Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 9 AS 787/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 14/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Januar 2006 wird aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn T. B. für die Zeit vom 12. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 zu gewähren. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die am 1966 geborene Antragstellerin stellte im September 2004 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In dem von der Antragstellerin unterschriebenen Leistungsantrag ist unter der Rubrik "Persönliche Verhältnisse" der am 1971 geborene Zeuge T. B. als Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft angegeben. Die Antragstellerin lebt mit dem Zeugen und ihrer 1991 geborenen Tochter, die nicht mit dem Zeugen verwandt ist, in einer gemeinsamen Wohnung. Den Mietvertrag für das am 1. Mai 2004 beginnende Mietverhältnis haben die Antragstellerin und der Zeuge beide als Mieter unterschrieben.
Mit Bescheid vom 15. November 2004 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 19,21 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005. Dabei ging die Antragsgegnerin davon aus, die Antragstellerin, deren Tochter und der Zeuge lebten in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen. Sie berücksichtigte deshalb das Einkommen des Zeugen bei der Berechnung des Bedarfs. Die Antragstellerin erhob am 21. Dezember 2004 Widerspruch und trug vor: Sie kenne den Zeugen B. erst kurze Zeit und er werde erst im Januar 2005 in die Wohnung ziehen. Sie führten auch getrennte Kassen. Der Zeuge arbeite auch meistens außerhalb.
Die Antragsgegnerin ließ von Mitarbeitern am 16. Juni 2005 einen Hausbesuch bei der Antragstellerin durchführen. In einem Vermerk über diesen Besuch stellte der zuständige Bearbeiter bei der Antragsgegnerin fest, die Antragstellerin lebe nach eigenen Angaben mit dem Zeugen in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Weiter tatsächliche Feststellung sind im Vermerk nicht aufgeführt.
Mit Änderungsbescheid vom 13. Juli 2005 setzte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 die Leistungshöhe neu auf monatlich 29,47 EUR fest, wobei sie weiterhin das Einkommen des Zeugen berücksichtigte. Ebenfalls unter Berücksichtigung des Einkommens des Zeugen bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen für den Monat Juni 2005 in Höhe von 29,47 EUR, für Juli 2005 in Höhe von 84,47 EUR und für August bis November 2005 in monatlicher Höhe von 95, 47 EUR.
In einem Schreiben vom 29. Juli 2005 wandte sich die Antragstellerin erneut gegen die Berücksichtigung des Einkommens des Zeugen B. und führte aus: Es bestehe eine Wohn- und keine Bedarfgemeinschaft. Weil sie von der Antragsgegnerin kein Geld erhalte um die Miete zu zahlen, werde diese seit dem 1. Januar 2005 vom Zeugen übernommen. Die übrigen anfallenden Kosten der Lebenshaltung trage jeder für sich.
Den Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2005 als unbegründet zurück und führte aus: Die Angaben im Leistungsantrag, das gemeinsame Anmieten der Wohnung, die Tragung der vollen Miete durch den Zeugen und die Feststellungen anlässlich des Hausbesuches sprächen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Die Antragstellerin erhob gegen den Widerspruchsbescheid am 12. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg. Ebenfalls am 12. Dezember 2005 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Magdeburg gestellt. Sie hat vorgetragen, der Zeuge B. sei zu ihr gezogen, weil "wir es miteinander versuchen wollten". Wirtschaftlich sei aber jeder für sich geblieben. Ob aus der Beziehung mehr werde, stehe nicht fest. Die Angabe des "Partners in eheähnlicher Gemeinschaft" im Antragsformular beruhe darauf, dass das Formular von einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin ausgefüllt worden sei.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 Leistungen in monatlicher Höhe von 129,91 EUR bewilligt, wobei wiederum das Einkommen des Zeugen B. bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt wurde.
Das Sozialgericht Magdeburg hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Januar 2006 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, es überwögen die Indizien, die für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sprächen.
Gegen den am 13. Januar 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 10. Februar 2006 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ihren Vortrag wiederholt, wonach ihre Beziehung zum Zeugen B. nicht als eheähnliche Gemeinschaft bewertet werden könne.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt und ihren Vortrag wiederholt, wonach ihre Beziehung zum Zeugen B. nicht als eheähnliche Gemeinschaft bewertet werden könne.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab dem 12. Dezember 2005 Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des Einkommens des Herrn B. bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu gewähren.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie geht von der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts aus.
Über die näheren Umstände des Zusammenlebens der Antragstellerin mit dem Zeugen B. hat der Berichterstatter Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen B. und einer informatorischen Befragung der Antragstellerin. Nach der Aussage des Zeugen und den damit übereinstimmenden Ausführungen der Antragstellerin ergibt sich folgende Darstellung zu den näheren Einzelheiten des Zusammenlebens: Die Antragstellerin und der Zeuge B. haben sich Anfang 2004 kennen gelernt. Bis Ende des Jahren 2004 hat der Zeuge noch in einer anderen Wohnung mit seinem Bruder zusammengewohnt. In der ab Anfang 2005 gemeinsam mit der Tochter der Antragstellerin bewohnten Wohnung werden zwei Räume von der Antragstellerin und dem Zeugen als gemeinsames Wohn- bzw. Schlafzimmer genutzt. Es besteht kein gemeinsames Konto; die Antragstellerin und der Zeuge haben sich auch nicht als Berechtigte in einer Lebensversicherung oder bei anderen Vorsorgeformen eingesetzt. Die Antragstellerin und der Zeuge haben in der Küche jeweils einen separaten Kühlschrank; Lebensmittel werden nicht aus einer gemeinsamen Kasse bezahlt. Gekocht wird nur am Wochenende, wobei die Antragstellerin dann für den Zeugen mitkocht; die Antragstellerin wäscht auch die Wäsche des Zeugen mit. Die Tochter der Antragstellerin hat eine gutes Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater, zum Zeugen besteht ein freundschaftliches Verhältnis.
Der Zeuge hat erklärt, er trage seit Januar 2005 die gesamten Mietkosten. Dies geschehe aber notgedrungen aufgrund der finanziellen Situation der Antragstellerin. Er wolle die Hälfte der gezahlten Miete von der Antragstellerin zurückerhalten, wenn dies finanziell möglich sei. Die Kosten für den zusätzlich angemieteten Stellplatz für einen Pkw habe er schon seit Abschluss des Mietverhältnisses alleine getragen und wolle dies auch weiter tun, weil er den Platz für sein Fahrzeug nutze.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 14. März 2006 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben, §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes – (SGG).
Die Beschwerde ist auch weitgehend begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von vorläufigen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Dabei sind das Einkommen und das Vermögen des Zeugen B. bei der Bedarfsberechnung nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile in Betracht. Sie kann erlassen werden, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragsgegnerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass der Antragstellerin bei Abwägung ihrer Interessen gegen die der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin auf die begehrten Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen ist.
Der Anordnungsanspruch folgt aus § 19 Satz 1 SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II unter anderem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die unter anderem hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Antragstellerin ist sowohl erwerbsfähig als auch hilfebedürftig, weil sie nicht über eigene Einkünfte oder einsetzbares Vermögen verfügt. Ihr Lebensunterhalt ist auch nicht durch Mittel anderer gesichert. Der Senat hält es aufgrund der im Eilverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht für erwiesen, dass die Antragstellerin mit dem Zeugen B. in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt und sein Einkommen für die Deckung des Bedarfs der in der gemeinsamen Wohnung lebenden Personen mit zur Verfügung steht.
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II. Dabei ist die eheähnliche Gemeinschaft allein die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich – im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft- durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und somit über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 264). Die äußeren Umstände müssen nach einer Gesamtwürdigung aller für und wider das Bestehen einer solchen Gemeinschaft streitenden Gesichtspunkte den Rückschluss auf die Intensität der inneren Bindungen und einer hieraus folgenden Unterstützungsbereitschaft erlauben. Dabei müssen sich die persönlichen Bindungen derart verfestigt haben, dass sie über sonstige Beziehungen einer nicht ehelichen Gemeinschaft (Gemeinschaft zwischen Freunden oder Verwandten) hinausgehen und einer Ehe ähnlich geworden sind. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist anhand von Indizien zu ermitteln. Hierzu gehören die Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt, gemeinsame Konten, die gegenseitige Begünstigung in Lebens- bzw. Rentenversicherungen und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen (vgl. zum Ganzen Winkler in info also 2005, S. 251, 254).
Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt stellt für sich genommen kein sicheres Indiz für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft dar (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992, a.a.O.). Ein gewichtiges Indiz ist aber die Dauer des Bestehens der Beziehung als Paar. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen sieht eine zumindest dreijährige Dauer der Beziehung als eine Voraussetzung an, die regelmäßig vorliegen muss, um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft annehmen zu können. Dabei hat es an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Sperrzeitrecht angeknüpft, die zum Gegenstand hatte, unter welchen Umständen ein mit der Aufgabe der Beschäftigung verbundener Ortswechsel zum Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hin als wichtiger Grund anzuerkennen ist (vgl. BSG Urteile vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R = SozR 4100 § 119 AFG Nr. 26 und B 7 AL 72/00 R = SozR 4300 § 144 SGB III Nr. 10). Das LSG Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, wenn eine Beziehung von erst geringerer Dauer vorliege, könnten nur gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Februar 2006 – L 19 B 85/05 AS ER).
Der Senat schließt sich dem insoweit an, als bei einer Beziehung von einer geringeren Dauer als drei Jahren strenge Maßstäbe an die Feststellung des Vorliegens der eheähnlichen Gemeinschaft zu stellen sind. Jedenfalls im konkreten Fall lässt sich danach das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht feststellen.
Die Antragstellerin und der Zeuge B. kennen sich nach ihren unwiderlegten Angaben sei Anfang 2004 und sie sind dann Anfang 2005 zusammengezogen. Somit liegt eine Beziehung mit einer Dauer von noch deutlich unter drei Jahren vor. Starke Indizien, die trotz der Kürze der Beziehungsdauer ausnahmsweise die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geboten erscheinen lassen, sieht der Senat nicht. Insbesondere fehlen die gemeinsame Sorge für Kinder oder andere Angehörige und auch die gemeinsame finanzielle Vorsorge für das Alter.
Die Angabe zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Antragsformular ist nicht als aussagekräftiges Indiz zu werten. Gleiches gilt sinngemäß für möglicherweise von der Antragstellerin während des Hausbesuches am 16. Juni 2005 abgegebene Erklärungen zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Antragstellerin den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft allein aufgrund des räumlichen Zusammenlebens und einer Liebesbeziehung gebraucht, ohne sich über den rechtlichen Bedeutungsgehalt im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Klaren zu sein. Der Vortrag der Antragstellerin, sie sei mit dem Zeugen B. zusammengezogen, weil "wie es miteinander versuchen wollten" spricht eher für eine noch nicht gefestigte Beziehung und kann schwerlich so gedeutet werden, dass schon zum Zeitpunkt des Zusammenziehens eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestand.
Der gemeinsame Abschluss eines Mietvertrages lässt ebenfalls nicht sicher auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen. Auch Partner einer reinen Wohngemeinschaft ohne tiefere persönliche Beziehung und ohne Bereitschaft, füreinander einzustehen, schließen solche Mietverträge. Auch das Eingehen einer mietvertraglichen Bindung im Hinblick auf ein in der Zukunft beabsichtigtes gemeinsames Wohnen ist bei einer reinen Wohngemeinschaft denkbar. Aus der Übernahme der vollen Miete durch den Zeugen B. ab Januar 2005 lässt sich ebenfalls nicht sicher ableiten, dass eine besondere Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorliegt. Der Zeuge hat unwiderlegt ausgeführt, dass er die volle Miete nicht endgültig tragen will und sich eine Rückforderung des auf die Antragstellerin entfallenden Anteils vorbehalten hat.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft und folglich das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen B. zu verneinen. Deshalb hat die Antragstellerin Anspruch auf vorläufige Leistungen ohne eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Zeugen.
Im Hinblick auf die Funktion der Eilentscheidung, durch eine lediglich vorläufige Regelung drohende schwere Nachteile abzuwenden, hält der Senat es für geboten, die Verpflichtung zur beantragten Leistungsgewährung auf den Zeitraum ab Stellung des Rechtsschutzantrags beim Sozialgericht bis zum Ablauf des laufenden Bewilligungsabschnittes zu beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hat berücksichtigt, dass der Antrag der Antragstellerin im Wesentlichen Erfolg hatte.
Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn T. B. für die Zeit vom 12. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 zu gewähren. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Die am 1966 geborene Antragstellerin stellte im September 2004 bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In dem von der Antragstellerin unterschriebenen Leistungsantrag ist unter der Rubrik "Persönliche Verhältnisse" der am 1971 geborene Zeuge T. B. als Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft angegeben. Die Antragstellerin lebt mit dem Zeugen und ihrer 1991 geborenen Tochter, die nicht mit dem Zeugen verwandt ist, in einer gemeinsamen Wohnung. Den Mietvertrag für das am 1. Mai 2004 beginnende Mietverhältnis haben die Antragstellerin und der Zeuge beide als Mieter unterschrieben.
Mit Bescheid vom 15. November 2004 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 19,21 EUR für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005. Dabei ging die Antragsgegnerin davon aus, die Antragstellerin, deren Tochter und der Zeuge lebten in einer Bedarfsgemeinschaft zusammen. Sie berücksichtigte deshalb das Einkommen des Zeugen bei der Berechnung des Bedarfs. Die Antragstellerin erhob am 21. Dezember 2004 Widerspruch und trug vor: Sie kenne den Zeugen B. erst kurze Zeit und er werde erst im Januar 2005 in die Wohnung ziehen. Sie führten auch getrennte Kassen. Der Zeuge arbeite auch meistens außerhalb.
Die Antragsgegnerin ließ von Mitarbeitern am 16. Juni 2005 einen Hausbesuch bei der Antragstellerin durchführen. In einem Vermerk über diesen Besuch stellte der zuständige Bearbeiter bei der Antragsgegnerin fest, die Antragstellerin lebe nach eigenen Angaben mit dem Zeugen in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Weiter tatsächliche Feststellung sind im Vermerk nicht aufgeführt.
Mit Änderungsbescheid vom 13. Juli 2005 setzte die Antragsgegnerin für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2005 die Leistungshöhe neu auf monatlich 29,47 EUR fest, wobei sie weiterhin das Einkommen des Zeugen berücksichtigte. Ebenfalls unter Berücksichtigung des Einkommens des Zeugen bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen für den Monat Juni 2005 in Höhe von 29,47 EUR, für Juli 2005 in Höhe von 84,47 EUR und für August bis November 2005 in monatlicher Höhe von 95, 47 EUR.
In einem Schreiben vom 29. Juli 2005 wandte sich die Antragstellerin erneut gegen die Berücksichtigung des Einkommens des Zeugen B. und führte aus: Es bestehe eine Wohn- und keine Bedarfgemeinschaft. Weil sie von der Antragsgegnerin kein Geld erhalte um die Miete zu zahlen, werde diese seit dem 1. Januar 2005 vom Zeugen übernommen. Die übrigen anfallenden Kosten der Lebenshaltung trage jeder für sich.
Den Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2005 als unbegründet zurück und führte aus: Die Angaben im Leistungsantrag, das gemeinsame Anmieten der Wohnung, die Tragung der vollen Miete durch den Zeugen und die Feststellungen anlässlich des Hausbesuches sprächen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Die Antragstellerin erhob gegen den Widerspruchsbescheid am 12. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg. Ebenfalls am 12. Dezember 2005 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Magdeburg gestellt. Sie hat vorgetragen, der Zeuge B. sei zu ihr gezogen, weil "wir es miteinander versuchen wollten". Wirtschaftlich sei aber jeder für sich geblieben. Ob aus der Beziehung mehr werde, stehe nicht fest. Die Angabe des "Partners in eheähnlicher Gemeinschaft" im Antragsformular beruhe darauf, dass das Formular von einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin ausgefüllt worden sei.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 Leistungen in monatlicher Höhe von 129,91 EUR bewilligt, wobei wiederum das Einkommen des Zeugen B. bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt wurde.
Das Sozialgericht Magdeburg hat den Antrag mit Beschluss vom 11. Januar 2006 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, es überwögen die Indizien, die für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sprächen.
Gegen den am 13. Januar 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 10. Februar 2006 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ihren Vortrag wiederholt, wonach ihre Beziehung zum Zeugen B. nicht als eheähnliche Gemeinschaft bewertet werden könne.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt und ihren Vortrag wiederholt, wonach ihre Beziehung zum Zeugen B. nicht als eheähnliche Gemeinschaft bewertet werden könne.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab dem 12. Dezember 2005 Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung des Einkommens des Herrn B. bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu gewähren.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie geht von der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts aus.
Über die näheren Umstände des Zusammenlebens der Antragstellerin mit dem Zeugen B. hat der Berichterstatter Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen B. und einer informatorischen Befragung der Antragstellerin. Nach der Aussage des Zeugen und den damit übereinstimmenden Ausführungen der Antragstellerin ergibt sich folgende Darstellung zu den näheren Einzelheiten des Zusammenlebens: Die Antragstellerin und der Zeuge B. haben sich Anfang 2004 kennen gelernt. Bis Ende des Jahren 2004 hat der Zeuge noch in einer anderen Wohnung mit seinem Bruder zusammengewohnt. In der ab Anfang 2005 gemeinsam mit der Tochter der Antragstellerin bewohnten Wohnung werden zwei Räume von der Antragstellerin und dem Zeugen als gemeinsames Wohn- bzw. Schlafzimmer genutzt. Es besteht kein gemeinsames Konto; die Antragstellerin und der Zeuge haben sich auch nicht als Berechtigte in einer Lebensversicherung oder bei anderen Vorsorgeformen eingesetzt. Die Antragstellerin und der Zeuge haben in der Küche jeweils einen separaten Kühlschrank; Lebensmittel werden nicht aus einer gemeinsamen Kasse bezahlt. Gekocht wird nur am Wochenende, wobei die Antragstellerin dann für den Zeugen mitkocht; die Antragstellerin wäscht auch die Wäsche des Zeugen mit. Die Tochter der Antragstellerin hat eine gutes Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater, zum Zeugen besteht ein freundschaftliches Verhältnis.
Der Zeuge hat erklärt, er trage seit Januar 2005 die gesamten Mietkosten. Dies geschehe aber notgedrungen aufgrund der finanziellen Situation der Antragstellerin. Er wolle die Hälfte der gezahlten Miete von der Antragstellerin zurückerhalten, wenn dies finanziell möglich sei. Die Kosten für den zusätzlich angemieteten Stellplatz für einen Pkw habe er schon seit Abschluss des Mietverhältnisses alleine getragen und wolle dies auch weiter tun, weil er den Platz für sein Fahrzeug nutze.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 14. März 2006 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben, §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes – (SGG).
Die Beschwerde ist auch weitgehend begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von vorläufigen Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). Dabei sind das Einkommen und das Vermögen des Zeugen B. bei der Bedarfsberechnung nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile in Betracht. Sie kann erlassen werden, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragsgegnerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass der Antragstellerin bei Abwägung ihrer Interessen gegen die der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin auf die begehrten Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts angewiesen ist.
Der Anordnungsanspruch folgt aus § 19 Satz 1 SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II unter anderem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die unter anderem hilfebedürftig sind. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
Die Antragstellerin ist sowohl erwerbsfähig als auch hilfebedürftig, weil sie nicht über eigene Einkünfte oder einsetzbares Vermögen verfügt. Ihr Lebensunterhalt ist auch nicht durch Mittel anderer gesichert. Der Senat hält es aufgrund der im Eilverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht für erwiesen, dass die Antragstellerin mit dem Zeugen B. in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt und sein Einkommen für die Deckung des Bedarfs der in der gemeinsamen Wohnung lebenden Personen mit zur Verfügung steht.
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II. Dabei ist die eheähnliche Gemeinschaft allein die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich – im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft- durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und somit über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234, 264). Die äußeren Umstände müssen nach einer Gesamtwürdigung aller für und wider das Bestehen einer solchen Gemeinschaft streitenden Gesichtspunkte den Rückschluss auf die Intensität der inneren Bindungen und einer hieraus folgenden Unterstützungsbereitschaft erlauben. Dabei müssen sich die persönlichen Bindungen derart verfestigt haben, dass sie über sonstige Beziehungen einer nicht ehelichen Gemeinschaft (Gemeinschaft zwischen Freunden oder Verwandten) hinausgehen und einer Ehe ähnlich geworden sind. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist anhand von Indizien zu ermitteln. Hierzu gehören die Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt, gemeinsame Konten, die gegenseitige Begünstigung in Lebens- bzw. Rentenversicherungen und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen zu verfügen (vgl. zum Ganzen Winkler in info also 2005, S. 251, 254).
Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt stellt für sich genommen kein sicheres Indiz für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft dar (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992, a.a.O.). Ein gewichtiges Indiz ist aber die Dauer des Bestehens der Beziehung als Paar. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen sieht eine zumindest dreijährige Dauer der Beziehung als eine Voraussetzung an, die regelmäßig vorliegen muss, um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft annehmen zu können. Dabei hat es an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Sperrzeitrecht angeknüpft, die zum Gegenstand hatte, unter welchen Umständen ein mit der Aufgabe der Beschäftigung verbundener Ortswechsel zum Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hin als wichtiger Grund anzuerkennen ist (vgl. BSG Urteile vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R = SozR 4100 § 119 AFG Nr. 26 und B 7 AL 72/00 R = SozR 4300 § 144 SGB III Nr. 10). Das LSG Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, wenn eine Beziehung von erst geringerer Dauer vorliege, könnten nur gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Februar 2006 – L 19 B 85/05 AS ER).
Der Senat schließt sich dem insoweit an, als bei einer Beziehung von einer geringeren Dauer als drei Jahren strenge Maßstäbe an die Feststellung des Vorliegens der eheähnlichen Gemeinschaft zu stellen sind. Jedenfalls im konkreten Fall lässt sich danach das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht feststellen.
Die Antragstellerin und der Zeuge B. kennen sich nach ihren unwiderlegten Angaben sei Anfang 2004 und sie sind dann Anfang 2005 zusammengezogen. Somit liegt eine Beziehung mit einer Dauer von noch deutlich unter drei Jahren vor. Starke Indizien, die trotz der Kürze der Beziehungsdauer ausnahmsweise die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geboten erscheinen lassen, sieht der Senat nicht. Insbesondere fehlen die gemeinsame Sorge für Kinder oder andere Angehörige und auch die gemeinsame finanzielle Vorsorge für das Alter.
Die Angabe zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Antragsformular ist nicht als aussagekräftiges Indiz zu werten. Gleiches gilt sinngemäß für möglicherweise von der Antragstellerin während des Hausbesuches am 16. Juni 2005 abgegebene Erklärungen zum Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Antragstellerin den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft allein aufgrund des räumlichen Zusammenlebens und einer Liebesbeziehung gebraucht, ohne sich über den rechtlichen Bedeutungsgehalt im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Klaren zu sein. Der Vortrag der Antragstellerin, sie sei mit dem Zeugen B. zusammengezogen, weil "wie es miteinander versuchen wollten" spricht eher für eine noch nicht gefestigte Beziehung und kann schwerlich so gedeutet werden, dass schon zum Zeitpunkt des Zusammenziehens eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestand.
Der gemeinsame Abschluss eines Mietvertrages lässt ebenfalls nicht sicher auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen. Auch Partner einer reinen Wohngemeinschaft ohne tiefere persönliche Beziehung und ohne Bereitschaft, füreinander einzustehen, schließen solche Mietverträge. Auch das Eingehen einer mietvertraglichen Bindung im Hinblick auf ein in der Zukunft beabsichtigtes gemeinsames Wohnen ist bei einer reinen Wohngemeinschaft denkbar. Aus der Übernahme der vollen Miete durch den Zeugen B. ab Januar 2005 lässt sich ebenfalls nicht sicher ableiten, dass eine besondere Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorliegt. Der Zeuge hat unwiderlegt ausgeführt, dass er die volle Miete nicht endgültig tragen will und sich eine Rückforderung des auf die Antragstellerin entfallenden Anteils vorbehalten hat.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft und folglich das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen B. zu verneinen. Deshalb hat die Antragstellerin Anspruch auf vorläufige Leistungen ohne eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Zeugen.
Im Hinblick auf die Funktion der Eilentscheidung, durch eine lediglich vorläufige Regelung drohende schwere Nachteile abzuwenden, hält der Senat es für geboten, die Verpflichtung zur beantragten Leistungsgewährung auf den Zeitraum ab Stellung des Rechtsschutzantrags beim Sozialgericht bis zum Ablauf des laufenden Bewilligungsabschnittes zu beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hat berücksichtigt, dass der Antrag der Antragstellerin im Wesentlichen Erfolg hatte.
Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar. Auf § 178 a SGG wird hingewiesen.
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