Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 76/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 28/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Witwenrente, insbesondere darüber, ob die Selbsttötung ihres Ehemannes als Versicherten Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Der 1960 geborene Versicherte betrieb ein Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus. Wegen dieser Tätigkeit war er bei der Beklagten versichert. Am 18. März 2005 war der Versicherte im Zusammenhang mit seiner Unternehmenstätigkeit mit dem Kraftfahrzeug unterwegs, als er ohne Fremdbeteiligung von der Fahrbahn abkam und frontal gegen einen Baum prallte. Zeugen des Unfalls gab es nicht. Zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme durch die Polizei war der Versicherte nicht ansprechbar. Nach dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag lag u. a. ein Schädelhirntrauma 2. Grades vor. Der Versicherte gab später an, er habe während der Fahrt niesen müssen und sei vermutlich deshalb von der Fahrbahn abgekommen. Dabei erlitt der Versicherte einen Bruch des Bogens des zweiten Halswirbelkörpers links und Abriss des Querfortsatzes, eine Gehirnerschütterung, einen Schlüsselbeinbruch links, und eine Risswunde des rechten Unterschenkels, wie sich aus einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – wohl vom Unfalltag – ergibt. Ein CCT vom Unfalltag zeigte eine infra- und supratentoriell altersnormale Weite der inneren und äußeren Liquorräume, keine Verlagerung von Strukturen aus der Mittellinie und keine Gebiete mit pathologischen Dichtewerten.
Nach der Entlassung aus stationärer Behandlung am 24. März 2005 verblieb der Versicherte arbeitsunfähig in der Behandlung des Unfallchirurgen Dr. B. die nächste Wiedervorstellung im Krankenhaus war zur Kontrolle des Schlüsselbeinbruchs am 14. April 2005 vorgesehen.
Am frühen Morgen des 12. April 2005 starb der Versicherte, nachdem er sich auf seinem Wohngrundstück erhängt hatte. Die Klägerin äußerte gegenüber der Beklagten die Auffassung, die Selbsttötung sei Unfallfolge, weil der Versicherte starke Schmerzen gehabt habe und nach dem Unfall nicht wieder richtig auf die Beine gekommen sei. Ansonsten hätte es keine Probleme gegeben.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2005 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen ab. Sie teilte mit, weder aus den vorliegenden Behandlungsberichten noch den Feststellungen der Staatsanwaltschaft gehe hervor, dass die Selbsttötung des Versicherten Folge des Arbeitsunfalls vom 18. März 2005 sei.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 12. August 2005 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück: Es sei nicht wahrscheinlich, dass die unfallbedingten Krankheitsbilder wesentlich zum Tod des Versicherten beigetragen hätten.
Mit der am 23. Dezember 2005 beim Sozialgericht Stendal eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Unfallchirurgen Dr. B. vom 24. April 2006 eingeholt. Dort hatte sich der Versicherte zuletzt am 7. April 2005 vorgestellt. Dr. B. hat ausgeführt, es habe sich um einen für die Schwere der Verletzung normalen Verlauf mit typischen Beschwerden im Bereich der Bruchstellen und Wunden gehandelt. Der Versicherte habe sich ihm gegenüber nicht zu seiner psychischen Situation geäußert. Abweichungen im Vergleich zu anderen unfallverletzten Patienten seien ihm nicht aufgefallen.
In einem weiteren Befundbericht hat Priv.-Doz. Dr. W., Unfallchirurg am Klinikum U., mitgeteilt, während des stationären Aufenthaltes hätten wesentliche psychische Auffälligkeiten nicht festgestellt werden können. Eine fachärztliche Vorstellung habe auch nicht stattgefunden. Sicherlich habe der Versicherte in den ersten Tagen noch unter dem Einfluss des Unfallereignisses gestanden. Dabei seien rein psychische Verarbeitungsreaktionen und Folgen des mittelgradigen Schädel-Hirn-Traumas nicht zu unterscheiden. Hinweise für Verletzungen innerhalb des Schädels hätten aber im Rahmen der Aufnahmeuntersuchungen nicht nachgewiesen werden können. Eine auch nach der stationären Behandlung aufgetretene Verarbeitungsreaktion des Traumaereignisses könne sicher nicht ausgeschlossen werden. Hierzu müssten Kontaktpersonen befragt werden, die über die Zeit nach der Entlassung aus der stationären Behandlung Auskunft geben könnten.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach Auswertung und Würdigung sämtlicher medizinischer und anderweitig tatsachenbezogener Erkenntnisquellen sei das Gericht davon überzeugt, dass das Ereignis vom 18. März 2005 den Tod des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe. Dafür gebe es keine objektiven Anhaltspunkte. Auf die bloße Vermutung der Klägerin könne ein Leistungsanspruch nicht gestützt werden. Aus den eingeholten Befundberichten ergebe sich kein Hinweis auf eine psychische Auffälligkeit. Vielmehr seien der stationäre Aufenthalt als komplikationslos und die ambulante Nachbehandlung als normal bei typischen Beschwerden beschrieben worden.
Gegen den ihr am 19. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. März 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der geltend gemachte Zusammenhang beruhe nicht auf ihrer Vermutung, sondern stütze sich auf die schweren Unfallfolgen. Schon zwei Tage nach dem Unfall habe der Versicherte desorientiert gewirkt und habe sich beispielsweise nicht erinnern können, seine Zustimmung zu einer bevorstehenden Operation gegeben zu haben. Auffälligkeiten habe sie auch sofort der Ärztin mitgeteilt. Auch andere Besucher hätten die Veränderung im Verhalten des Versicherten bemerkt. Später habe sich der Versicherte nicht mehr an die Besucher erinnern können. Am darauf folgenden Montag habe der Versicherte sowohl halluzinatorische Erlebnisse beschrieben als auch weiterhin Erinnerungslücken aufgewiesen. Nach der Entlassung habe der Versicherte am 26. März 2005 Dr. B. gegenüber auf Schlaflosigkeit hingewiesen und um Mittel zur Gewährleistung eines normalen Schlafes gebeten. Dies habe Dr. B. abgelehnt. Die Schlaflosigkeit habe jedoch fortbestanden. Etwa drei Wochen nach dem Unfall habe sich der Zustand des Versicherten weiter verschlimmert. Er sei nachts oft auf dem Hof umhergelaufen, habe unter Appetitlosigkeit gelitten und 11 Kilogramm Gewicht verloren. Gegenüber mehreren Personen habe er auf die Unerträglichkeit seiner Schmerzen hingewiesen. Er sei nervös gewesen und habe keine Ruhe gefunden. Der veränderte Zustand sei auch Besuchern aufgefallen. Insofern benennt sie Zeugen zum Beweis.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 7. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2005 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu zahlen,
hilfsweise ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. C., weiter hilfsweise von einem anderen Facharzt für Psychiatrie, einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung und schließt sich dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts an.
Das Gericht hat eine Auskunft von Dr. B. vom 9. März 2009 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, die vom Versicherten geäußerten Beschwerden seien nicht stärker oder sonst abweichend von denjenigen vergleichbar Verletzter gewesen. Die Schilderung von Schmerzen sei bei derartigen Verletzungen typisch. Er habe dem Versicherten am 26. März 2005 Schmerztabletten verordnet. Anlässlich einer Wiedervorstellung fünf Tage später habe der Versicherte um etwas stärkere Mittel gebeten und diese auch verordnet bekommen. Dies sei aber nicht untypisch gewesen. Weitere Verordnungen oder entsprechende Wünsche des Versicherten habe es bei weiteren Terminen nicht gegeben. Schlafmittel habe er nicht verordnet und erinnere sich auch nicht an entsprechende Wünsche des Versicherten.
Die Akte der Beklagten über den Unfall – Az. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2005 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat.
Die Klägerin hat gem. § 63 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) als Hinterbliebene – Witwe des Versicherten – keinen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen, weil der Tod des Versicherten nicht infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Denn ein insoweit nur in Frage kommender Arbeitsunfall in Form des Unfalls des Versicherten vom 18. März 2005 – ggf. Versicherungsfall nach § 7 Abs. 1, 1. Fall SGB VII – ist nicht wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urt. v. 7.2.2006 – B 2 U 31/04 R – SozR 4-2700 § 63 Nr. 3) für den durch Selbsttötung eingetretenen Tod (dazu BSG, Urt. v. 24.11.1982 – 5a KnU 3/82 – SozR 2200 § 589 Nr. 6) des Versicherten.
Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Folgen des Vorfalls beim Versicherten einen Krankheitszustand bewirkt haben, der über den Entschluss des Versicherten zur Selbsttötung in einem naturwissenschaftlichen Sinne ursächlich seinen Tod herbeigeführt hat. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch der Todeseintritt fehlen würde (vgl. BSG, Urt. v. 17.2. 2009 – B 2 U 18/07 R – Juris, Rdnr. 12). Beweismaßstab (nur) für den Zusammenhang ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel daran ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17); zu den Tatsachen, die in die Zusammenhangsbeurteilung eingehen, hat das Gericht sich eine volle Überzeugung zu bilden, die auf einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fußt.
Vorliegend ist beim Versicherten ein organisch-psychisches Krankheitsbild nachgewiesen, das Unfallfolge ist. Ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit der Selbsttötung ist aber auszuschließen, weil der Krankheitsnachweis nicht über den Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Behandlung mehr als zwei Wochen vor der Selbsttötung hinausreicht. Das Vorliegen eines psychischen Krankheitsbildes als Grundlage der Selbsttötung ist nicht zu klären, weil ärztliche Feststellungen dazu fehlen und sich aus den Schilderungen der Klägerin und der dazu angebotenen Zeugenvernehmung keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben.
Es ist nach den vorhandenen Beweismitteln auszuschließen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Selbsttötung unter einem Hirnschaden litt, der ggf. als unfallbedingt den Entschluss zur Selbsttötung gefördert haben könnte. Soweit Priv.-Doz. Dr. W. im Durchgangsarztbericht vom 18. März 2005 ein zweitgradiges Schädelhirntrauma diagnostiziert hat, sind Folgen davon, die über den Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Behandlung hinausgingen, nicht ersichtlich. Die Einstufung des Schädelhirntraumas selbst als zweitgradig besagt nur, dass eine Bewusstlosigkeit von einer halben bis einer Stunde Dauer (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2011, Schädelhirntrauma) eingetreten war. Von einem vollständigen Abklingen der Folgen ist hier auszugehen, weil anderenfalls die Entlassung aus stationärer Behandlung ohne Veranlassung einer neurologisch-psychiatrischen Weiterbehandlung nicht erklärlich wäre. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik U. vom 24. März 2005 sahen aber die behandelnden Ärzte dazu keinen Anlass, weil danach die Weiterbehandlung durch den Chirurgen Dr. B. erfolgen sollte und Wiedervorstellungen im Krankenhaus nur zu einem Kontroll-CT der Halswirbelsäule und zur Kontrolle eines linksseitigen Schlüsselbeinbruchs vorgesehen waren.
Eine Hirnsubstanzverletzung ist zudem nicht nachgewiesen. So schlossen die Ärzte durch ein CCT vom Unfalltag Blutungen im Gehirn aus; auch andere Substanzveränderungen sind in der Auswertung nicht beschrieben. Folgerichtig lautet die hirnbezogene Unfalldiagnose in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – wohl vom Unfalltag – nur auf Gehirnerschütterung (Commotio cerebri). Ebenso folgerichtig beschreibt die Klägerin für die Zeit nach der Entlassung aus stationärer Behandlung keine Hirnleistungsstörungen mehr, die sie vorher in Form von Gedächtnisstörungen und halluzinatorischen Episoden wahrgenommen hat.
Es mag zu unterstellen sein, dass die Selbsttötung des Versicherten schon aus sich heraus als nahezu sicherer Hinweis auf ein psychiatrisches Krankheitsbild zu werten ist. Die Diagnose eines psychischen Krankheitsbildes ist zu Lebzeiten des Versicherten aber nicht gestellt worden, da er sich nicht in psychiatrischer Behandlung befunden hat. Auch haben sich Hinweise auf ein solches Krankheitsbild im Rahmen der Unfallfolgenbehandlung nicht ergeben, wie die behandelnden Ärzte mitteilen, die den Verlauf als typisch schildern. Für einen Zusammenhang eines etwaigen Krankheitsbildes mit dem Unfallereignis fehlen im Falle des Versicherten jedenfalls jegliche tatsächliche Hinweise, die im Sinne einer weiteren medizinischen Auswertung verwertbar wären.
Die Auffassung der Klägerin, die Selbsttötung des Versicherten sei psychoreaktiv durch die Unfallverletzungsfolgen bedingt, lässt sich nicht hinreichend stützen; insoweit begründen allein die bekannten Tatsachen mindestens ernste Zweifel an einem Unfallzusammenhang. Zunächst erklärt hier die Stärke der Schmerzen nicht den Entschluss zur Selbsttötung. Es gab nämlich keinen objektiven Grund für Hoffnungslosigkeit des Versicherten. Der nächste Arzttermin, für den der Versicherte sich Abhilfe für seine Schmerzen erhoffen konnte, war schon für den übernächsten Tag im Klinikum U. vorgesehen. Selbst wenn er der Meinung gewesen wäre, Dr. B. unterschätze seine Schlaflosigkeit und Schmerzen, hätte der Versicherte aus diesem Anlass einem anderen Arzt seine Beschwerden schildern können. Auch ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen keinerlei Hinweis darauf, dass der Versicherte dauerhaft schmerzgeplagt oder etwa anderweitig behindert geblieben wäre oder dies nur geglaubt hätte. Alle erlittenen Verletzungen heilen typischerweise ab. Verläufe, die dies unwahrscheinlich erscheinen ließen, gehen weder aus den Behandlungsberichten noch aus dem Vortrag der Klägerin hervor.
Zudem ist das Verhalten des Versicherten auch vor dem Hintergrund erheblicher Schmerzen objektiv nicht erklärlich. Während er nämlich nach dem Vortrag der Klägerin Angehörigen gegenüber unerträgliche Schmerzen geschildert hat, hat er aber trotz einer Lücke von fünf Tagen zwischen der letzten planmäßigen Behandlung und seiner Selbsttötung nicht um einen außerplanmäßigen Termin oder die Einleitung einer erweiterten Schmerztherapie gebeten. Soweit die Gründe in unfallabhängigen Beschwerden zu sehen wären, fehlte jede Erklärung dafür, weshalb der Versicherte nicht nachdrücklicher um ärztliche Hilfe nachgesucht hat, um Abhilfe zu schaffen.
Belege für ein psychoreaktives Krankheitsbild im Hinblick auf die verbliebenen Unfallfolgen lassen sich nicht aus den Mitteilungen von Kontaktpersonen sichern, weil ihre Wahrnehmungen des Versicherten, wie sie aus dem Vortrag der Klägerin hervorgehen, zum Beleg einer psychoreaktiven Krankheitsursache ungeeignet sind. Es ist nämlich nicht gesichert, dass der Versicherte selbst ein Verhalten gezeigt hat, das seinem wirklichen seelischen Befinden entsprach. Insoweit ist auch die von der Klägerin noch beantragte Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beleg des Ursachenzusammenhangs nicht geeignet, weil ihr eine gesicherte Tatsachengrundlage fehlt. Auch kann der Anregung von Priv.-Doz. Dr. W. nicht erfolgversprechend weiter nachgegangen werden, über Kontaktpersonen eine spätere Verarbeitungsreaktion des Versicherten bezüglich des Unfallereignisses zu erheben. Zunächst hat Dr. B. als eine solche Kontaktperson dafür gerade keine Hinweise gefunden. Diesem Umstand kommt Bedeutung zu, weil Dr. B. als Mediziner am ehesten ein Gespür für eine solche Verarbeitungsreaktion zuzutrauen ist und er durchaus aufgerufen war, bei Verdachtsmomenten ein neurologisch-psychiatrisches Konsil einzuleiten.
Die zum Beleg durch Zeugen mitgeteilten Tatsachen, die insgesamt Äußerungen oder Verhalten des Versicherten betreffen, haben vor ihrem tatsächlichen Hintergrund nicht die Trennschärfe, das Motiv für die Selbsttötung zu erhellen. Insoweit unterstellt der Senat die damit verbundenen Beobachtungen als wahr. Er kann darauf weitere Erkenntnisse zu einem Unfallbezug aber schon deshalb nicht stützen, weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Versicherte Vorwände geliefert hat, um sein wahres Befinden und die damit verbundenen Überlegungen zu verschleiern.
Insgesamt werden von der Klägerin und zum Beleg durch Zeugen in Form von Schlaflosigkeit, Nervosität, innerer Unruhe, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme zusammenfassend vegetative Symptome (Aufzählung vegetativer Symptome bei Huber, Psychiatrie, 7. Aufl., S. 180 f.) beschrieben. Es lässt sich schon nicht klären, ob diese Symptome auf die Ursache der Selbsttötung im Sinne eines zu Grunde liegenden Krankheitsbildes hinweisen oder nur Folge eines Ringens des Versicherten mit einem Gedanken an Selbsttötung sind, der auf einem überhaupt nicht zu Tage getretenen Motiv beruht. Zumindest können solche Symptome Ausdruck verschiedenster, auch anlagebedingter Krankheitsbilder (vgl. die Erwähnung vegetativer Symptomatik als Ausdruck einer endogenen Depression bei Huber, a.a.O., dort schon aus der Kapitelüberschrift am oberen Seitenrand hervorgehend) sein.
Dabei spricht es für eine Verschleierung der wahren Gemütslage durch den Versicherten, dass er Dr. B. nichts von unerträglichen Beschwerden berichtet hat, dies der Klägerin gegenüber aber behauptet hat. Denn während die Klägerin meint, der Versicherte habe Dr. B. auf seine Schlaflosigkeit hingewiesen und um Abhilfe gebeten, kann sich Dr. B. selbst an einen solchen Hergang nicht erinnern. Dies spricht aus der Sicht des Senates dafür, dass der Versicherte Personen seines persönlichen Umfeldes gegenüber den wirklichen seelischen Hintergrund für seine auffällig gewordenen vegetativen Symptome nicht offenlegen wollte.
Ebenso wenig kann es einen Rückschluss auf die Beweggründe zur Selbsttötung zulassen, dass der Versicherte mehreren Personen gegenüber auf die Unerträglichkeit seiner Schmerzen hingewiesen hat. Dies ist nahe liegend dadurch zu erklären, dass er einen Vorwand für seine Verhaltensveränderung geben wollte, um schon bestehende Selbsttötungsgedanken zu verschleiern. Ein Bedarf nach solchen Erklärungen bestand, weil der Versicherte nach dem Vortrag und Beweisangebot der Klägerin im Sinne der geschilderten vegetativen Symptomatik als verhaltensverändert aufgefallen war. Zudem besteht auch insoweit ein Hinweis auf den fehlenden Unfallbezug in der Diskrepanz zwischen dem Eindruck auf die behandelnden Ärzte und auf andere Personen. Während nämlich Dr. B. keine auffällige Schmerzbelastung registriert hat, hat der Versicherte sie im privaten Umfeld als schlechthin unerträglich geschildert,
Die Klägerin teilt auch keine Anhaltspunkte für ein unmittelbar durch den Unfallvorgang verursachtes psychisches Krankheitsbild mit. Ohnehin ist dies nicht einmal Gegenstand ihrer eigenen Zusammenhangsvermutung. Soweit Priv.-Doz. Dr. W. darauf hinweist, die ursprünglichen Symptome des – jedenfalls abgelaufenen – Schädelhirntraumas und eines rein psychischen Traumas ließen sich nicht genau trennen, hat es dabei sein Bewenden. Insoweit scheidet mangels einer entsprechenden Diagnose die Annahme einer akuten Belastungsreaktion im Sinne von Ziffer F 43.0 der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) aus. Es ist nicht möglich, gegen die ärztlich konkret und nachvollziehbar gestellte Diagnose eines Schädelhirntraumas mit entsprechenden Auswirkungen stattdessen von einem unmittelbar psychisch-traumatisch bedingten Krankheitsbild auszugehen. Dass die behandelnden Ärzte die von der Klägerin geschilderten Symptome zur Kenntnis genommen haben, folgt daraus, dass die Klägerin angibt, sie ihnen gleich mitgeteilt zu haben.
Anhaltspunkte, die gerade auf eine seelische Verletzung durch den Unfall selbst hinweisen könnten, benennt die Klägerin für den gesamten Zeitraum nicht. Weder ist eine Schockreaktion des Versicherten auf das Unfallereignis beschrieben noch werden Erlebnisse im Sinne eines Wiedererlebens des Unfalls in aufdrängenden Erinnerungen oder Träumen beschrieben und als Inhalt des beantragten Zeugenbeweises benannt (zu der Bedeutung solcher Befunde für den Nachweis eines Psychotraumas vgl. die Begriffsbestimmung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Ziffer F 43.1 ICD 10 und Fabra, Psychogene Störungen nach Unfällen in Ludolph/Schürmann/Gaidzik, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Abschn. VI-2.9.1., S. 16 ff.). Insoweit fehlt für die Annahme eines psychotraumatischen Krankheitsbildes eine Grundlage.
Schließlich gibt die Darstellung der Klägerin auch keine Anhaltspunkte für eine Selbsttötung im Wahn oder unter Verwirrtheit, die die Fragestellung nach der Motivbildung des Versicherten schon im Ansatz nicht zuließe. Halluzinatorische Erscheinungen sind nur für die Zeit des stationären Krankenhausaufenthaltes geschildert und müssen im Hinblick auf die Entlassungsumstände auch als abgeklungen angesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Witwenrente, insbesondere darüber, ob die Selbsttötung ihres Ehemannes als Versicherten Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Der 1960 geborene Versicherte betrieb ein Unternehmen des Garten- und Landschaftsbaus. Wegen dieser Tätigkeit war er bei der Beklagten versichert. Am 18. März 2005 war der Versicherte im Zusammenhang mit seiner Unternehmenstätigkeit mit dem Kraftfahrzeug unterwegs, als er ohne Fremdbeteiligung von der Fahrbahn abkam und frontal gegen einen Baum prallte. Zeugen des Unfalls gab es nicht. Zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme durch die Polizei war der Versicherte nicht ansprechbar. Nach dem Durchgangsarztbericht vom Unfalltag lag u. a. ein Schädelhirntrauma 2. Grades vor. Der Versicherte gab später an, er habe während der Fahrt niesen müssen und sei vermutlich deshalb von der Fahrbahn abgekommen. Dabei erlitt der Versicherte einen Bruch des Bogens des zweiten Halswirbelkörpers links und Abriss des Querfortsatzes, eine Gehirnerschütterung, einen Schlüsselbeinbruch links, und eine Risswunde des rechten Unterschenkels, wie sich aus einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – wohl vom Unfalltag – ergibt. Ein CCT vom Unfalltag zeigte eine infra- und supratentoriell altersnormale Weite der inneren und äußeren Liquorräume, keine Verlagerung von Strukturen aus der Mittellinie und keine Gebiete mit pathologischen Dichtewerten.
Nach der Entlassung aus stationärer Behandlung am 24. März 2005 verblieb der Versicherte arbeitsunfähig in der Behandlung des Unfallchirurgen Dr. B. die nächste Wiedervorstellung im Krankenhaus war zur Kontrolle des Schlüsselbeinbruchs am 14. April 2005 vorgesehen.
Am frühen Morgen des 12. April 2005 starb der Versicherte, nachdem er sich auf seinem Wohngrundstück erhängt hatte. Die Klägerin äußerte gegenüber der Beklagten die Auffassung, die Selbsttötung sei Unfallfolge, weil der Versicherte starke Schmerzen gehabt habe und nach dem Unfall nicht wieder richtig auf die Beine gekommen sei. Ansonsten hätte es keine Probleme gegeben.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2005 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen ab. Sie teilte mit, weder aus den vorliegenden Behandlungsberichten noch den Feststellungen der Staatsanwaltschaft gehe hervor, dass die Selbsttötung des Versicherten Folge des Arbeitsunfalls vom 18. März 2005 sei.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 12. August 2005 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2005 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück: Es sei nicht wahrscheinlich, dass die unfallbedingten Krankheitsbilder wesentlich zum Tod des Versicherten beigetragen hätten.
Mit der am 23. Dezember 2005 beim Sozialgericht Stendal eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiter verfolgt.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Unfallchirurgen Dr. B. vom 24. April 2006 eingeholt. Dort hatte sich der Versicherte zuletzt am 7. April 2005 vorgestellt. Dr. B. hat ausgeführt, es habe sich um einen für die Schwere der Verletzung normalen Verlauf mit typischen Beschwerden im Bereich der Bruchstellen und Wunden gehandelt. Der Versicherte habe sich ihm gegenüber nicht zu seiner psychischen Situation geäußert. Abweichungen im Vergleich zu anderen unfallverletzten Patienten seien ihm nicht aufgefallen.
In einem weiteren Befundbericht hat Priv.-Doz. Dr. W., Unfallchirurg am Klinikum U., mitgeteilt, während des stationären Aufenthaltes hätten wesentliche psychische Auffälligkeiten nicht festgestellt werden können. Eine fachärztliche Vorstellung habe auch nicht stattgefunden. Sicherlich habe der Versicherte in den ersten Tagen noch unter dem Einfluss des Unfallereignisses gestanden. Dabei seien rein psychische Verarbeitungsreaktionen und Folgen des mittelgradigen Schädel-Hirn-Traumas nicht zu unterscheiden. Hinweise für Verletzungen innerhalb des Schädels hätten aber im Rahmen der Aufnahmeuntersuchungen nicht nachgewiesen werden können. Eine auch nach der stationären Behandlung aufgetretene Verarbeitungsreaktion des Traumaereignisses könne sicher nicht ausgeschlossen werden. Hierzu müssten Kontaktpersonen befragt werden, die über die Zeit nach der Entlassung aus der stationären Behandlung Auskunft geben könnten.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach Auswertung und Würdigung sämtlicher medizinischer und anderweitig tatsachenbezogener Erkenntnisquellen sei das Gericht davon überzeugt, dass das Ereignis vom 18. März 2005 den Tod des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe. Dafür gebe es keine objektiven Anhaltspunkte. Auf die bloße Vermutung der Klägerin könne ein Leistungsanspruch nicht gestützt werden. Aus den eingeholten Befundberichten ergebe sich kein Hinweis auf eine psychische Auffälligkeit. Vielmehr seien der stationäre Aufenthalt als komplikationslos und die ambulante Nachbehandlung als normal bei typischen Beschwerden beschrieben worden.
Gegen den ihr am 19. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. März 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der geltend gemachte Zusammenhang beruhe nicht auf ihrer Vermutung, sondern stütze sich auf die schweren Unfallfolgen. Schon zwei Tage nach dem Unfall habe der Versicherte desorientiert gewirkt und habe sich beispielsweise nicht erinnern können, seine Zustimmung zu einer bevorstehenden Operation gegeben zu haben. Auffälligkeiten habe sie auch sofort der Ärztin mitgeteilt. Auch andere Besucher hätten die Veränderung im Verhalten des Versicherten bemerkt. Später habe sich der Versicherte nicht mehr an die Besucher erinnern können. Am darauf folgenden Montag habe der Versicherte sowohl halluzinatorische Erlebnisse beschrieben als auch weiterhin Erinnerungslücken aufgewiesen. Nach der Entlassung habe der Versicherte am 26. März 2005 Dr. B. gegenüber auf Schlaflosigkeit hingewiesen und um Mittel zur Gewährleistung eines normalen Schlafes gebeten. Dies habe Dr. B. abgelehnt. Die Schlaflosigkeit habe jedoch fortbestanden. Etwa drei Wochen nach dem Unfall habe sich der Zustand des Versicherten weiter verschlimmert. Er sei nachts oft auf dem Hof umhergelaufen, habe unter Appetitlosigkeit gelitten und 11 Kilogramm Gewicht verloren. Gegenüber mehreren Personen habe er auf die Unerträglichkeit seiner Schmerzen hingewiesen. Er sei nervös gewesen und habe keine Ruhe gefunden. Der veränderte Zustand sei auch Besuchern aufgefallen. Insofern benennt sie Zeugen zum Beweis.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 7. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2005 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu zahlen,
hilfsweise ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. C., weiter hilfsweise von einem anderen Facharzt für Psychiatrie, einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung und schließt sich dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts an.
Das Gericht hat eine Auskunft von Dr. B. vom 9. März 2009 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, die vom Versicherten geäußerten Beschwerden seien nicht stärker oder sonst abweichend von denjenigen vergleichbar Verletzter gewesen. Die Schilderung von Schmerzen sei bei derartigen Verletzungen typisch. Er habe dem Versicherten am 26. März 2005 Schmerztabletten verordnet. Anlässlich einer Wiedervorstellung fünf Tage später habe der Versicherte um etwas stärkere Mittel gebeten und diese auch verordnet bekommen. Dies sei aber nicht untypisch gewesen. Weitere Verordnungen oder entsprechende Wünsche des Versicherten habe es bei weiteren Terminen nicht gegeben. Schlafmittel habe er nicht verordnet und erinnere sich auch nicht an entsprechende Wünsche des Versicherten.
Die Akte der Beklagten über den Unfall – Az. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2005 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat.
Die Klägerin hat gem. § 63 Abs. 1 S. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) als Hinterbliebene – Witwe des Versicherten – keinen Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen, weil der Tod des Versicherten nicht infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Denn ein insoweit nur in Frage kommender Arbeitsunfall in Form des Unfalls des Versicherten vom 18. März 2005 – ggf. Versicherungsfall nach § 7 Abs. 1, 1. Fall SGB VII – ist nicht wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urt. v. 7.2.2006 – B 2 U 31/04 R – SozR 4-2700 § 63 Nr. 3) für den durch Selbsttötung eingetretenen Tod (dazu BSG, Urt. v. 24.11.1982 – 5a KnU 3/82 – SozR 2200 § 589 Nr. 6) des Versicherten.
Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Folgen des Vorfalls beim Versicherten einen Krankheitszustand bewirkt haben, der über den Entschluss des Versicherten zur Selbsttötung in einem naturwissenschaftlichen Sinne ursächlich seinen Tod herbeigeführt hat. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch der Todeseintritt fehlen würde (vgl. BSG, Urt. v. 17.2. 2009 – B 2 U 18/07 R – Juris, Rdnr. 12). Beweismaßstab (nur) für den Zusammenhang ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel daran ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17); zu den Tatsachen, die in die Zusammenhangsbeurteilung eingehen, hat das Gericht sich eine volle Überzeugung zu bilden, die auf einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fußt.
Vorliegend ist beim Versicherten ein organisch-psychisches Krankheitsbild nachgewiesen, das Unfallfolge ist. Ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit der Selbsttötung ist aber auszuschließen, weil der Krankheitsnachweis nicht über den Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Behandlung mehr als zwei Wochen vor der Selbsttötung hinausreicht. Das Vorliegen eines psychischen Krankheitsbildes als Grundlage der Selbsttötung ist nicht zu klären, weil ärztliche Feststellungen dazu fehlen und sich aus den Schilderungen der Klägerin und der dazu angebotenen Zeugenvernehmung keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben.
Es ist nach den vorhandenen Beweismitteln auszuschließen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Selbsttötung unter einem Hirnschaden litt, der ggf. als unfallbedingt den Entschluss zur Selbsttötung gefördert haben könnte. Soweit Priv.-Doz. Dr. W. im Durchgangsarztbericht vom 18. März 2005 ein zweitgradiges Schädelhirntrauma diagnostiziert hat, sind Folgen davon, die über den Zeitpunkt der Entlassung aus stationärer Behandlung hinausgingen, nicht ersichtlich. Die Einstufung des Schädelhirntraumas selbst als zweitgradig besagt nur, dass eine Bewusstlosigkeit von einer halben bis einer Stunde Dauer (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 2011, Schädelhirntrauma) eingetreten war. Von einem vollständigen Abklingen der Folgen ist hier auszugehen, weil anderenfalls die Entlassung aus stationärer Behandlung ohne Veranlassung einer neurologisch-psychiatrischen Weiterbehandlung nicht erklärlich wäre. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik U. vom 24. März 2005 sahen aber die behandelnden Ärzte dazu keinen Anlass, weil danach die Weiterbehandlung durch den Chirurgen Dr. B. erfolgen sollte und Wiedervorstellungen im Krankenhaus nur zu einem Kontroll-CT der Halswirbelsäule und zur Kontrolle eines linksseitigen Schlüsselbeinbruchs vorgesehen waren.
Eine Hirnsubstanzverletzung ist zudem nicht nachgewiesen. So schlossen die Ärzte durch ein CCT vom Unfalltag Blutungen im Gehirn aus; auch andere Substanzveränderungen sind in der Auswertung nicht beschrieben. Folgerichtig lautet die hirnbezogene Unfalldiagnose in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – wohl vom Unfalltag – nur auf Gehirnerschütterung (Commotio cerebri). Ebenso folgerichtig beschreibt die Klägerin für die Zeit nach der Entlassung aus stationärer Behandlung keine Hirnleistungsstörungen mehr, die sie vorher in Form von Gedächtnisstörungen und halluzinatorischen Episoden wahrgenommen hat.
Es mag zu unterstellen sein, dass die Selbsttötung des Versicherten schon aus sich heraus als nahezu sicherer Hinweis auf ein psychiatrisches Krankheitsbild zu werten ist. Die Diagnose eines psychischen Krankheitsbildes ist zu Lebzeiten des Versicherten aber nicht gestellt worden, da er sich nicht in psychiatrischer Behandlung befunden hat. Auch haben sich Hinweise auf ein solches Krankheitsbild im Rahmen der Unfallfolgenbehandlung nicht ergeben, wie die behandelnden Ärzte mitteilen, die den Verlauf als typisch schildern. Für einen Zusammenhang eines etwaigen Krankheitsbildes mit dem Unfallereignis fehlen im Falle des Versicherten jedenfalls jegliche tatsächliche Hinweise, die im Sinne einer weiteren medizinischen Auswertung verwertbar wären.
Die Auffassung der Klägerin, die Selbsttötung des Versicherten sei psychoreaktiv durch die Unfallverletzungsfolgen bedingt, lässt sich nicht hinreichend stützen; insoweit begründen allein die bekannten Tatsachen mindestens ernste Zweifel an einem Unfallzusammenhang. Zunächst erklärt hier die Stärke der Schmerzen nicht den Entschluss zur Selbsttötung. Es gab nämlich keinen objektiven Grund für Hoffnungslosigkeit des Versicherten. Der nächste Arzttermin, für den der Versicherte sich Abhilfe für seine Schmerzen erhoffen konnte, war schon für den übernächsten Tag im Klinikum U. vorgesehen. Selbst wenn er der Meinung gewesen wäre, Dr. B. unterschätze seine Schlaflosigkeit und Schmerzen, hätte der Versicherte aus diesem Anlass einem anderen Arzt seine Beschwerden schildern können. Auch ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen keinerlei Hinweis darauf, dass der Versicherte dauerhaft schmerzgeplagt oder etwa anderweitig behindert geblieben wäre oder dies nur geglaubt hätte. Alle erlittenen Verletzungen heilen typischerweise ab. Verläufe, die dies unwahrscheinlich erscheinen ließen, gehen weder aus den Behandlungsberichten noch aus dem Vortrag der Klägerin hervor.
Zudem ist das Verhalten des Versicherten auch vor dem Hintergrund erheblicher Schmerzen objektiv nicht erklärlich. Während er nämlich nach dem Vortrag der Klägerin Angehörigen gegenüber unerträgliche Schmerzen geschildert hat, hat er aber trotz einer Lücke von fünf Tagen zwischen der letzten planmäßigen Behandlung und seiner Selbsttötung nicht um einen außerplanmäßigen Termin oder die Einleitung einer erweiterten Schmerztherapie gebeten. Soweit die Gründe in unfallabhängigen Beschwerden zu sehen wären, fehlte jede Erklärung dafür, weshalb der Versicherte nicht nachdrücklicher um ärztliche Hilfe nachgesucht hat, um Abhilfe zu schaffen.
Belege für ein psychoreaktives Krankheitsbild im Hinblick auf die verbliebenen Unfallfolgen lassen sich nicht aus den Mitteilungen von Kontaktpersonen sichern, weil ihre Wahrnehmungen des Versicherten, wie sie aus dem Vortrag der Klägerin hervorgehen, zum Beleg einer psychoreaktiven Krankheitsursache ungeeignet sind. Es ist nämlich nicht gesichert, dass der Versicherte selbst ein Verhalten gezeigt hat, das seinem wirklichen seelischen Befinden entsprach. Insoweit ist auch die von der Klägerin noch beantragte Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beleg des Ursachenzusammenhangs nicht geeignet, weil ihr eine gesicherte Tatsachengrundlage fehlt. Auch kann der Anregung von Priv.-Doz. Dr. W. nicht erfolgversprechend weiter nachgegangen werden, über Kontaktpersonen eine spätere Verarbeitungsreaktion des Versicherten bezüglich des Unfallereignisses zu erheben. Zunächst hat Dr. B. als eine solche Kontaktperson dafür gerade keine Hinweise gefunden. Diesem Umstand kommt Bedeutung zu, weil Dr. B. als Mediziner am ehesten ein Gespür für eine solche Verarbeitungsreaktion zuzutrauen ist und er durchaus aufgerufen war, bei Verdachtsmomenten ein neurologisch-psychiatrisches Konsil einzuleiten.
Die zum Beleg durch Zeugen mitgeteilten Tatsachen, die insgesamt Äußerungen oder Verhalten des Versicherten betreffen, haben vor ihrem tatsächlichen Hintergrund nicht die Trennschärfe, das Motiv für die Selbsttötung zu erhellen. Insoweit unterstellt der Senat die damit verbundenen Beobachtungen als wahr. Er kann darauf weitere Erkenntnisse zu einem Unfallbezug aber schon deshalb nicht stützen, weil Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Versicherte Vorwände geliefert hat, um sein wahres Befinden und die damit verbundenen Überlegungen zu verschleiern.
Insgesamt werden von der Klägerin und zum Beleg durch Zeugen in Form von Schlaflosigkeit, Nervosität, innerer Unruhe, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme zusammenfassend vegetative Symptome (Aufzählung vegetativer Symptome bei Huber, Psychiatrie, 7. Aufl., S. 180 f.) beschrieben. Es lässt sich schon nicht klären, ob diese Symptome auf die Ursache der Selbsttötung im Sinne eines zu Grunde liegenden Krankheitsbildes hinweisen oder nur Folge eines Ringens des Versicherten mit einem Gedanken an Selbsttötung sind, der auf einem überhaupt nicht zu Tage getretenen Motiv beruht. Zumindest können solche Symptome Ausdruck verschiedenster, auch anlagebedingter Krankheitsbilder (vgl. die Erwähnung vegetativer Symptomatik als Ausdruck einer endogenen Depression bei Huber, a.a.O., dort schon aus der Kapitelüberschrift am oberen Seitenrand hervorgehend) sein.
Dabei spricht es für eine Verschleierung der wahren Gemütslage durch den Versicherten, dass er Dr. B. nichts von unerträglichen Beschwerden berichtet hat, dies der Klägerin gegenüber aber behauptet hat. Denn während die Klägerin meint, der Versicherte habe Dr. B. auf seine Schlaflosigkeit hingewiesen und um Abhilfe gebeten, kann sich Dr. B. selbst an einen solchen Hergang nicht erinnern. Dies spricht aus der Sicht des Senates dafür, dass der Versicherte Personen seines persönlichen Umfeldes gegenüber den wirklichen seelischen Hintergrund für seine auffällig gewordenen vegetativen Symptome nicht offenlegen wollte.
Ebenso wenig kann es einen Rückschluss auf die Beweggründe zur Selbsttötung zulassen, dass der Versicherte mehreren Personen gegenüber auf die Unerträglichkeit seiner Schmerzen hingewiesen hat. Dies ist nahe liegend dadurch zu erklären, dass er einen Vorwand für seine Verhaltensveränderung geben wollte, um schon bestehende Selbsttötungsgedanken zu verschleiern. Ein Bedarf nach solchen Erklärungen bestand, weil der Versicherte nach dem Vortrag und Beweisangebot der Klägerin im Sinne der geschilderten vegetativen Symptomatik als verhaltensverändert aufgefallen war. Zudem besteht auch insoweit ein Hinweis auf den fehlenden Unfallbezug in der Diskrepanz zwischen dem Eindruck auf die behandelnden Ärzte und auf andere Personen. Während nämlich Dr. B. keine auffällige Schmerzbelastung registriert hat, hat der Versicherte sie im privaten Umfeld als schlechthin unerträglich geschildert,
Die Klägerin teilt auch keine Anhaltspunkte für ein unmittelbar durch den Unfallvorgang verursachtes psychisches Krankheitsbild mit. Ohnehin ist dies nicht einmal Gegenstand ihrer eigenen Zusammenhangsvermutung. Soweit Priv.-Doz. Dr. W. darauf hinweist, die ursprünglichen Symptome des – jedenfalls abgelaufenen – Schädelhirntraumas und eines rein psychischen Traumas ließen sich nicht genau trennen, hat es dabei sein Bewenden. Insoweit scheidet mangels einer entsprechenden Diagnose die Annahme einer akuten Belastungsreaktion im Sinne von Ziffer F 43.0 der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) aus. Es ist nicht möglich, gegen die ärztlich konkret und nachvollziehbar gestellte Diagnose eines Schädelhirntraumas mit entsprechenden Auswirkungen stattdessen von einem unmittelbar psychisch-traumatisch bedingten Krankheitsbild auszugehen. Dass die behandelnden Ärzte die von der Klägerin geschilderten Symptome zur Kenntnis genommen haben, folgt daraus, dass die Klägerin angibt, sie ihnen gleich mitgeteilt zu haben.
Anhaltspunkte, die gerade auf eine seelische Verletzung durch den Unfall selbst hinweisen könnten, benennt die Klägerin für den gesamten Zeitraum nicht. Weder ist eine Schockreaktion des Versicherten auf das Unfallereignis beschrieben noch werden Erlebnisse im Sinne eines Wiedererlebens des Unfalls in aufdrängenden Erinnerungen oder Träumen beschrieben und als Inhalt des beantragten Zeugenbeweises benannt (zu der Bedeutung solcher Befunde für den Nachweis eines Psychotraumas vgl. die Begriffsbestimmung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Ziffer F 43.1 ICD 10 und Fabra, Psychogene Störungen nach Unfällen in Ludolph/Schürmann/Gaidzik, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Abschn. VI-2.9.1., S. 16 ff.). Insoweit fehlt für die Annahme eines psychotraumatischen Krankheitsbildes eine Grundlage.
Schließlich gibt die Darstellung der Klägerin auch keine Anhaltspunkte für eine Selbsttötung im Wahn oder unter Verwirrtheit, die die Fragestellung nach der Motivbildung des Versicherten schon im Ansatz nicht zuließe. Halluzinatorische Erscheinungen sind nur für die Zeit des stationären Krankenhausaufenthaltes geschildert und müssen im Hinblick auf die Entlassungsumstände auch als abgeklungen angesehen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
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