Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 29/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 9/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. April 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner (Ag.) die Gewährung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets für die Sicherstellung ihrer Pflege in der eigenen Wohnung.
Für die am ... 1931 geborene Ast. ist eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung – SGB XI) nach der Pflegestufe III sowie vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen "B", "G", "aG", "H" und "RF" anerkannt. Aus dem von den Pflegefachkräften Thon und Reiter und der Fachärztin f. Allgemeinmedizin/Sozialmedizin Dr. S., Sozialmedizinischer Dienst H. der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 3. Februar 2011 ergibt sich auf Grund der Untersuchung am Tag des Gutachtens eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz der Ast. seit dem 19. Mai 2005. Als Umfang der pflegerischen Versorgung wird dort eine häusliche Krankenpflege durch Medikamentengabe (dreimal täglich), Hilfe in Bezug auf die Kompressionsstrümpfe (zweimal täglich) und Pflege eines - seit dem 19. Januar 2011 beauftragten - Pflegedienstes (einmal täglich) angegeben. Zurzeit versorge der Verfahrensbevollmächtigte die Ast. im hauswirtschaftlichen und grundpflegerischen Bereich bei Abwesenheit des Pflegedienstes (mehr als 28 Stunden in der Woche). Er habe angegeben, ab dem 1. März 2011 berufstätig zu sein. Pflegerelevante Einschränkungen der Ast. bestünden durch eine vaskuläre Demenz, Morbus Parkinson, Stuhl- und Harninkontinenz, einen Zustand nach Operation eines Gebärmuttertumors mit anschließender Bestrahlung und nach Schlaganfall mit Kraftminderung rechts sowie eine Knotenstruma mit Kurzatmigkeit. Die Ast. befinde sich in einem guten Pflege- und Ernährungszustand und einem reduzierten Kräftezustand. Die Begutachtungssituation sei von ihr nicht erfasst worden.
Die Ast. führte in ihrem am 13. Januar 2011 - unter Bezugnahme auf eine frühere telefonische Antragstellung - bei dem Sozialamt H. eingegangenen Schreiben aus, sie übe, vertreten durch ihren mit einer Betreuungsvollmacht ausgestatteten Verfahrensbevollmächtigten - "ihr Wahlrecht entsprechend SGB XI" dahin gehend aus, dass sie weiter Pflege in der Häuslichkeit wünsche. Sie beantrage Leistungen der Hilfe zur Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe, jeweils durch Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Pflegekräfte einschließlich der Kosten für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, der Aufwendungen des Verfahrensbevollmächtigten zzgl. eines Pflegegeldes. Da die Kosten für Unterkunft und Heizung für ihre Pflegepersonen nicht mehr übernommen würden, könne die Pflege durch Familienangehörige nicht mehr wie bisher fortgesetzt werden.
Nach Absendung von Antragsformularen zur Einkommens- und Vermögenssituation der Ast. ist im Rahmen eines am 2. Februar 2011 von einer Mitarbeiterin des Sozialamts H. mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Ast. geführten Telefonats auf die Notwendigkeit entsprechender Angaben hingewiesen worden. Die sodann mit Einschreiben/Rückschein an den Verfahrensbevollmächtigten nochmals abgesandten Unterlagen sind während der Lagerzeit bei der Post von dem Empfänger nicht abgeholt worden.
Mit dem bei dem Sozialamt H. am 6. Februar 2011 eingegangenen Schreiben teilte die Ast. mit, es sei beabsichtigt, ab dem 1. März 2011 "Assistenten" einzustellen. Das Sozialamt H. antwortete hierauf mit Schreiben vom 8. Februar 2011, die erforderlichen Unterlagen, die Voraussetzung einer Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für ein Persönliches Budget im Rahmen der Vorrangigkeitsprüfung seien, lägen dort nicht vor. Voraussetzung sei vor allem auch ein aktuelles Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Es werde darauf hingewiesen, Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitgeberassistenzmodelles sei, dass ein Hilfebedürftiger geistig so rege sei, dass er Arbeitnehmer anleiten und eine Arbeitgeberfunktion übernehmen könne. Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 ersuchte der Ag. die Ast., den Hinweisen in dem vorgenannten Schreiben zu entsprechen.
Die Ast. hat mit ihrem am 16. März 2011 bei dem Sozialgericht Halle eingegangen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Stadt H. begehrt, ihr vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Hilfe zur Pflege, zur hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Erstattung der Kosten für selbstangestellte Pflegekräfte in Höhe von monatlich 8.873,35 EUR einschließlich der Kosten eines Steuerberaters zzgl. eines pauschalen Pflegegeldes gemäß §§ 64, 65 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe – SGB XII) in Höhe von 221,67 EUR abzüglich bereits zuerkannter Leistungen. Weiter hat sie die Verpflichtung der Stadt H. begehrt, das seit Januar 2011 "nicht ausgereichte" Persönliche Budget abzüglich bereits erbrachter Leistungen unverzüglich auszubezahlen. Zur Begründung hat die Ast. im Wesentlichen ausgeführt, Familienangehörige könnten ihre Pflege nicht übernehmen. Auf ihren Antrag sei von Seiten der Behörde "nichts passiert". Ihr Leistungsanspruch ergebe sich aus § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX) und der Budgetverordnung. Pflegeperson und Assistent der Ast. sei der Verfahrensbevollmächtigte. Dieser könne auf Grund dieser Tätigkeit Einladungen des Sozialamts nicht nachkommen. Im laufenden Verfahren hat sie die Sozialagentur Sachsen-Anhalt als Ag. angegeben und ausgeführt, die Pflege sei durch die Zusammenarbeit zwischen einer teilstationären Pflegeeinrichtung (Tagespflege), eines ambulanten Pflegedienstes, ihrem Verfahrensbevollmächtigten (mit Unterstützung seines Lebenspartners) solange sichergestellt, wie dieser durch Leistungen der ARGE in die Lage versetzt sei, seine Kosten für Unterkunft und Heizung aufzubringen. Sie leide an einer durchblutungsbedingten Demenz und könne gleichwohl sehr klar und deutlich ihre Wünsche und Vorstellungen formulieren, klare Anweisungen und Aufträge erteilen, wie dies ein Arbeitgeber tue. Sie habe dies in der Vergangenheit gegenüber einer Haushaltshilfe im Rahmen eines "Mini-Jobs" bereits praktiziert. Von einem Wechsel in eine vollstationäre Einrichtung sei ihr von Sozialarbeitern und den behandelnden Ärzten abgeraten worden, da hierdurch ein drastischer Abbau ihrer Fähigkeiten und eine drastische Verschlechterung ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit bewirkt würden.
Das Sozialgericht hat (nur) den Ag. als Passivbeteiligten des Verfahrens behandelt. Dieser hat beantragt, den Antrag der Ast. abzulehnen. Die erforderliche Mitwirkung in Bezug auf die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ast. und die Vorlage eines aktuellen Pflegegutachtens sei bisher nicht erfolgt sei. Es sei deshalb der Stadt H. als herangezogener Körperschaft nicht möglich, den sozialhilferechtlichen Bedarf der Ast. zu ermitteln, sodass der Antrag der Ast. derzeit nach § 21 SGB XII abzulehnen sei. Leistungen der Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) könnten auf Grund des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) nur gewährt werden, wenn der Bedarf nicht unter anderem durch den Einsatz des Einkommens und Vermögens des Hilfebedürftigen gedeckt werden könne. Im Übrigen gelte der Grundsatz "ambulant vor stationär" nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Dabei seien im Rahmen einer individuellen Zumutbarkeitsprüfung nach § 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII die persönlichen, finanziellen und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sei davon auszugehen, dass es der Ast. zumutbar sei, in eine vollstationäre Einrichtung ihrer Wahl umzuziehen. Das Sozialamt H. habe in vier Einrichtungen in H. freie Heimplätze ermittelt. Bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag bestehe ggf. auch die Möglichkeit der Kurzzeitpflege.
Das Sozialgericht hat den Antrag der Ast. mit Beschluss vom 1. April 2011 abgelehnt, wobei im Rubrum der Ag. und im Antrag die Stadt H. als zu Verpflichtende angegeben sind. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Ast. habe einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Weder das Gericht noch der Ag. seien derzeit in der Lage, den Anordnungsanspruch der Ast. zu prüfen. Die Ast. habe lediglich einen formlosen Antrag gestellt und weder medizinische Unterlagen (z.B. ein aktuelles Pflegegutachten des MDK) übersandt noch ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse dargelegt. Derzeit werde die Pflege durch den Bevollmächtigten der Ast. sichergestellt. Des Weiteren bestehe die Möglichkeit einer vorübergehenden Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege. Der Ag. habe auch in Aussicht gestellt, dass die Ast. in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung ihrer Wahl umziehen könne. Es seien freie Heimplätze in verschiedenen Alterspflegeheimen vorhanden.
Die Ast. hat am 8. April 2011 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gegen den ihr am 6. April 2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Sie begehrt nun eine Verpflichtung des Ag., an sie Leistungen im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets unter Nachzahlung von Leistungen ab Antragstellung zu erbringen. Auf die für eine 24-Stunden-Betreung zu veranschlagenden Kosten in Höhe von 8.873,35 EUR seien 665 EUR Pflegegeld und die Leistungen der Kranken-/Pflegekasse anzurechnen. Es sei von Behördenseite versäumt worden, das in der Budgetverordnung festgelegte Verfahren durchzuführen. Der angefochtene Beschluss sei schon wegen der vom Sozialgericht vorgenommenen Altersdiskriminierung und der Diskriminierung eines behinderten Menschen aufzuheben. Sie wolle sich nicht in ein Heim einweisen lassen. Sie nimmt Bezug auf das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft-Bahn-See vom 22. Februar 2011, Bl. 74 bis 90 der Gerichtsakte, einen Kostenvoranschlag des Pflegedienstes G. B. vom 18. März 2011 über monatliche Kosten der Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung in Höhe von 3.236,92 EUR, Bl. 91 der Gerichtsakte, und das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in dem Verfahren L 4 P 18/09 vom 14. April 2011 über Ansprüche der Ast. gegen die Pflegekasse, Bl. 97 bis 98 der Gerichtsakte. Bezüglich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verweist sie auf den dem Bescheid des Sozialamts H. vom 19. April 2011, Bl. 92 bis 96 GA, als Anlage beigefügten Berechnungsbogen.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. April 2011 aufzuheben und den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 13. Januar 2011 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets Leistungen der Hilfe zur Pflege, zur hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Erstattung der Kosten für selbstangestellte Pflegekräfte auf der Basis der von ihr vorgelegten Kostenkalkulation im Umfang von durchschnittlichen monatlichen Kosten in Höhe von 9.798,02 EUR zuzüglich der Kosten des Steuerberaters in Höhe von 50 EUR und eines pauschalen Pflegegeldes gemäß §§ 64, 66 SGB XII in Höhe von 221,67 EUR, abzüglich vorrangiger Leistungen anderer Träger.
Der Ag. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die auf den Antrag der Ast. erfolgte Bewilligung von Leistungen zur Pflege (ohne Zuerkennung eines Persönlichen Budgets) mit den vom Sozialamt H. im Namen des Ag. erlassenen Bewilligungsbescheiden vom 19. und 21. April 2011.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
Die Beschwerde der Ast. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. April 2011 ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Es bestehen bereits Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrags nach § 86b SGG. Im erstinstanzlichen Verfahren ist eine Verpflichtung der Stadt H. zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege geltend gemacht worden. Eine Antragskorrektur ist auch auf die vom Sozialgericht veranlasste Stellungnahme des Ag. nicht erfolgt. Soweit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wohl nun ausschließlich der Ag. verpflichtet werden soll, hat zumindest die Stadt H. einem solchen Beteiligtenwechsel bisher nicht zugestimmt.
Es fehlt im Übrigen an einem Rechtsschutzbedürfnis der Ast. Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes durch Inanspruchnahme des Gerichts ist die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens bei der Behörde (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 26b). Dazu gehört insbesondere die vollständige Mitteilung der für die Behördenentscheidung maßgebenden Angaben. Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, ein von dem Rechtsschutzsuchenden nicht betriebenes Verwaltungsverfahren durch ein gerichtliches Verfahren zu ersetzen. Es ist nicht erkennbar, dass es der Ast. unzumutbar gewesen wäre, dem Ag. oder der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens herangezogenen Stadt H. die angeforderten Informationen über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zukommen zu lassen. Davon entband die Ast. auch nicht ihre unzutreffende Rechtsauffassung, auf diese Informationen komme es für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für ein Persönliches Budget im Sinne des § 17 SGB XI nicht an. Der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) erstreckt sich leicht erkennbar auch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege. Die Ast. kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie keine Kenntnis von ihrer im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erforderlichen Mitwirkung hatte, da hierüber u.a. in dem am 2. Februar 2011 zwischen einer Mitarbeiterin des Sozialamts H. und dem Verfahrensbevollmächtigten der Ast. geführten Telefonat gesprochen wurde. Dessen Bestellung zum Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren schließt im Übrigen die Verpflichtung ein, Post der Behörde durch Abholung von der Post entgegen zu nehmen. Die Ast. muss sich insoweit das Verhalten ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen.
Im Rahmen der summarischen Prüfung ist auch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und für Leistungen der Hilfe zur Pflege des Ag. ergibt sich aus § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, S. 8) und § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
Nach den erst während des Beschwerdeverfahrens durch Bezugnahme auf den Berechnungsbogen zum Bescheid des Sozialamts H. vom 19. Mai 2011 glaubhaft gemachten Angaben zum Einkommen der Ast. ist der Ag. passivlegitimiert für die Bewilligung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets (§ 61 Abs. 2 Satz 4 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der zuständige Träger kann nach diesen Regelungen Leistungen zur Pflege allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern, durch andere Leistungsträger oder unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und einrichtungen ausführen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag können Leistungen zur Pflege auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (a.a.O. Abs. 2 Satz 2). Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht (a.a.O. Abs. 2 Satz 4). Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (a.a.O. Abs. 3 Satz 3). Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (a.a.O. Abs. 3 Satz 4).
Der Senat vermag derzeit nicht festzustellen, ob bzw. in welchem Umfang hier tatsächlich Leistungen durch Pflegekräfte erbracht werden und hierdurch Kosten entstehen, die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX Voraussetzung für die Berücksichtigung im Rahmen eines Persönlichen Budgets wären.
Für eine Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB XII, sind über das Pflegegeld nach § 64 SGB XII, die Aufwendungen im Sinne des § 65 Abs. 1 SGB XII und die Absicherung im Sinne des § 65 Abs. 2 SGB XII hinausgehende Geldleistungen der Sozialhilfe nicht zu erbringen. Die Zahlung einer Vergütung für die Pflegeleistungen dieses Personenkreises ist ausgeschlossen (vgl. z.B. Schellhorn in: Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 65 RdNr. 5). Pflegeleistungen des Verfahrensbevollmächtigten könnten also nicht entsprechend den Leistungen eines Pflegedienstes vergütet werden.
Die in Bezug auf die Heranziehung eines Pflegedienstes zu klärende Frage, in welchem Umfang die Ast. selbst von der durch ein Persönliches Budget gewährleisteten Autonomie im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB XII als "Arbeitgeber" Gebrauch machen könnte, lässt sich nach dem Akteninhalt derzeit nicht eindeutig beurteilen. Die Rechtsfrage einer möglichen vollen oder teilweisen Delegation von Wunschrechten im Rahmen einer Betreuungsvollmacht wäre erst zu klären, wenn die entsprechenden Fähigkeiten der Ast. zu verneinen wären (vgl. zur Wahrnehmung der Eigenverantwortung "mit Hilfe" eines Betreuers H. in: Dau/Düwell/Haines, SGB IX Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2009, § 17 RdNr. 9).
Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung der Ast., die im Rahmen einer Folgenabwägung zu berücksichtigen wären, bestehen hier nicht, weil der Ast. nun vom Sozialamt H. auf Grund der Bewilligung vom 19. April 2011 die Kosten einer Pflegekraft erstattet und ihr Pflegegeld nach § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 685 EUR abzüglich 82,57 EUR Eigenanteil gewährt werden.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner (Ag.) die Gewährung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets für die Sicherstellung ihrer Pflege in der eigenen Wohnung.
Für die am ... 1931 geborene Ast. ist eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung – SGB XI) nach der Pflegestufe III sowie vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit den Merkzeichen "B", "G", "aG", "H" und "RF" anerkannt. Aus dem von den Pflegefachkräften Thon und Reiter und der Fachärztin f. Allgemeinmedizin/Sozialmedizin Dr. S., Sozialmedizinischer Dienst H. der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, erstellten Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 3. Februar 2011 ergibt sich auf Grund der Untersuchung am Tag des Gutachtens eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz der Ast. seit dem 19. Mai 2005. Als Umfang der pflegerischen Versorgung wird dort eine häusliche Krankenpflege durch Medikamentengabe (dreimal täglich), Hilfe in Bezug auf die Kompressionsstrümpfe (zweimal täglich) und Pflege eines - seit dem 19. Januar 2011 beauftragten - Pflegedienstes (einmal täglich) angegeben. Zurzeit versorge der Verfahrensbevollmächtigte die Ast. im hauswirtschaftlichen und grundpflegerischen Bereich bei Abwesenheit des Pflegedienstes (mehr als 28 Stunden in der Woche). Er habe angegeben, ab dem 1. März 2011 berufstätig zu sein. Pflegerelevante Einschränkungen der Ast. bestünden durch eine vaskuläre Demenz, Morbus Parkinson, Stuhl- und Harninkontinenz, einen Zustand nach Operation eines Gebärmuttertumors mit anschließender Bestrahlung und nach Schlaganfall mit Kraftminderung rechts sowie eine Knotenstruma mit Kurzatmigkeit. Die Ast. befinde sich in einem guten Pflege- und Ernährungszustand und einem reduzierten Kräftezustand. Die Begutachtungssituation sei von ihr nicht erfasst worden.
Die Ast. führte in ihrem am 13. Januar 2011 - unter Bezugnahme auf eine frühere telefonische Antragstellung - bei dem Sozialamt H. eingegangenen Schreiben aus, sie übe, vertreten durch ihren mit einer Betreuungsvollmacht ausgestatteten Verfahrensbevollmächtigten - "ihr Wahlrecht entsprechend SGB XI" dahin gehend aus, dass sie weiter Pflege in der Häuslichkeit wünsche. Sie beantrage Leistungen der Hilfe zur Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe, jeweils durch Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Pflegekräfte einschließlich der Kosten für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, der Aufwendungen des Verfahrensbevollmächtigten zzgl. eines Pflegegeldes. Da die Kosten für Unterkunft und Heizung für ihre Pflegepersonen nicht mehr übernommen würden, könne die Pflege durch Familienangehörige nicht mehr wie bisher fortgesetzt werden.
Nach Absendung von Antragsformularen zur Einkommens- und Vermögenssituation der Ast. ist im Rahmen eines am 2. Februar 2011 von einer Mitarbeiterin des Sozialamts H. mit dem Verfahrensbevollmächtigten der Ast. geführten Telefonats auf die Notwendigkeit entsprechender Angaben hingewiesen worden. Die sodann mit Einschreiben/Rückschein an den Verfahrensbevollmächtigten nochmals abgesandten Unterlagen sind während der Lagerzeit bei der Post von dem Empfänger nicht abgeholt worden.
Mit dem bei dem Sozialamt H. am 6. Februar 2011 eingegangenen Schreiben teilte die Ast. mit, es sei beabsichtigt, ab dem 1. März 2011 "Assistenten" einzustellen. Das Sozialamt H. antwortete hierauf mit Schreiben vom 8. Februar 2011, die erforderlichen Unterlagen, die Voraussetzung einer Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für ein Persönliches Budget im Rahmen der Vorrangigkeitsprüfung seien, lägen dort nicht vor. Voraussetzung sei vor allem auch ein aktuelles Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Es werde darauf hingewiesen, Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitgeberassistenzmodelles sei, dass ein Hilfebedürftiger geistig so rege sei, dass er Arbeitnehmer anleiten und eine Arbeitgeberfunktion übernehmen könne. Mit Schreiben vom 11. Februar 2011 ersuchte der Ag. die Ast., den Hinweisen in dem vorgenannten Schreiben zu entsprechen.
Die Ast. hat mit ihrem am 16. März 2011 bei dem Sozialgericht Halle eingegangen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Stadt H. begehrt, ihr vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Hilfe zur Pflege, zur hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Erstattung der Kosten für selbstangestellte Pflegekräfte in Höhe von monatlich 8.873,35 EUR einschließlich der Kosten eines Steuerberaters zzgl. eines pauschalen Pflegegeldes gemäß §§ 64, 65 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe – SGB XII) in Höhe von 221,67 EUR abzüglich bereits zuerkannter Leistungen. Weiter hat sie die Verpflichtung der Stadt H. begehrt, das seit Januar 2011 "nicht ausgereichte" Persönliche Budget abzüglich bereits erbrachter Leistungen unverzüglich auszubezahlen. Zur Begründung hat die Ast. im Wesentlichen ausgeführt, Familienangehörige könnten ihre Pflege nicht übernehmen. Auf ihren Antrag sei von Seiten der Behörde "nichts passiert". Ihr Leistungsanspruch ergebe sich aus § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX) und der Budgetverordnung. Pflegeperson und Assistent der Ast. sei der Verfahrensbevollmächtigte. Dieser könne auf Grund dieser Tätigkeit Einladungen des Sozialamts nicht nachkommen. Im laufenden Verfahren hat sie die Sozialagentur Sachsen-Anhalt als Ag. angegeben und ausgeführt, die Pflege sei durch die Zusammenarbeit zwischen einer teilstationären Pflegeeinrichtung (Tagespflege), eines ambulanten Pflegedienstes, ihrem Verfahrensbevollmächtigten (mit Unterstützung seines Lebenspartners) solange sichergestellt, wie dieser durch Leistungen der ARGE in die Lage versetzt sei, seine Kosten für Unterkunft und Heizung aufzubringen. Sie leide an einer durchblutungsbedingten Demenz und könne gleichwohl sehr klar und deutlich ihre Wünsche und Vorstellungen formulieren, klare Anweisungen und Aufträge erteilen, wie dies ein Arbeitgeber tue. Sie habe dies in der Vergangenheit gegenüber einer Haushaltshilfe im Rahmen eines "Mini-Jobs" bereits praktiziert. Von einem Wechsel in eine vollstationäre Einrichtung sei ihr von Sozialarbeitern und den behandelnden Ärzten abgeraten worden, da hierdurch ein drastischer Abbau ihrer Fähigkeiten und eine drastische Verschlechterung ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit bewirkt würden.
Das Sozialgericht hat (nur) den Ag. als Passivbeteiligten des Verfahrens behandelt. Dieser hat beantragt, den Antrag der Ast. abzulehnen. Die erforderliche Mitwirkung in Bezug auf die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ast. und die Vorlage eines aktuellen Pflegegutachtens sei bisher nicht erfolgt sei. Es sei deshalb der Stadt H. als herangezogener Körperschaft nicht möglich, den sozialhilferechtlichen Bedarf der Ast. zu ermitteln, sodass der Antrag der Ast. derzeit nach § 21 SGB XII abzulehnen sei. Leistungen der Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) könnten auf Grund des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) nur gewährt werden, wenn der Bedarf nicht unter anderem durch den Einsatz des Einkommens und Vermögens des Hilfebedürftigen gedeckt werden könne. Im Übrigen gelte der Grundsatz "ambulant vor stationär" nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Dabei seien im Rahmen einer individuellen Zumutbarkeitsprüfung nach § 13 Abs. 1 Satz 5 SGB XII die persönlichen, finanziellen und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sei davon auszugehen, dass es der Ast. zumutbar sei, in eine vollstationäre Einrichtung ihrer Wahl umzuziehen. Das Sozialamt H. habe in vier Einrichtungen in H. freie Heimplätze ermittelt. Bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag bestehe ggf. auch die Möglichkeit der Kurzzeitpflege.
Das Sozialgericht hat den Antrag der Ast. mit Beschluss vom 1. April 2011 abgelehnt, wobei im Rubrum der Ag. und im Antrag die Stadt H. als zu Verpflichtende angegeben sind. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Ast. habe einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Weder das Gericht noch der Ag. seien derzeit in der Lage, den Anordnungsanspruch der Ast. zu prüfen. Die Ast. habe lediglich einen formlosen Antrag gestellt und weder medizinische Unterlagen (z.B. ein aktuelles Pflegegutachten des MDK) übersandt noch ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse dargelegt. Derzeit werde die Pflege durch den Bevollmächtigten der Ast. sichergestellt. Des Weiteren bestehe die Möglichkeit einer vorübergehenden Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege. Der Ag. habe auch in Aussicht gestellt, dass die Ast. in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung ihrer Wahl umziehen könne. Es seien freie Heimplätze in verschiedenen Alterspflegeheimen vorhanden.
Die Ast. hat am 8. April 2011 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gegen den ihr am 6. April 2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Sie begehrt nun eine Verpflichtung des Ag., an sie Leistungen im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets unter Nachzahlung von Leistungen ab Antragstellung zu erbringen. Auf die für eine 24-Stunden-Betreung zu veranschlagenden Kosten in Höhe von 8.873,35 EUR seien 665 EUR Pflegegeld und die Leistungen der Kranken-/Pflegekasse anzurechnen. Es sei von Behördenseite versäumt worden, das in der Budgetverordnung festgelegte Verfahren durchzuführen. Der angefochtene Beschluss sei schon wegen der vom Sozialgericht vorgenommenen Altersdiskriminierung und der Diskriminierung eines behinderten Menschen aufzuheben. Sie wolle sich nicht in ein Heim einweisen lassen. Sie nimmt Bezug auf das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft-Bahn-See vom 22. Februar 2011, Bl. 74 bis 90 der Gerichtsakte, einen Kostenvoranschlag des Pflegedienstes G. B. vom 18. März 2011 über monatliche Kosten der Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung in Höhe von 3.236,92 EUR, Bl. 91 der Gerichtsakte, und das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in dem Verfahren L 4 P 18/09 vom 14. April 2011 über Ansprüche der Ast. gegen die Pflegekasse, Bl. 97 bis 98 der Gerichtsakte. Bezüglich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse verweist sie auf den dem Bescheid des Sozialamts H. vom 19. April 2011, Bl. 92 bis 96 GA, als Anlage beigefügten Berechnungsbogen.
Die Ast. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. April 2011 aufzuheben und den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab dem 13. Januar 2011 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Rahmen eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets Leistungen der Hilfe zur Pflege, zur hauswirtschaftlichen Versorgung und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Erstattung der Kosten für selbstangestellte Pflegekräfte auf der Basis der von ihr vorgelegten Kostenkalkulation im Umfang von durchschnittlichen monatlichen Kosten in Höhe von 9.798,02 EUR zuzüglich der Kosten des Steuerberaters in Höhe von 50 EUR und eines pauschalen Pflegegeldes gemäß §§ 64, 66 SGB XII in Höhe von 221,67 EUR, abzüglich vorrangiger Leistungen anderer Träger.
Der Ag. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die auf den Antrag der Ast. erfolgte Bewilligung von Leistungen zur Pflege (ohne Zuerkennung eines Persönlichen Budgets) mit den vom Sozialamt H. im Namen des Ag. erlassenen Bewilligungsbescheiden vom 19. und 21. April 2011.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
II.
Die Beschwerde der Ast. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. April 2011 ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Es bestehen bereits Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des Antrags nach § 86b SGG. Im erstinstanzlichen Verfahren ist eine Verpflichtung der Stadt H. zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege geltend gemacht worden. Eine Antragskorrektur ist auch auf die vom Sozialgericht veranlasste Stellungnahme des Ag. nicht erfolgt. Soweit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wohl nun ausschließlich der Ag. verpflichtet werden soll, hat zumindest die Stadt H. einem solchen Beteiligtenwechsel bisher nicht zugestimmt.
Es fehlt im Übrigen an einem Rechtsschutzbedürfnis der Ast. Voraussetzung des einstweiligen Rechtsschutzes durch Inanspruchnahme des Gerichts ist die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens bei der Behörde (vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 86b RdNr. 26b). Dazu gehört insbesondere die vollständige Mitteilung der für die Behördenentscheidung maßgebenden Angaben. Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, ein von dem Rechtsschutzsuchenden nicht betriebenes Verwaltungsverfahren durch ein gerichtliches Verfahren zu ersetzen. Es ist nicht erkennbar, dass es der Ast. unzumutbar gewesen wäre, dem Ag. oder der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens herangezogenen Stadt H. die angeforderten Informationen über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zukommen zu lassen. Davon entband die Ast. auch nicht ihre unzutreffende Rechtsauffassung, auf diese Informationen komme es für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für ein Persönliches Budget im Sinne des § 17 SGB XI nicht an. Der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) erstreckt sich leicht erkennbar auch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege. Die Ast. kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie keine Kenntnis von ihrer im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erforderlichen Mitwirkung hatte, da hierüber u.a. in dem am 2. Februar 2011 zwischen einer Mitarbeiterin des Sozialamts H. und dem Verfahrensbevollmächtigten der Ast. geführten Telefonat gesprochen wurde. Dessen Bestellung zum Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren schließt im Übrigen die Verpflichtung ein, Post der Behörde durch Abholung von der Post entgegen zu nehmen. Die Ast. muss sich insoweit das Verhalten ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen.
Im Rahmen der summarischen Prüfung ist auch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und für Leistungen der Hilfe zur Pflege des Ag. ergibt sich aus § 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005 (GVBl. LSA 2005, S. 8) und § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
Nach den erst während des Beschwerdeverfahrens durch Bezugnahme auf den Berechnungsbogen zum Bescheid des Sozialamts H. vom 19. Mai 2011 glaubhaft gemachten Angaben zum Einkommen der Ast. ist der Ag. passivlegitimiert für die Bewilligung eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets (§ 61 Abs. 2 Satz 4 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Der zuständige Träger kann nach diesen Regelungen Leistungen zur Pflege allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern, durch andere Leistungsträger oder unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und einrichtungen ausführen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag können Leistungen zur Pflege auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (a.a.O. Abs. 2 Satz 2). Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht (a.a.O. Abs. 2 Satz 4). Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (a.a.O. Abs. 3 Satz 3). Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (a.a.O. Abs. 3 Satz 4).
Der Senat vermag derzeit nicht festzustellen, ob bzw. in welchem Umfang hier tatsächlich Leistungen durch Pflegekräfte erbracht werden und hierdurch Kosten entstehen, die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX Voraussetzung für die Berücksichtigung im Rahmen eines Persönlichen Budgets wären.
Für eine Pflege durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB XII, sind über das Pflegegeld nach § 64 SGB XII, die Aufwendungen im Sinne des § 65 Abs. 1 SGB XII und die Absicherung im Sinne des § 65 Abs. 2 SGB XII hinausgehende Geldleistungen der Sozialhilfe nicht zu erbringen. Die Zahlung einer Vergütung für die Pflegeleistungen dieses Personenkreises ist ausgeschlossen (vgl. z.B. Schellhorn in: Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 65 RdNr. 5). Pflegeleistungen des Verfahrensbevollmächtigten könnten also nicht entsprechend den Leistungen eines Pflegedienstes vergütet werden.
Die in Bezug auf die Heranziehung eines Pflegedienstes zu klärende Frage, in welchem Umfang die Ast. selbst von der durch ein Persönliches Budget gewährleisteten Autonomie im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB XII als "Arbeitgeber" Gebrauch machen könnte, lässt sich nach dem Akteninhalt derzeit nicht eindeutig beurteilen. Die Rechtsfrage einer möglichen vollen oder teilweisen Delegation von Wunschrechten im Rahmen einer Betreuungsvollmacht wäre erst zu klären, wenn die entsprechenden Fähigkeiten der Ast. zu verneinen wären (vgl. zur Wahrnehmung der Eigenverantwortung "mit Hilfe" eines Betreuers H. in: Dau/Düwell/Haines, SGB IX Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl. 2009, § 17 RdNr. 9).
Anhaltspunkte für eine Existenzgefährdung der Ast., die im Rahmen einer Folgenabwägung zu berücksichtigen wären, bestehen hier nicht, weil der Ast. nun vom Sozialamt H. auf Grund der Bewilligung vom 19. April 2011 die Kosten einer Pflegekraft erstattet und ihr Pflegegeld nach § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 685 EUR abzüglich 82,57 EUR Eigenanteil gewährt werden.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
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