Anschluss an die dortige Zeugenaussage damals nicht bestritten, die Pflegeperson von Frau P zu sein. Er hat insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass jemand Drittes die Grundpflege übernehme.

Die Aussage des Klägers im jetzigen Verhandlungstermin, die Grundpflege sei von einer Nachbarin ausgeführt worden, hält der Senat nicht für glaubhaft. Es handelt sich im Berufungsverfahren um eine weitere Behauptung, die mit dem bisherigen eigenen Sachvortrag des Klägers nicht übereinstimmt und auch die tatsächliche Situation in Bezug auf den nachts bestehenden Hilfebedarf der Frau P nicht zu erklären vermag. Warum der Kläger sich erst jetzt, nachdem seine frühere Behauptung, die Grundpflege sei damals von einem Pflegedienst durchgeführt worden, widerlegt worden ist, an einen neuen Geschehensablauf erinnert haben will, ist nicht nachvollziehbar. Jedenfalls für den streitigen Zeitabschnitt, von Januar 2005 bis September 2006 ist sie nach der Überzeugung des Senates unzutreffend; ob später bis zum Umzug die Nachbarin mit für die Pflege der Frau P ... eingeschaltet worden ist, mag dahinstehen. Während der streitgegenständlichen Zeit haben Frau P und der Kläger gegenüber dem Gutachter angegeben, dass der Kläger die Grundpflege durchführt. Dies hat der Zeuge G widerspruchsfrei ausgesagt. Auch der Kläger bestreitet nicht, dass hierfür entgegen seinen früheren Behauptungen, kein Pflegedienst engagiert worden war. In Bezug auf den vorhandenen nächtlichen Hilfebedarf kann auch nur (ohne großen Aufwand) eine Person, die sich sowieso in der Wohnung aufhält, diesen erfüllen. Die eigene Darstellung des Klägers hält der Senat für unglaubhaft. Gegenüber dem Senat hat der Kläger es so dargestellt, als ob er nicht wisse, wie Frau P ... zu der Toilette gelangt sei oder den bei der Pflegestufe 1 erforderlichen Hilfebedarf bekommen habe. Dies müsse durch die Nachbarin erfolgt sein. Auch die weiteren Lebensumstände schilderte der Kläger so, als ob er nicht anwesend gewesen sei. Nach der fehlenden Aufteilung in verschiedene Lebensbereiche musste der Kläger jedoch alle Einzelheiten des Zusammenlebens und der Pflegebedürftigkeit von Frau P wahrgenommen haben. Die Antworten des Klägers waren insoweit ausweichend und nicht nachvollziehbar und stehen im Widerspruch zu früheren Einlassungen.

Ein Indiz für den festen inneren Zusammenhalt der Beziehung ist es auch, dass der Kläger und Frau P ihr Zusammenleben auch nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit fortgesetzt haben. Die Aufrechterhaltung der Partnerschaft bei Eintritt einer erheblichen Pflegebedürftigkeit und die Übernahme der Pflege ohne Gegenleistung zeigt eine hohe innere Verbundenheit. Gerade hierin zeigt sich ein Einstehen füreinander in den Not- und Wechselfällen des Lebens.

Die Intensität des Zusammenlebens zeigt sich auch an der Dauer des Zusammenlebens und dem gewählten Wohnungszuschnitt in der gemeinsamen Wohnung. Der Kläger und Frau P leben bereits seit 1996 in einer gemeinsamen Wohnung. Bei der Wohnung handelt es sich offenbar um eine Wohnung, in der der Kläger und Frau P. nicht in getrennten Lebensbereichen leben können bzw. es nicht tun. Für eine Wohngemeinschaft ist es typisch, dass jeder einen Rückzugsraum hat und andere Räume, insbesondere Küche und Bad ggf. auch andere Räume, gemeinsam genutzt werden. Das nach den Angaben des Klägers von ihm genutzte Zimmer weist nach der Beschreibung der Außendienstmitarbeiter der Beklagten und der Ausstattung mit einem Trockner, zahlreichen Regalen und der Unterbringung von einem Staubsauger und Einkäufen usw. eher den Charakter eines Abstellzimmers mit einer nur provisorischen Schlafmöglichkeit auf. Es kann dahinstehen, ob der Raum auch noch - wie vom Kläger dargestellt - einen Tisch und eine Anbauwand enthielt. Auch nach seiner Darstellung, wonach sich zusätzlich noch Gefrierschränke in dem Raum befanden und die Klappliege nur bei Bedarf zum Schlafen ausgeklappt werden konnte, handelt es sich nicht um den klassischen Rückzugsbereich. Vielmehr ist der Wohnungszuschnitt darauf ausgerichtet, dass der Schwerpunkt des Aufenthaltes im gemeinsamen Wohnzimmer stattfand.

Die Arbeitsteilung im Zusammenleben und das große gegenseitige Vertrauen zeigt sich auch darin, dass Frau P ... für alle Behördenangelegenheiten des Klägers zuständig war. Sie hat die Anträge des Klägers vorbereitet. Demgegenüber hat er die Pflege von Frau P übernommen und insbesondere den Haushalt erledigt.

Demgegenüber fallen in einer Gesamtschau die entgegenstehenden Indizien weniger ins Gewicht. So haben der Kläger und Frau P kein gemeinsames Konto und keine gegenseitigen Vollmachten, was ein wichtiges Indiz für eine Einstandsgemeinschaft wäre. Das Vorliegen einer Kontovollmacht oder von gemeinsamen Bankkonten ist auch in Ehen nicht unbedingt gegeben, so dass das Fehlen dieser Voraussetzung nicht entscheidend gegen das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft spricht.

Da zwischen dem Kläger und Frau P ... eine eheähnliche Gemeinschaft bestand und der Kläger und Frau P folglich eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, war auch das Renteneinkommen von Frau P ..., soweit es über den eigenen Bedarf von Frau P. hinaus geht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf den Bedarf des Klägers anzurechen. Ihr Einkommen in Höhe von 1.208,99 EUR deckt den gesamten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft. Der Kläger war von Anfang an nicht hilfebedürftig und die Leistungsbewilligung rechtswidrig.

Der Gesamtbedarf beträgt beispielsweise im Januar 2005 861,24 EUR. Für den Kläger und Frau P ... ist jeweils die Regelleistung für volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 3 SGB II in Höhe von damals 298 EUR anzusetzen. Die Kosten der Unterkunft betragen maximal 265,24 EUR. Dem steht ein bereinigtes anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.156,88 EUR gegenüber. Von dem Renteneinkommen (Alters- und Witwenrente) ist die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (AlgII-VO) in Höhe von 30,00 EUR und der monatliche Beitrag für die Kfz-Versicherung in Höhe von 22,11 EUR abzuziehen. Das übersteigende zur Verfügung stehende Einkommen von fast 300 EUR würde es auch noch erlauben, die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung des Klägers aufzubringen. Auch für die weiteren streitgegenständlichen Folgezeiträume bis 30. September 2006 mit einer Erhöhung der Regelleistung (ab 1. Juli 2006 auf 311 EUR für zwei volljährige Personen in der Bedarfsgemeinschaft) und geringfügig veränderten Heizkosten ändert sich hieran nichts. Ein Zuschlag nach § 24 SGB II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld ist kein Teil des zu berücksichtigenden Bedarfs (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 59/06 R – juris).

Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es liegt der Ausschlussgrund nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor. Die bewilligenden Verwaltungsakte beruhten auf Angaben des Klägers, die dieser in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hatte. Hintergrund des Ausschlusses des Vertrauens bei dieser Fallgruppe ist es, dass derjenige keinen Vertrauensschutz beanspruchen können soll, der selbst schuldhaft eine wesentliche Ursache für die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes gesetzt hat. Der Kläger hat durch die Vorlage der Vereinbarung zum Bestehen einer Wohngemeinschaft, die eine bestimmte gegenseitige Aufgabenverteilung enthielt, falsche Angaben gemacht bzw. unterlassen dazu anzugeben, dass diese Aufgabenverteilung aktuell nicht mehr praktiziert wird. So lautet es in dem Vertrag insbesondere "jeder hat ein Zimmer für sich" und "Teilung von Reinigung, Hauswoche, Hof kehren, Toilettenwoche sowie Treppenreinigung". Nach den gesundheitlichen Einschränkungen konnte Frau P ... die genannten Pflichten nicht mehr erfüllen (siehe oben die ausführliche Darstellung bei der Prüfung der eheähnlichen Gemeinschaft). Auch der Rückzugsraum ist mit dem Wohnen in einer mehr als Abstellkammer genutzten Räumlichkeit mit Schlafmöglichkeit nur eingeschränkt gegeben. Der Charakter des Zusammenlebens stellte sich damit im Jahr 2005/2006 deutlich anders dar, als durch den Wortlaut des Vertrages von 1996 suggeriert. Durch die Beifügung dieser Vereinbarung aus dem Jahr 1996 zum Antrag im Jahr 2004 hat der Kläger fälschlich im Sinne eines beredten Schweigens den Eindruck erweckt, die dort vorgetragenen Angaben träfen auch heute noch zu. Die unvollständige Angabe stellt eine Unterform der durch Verschweigen unrichtigen Angabe dar (Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 45 Rn. 50). Auf diesen Angaben beruhte die Bewilligung auch. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass eine deutliche Trennung der Aufgaben- und Lebensbereiche vorgenommen worden war und auch noch bestand, so dass eine eheähnliche Gemeinschaft nicht wahrscheinlich war. Eine entsprechende Information über eine Pflege von Frau P. und Übernahme der Hausarbeit durch den Kläger hätte die Sachlage anders dargestellt. Es liegt auch kein offenkundiger Fehler vor, den die Behörde hätte erkennen müssen.

Diese fehlerhaften Angaben sind dem Kläger auch vorwerfbar i. S. der Vorschrift. Voraussetzung hierfür sind vorsätzlich, d. h. wissentlich oder willentlich falsche Angaben oder Angaben unter Verletzung der Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Vorsatz und Fahrlässigkeit brauchen sich jedoch nicht auf die Rechtswidrigkeit zu beziehen, d.h. der relevante Verschuldensvorwurf kann auch erhoben werden, wenn dem Betroffenen die Bedeutung der Frage für die Leistungsbewilligung nicht bewusst war, er sie jedoch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig beantwortet hat (vgl. Steinwedel in KassKomm, § 45 SGB X, Rn. 38). Maßgebend ist bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab, denn maßgeblich ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten.

Es musste dem Kläger klar sein, dass seine Angaben im vorgelegten Vertrag nicht mehr der Realität entsprachen, als er den Antrag im Dezember 2004 stellte. Gerade durch die Vorlage des Vertrages hat er eine bestimmte faktische Durchführung des "Zusammenlebens" (s. o.) dargestellt. Die Angaben betreffen einfache Sachverhalte, für die es keiner rechtlichen Einordnung bedarf. Auch bei einer geringen subjektiven Einsichtsfähigkeit müsste der Kläger solche Sachverhalte richtig darstellen können. Der Senat hatte den persönlichen Eindruck von dem Kläger, dass er zwar rechtliche Zusammenhänge schwer versteht und im Umgang mit Behördenangelegenheiten unerfahren ist, er aber durchaus erfasst, ob eine Tatsache zutrifft oder nicht. Die Einlassung des Klägers mit den Widersprüchen und fehlenden Antworten auf Fragen des Senates führt der Senat nicht auf eine fehlende intellektuelle Kompetenz des Klägers, sondern auf dessen Versuch, keine anspruchsschädlichen Tatsachen zu nennen, zurück. Der Kläger hat ein Bild vermittelt, nicht zu wissen wie Frau P. ihre Angelegenheiten (Abdeckung des Pflegebedarfes) regele, der jedoch bei dem gemeinsamen Nutzen der Wohnung usw. unglaubwürdig ist. Die Veränderungen gegenüber dem schriftlichen Vertrag von 1996 sind so offensichtlich und für jeden erkennbar, dass die Darstellung einer Arbeitsteilung bei den häuslichen Pflichten als zumindest grob fahrlässig einzustufen ist. Gegen einen Irrtum des Klägers bei der Notwendigkeit, die aktuellen Lebensverhältnisse bei seinem Leistungsantrag anzugeben, spricht auch, dass der Kläger bei einer späteren direkten Rückfrage nach den aktuellen Lebensverhältnissen diese aktiv falsch dargestellt hat. Er hat in dem Bogen über die Feststellung der eheähnlichen Gemeinschaft vom 31. August 2006 unverändert objektiv falsche Angaben gemacht. Bei der Frage nach den aktuellen Umständen des Zusammenlebens hat er die früher vertraglich vereinbarten Bedingungen und nicht die geänderten tatsächlichen Umstände angegeben. So hat er angeben, das der Einkauf nicht für beide gemeinsam erfolge, jeder für die Reinigung seiner Wäsche selbst sorge, die Reinhaltung der Wohnung geteilt werde. Die dortigen Angaben sind wie bereits oben erläutert teilweise falsch. Frau P ... bedurfte einer Pflegeperson, bei täglichen Verrichtungen und dem Haushalt und war nur noch zu wenigen eigenen Leistungen im Haushalt in der Lage. Die Angaben zu der Übernahme der Hausarbeit (jeder sorge für die Reinigung der Wäsche selber, und die Reinhaltung der Wohnung werde aufgeteilt und der Einkauf der täglichen Bedarfsgüter erfolge nicht für beide gemeinsam) trafen daher nicht zu. Am 1. August 2006 hat der Kläger zumindest grob fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich falsch Tatsachen bekundet.

Die Jahresfrist für die Aufhebungsentscheidung seit Kenntnis der geänderten Umstände ist eingehalten. Der Rückforderungsbetrag ist zutreffend errechnet. Unter Beachtung der zwischenzeitlichen Unterhaltsgeldzahlung hat der Kläger in dem betreffenden Zeitraum von der Beklagten Leistungen in Höhe von 6.750,27 EUR Regelleistungen, 2.545,62 EUR Leistungen für Kosten der Unterkunft und 1.496,30 EUR Leistungen für den befristeten Zuschlag erhalten. Der Rückforderungsbetrag für zu Unrecht erhaltene Leistungen beträgt daher 10.792,19 EUR.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Rechtskraft
Aus
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