Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 113/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 76/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. August 2010 wird hinsichtlich der Verhängung von Mutwillenskosten aufgehoben.
Kosten sind auch hinsichtlich des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zu entscheiden ist nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache durch Klagerücknahme über die Verhängung von Gerichtskosten in der Form von Mutwillenskosten.
Die Klägerin verfolgte im Klageverfahren die Feststellung von Dysbalancen im Bereich der Schulter-Nackenmuskulatur und im Bereich der Rumpfmuskulatur, Funktions- und Belastungseinschränkungen der Wirbelsäule und multipler peripherer Gelenke, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die über die rechte Gesäßhälfte in die Rückseite des rechten Oberschenkels und gelegentlich bis in das rechte Schienbein ausstrahlen sowie damit verbundene Bewegungseinschränkungen, Nackenschmerzen, migräneartige Kopf- und Augenschmerzen, Schmerzen und Taubheitsgefühl in Armen, Händen und Füßen, Kraftlosigkeit und Krämpfe im linken Handgelenk, Verschlechterung der Sehstärke, Ohrensausen und Schwindelanfälle in ihrer Gesamtheit als Wie-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII.
Zu dem entsprechenden Antrag an die Beklagte war es gekommen, nachdem die Klägerin in einem Berufungsverfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung einen Hinweis bekommen hatte. Dieser hatte zum Inhalt, der Schwerpunkt der dortigen Argumentation laufe auf das Anliegen der Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit hinaus. Darüber könne in dem anhängigen Berufungsverfahren mangels vorgehender Verwaltungsentscheidung nicht entschieden werden. Erst gegen eine ablehnende Entscheidung im Verwaltungsverfahren sei der Klageweg insoweit zulässig.
In dem neuen Klageverfahren hat das Sozialgericht zunächst den schriftlichen Hinweis erteilt, der Antrag sei abwegig; die Klägerin habe den Hinweis des Landessozialgerichts offensichtlich missverstanden. Im Rahmen einer späteren mündlichen Verhandlung würde die Verhängung von Mutwillenskosten zu prüfen sein. Verbunden mit einem Hinweis in der Sache hat das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2010 darauf Bezug genommen und der Klägerin mit der Klageabweisung Mutwillenskosten in Höhe von 250,- EUR auferlegt. Zur Begründung dieser Kostenentscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den Hinweis des Gerichts zur Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung zur Kenntnis genommen, aber im Hinblick auf den ausdrücklichen Willen der Klägerin auf einer Entscheidung bestanden. Das Verfahren habe eine über das normale Maß hinaus gehende Aussichtslosigkeit aufgewiesen; diese sei auch leicht zu erkennen. So habe die Klägerin bereits gegenüber der Beklagten auf einer Rechtsbehelfs fähigen Entscheidung bestanden, obwohl in laufenden Gerichtsverfahren zu Listenberufskrankheiten noch keine Gerichtsentscheidung ergangen sei. Die Absurdität der gestellten Anträge gipfele in der Einbeziehung von Kopf- und Augenschmerzen, einer Verschlechterung der Sehschärfe und Ohrensausen als anzuerkennende Berufskrankheiten. Der Klagebegründung habe jede Subsumption gefehlt. Insoweit sei der Klägerseite die Aussichtslosigkeit ihrer Klage bewusst gewesen. Sie habe nur irgendeine Berufskrankheit anerkannt haben wollen. Die Kammer habe über den Mindestbetrag für die erste Instanz von 150,- EUR hinaus einen Betrag von 250,- EUR für angemessen erachtet.
Gegen das am 1. September 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Oktober 2010 Berufung eingelegt, nach Hinweis durch den Berichterstatter die Klage aber zurück genommen. Sie führt zu den verhängten Mutwillenskosten aus, eine über das normale Maß hinaus gehende Aussichtslosigkeit der Klage sei nicht gegeben. Das Fehlen arbeitstechnischer Voraussetzungen sei für die Listenberufskrankheiten der Wirbelsäule nicht geklärt; daran lasse sich hier anknüpfen. Im Übrigen leide sie unter einem vielschichtigen Krankheitsbild, das in seiner Gesamtheit unter dem Gesichtspunkt einer Wie-Berufskrankheit zu prüfen sei, ohne dass dies abwegig sei.
Die Beklagte hat zur Frage der Gerichtskosten nicht Stellung genommen; die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten – Az. – hat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die noch gegen die Verhängung von Gerichtskosten anhängige Berufung hat Erfolg.
Über sie war durch Urteil zu entscheiden, weil die aufzuhebende Entscheidung nach § 192 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ebenfalls durch Urteil ergangen ist.
Mit Zustimmung der Beteiligten konnte die Entscheidung nach § 155 Abs. 3, 4 SGG allein der Berichterstatter treffen, weil weder eine tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeit daran hindert. Die Bedeutung der – ansonsten hier möglichen – rechtlichen Schwierigkeit für die Zuständigkeit ist hier durch die gesetzliche Wertung herabgesetzt, die Entscheidungen über die Kosten insgesamt unterdurchschnittlichen rechtlichen Klärungsbedarf beimisst. So sind Kostenentscheidungen grundsätzlich nach § 144 Abs. 4 SGG, ggf. i. V. m. § 165 SGG einer Überprüfung im Rechtsmittelverfahren entzogen. Auch sieht das Gericht in § 155 Abs. 2 Nr. 5 SGG eine weitgehende Verlagerung der Kostenzuständigkeit vom Spruchkörper auf den Richter vor, soweit nicht ohnehin eine Tätigkeit des Spruchkörpers in der Hauptsache veranlasst ist.
Die Berufung war gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; sie ist durch die Klagerücknahme nicht erledigt und nicht unstatthaft geworden.
Durch die Klagerücknahme ist das Urteil des Sozialgerichts nicht auch hinsichtlich der Kostenentscheidung gegenstandslos geworden. Dies verhindert § 192 Abs. 3 S. 1 SGG, wonach die Auferlegung von Missbrauchskosten in ihrem Bestand nicht von einer Klagerücknahme berührt wird.
Der Ausschluss einer Berufung allein gegen die Kosten nach § 144 Abs. 4 SGG steht der sachlichen Überprüfung der Kostenentscheidung nicht entgegen. Die Vorschrift betrifft grundsätzlich die Statthaftigkeit der Berufung, deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der Berufungseinlegung zu prüfen sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 19). Weiterhin ist § 144 Abs. 4 SGG zu entnehmen, dass das Rechtsmittel zur Vermeidung von Umgehungen des Berufungsausschlusses nicht auf die Anfechtung der Kostenentscheidung beschränkt werden darf. Dies hat die Klägerin aber auch nicht getan. Die Beschränkung ihrer umfassend eingelegten Berufung ergibt sich vielmehr unmittelbar gesetzlich daraus, dass § 192 Abs. 3 S. 1 SGG abweichend von der allgemeinen Regel die erklärte Klagerücknahme nicht auf die Kostenentscheidung wirken lässt. Nur durch diese gesetzliche Wirkung bleibt die bereits (auch) gegen die Kostenentscheidung anhängige Berufung insoweit aufrecht erhalten. Einer rechtlich ausgeschlossenen Berufungsbeschränkung auf den Kostenpunkt bedarf es insoweit nicht. § 144 Abs. 4 SGG entfaltet auch hier aber nicht eine Wirkung, die der Vorschrift typischerweise nicht zukommt und die bei ihrer Einführung auch nicht Teil ihrer Rechtsfolgenanordnung war. Denn über ihren eigenen, hier nicht betroffenen Inhalt hinaus, dass Berufungsrücknahmen auch den Kostenpunkt umfassen, stellte § 102 Abs. 1 SGG durch die Erstreckung von Klagerücknahmen auf den Kostenpunkt grundsätzlich mit den Zweck von § 144 Abs. 4 SGG sicher, dass Berufungsurteile allein zum Kostenpunkt nicht anfielen. Dieses Ziel des § 144 Abs. 4 SGG könnte auch bei dessen weiterer Auslegung wegen § 192 Abs. 3 S. 1 SGG nicht mehr erreicht werden, weil ohne eine gesonderte Erklärung zur Berufungsrücknahme im Kostenpunkt zumindest über die Verwerfung dieser Berufung durch Urteil zu entscheiden wäre.
Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG für die Verhängung von Mutwillenskosten liegen nicht vor. Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin war nicht missbräuchlich. Eine Feststellung dazu ließ sich ohne ärztlichen Sachverstand schon nicht treffen. Die Klägerin knüpfte hinsichtlich möglicher arbeitstechnischer Voraussetzungen an ihren Vortrag in den Parallelfällen zu den Wirbelsäulenberufskrankheiten an, wo – wie das Sozialgericht ausführt – diese Voraussetzungen teilweise selbst von der Beklagten bejaht wurden. Damit ist zugleich eine Zugehörigkeit zu bestimmten Personengruppen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches hinreichend dargetan, weil die gleichen arbeitstechnischen Voraussetzungen zumindest auch der Prüfung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zu Grunde liegen. Dort wurde der Klägerin mit Recht nicht vorgehalten, ungeachtet konkreter Belastungen durch Heben oder Tragen könne sie als Teil der Gruppe der Verkäuferinnen keine Berufskrankheit erleiden.
Danach kommt eine missbräuchliche Rechtsverfolgung frühestens auf die medizinische Feststellung hin in Betracht, neue Erkenntnisse zu komplexen Auswirkungen schwerer Arbeit auf Wirbelsäule und Gelenke lägen nicht vor. Ein Gericht mag aus eigener Erfahrung heraus dieses Ergebnis für annähernd selbstverständlich halten; ohne aktuelle medizinische Bewertung ist es gleichwohl zu einer solchen Einschätzung rechtlich nicht berufen. Die Entscheidungen der Beklagten und des Sozialgerichts sind hier aber ohne jede ärztliche Beteiligung getroffen worden.
Hinzu kommt, dass eine Rechtsverfolgung regelmäßig nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, auf die ein/e Kläger/in von einem Gericht höherer Instanz ohne sachliche Einschränkungen hingewiesen worden ist. Angesichts der maßgeblichen Sicht des vermeintlich Missbrauch Betreibenden kann es nicht darauf ankommen, ob der entsprechende Hinweis bei rückblickender Betrachtung auch durch den Hinweisgeber noch als in jeder Hinsicht förderlich erschiene. Die Klägerin musste nach dem Hinweis hier jedenfalls annehmen, ihre bekannten Überlegungen seien erforderlichenfalls auch in einem weiteren Klageverfahren sachlich prüfenswert. Zwar musste der Berichterstatter gegenüber der fehlenden Entscheidung der Beklagten zur Wie-Berufskrankheit Zurückhaltung üben; der erteilte umfassende Hinweis auf positive Gestaltungsmöglichkeiten war aus Sicht des Empfängers aber nicht nur dadurch zu erklären.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Erfolg der Berufung allein hinsichtlich der Gerichtskosten nicht zu Lasten der Beklagten geht.
Die Zulassung der Revision kommt wegen § 165 S. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 4 SGG nicht in Betracht; auch ist eine Beschwer der Beteiligten abstrakt ausgeschlossen.
Kosten sind auch hinsichtlich des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zu entscheiden ist nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache durch Klagerücknahme über die Verhängung von Gerichtskosten in der Form von Mutwillenskosten.
Die Klägerin verfolgte im Klageverfahren die Feststellung von Dysbalancen im Bereich der Schulter-Nackenmuskulatur und im Bereich der Rumpfmuskulatur, Funktions- und Belastungseinschränkungen der Wirbelsäule und multipler peripherer Gelenke, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die über die rechte Gesäßhälfte in die Rückseite des rechten Oberschenkels und gelegentlich bis in das rechte Schienbein ausstrahlen sowie damit verbundene Bewegungseinschränkungen, Nackenschmerzen, migräneartige Kopf- und Augenschmerzen, Schmerzen und Taubheitsgefühl in Armen, Händen und Füßen, Kraftlosigkeit und Krämpfe im linken Handgelenk, Verschlechterung der Sehstärke, Ohrensausen und Schwindelanfälle in ihrer Gesamtheit als Wie-Berufskrankheit im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII.
Zu dem entsprechenden Antrag an die Beklagte war es gekommen, nachdem die Klägerin in einem Berufungsverfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung einen Hinweis bekommen hatte. Dieser hatte zum Inhalt, der Schwerpunkt der dortigen Argumentation laufe auf das Anliegen der Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit hinaus. Darüber könne in dem anhängigen Berufungsverfahren mangels vorgehender Verwaltungsentscheidung nicht entschieden werden. Erst gegen eine ablehnende Entscheidung im Verwaltungsverfahren sei der Klageweg insoweit zulässig.
In dem neuen Klageverfahren hat das Sozialgericht zunächst den schriftlichen Hinweis erteilt, der Antrag sei abwegig; die Klägerin habe den Hinweis des Landessozialgerichts offensichtlich missverstanden. Im Rahmen einer späteren mündlichen Verhandlung würde die Verhängung von Mutwillenskosten zu prüfen sein. Verbunden mit einem Hinweis in der Sache hat das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2010 darauf Bezug genommen und der Klägerin mit der Klageabweisung Mutwillenskosten in Höhe von 250,- EUR auferlegt. Zur Begründung dieser Kostenentscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den Hinweis des Gerichts zur Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung zur Kenntnis genommen, aber im Hinblick auf den ausdrücklichen Willen der Klägerin auf einer Entscheidung bestanden. Das Verfahren habe eine über das normale Maß hinaus gehende Aussichtslosigkeit aufgewiesen; diese sei auch leicht zu erkennen. So habe die Klägerin bereits gegenüber der Beklagten auf einer Rechtsbehelfs fähigen Entscheidung bestanden, obwohl in laufenden Gerichtsverfahren zu Listenberufskrankheiten noch keine Gerichtsentscheidung ergangen sei. Die Absurdität der gestellten Anträge gipfele in der Einbeziehung von Kopf- und Augenschmerzen, einer Verschlechterung der Sehschärfe und Ohrensausen als anzuerkennende Berufskrankheiten. Der Klagebegründung habe jede Subsumption gefehlt. Insoweit sei der Klägerseite die Aussichtslosigkeit ihrer Klage bewusst gewesen. Sie habe nur irgendeine Berufskrankheit anerkannt haben wollen. Die Kammer habe über den Mindestbetrag für die erste Instanz von 150,- EUR hinaus einen Betrag von 250,- EUR für angemessen erachtet.
Gegen das am 1. September 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. Oktober 2010 Berufung eingelegt, nach Hinweis durch den Berichterstatter die Klage aber zurück genommen. Sie führt zu den verhängten Mutwillenskosten aus, eine über das normale Maß hinaus gehende Aussichtslosigkeit der Klage sei nicht gegeben. Das Fehlen arbeitstechnischer Voraussetzungen sei für die Listenberufskrankheiten der Wirbelsäule nicht geklärt; daran lasse sich hier anknüpfen. Im Übrigen leide sie unter einem vielschichtigen Krankheitsbild, das in seiner Gesamtheit unter dem Gesichtspunkt einer Wie-Berufskrankheit zu prüfen sei, ohne dass dies abwegig sei.
Die Beklagte hat zur Frage der Gerichtskosten nicht Stellung genommen; die Beteiligten haben einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Die Verwaltungsakte der Beklagten – Az. – hat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die noch gegen die Verhängung von Gerichtskosten anhängige Berufung hat Erfolg.
Über sie war durch Urteil zu entscheiden, weil die aufzuhebende Entscheidung nach § 192 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ebenfalls durch Urteil ergangen ist.
Mit Zustimmung der Beteiligten konnte die Entscheidung nach § 155 Abs. 3, 4 SGG allein der Berichterstatter treffen, weil weder eine tatsächliche noch rechtliche Schwierigkeit daran hindert. Die Bedeutung der – ansonsten hier möglichen – rechtlichen Schwierigkeit für die Zuständigkeit ist hier durch die gesetzliche Wertung herabgesetzt, die Entscheidungen über die Kosten insgesamt unterdurchschnittlichen rechtlichen Klärungsbedarf beimisst. So sind Kostenentscheidungen grundsätzlich nach § 144 Abs. 4 SGG, ggf. i. V. m. § 165 SGG einer Überprüfung im Rechtsmittelverfahren entzogen. Auch sieht das Gericht in § 155 Abs. 2 Nr. 5 SGG eine weitgehende Verlagerung der Kostenzuständigkeit vom Spruchkörper auf den Richter vor, soweit nicht ohnehin eine Tätigkeit des Spruchkörpers in der Hauptsache veranlasst ist.
Die Berufung war gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; sie ist durch die Klagerücknahme nicht erledigt und nicht unstatthaft geworden.
Durch die Klagerücknahme ist das Urteil des Sozialgerichts nicht auch hinsichtlich der Kostenentscheidung gegenstandslos geworden. Dies verhindert § 192 Abs. 3 S. 1 SGG, wonach die Auferlegung von Missbrauchskosten in ihrem Bestand nicht von einer Klagerücknahme berührt wird.
Der Ausschluss einer Berufung allein gegen die Kosten nach § 144 Abs. 4 SGG steht der sachlichen Überprüfung der Kostenentscheidung nicht entgegen. Die Vorschrift betrifft grundsätzlich die Statthaftigkeit der Berufung, deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der Berufungseinlegung zu prüfen sind (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 19). Weiterhin ist § 144 Abs. 4 SGG zu entnehmen, dass das Rechtsmittel zur Vermeidung von Umgehungen des Berufungsausschlusses nicht auf die Anfechtung der Kostenentscheidung beschränkt werden darf. Dies hat die Klägerin aber auch nicht getan. Die Beschränkung ihrer umfassend eingelegten Berufung ergibt sich vielmehr unmittelbar gesetzlich daraus, dass § 192 Abs. 3 S. 1 SGG abweichend von der allgemeinen Regel die erklärte Klagerücknahme nicht auf die Kostenentscheidung wirken lässt. Nur durch diese gesetzliche Wirkung bleibt die bereits (auch) gegen die Kostenentscheidung anhängige Berufung insoweit aufrecht erhalten. Einer rechtlich ausgeschlossenen Berufungsbeschränkung auf den Kostenpunkt bedarf es insoweit nicht. § 144 Abs. 4 SGG entfaltet auch hier aber nicht eine Wirkung, die der Vorschrift typischerweise nicht zukommt und die bei ihrer Einführung auch nicht Teil ihrer Rechtsfolgenanordnung war. Denn über ihren eigenen, hier nicht betroffenen Inhalt hinaus, dass Berufungsrücknahmen auch den Kostenpunkt umfassen, stellte § 102 Abs. 1 SGG durch die Erstreckung von Klagerücknahmen auf den Kostenpunkt grundsätzlich mit den Zweck von § 144 Abs. 4 SGG sicher, dass Berufungsurteile allein zum Kostenpunkt nicht anfielen. Dieses Ziel des § 144 Abs. 4 SGG könnte auch bei dessen weiterer Auslegung wegen § 192 Abs. 3 S. 1 SGG nicht mehr erreicht werden, weil ohne eine gesonderte Erklärung zur Berufungsrücknahme im Kostenpunkt zumindest über die Verwerfung dieser Berufung durch Urteil zu entscheiden wäre.
Die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG für die Verhängung von Mutwillenskosten liegen nicht vor. Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin war nicht missbräuchlich. Eine Feststellung dazu ließ sich ohne ärztlichen Sachverstand schon nicht treffen. Die Klägerin knüpfte hinsichtlich möglicher arbeitstechnischer Voraussetzungen an ihren Vortrag in den Parallelfällen zu den Wirbelsäulenberufskrankheiten an, wo – wie das Sozialgericht ausführt – diese Voraussetzungen teilweise selbst von der Beklagten bejaht wurden. Damit ist zugleich eine Zugehörigkeit zu bestimmten Personengruppen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches hinreichend dargetan, weil die gleichen arbeitstechnischen Voraussetzungen zumindest auch der Prüfung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung zu Grunde liegen. Dort wurde der Klägerin mit Recht nicht vorgehalten, ungeachtet konkreter Belastungen durch Heben oder Tragen könne sie als Teil der Gruppe der Verkäuferinnen keine Berufskrankheit erleiden.
Danach kommt eine missbräuchliche Rechtsverfolgung frühestens auf die medizinische Feststellung hin in Betracht, neue Erkenntnisse zu komplexen Auswirkungen schwerer Arbeit auf Wirbelsäule und Gelenke lägen nicht vor. Ein Gericht mag aus eigener Erfahrung heraus dieses Ergebnis für annähernd selbstverständlich halten; ohne aktuelle medizinische Bewertung ist es gleichwohl zu einer solchen Einschätzung rechtlich nicht berufen. Die Entscheidungen der Beklagten und des Sozialgerichts sind hier aber ohne jede ärztliche Beteiligung getroffen worden.
Hinzu kommt, dass eine Rechtsverfolgung regelmäßig nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, auf die ein/e Kläger/in von einem Gericht höherer Instanz ohne sachliche Einschränkungen hingewiesen worden ist. Angesichts der maßgeblichen Sicht des vermeintlich Missbrauch Betreibenden kann es nicht darauf ankommen, ob der entsprechende Hinweis bei rückblickender Betrachtung auch durch den Hinweisgeber noch als in jeder Hinsicht förderlich erschiene. Die Klägerin musste nach dem Hinweis hier jedenfalls annehmen, ihre bekannten Überlegungen seien erforderlichenfalls auch in einem weiteren Klageverfahren sachlich prüfenswert. Zwar musste der Berichterstatter gegenüber der fehlenden Entscheidung der Beklagten zur Wie-Berufskrankheit Zurückhaltung üben; der erteilte umfassende Hinweis auf positive Gestaltungsmöglichkeiten war aus Sicht des Empfängers aber nicht nur dadurch zu erklären.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Erfolg der Berufung allein hinsichtlich der Gerichtskosten nicht zu Lasten der Beklagten geht.
Die Zulassung der Revision kommt wegen § 165 S. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 4 SGG nicht in Betracht; auch ist eine Beschwer der Beteiligten abstrakt ausgeschlossen.
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