Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 U 47/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 59/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein im Juni 1984 erlittener Schulunfall dauerhafte Unfallfolgen hinterlassen hat.
Die damals 15jährige Klägerin verunglückte nach einer Unfallmeldung des Direktors der Wilhelm-Pieck-Oberschule in W. am 13. Juni 1984 um 9.30 Uhr, als sie bei einer Sprunghocke am Bock nicht zum Stehen kam, sondern sich auf ihren Unterschenkel setzte. Folge war danach eine Bänderzerrung am linken Knie. Den Sprung führte die Klägerin als Schülerin im Rahmen von Übungen zur Zivilverteidigung durch.
Zu dem Unfall verblieben ist eine Unfallkarteikarte des Betriebskrankenhauses in W., wonach am Unfalltag ein Druckschmerz im medialen Gelenkspalt links bei fehlenden Bänder- und Meniskuszeichen erhoben wurde. Im Röntgenbild ergab sich kein Anhalt für einen Bruch. Die Klägerin wurde mit einer elastischen Binde therapiert und erhielt eine Sportbefreiung für 14 Tage. Am 19. Juni 1984 war das Kniegelenk zur Außenseite hin aufklappbar. Die Diagnose lautete auf Dehnung des inneren Seitenbandes. Dieses wurde für vier Wochen mit einem Gipsverband ruhig gestellt. Nach Entfernung des Gipses ergab eine gehaltene Aufnahme des inneren Gelenkspaltes eine deutliche Erweiterung. Als Therapie wurde Muskelkräftigung vorgesehen. Am 9. August 1984 erhielt die Klägerin erneut eine Sportbefreiung für vier Wochen, hatte aber keine Beschwerden mehr.
Die nächste Behandlung ist für den 8. März 1986 verzeichnet. Danach war die Klägerin erneut mit dem linken Knie umgeknickt. Ein Erguss bestand nicht. Die Seitenbänder erschienen beiderseits gelockert. Die Meniskuszeichen waren negativ. Anhaltspunkte für einen Bruch ergaben sich nicht. Die Klägerin erhielt Sportbefreiung für vier Wochen.
Am 16. Januar 1996 begab sich die Klägerin erstmals in die Behandlung des Orthopäden Dr. W. und gab dort an, sie habe sich am Vortag die Kniescheibe ausgerenkt, was ihr jedes Jahr mehrmals passiere. Neben einer wiederkehrenden Patellaluxation links erwog Dr. W. differentialdiagnostisch eine Verletzung des Außenmeniskus mit Einklemmungen. Am 1. September 1999 nahm Dr. W. eine Arthroskopie vor, bei der er die Diagnose einer Meniskusverletzung am linken inneren Kniegelenk in Form eines degenerierten Korbhenkelrisses, einer alten Verletzung der Kreuzbänder, einer Knorpelerweichung zweiten Grades innen hinten am Köpfchen des Oberschenkelknochens, an der äußeren Schienbeingelenkfläche und in der Mitte am Kniescheibenfirst erhob. Der abgerissene Teil des Meniskus wurde abgetragen und entfernt. Die Kreuzbänder waren nicht sicher aufzufinden.
Die Krankenkasse der Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 1. September 1999 an die Beklagte, um eine Erstattung geltend zu machen. Sie fügte eine Auskunft der Klägerin bei, wonach diese beim Bockspringen in der Schule hängen geblieben und vom Bock gefallen sei.
Mit Bescheid vom 18. März "2003" – richtig und künftig: 2004 – erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Feststellung von Folgen, die über eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des linken Kniegelenkes hinaus gingen, ab. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Sie führte aus, die nach dem 9. August 1984 geklagten und behandelten Beschwerden seien nicht mehr Folge des Unfalls. Dagegen sprächen der fehlende zeitliche Zusammenhang, der erste klinische Befund wie auch die Dauer des behandlungsfreien Intervalls. Nach dem Unfall sei die Behandlung mit Beschwerdefreiheit beendet worden.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 13. April 2004 Widerspruch ein. Die Beklagte zog Unterlagen über eine Behandlung der Klägerin im Waldkrankenhaus B. D. im Jahre 2004 bei. Sodann holte die Beklagte ein Gutachten des Unfallchirurgen Dipl.-Med. S. vom 29. März 2005 ein. Er führte aus, der Ereignisablauf sei zur Verursachung eines Risses des vorderen Kreuzbandes ungeeignet gewesen. Am Unfalltag hätten sich keine Hinweise auf eine Verletzung der Kapselbandstrukturen oder der Menisken ergeben. Nachdem die Klägerin zunächst beschwerdefrei gewesen sei, habe sie erst 1986 wieder Beschwerden geäußert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er stellte im Wesentlichen den Inhalt des Gutachtens von Dipl.-Med. S. dar.
Mit der am 19. Mai 2006 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, schon nach dem Gutachten von Dipl.-Med. S. ließen sich keine konkurrierenden Einwirkungen wie Krankheit, Degeneration oder frühere Unfälle finden. Es sei auf die rechtsseitig gegenüber links schlechteren Befunde zu verweisen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt nach dem Unfall beschwerdefrei gewesen.
Mit Urteil vom 28. März 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die offenbar erstmals 1999 15 Jahre nach dem Unfallereignis festgestellten Erkrankungen im Bereich des linken Knies der Klägerin ließen sich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 13. Juni 1984 zurückführen. Die Ausführungen des Gutachters dazu seien eindeutig. Sie deckten sich mit den in der Unfallchirurgie anerkannten Grundsätzen über die Feststellung der Ursächlichkeit von Unfallereignissen für geltend gemachte Unfallschäden. Ein Ereignis, das danach zur Verursachung eines Kreuzband- oder Meniskusrisses geeignet sei, sei nicht festzustellen. Die dafür erforderliche Verdrehung bei fixiertem Fuß sei nicht dokumentiert. Bei der weiterhin geltend gemachten Knorpelerkrankung sei nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit diese auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könne. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. April 2007 zugestellt.
Mit der am 16. Mai 2007 eingegangenen Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, sie halte die Ausführungen des Gutachters Dipl.-Med. S. nicht zu ihren Lasten für eindeutig. Der Unfallhergang mit einem Setzen auf den Unterschenkel sei durchaus zur Verursachung der Verletzungen geeignet. Schon am 19. Juni 1984 seien Krankheitssymptome festgestellt worden. Die heute vorzufindenden, über den altersgemäßen Zustand hinausgehenden Veränderungen würden im Gutachten nicht gewürdigt. Der Innenmeniskusriss könne nicht als degenerativ angesehen werden, da auch ein schon 1984 entstandener Schaden nicht als frisch auffallen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. März 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 abzuändern,
festzustellen, dass die Gesundheitsstörungen Korbhenkelriss des Innenmeniskus, Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes und krankhafte Erweichung der Knorpelgrundsubstanz des linken Kniegelenkes Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Juni 1984 sind
und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab September 1999 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrem Vorbringen und hält das Urteil des Sozialgerichtes für zutreffend.
Das Gericht hat von der Klägerin eine Aufstellung der Behandlungsdaten, Bl. 54 f. d. A., angefordert. Es hat weiterhin eine Auskunft der Gesundheitszentrum B./W. gGmbH vom 13. April 2011, Bl. 118 d. A., eingeholt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 19. Mai 2008 zu Protokoll des Gerichts – die Beklagte – und mit Schriftsatz vom 5. Juni 2008 – die Klägerin – zugestimmt.
Die Akte der Beklagten – Az. – hat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Anerkennung von Unfallfolgen und die Zahlung einer Verletztenrente abgelehnt hat.
Die Klägerin hat nicht den gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestehenden Anspruch auf Feststellung von Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen, weil bei ihr solche Unfallfolgen nicht vorliegen. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen in einem naturwissenschaftlichen Sinne auf den Unfall zurück zu führen sind. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch die Gesundheitsstörung fehlen würde (vgl. BSG, Urt. v. 17.2.2009 – B 2 U 18/07 R – Juris, Rdnr. 12). Beweismaßstab (nur) für den Zusammenhang ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel daran ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17); zu den Tatsachen, die in die Zusammenhangsbeurteilung eingehen, hat das Gericht sich eine volle Überzeugung zu bilden, die auf einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fußt.
Der Senat kann sich zunächst keine Überzeugung davon bilden, dass die Gesundheitsstörungen Korbhenkelriss des Innenmeniskus, Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes und krankhafte Erweichung der Knorpelgrundsubstanz des linken Kniegelenkes schon zeitlich unmittelbar nach dem Unfall vorgelegen haben. Diese Diagnosen hat bei der 1984 durchgeführten Behandlung niemand gestellt. Es gibt auch keine ärztliche Äußerung, die die damals gestellten Diagnosen aus der Befundsituation heraus insoweit für falsch erklärt. Vielmehr bestätigt Dipl.-Med. S., Anzeichen für eine Verletzung der Kapselbandstrukturen oder der Menisken hätten sich damals nicht ergeben. Weitere Hinweise aus der damaligen Behandlung lassen sich nicht gewinnen. Soweit die Klägerin die Frage nach Behandlungen des Knies mit der Benennung von vier späteren Behandlungsdaten aus den Jahren 1984/85 beantwortet hat, kann der Senat daraus nicht den Schluss ziehen, es seien weitere Behandlungen des Knies erfolgt. Das dafür als Quelle benannte Archiv hat dem Gericht nämlich mitgeteilt, über keinerlei Unterlagen (mehr) zu verfügen. Die Frage nach möglichen weiteren Erkenntnissen zu den Befunden und zum Krankheitsbild zu dieser Zeit erübrigt sich danach ebenfalls. Schließlich geben auch die Unterlagen über die Behandlung am 8. März 1986 keinen Hinweis auf vorbestehende Gesundheitsstörungen, die sich auf den Unfall 1984 zurück führen ließen. Mangels jeglicher Anhaltspunkte ist schon nicht zu klären, ob es sich bei dem Wegknicken des Knies 1986 um ein Ereignis eigenständiger Ursache gehandelt hat oder ihm eine frühere Schwächung von Kniebinnenstrukturen zu Grunde liegt. Insofern überzeugt es, dass auch der Gutachter Dipl.-Med. S. aus dieser Behandlung keine Schlüsse zu Gunsten der Klägerin zu ziehen vermag. Aufgrund dieser Erwägungen kann der Senat sich auch keine Überzeugung bilden, dass der Unfall überhaupt Folgen hinterlassen hat, die zeitlich über die Behandlung am 9. August 1984 hinaus bestanden haben.
Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind arthroskopisch erstmals im September 1999 nachgewiesen; der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerde- und Behandlungsverlauf ihm eine Überzeugung vom Vorhandensein der Gesundheitsstörungen schon zu Beginn der Behandlung bei den Dres. W. im Januar 1996 vermittelt. Dies unterstellt, ist ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen, dem Unfall und seinen Folgen ebenso wenig wahrscheinlich wie bei einem ersten Nachweis 1999. Dagegen spricht, dass die Klägerin zehn Jahre lang nicht unter nachweisbaren Beschwerden gelitten hat. So stellt sich die Sachlage dar, weil nach Mitteilung der Klägerin zehn Jahre lang keine ärztliche Behandlung des Knies stattgefunden hat. Dies passt auch dazu, dass nach den Unterlagen aus dem Jahre 1984 die damalige Knieverletzung als abgeheilt angesehen werden muss, weil keine dauerhaft verbliebenen krankhaften Befunde beschrieben sind und die Diagnose einer Bänderdehnung der Annahme einer folgenlosen Abheilung nicht entgegen steht.
Der Ursachenzusammenhang kann nicht darauf gestützt werden, andere Ursachen für den Eintritt der geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nicht ersichtlich. Dipl.-Med. S. weist in schlüssigem Rückgriff auf ärztliche Erfahrungssätze darauf hin, dass Zusammenhangstrennungen im Bereich des vorderen Kreuzbandes lange Zeit klinisch stumm verlaufen könnten.
Es bedarf keiner weiteren medizinischen Sachaufklärung, weil alle wesentlichen Tatsachen und Erwägungen aus dem Gutachten von Dipl.-Med. S. hervorgehen. Soweit dieser anders als der Senat von dem Bestehen eines naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhanges ausgeht, den Unfall aber nicht für wesentlich für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen hält, liegt dieser Einschätzung erkennbar ein rechtliches Missverständnis zu Grunde. Aus den medizinischen Erwägungen des Gutachters lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, worauf eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit des Unfalls für die als Folgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen liegen soll. Das vom Gutachter insoweit vertretene Ergebnis ist schon deshalb logisch nicht mit seinen medizinischen Ausführungen vereinbar, weil er nachdrücklich seine Meinung schildert, der Ereignisablauf sei zu einer Verursachung der geltend gemachten Gesundheitsschäden gar nicht geeignet.
Gleichwohl lässt das Gutachten den Schluss zu, dass der naturwissenschaftliche Zusammenhang gerade nicht besteht, weil der Gutachter alle tatsächlichen Gesichtspunkte verwertet hat. Auf die für den Senat Ausschlag gebenden Gesichtspunkte, nämlich das Fehlen von Erstbefunden, die in Form "signifikanter Verletzungszeichen" auf nur eine der geltend gemachten Gesundheitsstörungen hindeuteten, und die späte Sicherung einer Zusammenhangstrennung, hat der Gutachter selbst hingewiesen.
Anspruch auf Verletztenrente besteht gem. § 215 Abs. 6 i. V. m. § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) für die Klägerin nicht. Es liegt keine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens mit der Folge geminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 56 Abs. 2 SGB VII vor, die auf den Arbeitsunfall als Versicherungsfall im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII zurück zu führen wäre. Der Arbeitsunfall hat nämlich – wie dargelegt – schon keine Gesundheitsfolgen bis zum Beginn des geltend gemachten Anspruchszeitraumes hinterlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein im Juni 1984 erlittener Schulunfall dauerhafte Unfallfolgen hinterlassen hat.
Die damals 15jährige Klägerin verunglückte nach einer Unfallmeldung des Direktors der Wilhelm-Pieck-Oberschule in W. am 13. Juni 1984 um 9.30 Uhr, als sie bei einer Sprunghocke am Bock nicht zum Stehen kam, sondern sich auf ihren Unterschenkel setzte. Folge war danach eine Bänderzerrung am linken Knie. Den Sprung führte die Klägerin als Schülerin im Rahmen von Übungen zur Zivilverteidigung durch.
Zu dem Unfall verblieben ist eine Unfallkarteikarte des Betriebskrankenhauses in W., wonach am Unfalltag ein Druckschmerz im medialen Gelenkspalt links bei fehlenden Bänder- und Meniskuszeichen erhoben wurde. Im Röntgenbild ergab sich kein Anhalt für einen Bruch. Die Klägerin wurde mit einer elastischen Binde therapiert und erhielt eine Sportbefreiung für 14 Tage. Am 19. Juni 1984 war das Kniegelenk zur Außenseite hin aufklappbar. Die Diagnose lautete auf Dehnung des inneren Seitenbandes. Dieses wurde für vier Wochen mit einem Gipsverband ruhig gestellt. Nach Entfernung des Gipses ergab eine gehaltene Aufnahme des inneren Gelenkspaltes eine deutliche Erweiterung. Als Therapie wurde Muskelkräftigung vorgesehen. Am 9. August 1984 erhielt die Klägerin erneut eine Sportbefreiung für vier Wochen, hatte aber keine Beschwerden mehr.
Die nächste Behandlung ist für den 8. März 1986 verzeichnet. Danach war die Klägerin erneut mit dem linken Knie umgeknickt. Ein Erguss bestand nicht. Die Seitenbänder erschienen beiderseits gelockert. Die Meniskuszeichen waren negativ. Anhaltspunkte für einen Bruch ergaben sich nicht. Die Klägerin erhielt Sportbefreiung für vier Wochen.
Am 16. Januar 1996 begab sich die Klägerin erstmals in die Behandlung des Orthopäden Dr. W. und gab dort an, sie habe sich am Vortag die Kniescheibe ausgerenkt, was ihr jedes Jahr mehrmals passiere. Neben einer wiederkehrenden Patellaluxation links erwog Dr. W. differentialdiagnostisch eine Verletzung des Außenmeniskus mit Einklemmungen. Am 1. September 1999 nahm Dr. W. eine Arthroskopie vor, bei der er die Diagnose einer Meniskusverletzung am linken inneren Kniegelenk in Form eines degenerierten Korbhenkelrisses, einer alten Verletzung der Kreuzbänder, einer Knorpelerweichung zweiten Grades innen hinten am Köpfchen des Oberschenkelknochens, an der äußeren Schienbeingelenkfläche und in der Mitte am Kniescheibenfirst erhob. Der abgerissene Teil des Meniskus wurde abgetragen und entfernt. Die Kreuzbänder waren nicht sicher aufzufinden.
Die Krankenkasse der Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 1. September 1999 an die Beklagte, um eine Erstattung geltend zu machen. Sie fügte eine Auskunft der Klägerin bei, wonach diese beim Bockspringen in der Schule hängen geblieben und vom Bock gefallen sei.
Mit Bescheid vom 18. März "2003" – richtig und künftig: 2004 – erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Feststellung von Folgen, die über eine folgenlos ausgeheilte Zerrung des linken Kniegelenkes hinaus gingen, ab. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Sie führte aus, die nach dem 9. August 1984 geklagten und behandelten Beschwerden seien nicht mehr Folge des Unfalls. Dagegen sprächen der fehlende zeitliche Zusammenhang, der erste klinische Befund wie auch die Dauer des behandlungsfreien Intervalls. Nach dem Unfall sei die Behandlung mit Beschwerdefreiheit beendet worden.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 13. April 2004 Widerspruch ein. Die Beklagte zog Unterlagen über eine Behandlung der Klägerin im Waldkrankenhaus B. D. im Jahre 2004 bei. Sodann holte die Beklagte ein Gutachten des Unfallchirurgen Dipl.-Med. S. vom 29. März 2005 ein. Er führte aus, der Ereignisablauf sei zur Verursachung eines Risses des vorderen Kreuzbandes ungeeignet gewesen. Am Unfalltag hätten sich keine Hinweise auf eine Verletzung der Kapselbandstrukturen oder der Menisken ergeben. Nachdem die Klägerin zunächst beschwerdefrei gewesen sei, habe sie erst 1986 wieder Beschwerden geäußert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er stellte im Wesentlichen den Inhalt des Gutachtens von Dipl.-Med. S. dar.
Mit der am 19. Mai 2006 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, schon nach dem Gutachten von Dipl.-Med. S. ließen sich keine konkurrierenden Einwirkungen wie Krankheit, Degeneration oder frühere Unfälle finden. Es sei auf die rechtsseitig gegenüber links schlechteren Befunde zu verweisen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt nach dem Unfall beschwerdefrei gewesen.
Mit Urteil vom 28. März 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die offenbar erstmals 1999 15 Jahre nach dem Unfallereignis festgestellten Erkrankungen im Bereich des linken Knies der Klägerin ließen sich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 13. Juni 1984 zurückführen. Die Ausführungen des Gutachters dazu seien eindeutig. Sie deckten sich mit den in der Unfallchirurgie anerkannten Grundsätzen über die Feststellung der Ursächlichkeit von Unfallereignissen für geltend gemachte Unfallschäden. Ein Ereignis, das danach zur Verursachung eines Kreuzband- oder Meniskusrisses geeignet sei, sei nicht festzustellen. Die dafür erforderliche Verdrehung bei fixiertem Fuß sei nicht dokumentiert. Bei der weiterhin geltend gemachten Knorpelerkrankung sei nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit diese auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könne. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. April 2007 zugestellt.
Mit der am 16. Mai 2007 eingegangenen Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, sie halte die Ausführungen des Gutachters Dipl.-Med. S. nicht zu ihren Lasten für eindeutig. Der Unfallhergang mit einem Setzen auf den Unterschenkel sei durchaus zur Verursachung der Verletzungen geeignet. Schon am 19. Juni 1984 seien Krankheitssymptome festgestellt worden. Die heute vorzufindenden, über den altersgemäßen Zustand hinausgehenden Veränderungen würden im Gutachten nicht gewürdigt. Der Innenmeniskusriss könne nicht als degenerativ angesehen werden, da auch ein schon 1984 entstandener Schaden nicht als frisch auffallen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 28. März 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 abzuändern,
festzustellen, dass die Gesundheitsstörungen Korbhenkelriss des Innenmeniskus, Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes und krankhafte Erweichung der Knorpelgrundsubstanz des linken Kniegelenkes Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Juni 1984 sind
und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab September 1999 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrem Vorbringen und hält das Urteil des Sozialgerichtes für zutreffend.
Das Gericht hat von der Klägerin eine Aufstellung der Behandlungsdaten, Bl. 54 f. d. A., angefordert. Es hat weiterhin eine Auskunft der Gesundheitszentrum B./W. gGmbH vom 13. April 2011, Bl. 118 d. A., eingeholt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung am 19. Mai 2008 zu Protokoll des Gerichts – die Beklagte – und mit Schriftsatz vom 5. Juni 2008 – die Klägerin – zugestimmt.
Die Akte der Beklagten – Az. – hat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Anerkennung von Unfallfolgen und die Zahlung einer Verletztenrente abgelehnt hat.
Die Klägerin hat nicht den gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestehenden Anspruch auf Feststellung von Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen, weil bei ihr solche Unfallfolgen nicht vorliegen. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen in einem naturwissenschaftlichen Sinne auf den Unfall zurück zu führen sind. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch die Gesundheitsstörung fehlen würde (vgl. BSG, Urt. v. 17.2.2009 – B 2 U 18/07 R – Juris, Rdnr. 12). Beweismaßstab (nur) für den Zusammenhang ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel daran ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17); zu den Tatsachen, die in die Zusammenhangsbeurteilung eingehen, hat das Gericht sich eine volle Überzeugung zu bilden, die auf einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fußt.
Der Senat kann sich zunächst keine Überzeugung davon bilden, dass die Gesundheitsstörungen Korbhenkelriss des Innenmeniskus, Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes und krankhafte Erweichung der Knorpelgrundsubstanz des linken Kniegelenkes schon zeitlich unmittelbar nach dem Unfall vorgelegen haben. Diese Diagnosen hat bei der 1984 durchgeführten Behandlung niemand gestellt. Es gibt auch keine ärztliche Äußerung, die die damals gestellten Diagnosen aus der Befundsituation heraus insoweit für falsch erklärt. Vielmehr bestätigt Dipl.-Med. S., Anzeichen für eine Verletzung der Kapselbandstrukturen oder der Menisken hätten sich damals nicht ergeben. Weitere Hinweise aus der damaligen Behandlung lassen sich nicht gewinnen. Soweit die Klägerin die Frage nach Behandlungen des Knies mit der Benennung von vier späteren Behandlungsdaten aus den Jahren 1984/85 beantwortet hat, kann der Senat daraus nicht den Schluss ziehen, es seien weitere Behandlungen des Knies erfolgt. Das dafür als Quelle benannte Archiv hat dem Gericht nämlich mitgeteilt, über keinerlei Unterlagen (mehr) zu verfügen. Die Frage nach möglichen weiteren Erkenntnissen zu den Befunden und zum Krankheitsbild zu dieser Zeit erübrigt sich danach ebenfalls. Schließlich geben auch die Unterlagen über die Behandlung am 8. März 1986 keinen Hinweis auf vorbestehende Gesundheitsstörungen, die sich auf den Unfall 1984 zurück führen ließen. Mangels jeglicher Anhaltspunkte ist schon nicht zu klären, ob es sich bei dem Wegknicken des Knies 1986 um ein Ereignis eigenständiger Ursache gehandelt hat oder ihm eine frühere Schwächung von Kniebinnenstrukturen zu Grunde liegt. Insofern überzeugt es, dass auch der Gutachter Dipl.-Med. S. aus dieser Behandlung keine Schlüsse zu Gunsten der Klägerin zu ziehen vermag. Aufgrund dieser Erwägungen kann der Senat sich auch keine Überzeugung bilden, dass der Unfall überhaupt Folgen hinterlassen hat, die zeitlich über die Behandlung am 9. August 1984 hinaus bestanden haben.
Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen sind arthroskopisch erstmals im September 1999 nachgewiesen; der Senat kann offen lassen, ob der Beschwerde- und Behandlungsverlauf ihm eine Überzeugung vom Vorhandensein der Gesundheitsstörungen schon zu Beginn der Behandlung bei den Dres. W. im Januar 1996 vermittelt. Dies unterstellt, ist ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen, dem Unfall und seinen Folgen ebenso wenig wahrscheinlich wie bei einem ersten Nachweis 1999. Dagegen spricht, dass die Klägerin zehn Jahre lang nicht unter nachweisbaren Beschwerden gelitten hat. So stellt sich die Sachlage dar, weil nach Mitteilung der Klägerin zehn Jahre lang keine ärztliche Behandlung des Knies stattgefunden hat. Dies passt auch dazu, dass nach den Unterlagen aus dem Jahre 1984 die damalige Knieverletzung als abgeheilt angesehen werden muss, weil keine dauerhaft verbliebenen krankhaften Befunde beschrieben sind und die Diagnose einer Bänderdehnung der Annahme einer folgenlosen Abheilung nicht entgegen steht.
Der Ursachenzusammenhang kann nicht darauf gestützt werden, andere Ursachen für den Eintritt der geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien nicht ersichtlich. Dipl.-Med. S. weist in schlüssigem Rückgriff auf ärztliche Erfahrungssätze darauf hin, dass Zusammenhangstrennungen im Bereich des vorderen Kreuzbandes lange Zeit klinisch stumm verlaufen könnten.
Es bedarf keiner weiteren medizinischen Sachaufklärung, weil alle wesentlichen Tatsachen und Erwägungen aus dem Gutachten von Dipl.-Med. S. hervorgehen. Soweit dieser anders als der Senat von dem Bestehen eines naturwissenschaftlichen Kausalzusammenhanges ausgeht, den Unfall aber nicht für wesentlich für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen hält, liegt dieser Einschätzung erkennbar ein rechtliches Missverständnis zu Grunde. Aus den medizinischen Erwägungen des Gutachters lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, worauf eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit des Unfalls für die als Folgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen liegen soll. Das vom Gutachter insoweit vertretene Ergebnis ist schon deshalb logisch nicht mit seinen medizinischen Ausführungen vereinbar, weil er nachdrücklich seine Meinung schildert, der Ereignisablauf sei zu einer Verursachung der geltend gemachten Gesundheitsschäden gar nicht geeignet.
Gleichwohl lässt das Gutachten den Schluss zu, dass der naturwissenschaftliche Zusammenhang gerade nicht besteht, weil der Gutachter alle tatsächlichen Gesichtspunkte verwertet hat. Auf die für den Senat Ausschlag gebenden Gesichtspunkte, nämlich das Fehlen von Erstbefunden, die in Form "signifikanter Verletzungszeichen" auf nur eine der geltend gemachten Gesundheitsstörungen hindeuteten, und die späte Sicherung einer Zusammenhangstrennung, hat der Gutachter selbst hingewiesen.
Anspruch auf Verletztenrente besteht gem. § 215 Abs. 6 i. V. m. § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) für die Klägerin nicht. Es liegt keine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens mit der Folge geminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 56 Abs. 2 SGB VII vor, die auf den Arbeitsunfall als Versicherungsfall im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII zurück zu führen wäre. Der Arbeitsunfall hat nämlich – wie dargelegt – schon keine Gesundheitsfolgen bis zum Beginn des geltend gemachten Anspruchszeitraumes hinterlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht.
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